Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Meine Damen und Herren! Allen, die sich mit dieser Thematik auseinander gesetzt haben, muss klar sein, dass die eigentlichen Probleme, die eine Insolvenzberatung erst notwendig machen, mithilfe dieses Ausführungsgesetzes nicht zu lösen sind.

Banken, die trotz ihres geballten Finanzsachverstandes Kredite an Menschen vergeben, die nicht über eine hinreichende Einkommensbasis oder andere Sicherheiten

verfügen, sollten ihre Geschäftspraktiken überprüfen und ihre Kunden besser beraten. Der Entzug der Zulassung zur Unterhaltung eines Girokontos, das für ein Leben in der heutigen Zeit zwingend notwendig ist, scheint dann eher ein Akt der eigenen Hilflosigkeit angesichts versäumter Beratungschancen gegenüber den Kunden zu sein.

Aber auch der verantwortungsvolle Umgang mit Geld scheint in der Bevölkerung nicht mehr weit verbreitet zu sein. Diesbezüglich sehe ich Defizite im Bereich der Bildung. Wissen über den Umgang mit Geld und die Chancen und Risiken von Krediten für Verbraucher muss frühzeitig vermittelt werden. Hierbei ist auch jede einzelne Familie gefragt. Ich denke, Eltern können auch ohne Funktelefone mit ihren Kindern kommunizieren. Das gilt auch umgekehrt und für die Kids untereinander. Ein möglicher Einstieg in die Verschuldung ließe sich so vielleicht manchmal vermeiden. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Scholze von der FDP-Fraktion. - Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich kann heute nur die bereits im Rahmen der ersten Lesung an diesem Gesetzentwurf geübte Kritik wiederholen. Die Verabschiedung der vorliegenden Beschlussempfehlung wird erhebliche Probleme auslösen.

Herr Scharf, es hätte sich gelohnt, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen oder zurückzuüberwiesen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Frau Liebrecht, wir müssen wahrscheinlich in unterschiedlichen Anhörungen gewesen sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Nicht nur die betroffenen Verbände, Herr Scholze,

(Herr Kehl, FDP: FDP!)

- FDP, genau -

(Heiterkeit)

sondern auch Herr Professor Kohte hat ein so vernichtendes Urteil über den vorliegenden Gesetzentwurf gefällt, dass wir nach der Anhörung fraktionsübergreifend der Auffassung waren - ich habe es damals ihren ratlosen Gesichtern angesehen -, dass man diesen Gesetzentwurf eigentlich hätte zurückziehen müssen.

(Zustimmung bei der SPD)

In Deutschland sind zurzeit fast drei Millionen Haushalte überschuldet. Im Jahr 1999 sind die Regelungen zur Verbraucherinsolvenz in Kraft getreten. Die Zahl der überschuldeten Menschen in Deutschland steigt stetig an. Waren es im Jahr 2001 noch 21 441 Menschen - das bedeutet einen Anstieg um 62 % gegenüber dem Vorjahr - so waren es im Jahr 2003 bereits 33 609 Verfahren. Das entspricht einer Steigerung um 57 % gegenüber dem Jahr 2001. Dieser Trend setzt sich auch im Jahr 2004 fort.

Häufig wird Sozialpolitikern, die den Präventivgedanken verstärkt verfolgen, vorgeworfen, dass der Effekt der Prävention nicht messbar sei. Hier haben wir aber einen Bereich, in dem im Rahmen von Untersuchungen nachgewiesen wurde, dass es durch Beratungen zur Vermeidung von Kosten kommen kann.

Es gibt für das Land Berlin - auch das haben wir gehört - eine Studie, mit der nachgewiesen wurde, dass das Land Berlin mit jedem Euro, den es für die Insolvenzberatung ausgibt, zwei Euro einspart. Der wirtschaftliche Nutzen ergibt sich aus den nicht entstandenen Kosten insbesondere für Sozialhilfeleistungen und nicht entstandenen Gerichtskosten für Insolvenzverfahren. Für das Land Berlin bedeutet das eine Ersparnis von 10 bis 14 Millionen € pro Jahr.

Was aber macht nun der von der Landesregierung vorgelegten Gesetzentwurf? - Er verkehrt alle bereits angestellten Überlegungen ins Gegenteil. In der Begründung heißt es:

„Angesichts der Finanzsituation des Landes ist das derzeitige Förderverfahren nicht aufrechtzuerhalten.“

Dies soll durch die Einführung von Fallpauschalen gelöst werden. Über den Sinn und Zweck von Pauschalen kann man vielleicht noch streiten. Aber es muss klar sein, dass sie wenigstens in angemessener Höhe ausgereicht werden müssen.

Der Sinn und Zweck, den man aber hier im Land damit verfolgt, ist, den Druck auf die Berater zu erhöhen. Man will die Verfahren beschleunigen. Es soll also keine außergerichtliche Einigung mehr stattfinden; vielmehr soll sich der Schuldner von der Beratungsstelle nur noch das Scheitern des Einigungsversuchs quittieren oder - so hat es Frau Freudenberg-Pilster einmal ausgedrückt - abstempeln lassen. Der Schuldner wird damit in das Verfahren vor Gericht gezwungen. Dabei sind aber gerade diese Verfahren teurer als ein außergerichtlicher Einigungsversuch. Somit wird es unweigerlich zu einem Anstieg der Kosten im Justizhaushalt kommen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Im Ausschuss wurde zugesagt, dass in der Verordnung auch die Fälle berücksichtigt werden, in denen die Beratung abgebrochen wurden. Ich hoffe, dass es zu dieser Rechtsverordnung kommt. Darin soll auch das In-KraftTreten festgelegt werden. Wir haben schon einmal auf Verordnungen gewartet.

(Herr Kosmehl, FDP, lacht)

Die Entwicklung in Sachsen-Anhalt widerspricht auch den Entwicklungen auf der Bundesebene, wo zurzeit über eine Novellierung der Insolvenzordnung diskutiert wird, die genau in die andere Richtung gehen soll. Dabei soll das Augenmerk mehr auf die außergerichtliche Einigung gelenkt werden, da man erkannt hat, dass das die Variante darstellt, die kostensparender ist.

Ich habe - anders als Frau Tiedge - heute darauf verzichtet, etwas zum sozialen Hintergrund zu sagen. Vielmehr habe ich wirtschaftliche Erwägungen vorgetragen, anhand derer deutlich wird, dass außergerichtliche Einigungen nicht nur den Justizhaushalt, sondern den Gesamthaushalt des Landes entlasten würden. Das ergab sich übrigens auch während der ausführlichen Anhörung aus den Ausführungen von Herrn Professor Kohte.

Vor dem Hintergrund der letzten Äußerungen möchte ich einmal wissen, warum man den Gesetzentwurf rückwirkend zum 1. Januar 2004 in Kraft treten lassen will.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Das erschließt sich mir rechtlich überhaupt nicht. In der Gesetzesbegründung heißt es, dass man mit dem Gesetz die Fallpauschalen einführen will. Wenn man aber die Fallpauschalen erst zum 1. Juli 2004 einführen will, dann braucht man nicht mehr den Umweg über die Rechtsverordnung.

Deshalb - ich habe mir gerade sagen lassen, man kann auch mündlich einen Änderungsantrag stellen - stelle ich hiermit den Antrag, § 2 zu ändern, in dem es heißt:

„Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Januar 2004 in Kraft.“

Diese Regelung soll durch folgende Regelung ersetzt werden:

„Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Juli 2004 in Kraft.“

Danke schön, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Grimm-Benne. - Das war ein klarer Änderungsantrag. Die Debatte ist abgeschlossen.

Ich lasse über die selbständigen Bestimmungen - es sind nur zwei Paragrafen - getrennt abstimmen, weil ein Änderungsantrag vorliegt. Wer stimmt § 1 zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der § 1 angenommen worden.

Zu § 2 liegt ein Änderungsantrag vor, der soeben vorgetragen wurde, nach dem die In-Kraft-Setzung am 1. Juli 2004 erfolgen soll. Wer stimmt diesem Änderungsantrag der SPD-Fraktion zu? - Das ist die Oppositionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist er abgelehnt worden.

Wir stimmen nun über den § 2 in der Fassung der Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Oppositionsfraktionen. Damit ist er so angenommen worden.

Wer stimmt der Gesetzesüberschrift zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Teile der Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Weitere Teile der Oppositionsfraktionen. Somit ist die Überschrift angenommen worden.

Wer stimmt dem Gesetz in seiner Gesamtheit zu? - Die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - Die Oppositionsfraktionen. Das Gesetz ist mehrheitlich angenommen worden. Der Tagesordnungspunkt 5 ist somit erledigt.

Ich unterbreche die Sitzung für 60 Minuten. Sie wird um 13.45 Uhr fortgesetzt.

Unterbrechung: 12.42 Uhr.

Wiederbeginn: 13.59 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir fahren in der Sitzung fort. Bevor ich Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, weise ich dar

auf hin, dass der Tagesordnungspunkt 7 abgesetzt wurde, sodass wir dann mit dem Tagesordnungspunkt 8 fortfahren.

Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt 6 auf:

Zweite Beratung