Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Meldegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt und des Landesarchivgesetzes

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/1194

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres - Drs. 4/1614

Die erste Beratung fand in der 32. Sitzung des Landtages am 12. Dezember 2003 statt. Der Berichterstatter des Ausschusses für Inneres ist der Abgeordnete Herr Kosmehl. Bitte sehr.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Wenigstens sind Sie da!)

Herr Dr. Püchel, wir sind manchmal mehr, als Sie denken.

(Heiterkeit bei der FDP und bei der CDU - Herr Dr. Püchel, SPD: So viele nun auch wieder nicht!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Hohen Haus liegt die Beschlussempfehlung des Innenausschusses sowie des Ausschusses für Recht und Verfassung zum Meldegesetz vor.

Der Landtag hat den Gesetzentwurf nach einer ersten Beratung in der 31. Sitzung am 11. Dezember 2003 zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Inneres sowie zur Mitberatung an den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen.

Nachdem sich der Innenausschuss in seiner Sitzung am 28. Januar 2004 über die weitere Vorgehensweise verständigte, folgte in der Sitzung am 10. März 2004 eine Anhörung der kommunalen Spitzenverbände und des Landesdatenschutzbeauftragten. Sowohl vonseiten der kommunalen Spitzenverbände als auch vonseiten des Landesbeauftragten für den Datenschutz wurden keine Bedenken gegen den Gesetzentwurf vorgebracht. Allerdings verwiesen die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände darauf, dass aus ihrer Sicht ein erheblicher finanzieller Aufwand bei der Schaffung der erforderlichen technischen Voraussetzungen entstehen werde.

In seiner 29. Sitzung am 7. April 2004 beschloss der Innenausschuss einstimmig eine vorläufige Beschlussempfehlung. In diese vorläufige Beschlussempfehlung ist der Änderungsantrag der SPD-Fraktion eingeflossen, die §§ 3 und 6 nicht, wie im Regierungsentwurf vorgesehen, zu streichen, sondern die Vorschriften über das Meldegeheimnis und die Bezugnahme auf das Datenschutzgesetz im Meldegesetz zu belassen, um beim Leser Missverständnisse zu vermeiden. Dieser Änderungsantrag fand breite Zustimmung.

Seitens der Fraktionen der CDU und der FDP wurde ein Änderungsantrag zu Artikel 1 des Gesetzes eingebracht, der dem am 15. Dezember 2003 in Kraft getretenen Steuerrechtsänderungsgesetz 2003, durch das nicht nur

das Melderechtsrahmengesetz, sondern auch die Abgabenordnung geändert wurde, Rechnung tragen sollte. Auch dieser Änderungsantrag wurde mit großer Mehrheit beschlossen.

Bei weiteren der Synopse zu entnehmenden Änderungen handelt es sich um notwendige Folgeänderungen sowie um rechtsförmliche Änderungen. Die Koalitionsfraktionen hielten ein einheitliches In-Kraft-Treten des Gesetzes für sinnvoll. Auch dieser Änderungsantrag fand im Ausschuss breite Zustimmung.

Der mitberatende Ausschuss für Recht und Verfassung votierte einstimmig für den so geänderten Gesetzentwurf.

Unter Hinzuziehung der Beschlussempfehlung des mitberatenden Ausschusses für Recht und Verfassung erarbeitete der Innenausschuss in seiner 30. Sitzung am 12. Mai 2004 eine Beschlussempfehlung für den Landtag. Ich bitte Sie, dieser Beschlussempfehlung zuzustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Kosmehl, für die Berichterstattung. - Wir treten nun in die Debatte ein. Zunächst hat für die Landesregierung Herr Minister Jeziorsky um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister Jeziorsky.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Meldegesetzes des Landes SachsenAnhalt und des Landesarchivgesetzes soll das Melderecht des Landes umfassend modernisiert werden und ein weiterer Schritt hin zu einer bürgerfreundlichen Verwaltung erfolgen.

Die wesentlichen Änderungen des Gesetzentwurfs ergeben sich insbesondere aus der Umsetzung der Vorgaben des inzwischen dreimal geänderten Melderechtsrahmengesetzes, auf die ich an dieser Stelle nicht näher eingehen möchte.

Besonders herausstellen möchte ich allerdings, dass sich den Meldebehörden mit der Gesetzesänderung auch eine Chance für die Entbürokratisierung und für die Vereinfachung von Verwaltungsabläufen eröffnet. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Schaffung der rechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung automatisierter Verfahren bei der Kommunikation mit dem Bürger und anderen öffentlichen Stellen des In- und Auslandes zu nennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einführung neuer elektronischer Informations- und Kommunikationsstrukturen ist als ein Angebot an die Kommunen zu verstehen. Ich hoffe, dass diese Schritt für Schritt von den Möglichkeiten Gebrauch machen.

Mit der vorgesehenen Verkürzung der Schutzfrist für Archivgut wird im Landesarchivgesetz eine Änderung des Bundesarchivgesetzes nachvollzogen. Es besteht keine rechtliche Notwendigkeit, in Sachsen-Anhalt längere Schutzfristen als im Bund oder in anderen Ländern festzulegen. Durch die angestrebte Verkürzung der Schutzfrist kann insbesondere der historischen Forschung ein umfassenderer Zugang zu den Quellen als bisher ermöglicht werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung trägt der erneuten Änderung des Melderechtsrahmengesetzes durch das Steuerrechtsänderungsgesetz 2003 Rechnung. Das Ziel dieser Änderung, die bereits am 1. Juli 2004 in Kraft tritt, ist die Schaffung der Voraussetzungen für die Speicherung einer nur steuerlichen Zwecken dienenden Identifikationsnummer nach der Abgabenordnung im Melderegister. Aufgrund der bundesgesetzlichen Vorgabe ist die Umsetzung in Landesrecht notwendig.

Die aus Gründen der Normensparsamkeit zur Streichung vorgesehenen Regelungen zur Anwendung des Datenschutzgesetzes und zum Meldegeheimnis wurden wieder in den Gesetzentwurf aufgenommen. Da diese Vorschriften ohnehin im Landesdatenschutzgesetz enthalten sind und nur deklaratorischen Charakter haben, bestehen gegen die Beibehaltung dieser Regelungen im Landesmeldegesetz keine Bedenken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Mitgliedern des Innenausschusses und des Ausschusses für Recht und Verfassung für die konstruktive Beratung in den Ausschüssen bedanken und darf Ihnen empfehlen, sich der Beschlussfassung des Ausschusses anzuschließen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Rothe für die SPD-Fraktion sprechen. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Modernisierung des Melderechts steht im Einklang mit dem geänderten Melderechtsrahmengesetz des Bundes und wird von der SPD-Fraktion mitgetragen. Ich erwähne beispielhaft die Ausdehnung des Verzichts auf die Abmeldepflicht, die für Umzüge innerhalb des Landes Sachsen-Anhalt schon im Jahr 1996 eingeführt wurde, auf Umzüge im gesamten Bundesgebiet.

Gleichwohl ist es erforderlich, dass wir heute über einen Punkt reden, der im Innenausschuss für Irritationen gesorgt hat. Ich meine die Behandlung des bereichsspezifischen Datenschutzes im Meldegesetz, die von exemplarischer Bedeutung auch für andere Gesetze ist und weiterhin sein wird.

Dem Regierungsentwurf zufolge sollten die §§ 3 und 6 des Meldegesetzes entfallen. In § 6 ist das so genannte Meldegeheimnis verankert. Danach dürfen Personen, denen bei den Meldebehörden die Verwaltung des Melderegisters obliegt, im Zusammenhang mit diesem Register stehende personenbezogene Daten nur zu dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zweck erheben, verarbeiten oder nutzen.

In der Begründung zu dem Regierungsentwurf heißt es, der Regelungsinhalt des § 6 sei im Datenschutzgesetz enthalten. Durch eine Klarstellung in der Verwaltungsvorschrift zum Meldegesetz werde auf die Geltung dieser Bestimmungen hingewiesen, sodass zur Vermeidung von Wiederholungen und zur Straffung der Rechtsvorschriften die Vorschrift über das Meldegeheimnis entbehrlich sei.

Die Absicht, in der Verwaltungsvorschrift zum Meldegesetz auf die Anwendung des Datenschutzgesetzes hinzuweisen, findet sich ebenfalls in der Begründung zur Aufhebung von § 3 des Gesetzes. Auch hierbei werden die Normensparsamkeit und der damit verbundene Verzicht auf unnötige Vorschriften ins Feld geführt. Worum es tatsächlich geht, hat die Landesregierung an anderer Stelle deutlicher zum Ausdruck gebracht, und zwar in ihrer Stellungnahme zum sechsten Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Die Stellungnahme der Landesregierung liegt uns in Drs. 4/1257 vom 15. Dezember 2003 vor. Darin heißt es - ich zitiere -:

„Erreicht werden muss auch die Vereinfachung des Datenschutzrechts. Hierzu bedarf es eines radikalen Abbaus bereichsspezifischen Datenschutzrechts, ohne hierbei den Datenschutz substanziell abzusenken.“

Herr Kollege Borgwardt, Sie nicken. Ich habe bei dieser Formulierung den Verdacht, dass mancher in Ihren Reihen sich mit Wohlwollen an den Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann und dessen Spruch „Datenschutz ist Täterschutz“ erinnert. Genau diese Tendenz lehnen wir mit Entschiedenheit ab.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Wir haben dazu in den Ausschüssen nachgefragt. Mein Eindruck, auch nach der Lektüre der Ausschussprotokolle, ist es, dass von der Landesregierung zwar keine substanzielle Absenkung gewollt ist, aber eben doch eine Absenkung der Wertigkeit des Datenschutzes. Dabei muss man schon in den Anfängen dieser Entwicklung deutlich widersprechen.

Es kommt im wirklichen Leben auf die Perspektive des Rechtsanwenders an. Das sind nicht die Ministerialbeamten, die sich über viele Jahre hinweg der komplizierten Materie des Datenschutzes widmen und sämtliche Verästelungen kennen. Ich spreche vielmehr von den Polizeivollzugsbeamten, die noch ganz andere schwerwiegende Dinge im Kopf haben müssen und die aufgrund des heute zu beschließenden Gesetzes online auf die Datenbestände der Meldebehörden zugreifen können. Die Möglichkeit des automatisierten Datenzugriffs, von der der Innenminister gesprochen hat, außerhalb der Öffnungszeiten der Meldebehörde, also etwa am Wochenende, begrüße ich aus polizeilicher Sicht ausdrücklich. Wir verankern diese Möglichkeit jetzt zu Recht im Meldegesetz.

Wollen Sie den Beamtinnen und Beamten aber zumuten, dass sie in der Verwaltungsvorschrift zum Meldegesetz nachlesen, um sich Klarheit über die Gesetzeslage zu verschaffen? Genau das wird in der Begründung zum Regierungsentwurf den Anwendern empfohlen. Muss sich nicht der wesentliche Regelungsgehalt aus dem Fachgesetz selbst ergeben und gehört nicht das Meldegeheimnis dazu? Ich denke, bei allem, was einem als Regelung wirklich wichtig ist, schafft man die Klarheit in dem jeweiligen Gesetz und nicht mit irgendwelchen Verwaltungsvorschriften.

Meine Damen und Herren! Die Landesregierung führt aus, dass sie keine substanzielle Absenkung des Datenschutzes will. Wir wollen gar keine Absenkung des Datenschutzes, sondern wollen ihn auch künftig bereichsspezifisch so ausgestalten, wie es das Bundesverfassungsgericht in seinem Volkszählungsurteil von 1983 gefordert hat.

Ich freue mich, dass wir dafür im Innenausschuss Verbündete gefunden haben. Gegen die Stimmen der Union hat die Ausschussmehrheit beschlossen, dass das Meldegeheimnis im Meldegesetz verankert bleibt. Ich hoffe, Herr Kollege Kosmehl, dass ich Sie nicht zu sehr kompromittiere, wenn ich Ihnen dafür meine Anerkennung ausspreche. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD - Herr Dr. Püchel, SPD: Wenn er sie verdient hat, kriegt er sie auch!)

Danke, Herr Abgeordneter Rothe. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Kolze.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung des Meldegesetzes wird eine Anpassung des Meldegesetzes und des Landesarchivgesetzes an bundesgesetzliche Vorgaben verfolgt. Das unserem Landesmelderecht zugrunde liegende Melderechtsrahmengesetz wurde vom Bundesgesetzgeber umfassend geändert. Ziel war es grundsätzlich, Erleichterungen für die Bürger einzuführen und die Rechtsvoraussetzungen für technische Informationssysteme und das E-Government zu schaffen.

Damit liegen uns jetzt die rechtlichen Grundlagen dafür vor, die Meldebehörden in Bürgerbüros einzubinden und vermehrt Dienstleistungsangebote im Internet zur Verfügung zu stellen. Wir können uns nun den technischen Fortschritt zunutze machen, um auf dem Gebiet der Meldebehörden schneller, einfacher und bürgerfreundlicher zu arbeiten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das passt auch gut in unser Konzept der Verwaltungsmodernisierung. Unser Ziel ist es, die öffentliche Verwaltung in allen Bereichen schlanker und moderner zu gestalten. Wir wollen dem Bürger den Umgang mit den Behörden erleichtern und ihn komfortabler machen. Dazu gehört es auch, dass jeder von uns bestimmte Behördengänge einspart, indem er sich einfach zu Hause an den Computer setzt. Wir sind mit den elektronischen Medien inzwischen so weit, dass wir diese Möglichkeit auf jeden Fall auch für die öffentliche Verwaltung nutzen müssen.

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schaffen wir auf Landesebene die nunmehr vom Rahmengesetzgeber ermöglichten Voraussetzungen. Natürlich muss, um die Vorzüge dieser Verfahrensweise und die damit verbundene Einführung der elektronischen Dienste für den modernen Staat und seine Bürger voll wirksam werden zu lassen, dem Datenschutz und der Datensicherheit Priorität eingeräumt werden. Dem wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in vollem Umfang Rechnung getragen. Durch eine direkte Verzahnung einzelner Änderungsvorschriften mit dem Landesdatenschutzgesetz und entsprechende technisch-organisatorische Vorgehensweisen werden die neuen Regelungen einen hohen Sicherheitsstandard gewährleisten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, dass mit den Änderungen bürokratische Hürden abgebaut werden können und wir wieder einen Schritt zu einer strafferen und bürgernäheren Verwaltung gehen. Natürlich kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt das EGovernment nur als Angebot und Alternative für die Meldebehörden verstanden werden, da auf sie aufgrund

der elektronischen Nutzung der Meldedaten natürlich Kosten für die Anschaffung und die Bereitstellung der für die elektronischen Dienste benötigten Hard- und Software zukommen.

Die meisten wollen diese Investitionen ohnehin tätigen. Um die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die elektronische Kommunikation bereitzustellen, schaffen das Land und die Kommunen die erforderliche Technik ohnehin nach und nach an. Dies ist im Zuge der Verwaltungsmodernisierung unerlässlich und hat den finanziellen Möglichkeiten entsprechend zu erfolgen.