Protokoll der Sitzung vom 18.06.2004

Nein, angesichts der Dinge, die jetzt bei den Beschäftigten zur Disposition stehen, angesichts des Personalabbaus, der auch notwendig ist, kann man doch nicht sagen: Wir überfrachten den Innenausschuss mit überflüssigem Zeug und nehmen aus dem Antrag einfach etwas heraus. - Nein, ich möchte wissen, welche - vielleicht auch berechtigte - Begründung die Landesregierung dafür hat, darauf zu verzichten, dass die Stellenobergrenzenverordnung aufgehoben wird. Soll das jetzt jedes Mal über eine schriftliche Anfrage erfolgen? Dazu muss ich Ihnen sagen: Nein, ich will das diskutieren. Ich will nicht 100 000 schriftliche Kleine Anfragen stellen, bei denen ich wieder nachfassen muss.

Aber eines steht fest, Herr Schulz: Es haut dem Fass den Boden aus - das möchte ich hier einmal sagen -, wenn wir als Innenausschuss so herangehen. Das können wir nicht mehr so behandeln. Ich bin ganz ehrlich: Wenn es in der letzten Legislaturperiode im Innenausschuss um Beamtenrecht ging, sind wir alle ziemlich tief abgetaucht, weil es eine komplizierte Materie ist. Aber die Zeiten sind vorbei, wenn es um Kompetenzverlagerung geht.

Ich bitte Sie sehr, wenigstens das Minimum mitzutragen, dass man das Thema erst einmal in den Innenausschuss überweist und dass man dann sagt: zu den, den und den Punkten möchten wir wirklich, dass die Landesregierung Bericht erstattet. - Danke sehr.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Paschke. - Meine Damen und Herren! Eigentlich eignen sich beide Anträge für eine Direktabstimmung. Aber es wurde sowohl von Frau Dr. Paschke als auch von Herrn Rothe eine Überweisung in den Innenausschuss beantragt mit dem Anliegen, beide Anträge zusammenzuführen und nach Möglichkeiten zu suchen, sich bezüglich Inhalt und Umfang der Berichterstattung im Innenausschuss zu einigen.

Insofern stimmen wir zunächst über eine Überweisung des Antrages ab. Bei Zustimmung wäre der Änderungsantrag mit überwiesen. Wer also einer Überweisung des Antrages der PDS-Fraktion einschließlich des Änderungsantrages in den Innenausschuss seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der PDS- und der SPD-Fraktion. Gegenstimmen? - Bei der CDU- und FDP-Fraktion. Damit ist eine Überweisung in den Innenausschuss abgelehnt.

Wir stimmen nun direkt ab über den Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 4/1652. Wer diesem Änderungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der CDU- und bei der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Bei der SPD-Fraktion. Enthaltungen? - Bei der PDS-Fraktion. Damit ist diesem Änderungsantrag mehrheitlich zugestimmt worden.

Wir stimmen nun ab über den Antrag in der Drs. 4/1625 neu mit den soeben beschlossenen Änderungen. Wer diesem Antrag mit den soeben beschlossenen Änderungen seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei der CDU- und bei der FDP-Fraktion. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Bei der PDS- und bei der SPD-Fraktion. Damit ist dem Antrag zugestimmt worden. Herzlichen Dank, meine Damen und Herren. Damit ist Tagesordnungspunkt 20 abgeschlossen.

Wir treten ein in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 21:

Beratung

Neuverhandlung des Heidekompromisses

Antrag der Fraktion der PDS - Drs. 4/1626

Alternativantrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1649

Einbringer des Antrages der Fraktion der PDS ist der Abgeordnete Herr Czeke. Bitte sehr, Herr Czeke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freundinnen und Freunde der ColbitzLetzlinger Heide! Wer erinnert sich nicht an das Aufbegehren Anfang der 90er-Jahre, wenn es um die Colbitz-Letzlinger Heide ging. Dort waren Forderungen an der Tagesordnung wie „Militär raustreten!“, „Nie wieder Kriegsspiele in der Heide!“, „Weg mit dem Teufelszeug!“ oder „Der Kalte Krieg ist vorbei!“. „Für eine zivile Nutzung der Heide!“, so lautete damals die Forderung, die einen breiten Konsens in der Bevölkerung und vor allem auch unter den Anrainerkommunen fand.

Selbst der damalige Ministerpräsident Münch sah sich angesichts dieser Stimmung in der Bevölkerung genötigt, populistisch zu verkünden - ich zitiere -:

„Wenn für die friedliche Nutzung der Heide demonstriert wird, werde ich an der Spitze des Demonstrationszuges zu finden sein.“

Oder auch Sie, Herr Kollege Ruden - ob Ihrer Körperhöhe waren Sie ja nie zu übersehen -, haben in den ersten Jahren nach der Wende - damals allerdings als Grü

ner - keinen Friedensweg oder Ostermarsch ausgelassen, um für dieses Ziel einzutreten. Ja, die Zeichen der Zeit schienen auf Frieden und Entmilitarisierung gerichtet gewesen zu sein.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Landtagsbeschluss vom 14. Dezember 1995. Darin haben wir uns noch klar zur friedlichen Nutzung der Heide - nicht nur eines Zipfels, sondern der ganzen Heide - bekannt. Damals wurde beschlossen:

Erstens. Das Land hält an der Forderung fest, den bisherigen Truppenübungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide nicht mehr militärisch zu nutzen, sondern für die zivile Nutzung vorzubereiten.

Zweitens. Die Landesregierung ist aufgefordert, weiterhin Verhandlungen mit der Bundesregierung unter dieser Zielstellung zu führen und alle rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Durchsetzung einer zivilen Nutzung auszuschöpfen.

Drittens. Das Land fordert die Bundeswehr auf, den wiederholt geäußerten Willen des Landes zu respektieren und gemeinsam mit der Landesregierung eine Konzeption zur Freigabe des Geländes zu erarbeiten.

Ich glaube, es war im Dezember 2002, als wir zum PDSAntrag in der Drs. 4/390 gesprochen haben. Herr Dr. Polte sprach für die SPD. Sie sagten damals - ich zitiere -:

„Die Zeit ist weiter fortgeschritten. Man muss Realist sein bei all dem, auch bei der Bewertung der Forderungen Anfang der 90er-Jahre.“

Das ist korrekt. Wir wollen ja auch nicht die Bundeswehr entpflichten, sondern wir wollen zum Beispiel einen Naturpark einrichten; denn wenn die Bundesrepublik Deutschland schon Geld hat - Steuergeld -, um die Bundeswehr in der Heide zu bezahlen, könnten wir dieses Geld auch einsetzen, um zivile Arbeitsplätze zu schaffen, und könnten damit den Anrainerkommunen zeigen, dass das auch Arbeitsplätze und damit Einkommen schaffen würde.

Heute, knapp zehn Jahre später, müssen wir mit Ernüchterung feststellen, was der Zahn der Zeit doch so alles erreichen kann. Die Zahl der herausragenden Menschen, die sich für die zivile Nutzung der Heide einsetzen, wird immer geringer. Anfang 1997 müssen die Menschen in Sachsen-Anhalt wohl reif gewesen sein, um sie mit der Forderung nach einer militärischen Nutzung zentraler Teile der Colbitz-Letzlinger Heide konfrontieren zu können.

Die hohe Arbeitslosigkeit und die prekäre wirtschaftliche Situation ließen die Menschen, insbesondere auch die angrenzenden verantwortlichen kommunalen Vertretungen, nach jedem Strohhalm greifen. Da bot sich natürlich die Bundeswehr als „Unternehmen Zukunft“ geradezu an. Entsprechend wurde am 13. Mai 1997 zwischen der Bundeswehr und dem Land Sachsen-Anhalt der so genannte Heidekompromiss abgeschlossen, oder besser, er konnte abgeschlossen werden, ohne mit einer außerordentlich großen Gegenwehr aus der Bevölkerung und aus den betreffenden Kommunen heraus rechnen zu müssen.

Ich sage es unumwunden: Der Abschluss dieses von der SPD-Regierung eingegangenen Kompromisses war für mich persönlich und, ich denke, auch für andere einer der schwärzesten Punkte, die ich unter der Bedingung der Tolerierung hinnehmen musste.

Anders als zum Beispiel die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf die Wittstocker Heide hat sich die Landesregierung Sachsen-Anhalts im Jahr 1997 schließlich dem Druck gebeugt und hat mit dem so genannten Heidekompromiss den Weg für die weitere militärische Nutzung freigemacht. Ich denke, nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach!“ gelang es, die Bevölkerung zu beruhigen und die betreffenden Kommunen vielleicht sogar für den Kompromiss zu gewinnen, der immerhin sicherstellen sollte, dass der Bund auf die militärische Nutzung der Randteilflächen verzichtet.

In Punkt 2 der Vereinbarung ist unter anderem festgehalten - ich zitiere -:

„Spätestens im Jahr 2006“

- also schon im übernächsten Jahr -

„ist die Abgabe des Südteils in das allgemeine Grundvermögen des Bundes vorgesehen. Die Fläche wird aus dem Bereich des Truppenübungsplatzes herausgenommen. Auf eine militärische Nutzung wird dann verzichtet. Die Bundeswehr“

- man höre genau zu -

„geht davon aus, dass bis zum Jahr 2006 die Oberflächenräumung von Munition und Munitionsschrott durchgeführt ist.“

Wie es jetzt aussieht, möchte sich die CDU-FDP-Landesregierung ihrer Verantwortung für die ab 2006 zugesicherte Überführung des Südteils der Heide in eine zivile Nutzung entledigen und nutzt damit natürlich auch die Ängste der Anrainerkommunen, die ja in einem Brief, auf den sich der Herr Innenminister beruft, deutlich ihre Ängste artikulieren, weil eben Munitionsreste noch da sind.

Mit unserem Antrag wollen wir dies verhindern und unter anderem erreichen, dass die Landesregierung dahin gehend tätig wird, dass die Bundesregierung und die Bundeswehr ihren Pflichten nachkommen. Bei der letztmaligen Behandlung des Themas Colbitz-Letzlinger Heide waren wir ja schon im Streit bei dem Punkt, dass doch wohl keine Seite ihren Pflichten nicht nachkommen würde.

Für uns ist die Frage einer friedlichen oder einer militärischen Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide zu wichtig, als dass sie allein im Stil eines Landtagsbeschlusses vom 21. November 2003 vergangenen Jahres beantwortet werden kann. Wir plädieren für die Einsetzung eines zeitweiligen Ausschusses „Vorbereitung der zivilen Nutzung der südlichen Colbitz-Letzlinger Heide ab 2006“. Schließlich handelt es sich bei dem, was sich hier gegenwärtig anbahnt, um einen schwerwiegenden Eingriff in eine schwerwiegende Angelegenheit. Es geht nicht um einen kommunalen Spielplatz für Kinder, sondern um einen gigantischen und in Europa einmaligen lasergestützten Schießplatz für Soldaten. Wenn er lasergestützt ist, stellt sich die Frage: Warum muss dann die Fläche um rund 3 500 ha erweitert werden?

Angesichts der Brisanz, die in dieser Sache liegt, müssen wir doch wohl alle daran interessiert sein, dass wir uns nicht dem Vorwurf aussetzen, wir hätten nicht verantwortungsvoll gehandelt. In diesem Sinne sehe ich einer Annahme unseres Antrages hoffnungsvoll entgegen.

Wir haben in der Debatte im Jahr 2003 schon darauf hingewiesen: Wenn wir alles das, was vereinbart ist - auch im so genannten Kompromiss -, erreichen, dann brauchen die Kommunen keine Sorge zu haben, was die Räumung der Flächen von Kampfmitteln und Munition oder Munitionsteilen angeht. Der Innenminister beruft sich aber auf die Sorgen der Kommunen. Das ist verständlich, weil wir uns denen auch anschließen müssen.

Unsere Zielstellung ist folgende: Wenn wir wie in anderen Regionen, auch in westlichen Bundesländern - Nordrhein-Westfalen macht es uns vor -, über Konversion Naturparke einrichten, ist die Bevölkerung auch bereit, sich diesem Thema anzuschließen und nicht immer nur nach dem Motto „Jobmaschine Bundeswehr“ zu handeln. Anderenfalls kommt die Region natürlich in eine monostrukturelle Abhängigkeit und sie wird sich immer auf Militär berufen müssen, weil das Militär das Einzige ist, was dann noch hilft. Wir möchten aber, dass der Südteil von der Bevölkerung auch touristisch genutzt werden kann.

Wenn ich mir die Unterlagen ansehe, die unter „Touristinformation“ im Netz stehen - dazu kann ich gern nachher im Debattenbeitrag noch etwas ausführen -, stelle ich fest, dass der militärisch ausgerichtete Kernteil leider verschwiegen wird. Alle anderen Sehenswürdigkeiten ringsherum sind aufgeführt, aber dass man in diesen Teil nicht hineinkommt, wenn es außerhalb der militärfreien Tage nicht genehmigt ist, wird geflissentlich verschwiegen.

Jetzt freue ich mich erst einmal auf eine konstruktive Diskussion und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Czeke. - Meine Damen und Herren! Kurz vor Abschluss unserer heutigen Sitzung haben wir noch einmal aufmerksamen Besuch erhalten. Sie sehen auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler des Geiseltalgymnasiums Mücheln. Wir begrüßen sie herzlich.

(Beifall im ganzen Hause)

Bevor wir in eine Fünfminutendebatte eintreten, hat für die Landesregierung der Innenminister Herr Jeziorsky um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag der PDS-Fraktion steht im Widerspruch zur Position der betroffenen Kommunen, die sich wiederholt eindeutig für den Verbleib der Bundeswehr im Südteil der Heide und dementsprechend dafür ausgesprochen haben, den so genannten Heidekompromiss möglichst schnell zu ändern. Der Antrag steht auch im Gegensatz zu den Beschlüssen der Landesregierung und des Landtages, mit denen ebenfalls die weitere militärische Nutzung des Südteils der Colbitz-Letzlinger Heide angestrebt wird.

Der Landtag hat am 21. November letzten Jahres die Initiative der Landesregierung begrüßt, mit dem Bund über eine Nutzung des Südteils des Truppenübungsplatzes Altmark durch die Bundeswehr auch über das Jahr 2006 hinaus zu verhandeln. Gleichzeitig hat er sich dafür aus

gesprochen, dass bei den Verhandlungen mit dem Bund die Interessen der ortsansässigen Bevölkerung und der betroffenen Kommunen, die Belange der Bundeswehr sowie zu erwartende positive Arbeitsmarkt- und Umweltschutzeffekte Berücksichtigung finden.