Nun kommen wir zur Frage 9. Sie wird gestellt von Herrn Kasten von der PDS-Fraktion. Es geht um geplante Einschnitte der Bundesregierung bei Freifahrten für Behinderte in Bussen und Bahnen.
Nach den mir vorliegenden Informationen bereitet Ministerin Ulla Schmidt, SPD, ein Gesetz vor, das diese Freifahrten de facto abschafft. Danach sollen Schwerstbehinderte Busse und Bahnen nur noch im Nahverkehr ihres Wohnortes benutzen können. Unentgeltliche Bahnfahrten im Umkreis von 50 km und Freifahrten in anderen Städten sollen schon ab 1. Januar 2005 entfallen. Damit will die Bundesregierung 2005 17 Millionen € und 2006 25,8 Millionen € auf Kosten generell benachteiligter Bürger einsparen. Dabei sind Behinderte durch zusätzliche Beiträge und Kosten schon genug belastet.
1. Ist der Landesregierung dieser Sachverhalt bekannt und welche Auswirkungen hätte das für SachsenAnhalt?
2. Welche Schritte will die Landesregierung unternehmen, um diese unsoziale, entsolidarisierende Gesetzgebung zu verhindern?
Vielen Dank, Herr Kasten. - Für die Landesregierung spricht in Vertretung des Herrn Minister Kley wieder Herr Minister Daehre.
- Oh, es ist Herr Minister Olbertz. Bitte schön. Das ist mir falsch übermittelt worden. Wenn Sie aber die Antwort geben, ist es mir genauso recht.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Ich beantworte die Frage des Abgeordneten Kasten im Namen der Landesregierung für Herrn Kley, der aber nicht Mitglied der Bundesregierung ist,
Geregelt ist die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personenverkehr für schwerbehinderte Menschen im Neunten Buch des Sozialgesetzbuches. Danach werden schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, hilflos oder gehörlos sind, von Verkehrsunternehmen gegen Vorzeigen eines Schwerbehindertenausweises und eines mit einer gültigen Wertmarke versehenen Beiblattes im Nahverkehr unentgeltlich befördert.
Durch diese Beförderungsleistungen entstehen den Verkehrsunternehmen Einnahmeausfälle, die auszugleichen sind. Das Land Sachsen-Anhalt zahlt ca. 7,4 Millionen € im Jahr für die Erstattung der Fahrgeldausfälle an die anspruchsberechtigten Verkehrsunternehmen.
Zu den Fragen insgesamt: Bisher liegt der Landesregierung kein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor, sodass wir derzeit gar keine Aussagen dazu treffen können. Wenn es nicht despektierlich ist, könnte ich zurückfragen, auf welche Informationsquellen Sie sich selbst
Das gilt auch für eventuelle Auswirkungen auf das Land Sachsen-Anhalt, die man erst bewerten kann, wenn man die Anregung oder Initiative der Bundesregierung kennt. Sollte ein solcher Entwurf von der Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden, wird sich natürlich auch das Land Sachsen-Anhalt im Rahmen der Bundesratsbefassung eingehend damit auseinander setzen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. - Zusatzfragen werden nicht zu stellen gewünscht. Damit ist die letzte Frage beantwortet und die Fragestunde sowie der Tagesordnungspunkt 4 abgeschlossen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung wurde vom Plenum am 22. Januar 2003 behandelt und federführend in den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht und Verfassung überwiesen. Ziel des Gesetzes ist es, die derzeitige Förderung der Beratungsstellen für überschuldete Menschen in eine Fallpauschalenberechnung umzuwandeln.
Der federführende Ausschuss für Gesundheit und Soziales hat sich in der 18. Sitzung am 30. Januar 2004 darauf verständigt, zusammen mit dem beteiligten Ausschuss für Recht und Verfassung eine Anhörung durchzuführen. Die Anhörung fand am 26. Februar 2004 statt. Eingeladen wurden unter anderem die Vertreter der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, die unter dem Dach der Liga der Wohlfahrtsverbände zusammengeschlossenen Spitzenverbände, der Landkreistag und die Verbraucherzentrale Sachsen-Anhalt.
Bei dieser Anhörung hat insbesondere Professor Kohte von der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität, der sich vor allem mit Arbeits- und Sozialrecht sowie mit Verbraucher- und Insolvenzrecht beschäftigt, ausführlich seine Sicht der Dinge dargestellt und insbesondere den Unterschied zwischen Beratung und Insolvenzverfahren deutlich gemacht. Gleichzeitig hat er darauf hingewiesen, dass auf Bundesebene an einer Novellierung der Insolvenzordnung gearbeitet wird, die vorrangig die außergerichtlichen Einigungen zum Inhalt hat.
Die erste Gesetzesberatung führte der federführende Ausschuss am 12. März 2004 durch. Die Landesregierung wurde gebeten, in Vorbereitung der folgenden Sitzung eine statistische Auswertung der Tätigkeit der Insolvenzberatungsstellen für das Jahr 2002 vorzulegen, da es aufgrund von Aussagen des Landesrechnungshofes Irritationen gegeben hatte.
In der 21. Sitzung am 15. April 2004 hat der Ausschuss für Gesundheit und Soziales mit 7 : 4 : 0 Stimmen eine vorläufige Beschlussempfehlung verabschiedet. Sie hatte zum Inhalt, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen. Der Ausschuss einigte sich jedoch darauf, die Änderungsvorschläge des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes weitgehend aufzugreifen. Das heißt, für Einmalberatungen, Nachbetreuung und schuldlos abgebrochene Beratungen sollen zukünftig Pauschalen gezahlt werden. Dazu, wie dies geregelt werden soll, ob durch eine Verordnung oder per Gesetz, gab es im Ausschuss unterschiedliche Meinungen.
Der mitberatende Ausschuss für Recht und Verfassung hat den Gesetzentwurf in seiner 27. Sitzung am 21. April 2004 behandelt und sich mit der vorläufigen Beschlussempfehlung befasst. Er hat mit 7 : 5 : 0 Stimmen empfohlen, in Nummer 3 des Entwurfs der Landesregierung eine rechtsförmliche Änderung vorzunehmen. Inhaltliche Änderungen wurden nicht empfohlen.
Die abschließende Beratung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales fand am 24. Mai 2004 statt. Dabei ging es insbesondere um die Problematik des rückwirkenden In-Kraft-Tretens. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst wies wie auch schon in der vorhergehenden Sitzung darauf hin, dass zumindest die rückwirkende Änderung des Aufgabenzuschnittes risikobehaftet sei. Dem Vorschlag des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, den Gesetzentwurf in Paragrafen zu gliedern, ist der Ausschuss gefolgt.
Der so geänderte Gesetzentwurf einschließlich der Empfehlungen des Ausschusses für Recht und Verfassung wurde vom Ausschuss für Gesundheit und Soziales mit 6 : 5 : 0 Stimmen beschlossen. Die Mehrheit des Ausschusses empfiehlt also die Annahme des Gesetzentwurfs. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Bischoff. - Bevor die Debattenbeiträge der Fraktionen kommen, hat zunächst Herr Minister Olbertz für die Landesregierung das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich möchte nicht wiederholen, was Herr Bischoff zu den Abläufen dargestellt hat. Aber lassen Sie mich im Namen des Herrn Kollegen Kley kurz Folgendes ausführen.
Mit dem heute zu verabschiedenden Gesetz soll eine effizientere Förderung ermöglicht werden. Der außergerichtliche Einigungsversuch ist die erste von drei Stufen des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Von einer außergerichtlichen Einigung erhofft sich der Bundesgesetzgeber zweierlei. Einerseits soll eine außergerichtliche Einigung zu einer Entlastung der Gerichte führen; andererseits hat eine zwischen den Gläubigern und dem Schuldner frei ausgehandelte Vereinbarung eine höhere
Chance, von den Parteien akzeptiert zu werden, als ein staatlicher Eingriff in die Vertragsverhältnisse.
Darum sollte die gütliche Einigung den Vorrang vor einem gerichtlichen Verfahren haben. Dies wollen wir unterstützen, indem den anerkannten Insolvenzberatungsstellen bei erfolgreicher außergerichtlicher Einigung eine höhere Fallpauschale gewährt wird.
Nun ist jedem bewusst, dass Interessenkonflikte, erst recht wenn es um Geld geht, schwierig zu lösen sind. Durch das Einschalten einer dritten Person, die qualifiziert und zielorientiert arbeitet, kann ein solcher Konflikt aufgelöst werden. Für das Verbraucherinsolvenzverfahren wird diese Aufgabe von Personen wahrgenommen, die in den Beratungsstellen arbeiten.
In der Vergangenheit war es so, dass es für die Träger nicht darauf ankam, ob ein Fall in acht Stunden oder in 70 Stunden bearbeitet wird. Ebenso unerheblich für die Finanzierungshöhe pro Fall ist derzeit die Anzahl der Gläubiger pro Fall. Das aber soll sich in Zukunft ändern.
Um die Rechtsgrundlage für diese Neuausrichtung in der Förderpraxis der Insolvenzberatungsstellen zu schaffen, bitte ich Sie im Namen von Herrn Kley um Zustimmung, damit die Verordnung, in der dies geregelt werden kann, durch die Landesregierung zügig verabschiedet werden kann.
Ich darf hier aber erklären, dass sich die Regierung und die sie tragenden Fraktionen darauf verständigt haben, dass die Landesregierung nach der Verabschiedung des Gesetzes die Förderung zum 1. Juli dieses Jahres auf Fallpauschalen umstellen wird. Damit haben die Träger der Insolvenzberatungsstellen die Rechtssicherheit, dass bis dahin nach zurzeit geltendem Recht gefördert wird. Im Finanzausschuss wurden am Montag die finanziellen Grundlagen hierfür geschaffen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Minister Olbertz. Es gibt eine Frage von Frau Fischer. Möchten Sie die Frage von Frau Fischer beantworten? Vielleicht hören Sie sich die Frage erst einmal an.
Sie haben auf den Text verwiesen und dann das Ziel des Gesetzes formuliert. Meinen Sie nicht, dass der Inhalt des Gesetzes seinem Ziel widerspricht? Denn wenn mein Erfolg belohnt wird, suche ich mir doch nur solche Klienten aus, bei denen ich mit einem Erfolg rechnen kann. Ich suche mir also Fälle mit möglichst wenigen Beteiligten oder mit möglichst geringen Schulden. Alles andere überweise ich an die Gerichte.
Das wollen wir eigentlich nicht. Wir wollen die außergerichtliche Einigung erzielen. Ich gehe davon aus, dass sich bei dem jetzigen Wortlaut des Gesetzes die Beratungsstellen die leichteren Fällen aussuchen, damit sie einen Bonus bekommen, wenn sie Erfolg haben. Die schwierigeren Fälle werden die Gerichte entscheiden
Sehr geehrte Frau Fischer, Ihre Frage geht natürlich von einer Hypothese aus, die ich nicht teile, nämlich der, dass sich die Verantwortlichen ihrer Verantwortung in der Behandlung solcher Fälle nicht bewusst sind und deswegen - ich sage es einmal so - ein ziemlich problematisches Kalkül vor eine verantwortliche Handhabung der Aufgabenlösung stellen. Ich traue den damit befassten Kolleginnen und Kollegen zu, dass sie diesen Weg nicht beschreiten.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Debatte der Fraktionen eintreten, haben wir die Freude, auf der Südtribüne Damen und Herren der Industriegewerkschaft Bergbau und vom Bergmannsverein Harbke begrüßen zu können.