Protokoll der Sitzung vom 18.06.2004

Viertens. Angenommene Volksinitiativen, die keinen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, sollen nunmehr vom Landtag immer innerhalb einer Frist von drei Monaten - bisher von vier Monaten - abschließend behandelt werden. Dabei sind diese Volksinitiativen im Interesse der Gleichbehandlung vom Landtag entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung wie selbständige Anträge zu behandeln. Die Vertrauenspersonen sollen in den sachlich zuständigen Ausschüssen und in den Beratungen des Landtages gehört werden.

Fünftens. Bei angenommenen Volksinitiativen, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, soll sich die Frist bis zur abschließenden Behandlung durch den Landtag von sechs auf fünf Monate verringern. Die Vertrauenspersonen sind in den sachlich zuständigen Ausschüssen und in den Beratungen des Landtages zu hören.

Sechstens. Beim Institut des Volksbegehrens soll der zulässige Gegenstand im Rahmen verfassungsrechtlicher Vorgaben dahin gehend konkretisiert werden, dass das Anliegen eines Volksbegehrens finanzielle Auswirkungen auf den Landeshaushalt haben darf, wenn die Auswirkungen weniger als 1 % des Gesamtvolumens des Landeshaushalts betragen.

Siebentens. Beim Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens soll das Antragsquorum von bisher 10 000 erforderlichen Unterschriften auf 8 000 reduziert werden.

Achtens. In Zukunft soll bei der Durchführung eines Volksbegehrens auf Verlangen der Vertrauenspersonen neben der freien Sammlung von Unterschriften auch eine amtliche Sammlung flächendeckend in Behörden möglich sein. Zuständig dafür sind die Kommunen. Diese sind verpflichtet, angemessene Öffnungszeiten zu gewährleisten. Es gibt keine Gründe, die es den Behörden verbieten sollten, den Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung eines verfassungsmäßig verbrieften Rechtes in ihren Räumen zu gestatten.

Neuntens. Zur Erleichterung der Eintragungen bei Volksbegehren sollen Unterschriften nicht mehr auf entsprechend den örtlichen Zuständigkeitsbereichen der Meldebehörden getrennt geführten Unterschriftsbögen erfolgen, sondern künftig soll die Eintragung auf getrennt nach Landkreisen bzw. kreisfreien Städten geführten Bögen passieren. Die Unterschriftsbögen sind dann nach Landkreisen und kreisfreien Städten geordnet an das Ministerium des Innern zu übermitteln.

Zehntens. Bei der Behandlung eines zulässigen Volksbegehrens sollen die Vertrauenspersonen in den sachlich zuständigen Ausschüssen und in den Beratungen des Landtages gehört werden.

Elftens. Beim Institut des Volksentscheides wird im Interesse der Verfassungskonformität klar gestellt, dass ein Volksentscheid durch die Landesregierung innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Fristen herbeigeführt werden muss, wenn der begehrte Gesetzentwurf nicht unverändert angenommen wurde. Kompromissvarianten in Form veränderter Gesetzentwürfe sind dabei unzulässig.

Zwölftens. Für die Durchführung eines Volksentscheides sollen die Vertrauenspersonen nunmehr im Benehmen mit der Landesregierung den Abstimmungstag im Rahmen der gesetzlichen Fristen bestimmen. Dabei sollen Volksentscheide möglichst an einem ohnehin landesweiten Wahltermin stattfinden.

Dreizehntens. Analog der Erstattung von Werbungskosten bei einem angenommenen Volksbegehren sollen den Antragstellern bei einem Volksentscheid ebenfalls die Kosten einer angemessenen Werbung erstattet werden.

Das alles sind Änderungen des Volksabstimmungsgesetzes, welche die Möglichkeiten der Anwendung von Formen direkter Demokratie durch die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erleichtern sowie ihre Erfolgsaussichten verbessern sollen und können.

Die beabsichtigten gesetzlichen Regelungen werden die parlamentarische Demokratie in Sachsen-Anhalt nicht schwächen. Im Gegenteil, staatliche Entscheidungsprozesse werden transparenter und ihre Akzeptanz bei den Menschen wird erhöht.

Lassen wir die Einflussnahme unserer Bürgerinnen und Bürger auf die politische Willensbildung nicht nur über ihre Teilnahme an Wahlen realisieren, sondern unterstützen wir ihr gesellschaftliches Engagement durch die Erleichterung der Elemente direkter Demokratie. Unterstützen wir, dass Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt unmittelbar zu Subjekten politischer Entscheidungsprozesse werden.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie uns in den Ausschüssen für Inneres sowie für Recht und Verfassung über den vorliegenden Gesetzentwurf im Interesse der Stärkung der plebiszitären Elemente im Rahmen der repräsentativen Demokratie des Parteienparlamentarismus streiten. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Wir treten nun in die Debatte ein. Es spricht zunächst für die FDP-Fraktion Frau Dr. Hüskens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der FDP sieht in den plebiszitären Elementen eine wichtige Ergänzung der repräsentativen Demokratie. Wir als FDP wünschen uns in unserer Republik auch manchmal mehr Mut zu plebiszitären Elementen, etwa - darauf ist schon hingewiesen worden - bei der Entscheidung über die europäische Verfassung.

Darüber hinaus stellen Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide ein wichtiges plebiszitäres Element in unserer Landesverfassung dar. Sie sollen in einer repräsentativen Demokratie die Ausnahme sein, aber alle Instrumente, die unsere Verfassung und unsere Gesetze vorsehen, müssen natürlich auch realisierbar sein; das heißt, die Hürden in der Verfassung und in den Gesetzen dürfen nicht so hoch gesetzt werden, dass sie keine Anwendungsrelevanz mehr haben.

Deshalb trägt die Fraktion der FDP die Änderungen der Verfassung mit und sie wird auch den daraus folgenden Änderungen, die im Gesetzentwurf der PDS vorgelegt worden sind, zustimmen.

Auch die Fraktion der FDP sieht darüber hinaus Änderungsbedarf im aktuellen Gesetz. Wir haben vor dem Hintergrund der Volksinitiativen, der Volksbegehren und demnächst eines Volksentscheides festgestellt, dass in unserem Gesetz doch der eine oder andere handwerkliche Fehler vorhanden ist, und wir haben festgestellt, dass es eine ganze Reihe von offenen Punkten gibt, die das Gesetz nicht abschließend und richtig handhabbar klärt.

Da fällt mir zum Beispiel die Einbeziehung des Antragstellers in die Plenardebatten ein. Hierzu hat es in der Vergangenheit Diskussionen gegeben. Mir fällt auch - das haben wir erst vor kurzem auch in der Presse diskutiert - die Frage der Privilegierung eines Alternativent

wurfs des Landtages bei einem Volksentscheid ein. Hierbei gab es sogar die Frage, ob das, was wir im Gesetz stehen haben, eigentlich noch der Verfassung entspricht.

Nicht immer praktikabel sind auch die im Gesetz geregelten Fristen. Wenn zum Beispiel die Landesregierung das Volksbegehren zur Kinderförderung im Juli-Plenum einbringt, dann wird es für die entsprechenden Ausschüsse aufgrund der Sommerpause ausgesprochen eng werden, dieses Gesetz innerhalb der dann verbleibenden Viermonatsfrist zu diskutieren.

Auch ist nicht immer eindeutig, wer eigentlich den Begriff „Grundanliegen des begehrten Gesetzes“ in § 14 definiert und wie dieser Begriff definiert wird. Selbst für juristische Laien eindeutige Formulierungen des § 15 hinsichtlich der Handschriftlichkeit, der Eigenständigkeit von Unterschriften in den entsprechenden Listen geben Anlass zu Diskussionen.

Diese handwerklichen Schwachpunkte müssen behoben werden. Sofern sie in Ihrem Gesetzentwurf enthalten sind, werde ich sie mit aufgreifen.

Meine Damen und Herren! Wir werden natürlich nicht allen von der PDS vorgelegten Änderungen zustimmen. So halte ich persönlich eine Orientierung der Haushaltsbelastung am Gesamtvolumen des Haushaltes für irreführend.

Wenn es zu prozentualen Vorgaben kommt, etwa wie von Ihnen vorgesehen in Höhe von 1 % des Gesamtvolumens, dann kann sich dies eigentlich nur an der Höhe der Mittel orientieren, über die wir als Gesetzgeber tatsächlich verfügen können. Ich muss demzufolge alle Mittel, die die EU uns zuweist und die vom Bund kommen, sowie Mittel, die durch Rechtsverpflichtungen gebunden sind, in Abzug bringen. Nur dann kann der Landesgesetzgeber die entsprechenden Weichenstellungen bringen, um Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden Rechnung zu tragen, die zu einem Erfolg geführt haben.

Ich bin auch skeptisch, ob eine Sammlung in Behörden oder öffentlichen Einrichtungen wirklich sinnvoll ist; denn ein Volksbegehren sollte durch behördlichen Druck nicht behindert werden. Ich denke, darüber sind wir uns hier im Plenum alle einig. Aber Bürger dürfen sich bei der Unterschriftsleistung auch nicht durch die Räumlichkeiten, durch Personen, die zugegen sind, beeinflusst fühlen, um nicht zu sagen: genötigt fühlen.

Die Meldelisten nach Landkreisen statt nach Meldebehörden zu orientieren, bringt vielleicht der Initiative eine gewisse Erleichterung, würde aber dafür sorgen, dass die Auszählung deutlich länger dauert.

Darüber werden wir in der Ausschussberatung zu diskutieren haben. Ich hoffe, dass wir am Schluss der Beratungen ein praktikables und von handwerklichen Mängeln freies Gesetz haben werden. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und bei der PDS)

Vielen Dank, Frau Dr. Hüskens. - Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Grimm-Benne.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Wir haben gerade über die Änderung der Lan

desverfassung debattiert. Die Änderungen, die der Verfassungsentwurf enthielt, wurden von allen Fraktionen dieses Landtages unterzeichnet und somit mitgetragen. Umso unverständlicher ist es, dass die PDS zu diesem Zeitpunkt einen Gesetzentwurf zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes einbringt.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Allen Fraktionen ist klar, dass aufgrund der Änderung der Verfassung eine Anpassung des Volksabstimmungsgesetzes erfolgen muss. Es wäre schön, wenn auch das von allen Fraktionen hätte eingebracht werden können.

Wir erachten es darüber hinaus für nicht gerade glücklich, dass der Gesetzentwurf während eines laufenden Volksbegehrens eingebracht wird. Es wäre besser, alle Phasen des laufenden Volksbegehrens abzuwarten und die Erfahrungen zu nutzen und dann in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Die grundsätzlichen Positionen der SPD-Fraktion im Hinblick auf die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und die Verstärkung plebiszitärer Elemente hat der Vorsitzende unserer Fraktion soeben dargestellt. Diese Positionen kann ich hier nur ausdrücklich unterstützen.

Wir begrüßen den gefundenen Kompromiss bezüglich der Absenkung der Quoren, hätten uns aber eine noch stärkere Absenkung vorstellen können, für die sich jedoch leider keine Mehrheit gefunden hat.

Zu dem Gesetzentwurf der PDS-Fraktion im Einzelnen. Die Quoren werden, wie gesagt, an die geänderte Verfassung angepasst. Bezüglich der Mitwirkung der Vertrauenspersonen an den Beratungen des Landtages soll eine Klarstellung erfolgen. Ich kann für die SPD-Fraktion schon heute zusichern, dass wir die Mitwirkung der Vertrauenspersonen an den Landtagsberatungen auch zu dem laufenden Volksbegehren als durch die jetzige Gesetzeslage gewährleistet ansehen und ebenfalls für notwendig erachten. Dafür reicht ein Blick in Artikel 77 der Landesverfassung und § 19 Abs. 2 des Volksabstimmungsgesetzes.

Die PDS-Fraktion schlägt weiterhin vor, dass Volksbegehren zukünftig nur dann zulässig sein sollten, wenn die finanziellen Auswirkungen des Volksbegehrens weniger als 1 % des Landeshaushalts ausmachen. Das wäre neu in dem Volksabstimmungsgesetz. Es ist zu hinterfragen, inwieweit dadurch das Instrument des Volksbegehrens eingeschränkt bzw. ausgehöhlt wird.

Darüber hinaus soll die Pflicht eingeführt werden, dass die Volksbegehren mit einem Deckungsvorschlag zu versehen sind. Hierbei habe ich Bedenken dahin gehend, dass die Initiatoren eines Volksbegehrens dies überhaupt leisten können, sehe ich doch, wie beschwerlich es schon für eine Oppositionsfraktion ist, einen solchen Deckungsvorschlag zu erbringen.

Interessant ist auch, dass die PDS-Fraktion die Regelung zu den Befugnissen der Vertrauenspersonen hinsichtlich eines Kompromisses im Landtag ganz streichen will. Ich vertrete nach wie vor die Rechtsauffassung, dass die Vertrauenspersonen einen Handlungsspielraum bezüglich der Findung eines Kompromissbeschlusses im Landtag haben. Ich nenne als Beispiel Hamburg, wo kürzlich ein Kompromiss zur Kinderbetreuung geschlossen wurde. Darüber werden wir im Ausschuss sicherlich noch kontrovers diskutieren müssen.

Aus unserer Sicht sollten darüber hinaus auch einige andere Aspekte im Volksabstimmungsgesetz geändert werden. Bei der Anwendung des Gesetzes sind Regelungslücken sichtbar geworden. Ferner ist über Verfahrensvereinfachungen nachzudenken.

Ich führe als Beispiel § 9 Abs. 3 an, eine Regelung zu den Volksinitiativen. Danach sollen Volksinitiativen, die einen Gesetzentwurf zum Gegenstand haben, entsprechend den Bestimmungen der Geschäftsordnung des Landtages behandelt werden.

Ich möchte daran erinnern, dass dies in der Vergangenheit zu Anwendungsschwierigkeiten bei der Volksinitiative „Für die Zukunft unserer Kinder“ führte. Die damalige Volksinitiative ging davon aus, dass sie somit Einbringer eines Gesetzentwurfs im Landtag sein könnte, was aber gegen Artikel 77 Abs. 2 der Verfassung verstoßen hätte. Die Volksinitiative hat damals das Landesverfassungsgericht bemüht.

Der Wortlaut des § 9 Abs. 3 sollte anders gefasst werden, um Auslegungsschwierigkeiten zu beseitigen und den Gesetzestext für den Leser verständlicher und anwendungsfreundlicher zu machen.

Eine weitere Regelung bedarf der Überarbeitung. Gemäß § 17 sind die Unterschriftsbögen des Volksbegehrens an das Ministerium des Innern zu übermitteln. Auch hierbei kam es in der Vergangenheit zu Unstimmigkeiten, da eine gesetzliche Reglung bezüglich einer Frist zur Übergabe der Stimmen fehlt.

Nachzudenken ist auch über eine Novellierung der Regelung zur Feststellung des Ergebnisses des Volksbegehrens. Unter Umständen könnte eine Stichprobenregelung sinnvoller sein als die Prüfung aller Unterschriften.