Die erste Beratung fand in der 35. Sitzung des Landtages am 4. März 2004 statt. Berichterstatterin wird die Abgeordnete Frau Weiß sein. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Gesetzentwurf zur Änderung der Bauordnung Sachsen-Anhalt wurde von den Fraktionen der CDU und der FDP am 4. März 2004 in den Landtag eingebracht.
Nach dem Willen der Koalitionsfraktionen sollte in § 6 Abs. 10 der Bauordnung die Tiefe der Abstandsfläche nach der größten Anlage bemessen werden. Die größte Höhe errechnet sich demnach aus der Höhe der Rotorachse zusätzlich des Rotorradius. Die Neuregelung kommt einer Verdoppelung der bisherigen bauaufsichtlichen Abstandsfläche für Windkraftanlagen gleich.
In § 77 Abs. 3 soll künftig für bauliche Anlagen, die nur befristet genehmigt werden, ausschließlich einem Zweck dienen und bei denen üblicherweise kein Folgenutzungsinteresse besteht, eine Rückbauverpflichtung gelten. Dies betrifft auch Windkraftanlagen. Die Baugenehmigung wird dann von einem geeigneten Sicherungsmittel wie beispielsweise einer Bürgschaft oder einer Hinterlegung abhängig gemacht. Außerdem schlagen die Fraktionen der CDU und der FDP auch für Windkraftanlagen bis zu 10 m Höhe, die nicht im Außenbereich stehen, ein bauaufsichtliches Verfahren vor. Dazu muss § 69 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe d geändert werden.
Der Gesetzentwurf wurde am 4. März 2004 vom Landtag mit den Stimmen der CDU-, der SPD- und der FDPFraktion an die Ausschüsse für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr, für Wirtschaft und Arbeit sowie für Umwelt überwiesen.
Im Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr fand am 23. April 2004 eine Anhörung im Magdeburger Landtagsgebäude statt. Es waren mehrere Bundesverbände, die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, die Industrie- und Handelskammer Magdeburg, die Bürgerinitiative „Gegen weitere Windräder im Altkreis Jessen“ und die Agro-Öko-Consult GmbH Berlin zugegen.
Mit den Ergebnissen der Anhörung befasste sich der Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr in seiner 26. Sitzung am 14. Mai 2004. In dieser Sitzung verabschiedete der federführende Ausschuss mit 7 : 0 : 6 Stimmen eine vorläufige Beschlussempfehlung dahin gehend, dem Gesetzentwurf in unveränderter Fassung zuzustimmen. Der mitberatende Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit schloss sich dieser Empfehlung mit 7 : 2 : 3 Stimmen und der mitberatende Ausschuss für Umwelt mit 7 : 3 : 2 Stimmen an.
In der 27. Sitzung am 4. Juni 2004 lag dem federführenden Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr vom Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages eine mit dem Ministerium für Bau und Verkehr einvernehmlich besprochene Synopse mit redaktionellen und sprachlichen Änderungen zum Gesetzentwurf zur Änderung der Bauordnung Sachsen-Anhalt sowie einem Vorschlag zu § 1 Nr. 3 vor. Seitens der Fraktionen der CDU und der FDP wurde dieser Vorschlag zum Antrag erhoben.
Mit dem Vorschlag in der Ihnen vorliegenden Synopse in § 1 Nr. 3 soll zunächst durch die Untergliederung deutlicher werden, welche der beiden Fallgruppen von baulichen Anlagen gemeint ist. Daneben soll eindeutig geregelt werden, was unter der „überwiegenden Folgenutzung“ einer baulichen Anlage zu verstehen ist. Mit der Regelung soll verhindert werden, dass spätere eher beiläufige Nutzungen zum Hauptgrund für die Folgenutzung werden.
Dies wäre zum Beispiel bei einer Windenergieanlage der Fall, an der eine Antenne für den Mobilfunk angebracht werden soll. Allein die angebrachte Antenne rechtfertigt das Verbleiben der ansonsten nicht mehr zur Stromerzeugung genutzten Windenergieanlage nicht. In diesem Fall wäre die Baugenehmigung von der Leistung eines geeigneten Sicherungsmittels abhängig zu machen. Anlagen, die ohne weiteres auch sinnvollen und zweckmäßigen Nutzungsänderungen zugänglich sein können, sollen von der Regelung nicht erfasst werden.
Dem so geänderten Gesetzentwurf in Drs. 4/1620 wurde mit 7 : 0 : 4 Stimmen zugestimmt. Ich bitte um Ihre Zustimmung. - Danke schön.
Danke, Frau Abgeordnete Weiß, für die Berichterstattung. - Für die PDS-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Köck sprechen. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der eigentliche Grund für das Anfassen der Bauordnung war, der zunehmenden Frustrierung vieler Bürger zu entsprechen, die Windkraftnutzung in geordnetere Bahnen zu lenken und sie einzuschränken. Viele waren der Meinung, mit der Vergrößerung der Abstandsmaße ließen sich die Probleme lösen. Es war wohl auch ein bisschen dem Wahlkampf geschuldet, dass diesem Eindruck zumindest nicht offensiv entgegengetreten wurde; denn jedem ist klar, mit den Abstandsmaßen wird eigentlich nichts gelöst. Einzig die Raumordnung und die Regionalplanung sind geeignete Instrumentarien, die eine Lenkungswirkung entfalten können.
Der sich in der Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung befindliche Entwurf einer Novelle zum Landesentwicklungsplan enthält deshalb auch die Raumordnungskategorie des Eignungsgebietes. Die konkrete Flächenfestlegung erfolgt dann durch die regionalen Planungsgemeinschaften. Das ist der einzige Erfolg versprechende Weg. Ich kann es gleich vorneweg sagen: Es gibt keinerlei Widersprüche von uns gegenüber dem, was von Ihrem Haus vorgelegt worden ist, Herr Minister Dr. Daehre.
Meines Wissens haben die regionalen Planungsgemeinschaften in den vergangenen Jahren spezielle Gutachten in Auftrag gegeben, um ein fundiertes Abwägungsmaterial zu erhalten. Diese Vorgehensweise erschien auch mir ausreichend, um in Zukunft eine geordnete Entwicklung in den Eignungsgebieten zu ermöglichen.
Mir fiel unlängst ein aktueller Artikel in der „Zeitschrift für Umweltrecht“ - Jahrgang 15, 2004, H. 2, S. 79 ff - in die Hände. Ich will daraus ein paar Kernpunkte nennen. Es ist mitnichten so, dass nun alle Probleme gelöst seien;
denn das Bundesverwaltungsgericht hat sich der Thematik mit richtungsweisenden Aussagen angenommen. Es geht um die Frage, ob auch die Regionalplanung eine effektive Steuerung des Baugeschehens im Außenbereich bewerkstelligen kann. Man glaubt gar nicht, wie viele offene Fragen sich erst jetzt auftun, wo man glaubt, man sei im sicheren Hafen.
Die Frage der Negativplanung ist also ein Kernpunkt des Bundesverwaltungsgerichts. Planung darf nicht darauf ausgerichtet sein, Windkraftnutzung zu verhindern, sondern nur darauf, sie planmäßig zu lenken und sie in die entsprechenden Räume zu lenken.
In entsprechenden Urteilen - ich will es damit hier auch bewenden lassen - sind Aussagen getroffen worden, dass nur dann von einer Verhinderungsplanung nicht die Rede sein kann, wenn in der Regionalplanung ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept vorliegt - das scheint bei den regionalen Planungsgemeinschaften der Fall zu sein; wenn jemand klagt, wird es sich herausstellen, ob es ausreichend ist - und eine Planung vorhanden ist, die sicherstellt, dass sich die betroffenen Vorhaben innerhalb der Konzentrationszone gegenüber konkurrierenden Nutzungen durchsetzen. Das heißt, Windkraftnutzung muss dann auch in den Eignungsgebieten stattfinden können und darf dort nicht auch wieder infrage gestellt werden.
Dann gibt es eine sehr unbestimmte Aussage der Oberverwaltungsgerichte und des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Windenergienutzung im Plangebiet in substanzieller Weise Raum zu schaffen sei. Es ist ein weites Feld, zu interpretieren, was „substanzielle Weise“ ist und wann dieser Punkt erreicht ist.
Ich will es dabei bewenden lassen und will sagen, dass der Thematik der Windkraftnutzung mit den Abstandsregelungen mitnichten beizukommen ist und dass wir als PDS-Fraktion denken, dass man auf die anderen Instrumentarien zukünftig mehr Wert legen sollte. - Danke.
Danke, Herr Dr. Köck. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Dr. Schrader sprechen. Bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei diesem Gesetzentwurf geht es ohne Zweifel um das Thema „Windenergieerzeugung und Bürgerakzeptanz“, aber auch wirtschaftspolitische und energiepolitische Aspekte dürfen bei der Diskussion nicht zu kurz kommen.
„Meine Damen und Herren! Windkrafträder sind hoch subventioniert, ökologisch kontraproduktiv, tragen kaum etwas zur allgemeinen Energieversorgung bei und verschandeln die Landschaft.“
Das sagte der SPD-Umweltminister von Brandenburg, Wolfgang Birthler, Ende vergangenen Jahres in der „taz“. - Nun mag sich vielleicht nicht jeder dieser Einschätzung anschließen wollen, aber sie spiegelt doch die Problematik dieser schwierigen Angelegenheit wider.
Wir müssen feststellen, dass die Akzeptanz der Windenergieanlagen in der Bevölkerung drastisch abgenommen hat. In Ortschaften, die umzingelt sind von Wind
energieanlagen, die die Höhe des Kirchturmes bei weitem überschreiten, die nicht nur Geräusche und Schattenspiel erzeugen, sondern auch blinken, kann von Akzeptanz keine Rede mehr sein. Das hat nichts mehr zu tun mit Natur- und Landschaftsverträglichkeit, das ist Zerstörung von Kulturlandschaft.
Windenergie hat sich zudem zu einem gefährlichen Spaltpilz in den Gemeinden und zwischen den Gemeinden entwickelt. Sie teilt die Gemeinden in diejenigen, die durch Verpachtung oder Verkauf davon profitieren, und diejenigen, die nichts davon haben. Abenteuerlich wird es, wenn zielgerichtet an Gemeindegrenzen gebaut wird: Die eine Gemeinde hat das Geld und die andere Gemeinde hat den Anblick.
Wir wollen Windenergie nicht verhindern, sondern wir wollen durch die vorgeschlagenen verschärfenden Regelungen die Nutzung der Windkraft landschafts-, umwelt- und vor allem menschenverträglicher gestalten.
Nun zu einigen wirtschafts- und energiepolitischen Aspekten. Den Erzeugern wird durch das EEG eine Einspeisevergütung von ca. 8,8 Cent pro Kilowattstunde gewährt. Das war im Jahr 2003. Bei einem Erzeugermarktpreis von ca. 3,8 Cent liegt die Zusatzvergütung für Windenergie damit bei 5 Cent pro Kilowattstunde - ein einträgliches Geschäft und der Grund, weshalb der massive Anstieg der Windenergienutzung passiert ist.
Diese Zusatzvergütung wird auf den Endverbraucher umgelegt. In Kürze wird der Strompreis aufgrund der Mehrbelastung für Windenergie um ca. 2 Cent pro Kilowattstunde gestiegen sein.
Das bedeutet auch massive Wettbewerbsnachteile für den deutschen Wirtschaftsstandort. Noch eine Zahl zur Verdeutlichung: Im Jahr 2003 wurde etwa doppelt so viel Ökostrom produziert wie 1999. Die Mehrkosten durch staatlich festgelegte Einspeisepreise stiegen im selben Zeitraum um das Siebenfache. Im Jahr 2003 zahlten die Verbraucher 1,9 Milliarden €.
Die Stromerzeugung aus Windkraft ist dargebotsabhängig. Das bedeutet: Bei Windstille gibt es keinen Strom. Durch Windenergieanlagen kann kein einziges konventionelles Kraftwerk eingespart werden.
Meine Damen und Herren! Eines ist klar: Die Potenziale und Chancen für die Produktion der Anlagen und Forschung und Entwicklung in Sachsen-Anhalt in diesem Bereich werden wir weiterhin nutzen und fördern - das ist die klare Position der Koalitionsfraktionen -; denn in Sachsen-Anhalt ist die Herstellung von Windkraftanlagen zu einer richtigen Wirtschaftsbranche geworden. Ca. 3 000 Beschäftigte sind hier tätig. Aber die Kapazität zur Nutzung, das heißt die Anzahl der Anlagen, ist an ihre Grenzen gestoßen. Daraus folgt notwendigerweise eine Exportorientierung.
Aufgrund immer mehr, größerer und leistungsfähigerer Anlagen, der massiven Beeinflussung des Landschaftsbildes, der Erwägung energiepolitischer Art, die ich
schon erwähnte, und aufgrund der abnehmenden Akzeptanz sehen die Koalitionsfraktionen einen erheblichen Handlungsbedarf, um die Nutzung der Windkraft zukunftsfähig zu gestalten. Mit den Änderungen in der Bauordnung - Herr Köck, da bin ich anderer Meinung als Sie - lässt sich schon einiges machen - natürlich nicht die große Endlösung, die Sie angesprochen haben - bei der Windkraftnutzung.
Gerade durch die Abstandsflächenvergrößerung zwischen den Anlagen und zu öffentlichen Verkehrswegen und damit verbundene zusätzliche Baulasteintragungen werden künftig deutlich weniger Anlagen errichtet werden. Davon bin ich fest überzeugt. Die Abstandsflächen richten sich nach der größten Höhe der Anlagen. Das ist übrigens eine Wiederherstellung der Rechtslage von vor 2001.
Zu der Rückbauverpflichtung ist kurz zu sagen, dass es bei Stilllegungen von Anlagen - Laufzeit ca. 15 bis 20 Jahre - massiv passieren wird, dass keine Verantwortlichen mehr für den Rückbau zu greifen sind. Sie sind einfach nicht mehr da. Weder Bauaufsicht noch Kommunen sind dann in der Lage rückzubauen. Deshalb ist hierfür Vorsorge zu leisten.