Protokoll der Sitzung vom 17.06.2004

Wie der Teufel das Weihwasser hat die Koalition sich gescheut, die Angabe 10 % der Landesfläche hineinzuschreiben. Wir haben schon genug. Also brauchen wir das nicht. Wir hatten angeboten, dann 15 % hineinzuschreiben, um einen entsprechenden Anreiz zu geben. Allen Kommentaren zum Bundesnaturschutzgesetz ist aber ausdrücklich zu entnehmen, dass diese Formulierung mit den 10 % ein durchgreifendes Recht ist und explizit in die Landesgesetzgebung aufgenommen werden muss.

(Zustimmung bei der PDS)

Dann kommen solche Feinheiten wie unter § 19 - Genehmigungspflicht von Eingriffen. Ich kann eine Sache so darstellen und anders. Im Bundesnaturschutzgesetz steht: Der Eingriff darf nicht zugelassen werden, wenn... Dann folgen die Bedingungen.

In dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung heißt es:

„Ein Eingriff, der zu Beeinträchtigungen führt... darf nur genehmigt werden, wenn...“

Das scheint auf den ersten Blick kein großer Unterschied zu sein. Aber die Grunddiktion ist anders. Die Beweisumkehr liegt danach auf der Seite der Behörden.

Jetzt zu den Punkten, die die Wirtschaft betreffen. Bisher klare Verfahrensabläufe, an die die Planer und die Wirtschaft gewöhnt waren, wurden unnötigerweise verändert. Zum Beispiel waren die Grünordnungspläne, die gestrichen werden, bisher eine ganz klare Vorgabe für die Planungen in den B-Planverfahren. Jeder Planer wusste, was er zu leisten hatte, was der Grünordnungsplan zu beinhalten hatte und welche Festsetzungen aus diesem in den B-Plan übernommen werden mussten. All das ist jetzt weg. Die Wirtschaft und die entsprechenden

Genehmigungsbehörden haben keine Anhaltspunkte. Wir entledigen uns hiermit vermeintlich eines Hemmnisses und schaffen wesentlich mehr Hürden für die Wirtschaft. - Ich weiß, wovon ich rede.

Noch etwas anderes: Herr Kehl, Landschaftsplanung ist nicht neu. Wir haben in sämtlichen Landkreisen des alten Zuschnitts schon Landschaftsrahmenpläne vorliegen.

(Zuruf von Herrn Kehl, FDP)

In zahlreichen Gemeinden haben wir Landschaftspläne, die alle schon wesentliche Dinge festschreiben, und das seit zehn Jahren. Nur an der Umsetzung hapert es.

Des Weiteren war die Wirtschaft - wer mit ihr umgegangen ist, weiß das - an eine Vokabel gewöhnt, mit der jeder in der Wirtschaft Tätige etwas anfangen konnte. Das waren die §-30-Biotope. Das war etwas ganz Heiliges. §-30-Biotope auf dem Grundstück bedeuteten Gefahr. Ich musste etwas tun. Ich musste es schonen. Ich musste sofort auf die Naturschutzbehörden zugehen.

Jetzt wird dieser § 30 zu § 38. Die Wirtschaft, die Planer können sich ja umorientieren. Freilich können sie das. Wir haben deshalb den Vorschlag gemacht, dass es ohne eine Verrenkung möglich wäre, den § 38 an die Stelle des § 30 zu ziehen und letztlich damit Kontinuität zu wahren. Aber es war wahrscheinlich doch etwas zu viel verlangt, diesen Gedanken nachzuvollziehen.

In Bezug auf das Ökokonto erfolgte meiner Auffassung nach zumindest ein Paradigmenwechsel. Ursprünglich als gemeindliches Instrument eingeführt - siehe die Pressemitteilung der Ministerin von vor einem Jahr -, ist es plötzlich fast zum Zertifikathandel mit Eingriffspunkten geworden. Hierbei gilt es, in der untergesetzlichen Ausformung klare Aussagen zu treffen.

Ich habe zwar die entsprechenden Unterlagen hier, aber ich kann es mir ersparen, die Details unserer Vorstellungen zum Ökokonto noch einmal darzulegen. Wir werden darüber vielleicht noch einmal im Ausschuss reden.

Die Arbeit im federführenden Ausschuss bestand zum großen Teil darin, die zahllosen rechtlichen, naturschutzfachlichen und sprachlichen Ungenauigkeiten im Gesetzentwurf und in den zahlreichen Änderungsanträgen der CDU und der FDP auszumerzen. Von diesen Ungenauigkeiten gibt es noch eine Reihe in dem Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung. Herr Hacke hat vorhin noch einige korrigiert, es sind noch mehrere darin zu finden.

Im Ergebnis eines ganzen Jahres von Beratungen in den Ausschüssen hat es nur in einer einzigen Ausnahme essenziellen Änderungen gegeben. Ich will ausdrücklich würdigen, dass die bis zum ersten deutschen Naturschutzgesetz zurückreichende Tradition der Berufung ehrenamtlicher Naturschutzbeauftragter wieder Gegenstand des Gesetzes geworden ist.

Geradezu als Offenbarung und Lackmustest für die Aussage des hohen Stellenwertes des Naturschutzes und kooperativer Formen ist die Verweigerung anzusehen, das Verbandsklagerecht in das Gesetz aufzunehmen. Der Bundesgesetzgeber hat es den Ländern ausdrücklich freigestellt, weitgehend auch andere Entscheidungen der Verbandsklage zu eröffnen. Bereits in der ersten Legislaturperiode im Jahr 1992 hat es hier eine mindestens halbstündige Debatte gegeben, in der erbittert über

dieses Verbandsklagerecht diskutiert worden ist. - Von kooperativem Miteinander ist gegenwärtig nichts zu spüren.

(Zustimmung von Herrn Czeke, PDS)

Die Umweltverbände zumindest sind doch sehr argwöhnisch und die Landesregierung hat eigentlich mit diesem Gesetz zumindest für die nächste Zeit nicht die Basis geschaffen, um das, was eigentlich die moderne Zeit braucht, nämlich kooperatives Miteinander, entsprechend in die Praxis umzusetzen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Köck. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Ruden sprechen. Bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einem Jahr hat Frau Ministerin Wernicke von dieser Stelle aus den Gesetzentwurf eingebracht.

Herr Dr. Köck, Sie kritisieren, dass wir immerhin ein Jahr für die Beratung gebraucht haben. Das kann man eigentlich von zwei Seiten sehen. Wenn Sie der Meinung sind, wir wären dabei dilettantisch vorgegangen und hätten es uns zu leicht gemacht, dann muss ich einfach entgegnen: Wir haben es uns selbst in der Koalition nicht leicht gemacht.

(Herr Oleikiewitz, SPD: Das hat man gemerkt!)

Wir hätten mit unserer Mehrheit über den Ministerentwurf einfach positiv abstimmen können. Ich muss Ihnen sagen: Aus heutiger Sicht wäre das in manchen Punkten besser gewesen. Das nur zur Erklärung für dieses eine Jahr.

Außerdem ein Wort an die Oppositionsfraktion SPD. Sie wissen selbst, was Sie in der Vergangenheit bei der Einführung von europäischem und Bundesrecht in unser Landesrecht für Mangelerscheinungen hatten. Man kann schon verwundert darüber sein, dass Sie einen Gesetzentwurf vorlegen, der nicht einmal das Bundesnaturschutzgesetz integriert. Insofern hat sich der Ausschuss darauf verständigt - Herr Hacke sagte das schon -, den Entwurf der Landesregierung als alleinige Grundlage für seine Beratungen zu nehmen.

Im Einzelnen möchte ich auf folgende Punkte eingehen. Sie haben bereits gesagt, dass wir für Wirtschaft, Verwaltung und Bürger ein größeres Einvernehmen herstellen wollen, und betonen als Opposition ständig, dass wir damit falsch lägen. Aber ist es nicht so, dass wir im Prinzip viele Gesetzeshürden für das menschliche Zusammenleben mit der Natur verringert haben, statt neue Verordnungen und Rangordnungen in irgendwelchen Behörden einzuführen?

Wir haben versucht, mit diesem Gesetz dem Land Sachsen-Anhalt einen prägenden Stempel aufzusetzen. Als Vorgabe hatten wir das Bundesnaturschutzgesetz, ein so genanntes Rahmengesetz, das aber sehr detailliert ausformuliert war - das muss ich sagen, meine Damen und Herren -, sodass wir wirklich wenig Spielraum hatten, überhaupt etwas Prägendes daraus zu machen.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Man kann sagen: Die Bundesländer werden in diesem Zusammenhang teilweise zur Ohnmacht verurteilt. Es gibt in den Bundesländern sicherlich unterschiedliche Ansprüche in Bezug auf ein Naturschutzgesetz. Ich finde, man kann das im Hinblick auf den gesamten Bund nicht gleichmäßig betrachten.

Zum Biotopverbund. Das ist schon thematisiert worden. Ich dachte, wir wären aus der Planerfüllungsmentalität und Tonnenideologie heraus. Wenn Herr Trittin uns eine Naturfläche von 10 % vorgibt und wir haben im Land vielleicht eine Naturfläche von 11 %, dann stellt sich die Frage: Was machen wir mit dem 1 %? Abholzen?

(Herr Oleikiewitz, SPD: Daraus machen wir 12 %, Herr Ruden!)

Ich frage mich, was die Überregulierung soll, die uns Herr Trittin durch 15 rechtssicher ausgefeilte Grundsätze für den Naturschutz und die Landschaftspflege vorgibt. Wir haben sechs daraus gemacht. Der sechste Punkt macht weise deutlich, dass im Übrigen das Bundesnaturschutzgesetz gilt. Wir haben in den restlichen fünf Punkten viele von diesen 15 rechtssicher ausgefeilten Grundsätzen aufgenommen. Im Prinzip ist unser Gesetz viel besser lesbar.

Der erklärte Wille der Regierung und der Regierungsfraktionen - das wurde schon gesagt - ist Deregulierung und Vereinfachung. Wir ermuntern die Eigentümer und Pächter mit der Vorschrift in § 7 dazu, Naturschutzaufgaben über Förderprogramme wahrzunehmen und möglichst vertragliche Vereinbarungen einzugehen, statt mit Ordnungsrecht und Verfügungen der Naturschutzbehörden zu arbeiten.

Sie haben auch das Planungsinstrument Landschaftsplanung erwähnt. Wir haben dieses Planungsverfahren für die kreisfreien Städte auf die Zweistufigkeit reduziert. Wir haben den Grünordnungsplan abgeschafft.

Als erfahrenes Mitglied des Bauausschusses der Landeshauptstadt Magdeburg frage ich: Was soll es bringen, wenn wir neben dem Bebauungsplan für ein Bebauungsgebiet, der sehr umfassend ist, mit dem fast gleichen Inhalt, selbstverständlich auf die Gründordnung spezialisiert, noch einen Grünordnungsplan bekommen? Was hat eine Festlegung bezüglich des Gründordnungsplans im Naturschutzgesetz zu verlieren, wenn es sich dabei um eine Kategorie aus dem Baurecht handelt? Das gehört nämlich dorthin.

(Zustimmung von Herrn Hacke, CDU, und von Frau Weiß, CDU)

Das Baugesetzbuch soll das meinetwegen regeln oder auch nicht. Ich denke, der Bebauungsplan ist ausreichend, um allen Belangen eines Bebauungsgebiets gerecht zu werden.

Im Zusammenhang mit dem Hochwasserschutz wurde vorhin schon ausgeführt, dass wir die Eingriffsschwelle vermindert haben. Das gilt ebenso für die Rekultivierung und die Erhaltung von Garten- und Friedhofsanlagen.

Ich will noch etwas zum Ökokonto sagen. Das kam bei Ihnen, obwohl die Anerkennung durchgeschimmert hat, wirklich zu kurz. Den kleinen Bonus hätten Sie uns wirklich ins Stammbuch schreiben können.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Es ist doch so, dass das eine echte Neuerung ist. Daran ist noch nicht einmal beim Bundesnaturschutzgesetz

gedacht worden. Dieses Ökokonto ist im Gegensatz zur Ökosteuer eine Motivation für die Bürger.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Jeder Bürger und jede Firma können jetzt punkten, wenn sie sich um Naturschutzmaßnahmen bemühen.

Sie hätten Biosphärenreservate auch gern mit einem Festsetzungsstatus gehabt. Ich weiß, die Ministerin hätte es noch einfacher haben wollen. Dazu muss ich Ihnen sagen, Biosphärenreservate sind keine Bürger- und Unternehmensreservate. Sie wollen sich doch entwickeln. Sie wollen in ihren Gebieten ihren Lebensunterhalt verdienen. Deshalb haben wir mit einer einfacheren Allgemeinverfügung als der ordnungsrechtlichen Festsetzung versucht, den Bürgern die Angst zu nehmen, damit sie nicht nur als Staffage in einem Naturreservat ihr Leben fristen sollen.

Sie von der Opposition meinen, dass die Naturschutzarbeit in unserem Gesetzentwurf zuwenig beachtet wird. Wir haben, wie Sie genau wissen, die Naturschutzbeiräte und die Naturschutzbeauftragten in den Gesetzentwurf aufgenommen.

Es geht jedoch nicht darum, zahlreiche weitere Ordnungs- und Beratungsstrukturen zu schaffen. Deswegen haben wir keine Naturschutzhelfer in das Gesetz aufgenommen. Alle ehrenamtlich für den Naturschutz Tätigen sind doch Naturschutzhelfer, auch wenn sie keinen Ausweis und kein Abzeichen haben.

Abschließend möchte ich noch auf eine Errungenschaft hinweisen, die wir letztlich unserer Demokratie zu verdanken haben. Wir möchten keine Enteignungen. Das wurde schon angesprochen. Derjenige, der auf seinem Grundstück ein Biotop besitzt, sollte es pflegen. Er sollte aber nicht enteignet werden; denn dann darf letztlich der Staat dieses Biotop auf Kosten von Steuergeldern pflegen.