aufwendungen, zum Beispiel zum Austausch des alten DDR-Fahrzeugbestandes an Straßenbahnen gegen Niederflurwagen, tätigen müssen.
Meine Damen und Herren! Für uns Liberale ist der Wettbewerb ein zentrales Element im politischen Diskurs. Hierzu bietet der Gesetzentwurf gute Ansätze. Die Erfahrungen, insbesondere im Zusammenhang mit der europäischen Wettbewerbsordnung, zeigen, dass allein der Wettbewerb auch im Bereich der öffentlichen Dienstleistungen langfristig ein finanzierbares und breites Angebot notwendiger Leistungen für den Bürger sichert. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Scholze. - Als Nächster spricht für die PDS-Fraktion Herr Kasten. Aber erst haben wir die Freude, Damen und Herren vom Bergmannsverein Nachterstedt auf der Südtribüne begrüßen zu können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle fest: Das Gesetz zur Gestaltung des öffentlichen Personennahverkehrs im Land Sachsen-Anhalt hatte mit einer Novellierung neun Jahre Bestand.
Seine Bestimmungen haben sich als gerichtsfest erwiesen. Die zweite Novellierung war angearbeitet worden. Ein kranker Professor in Brandenburg - Gott sei Dank ist er inzwischen gesund und hat Ihnen die Unterlagen sicherlich geliefert - und ein unwilliger Minister Dr. Heyer blockierten die Umsetzung der zweiten Novellierung.
Dieses Gesetz nahm den für eine Verkehrswende fachlich notwendigen Vorrang des Schienenverkehrs auf. Ich weise in diesem Zusammenhang auf die Bahnreform aus dieser Zeit hin. Die Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Flächenbahn war im Bahnland Sachsen-Anhalt im Jahr 1996 mit rund 3 000 km befahrener Schienenstrecken durchaus möglich. Die dazu notwendige Verkehrswende mit der Triade Verkehrsvermeidung, Verkehrsverlagerung und Verkehrsvernetzung wurde trotz vollmundiger Wahlaussagen seit 1998 von zwei rot-grünen Bundesregierungen nicht in Angriff genommen.
Eigene Gestaltungsgrundsätze vermisst man seit dem Amtsantritt von Verkehrsminister Stolpe gänzlich. Landesverkehrsminister Dr. Daehre versucht nun aus diesem Dilemma die Rolle rückwärts auf die Straße.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird aus einem angebotsorientierten öffentlichen Personennahverkehr ein bedarfsorientierter öffentlicher Personennahverkehr mit Abstrichen in vielen Bereichen. Ein integraler Taktfahrplan ist dann wohl nur noch teilweise bei den Angeboten des Schienenpersonennahverkehrs zu halten. Allerdings bleibt der öffentliche Personennahverkehr als ein Teil der Daseinsvorsorge eine Pflichtaufgabe der Aufgabenträger im Land.
Es gibt im Gesetz rechtliche und sachliche Defizite, die einer tiefer gehenden Bewertung in den Fachausschüssen bedürfen. Ich möchte einige Punkte benennen.
Erstens. Es fehlen belastbare Aussage zur Qualitätsentwicklung und zur Sicherung der Barrierefreiheit. Zu Letzterer gibt es zwar ein Bundes- und ein Landesgesetz, die in diesem Gesetzentwurf jedoch anscheinend nicht berücksichtigt wurden. Wie etwa Blinde oder Gehörlose Anrufbussysteme oder Anrufsammeltaxisysteme nutzen sollen, steht in den Sternen. Herr Dr. Daehre, auch in Ihrer guten Broschüre „Bei Anruf Bus - flexible Lösungen im öffentlichen Personennahverkehr“, herausgegeben vom Ministerium für Bau und Verkehr, habe ich nicht eine Zeile dazu gefunden. Das gehört in das Gesetz.
Zweitens. Für eine umfassende Bewertung des Gesetzes fehlt noch immer ein Schienenpersonennahverkehrsplan.
Drittens. Ebenso fehlt zum Beispiel eine saubere Trennung zwischen der Vergabe von Linienkonzessionen sowie der Besteller und der Ersteller von Nahverkehrsleistungen.
Viertens. Es fehlen Aussagen zur Entwicklung von Verbundstrukturen. Diese bekommen wir mit einer vielleicht doch noch stattfindenden Kreisgebietsreform; sie wäre im Prinzip nach unseren Vorstellungen umgesetzt. Was aus dem besonderen Aufgabenträger wird, ist ebenfalls unbestimmt.
Fünftens. Zur Schülerbeförderung. Die Landkreise haben Mittel in Höhe von 44,4 Millionen € ausgegeben. Mittel in Höhe von 20,5 Millionen € sind erstattet worden. Die Landeszuschüsse sollen im Jahr 2005 noch 18 Millionen € und im Jahr 2006 nur noch 10,5 Millionen € betragen.
Sechstens. Die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs ist ein Kapitel für sich. Die Strukturierung und die Konsequenzen aus den Finanzierungsanteilen gemäß § 8 sind kaum überschaubar. Eine belastbare Zuweisungsmatrix fehlt.
Die Formulierung des § 8 Abs. 6 ist nicht verfassungskonform. Es gab auch entsprechende Klagen gegen § 15 Abs. 3 des geltenden Gesetzes. Eine Absenkung der Faktorenbewertung um 50 % für Aufgabenträger des Landes, die den ÖPNV überwiegend mit der Straßenbahn erbringen, ist nicht sachgerecht.
Siebentens. Die ausschließliche Finanzierung des ÖPNV über Bundesmittel, beispielsweise mit Mitteln aus dem Regionalisierungsgesetz bzw. dem Schwerbehindertenanteil, öffnet der Beliebigkeit - in Klammern: Bundeshaushalt - Tür und Tor.
Ich komme zum Schluss. Wenn die für den Schienenpersonennahverkehr zur Verfügung zu stellenden Mittel im Wesentlichen aus dem Regionalisierungsgesetz bestritten werden, darf die SPNV-Bestellung nicht um weitere 1,4 Millionen Personenkilometer reduziert werden. Die zwar in den Jahren 2005 und 2006 anders einsetzbaren Mittel in Höhe von rund 12 Millionen € aus dem Regionalisierungsgesetz fehlen dann bei der erneut anstehenden Überprüfung der gefahrenen SPNV-Leistungen ab 2007 im Landeshaushalt. Herr Minister Dr. Daehre, Sie retten sich so zwar bis 2006, aber dann gilt der
Herr Kasten, die Landesregierung sieht in ihrem Gesetzentwurf nicht mehr den Einsatz eigener Mittel vor. Das geltende Gesetz beinhaltet das noch. Würden Sie es auch so sehen, dass sich die Landesregierung damit völlig aus der Finanzierung des ÖPNV zurückgezogen hat und sich nunmehr in eine absolute Abhängigkeit von den Bundesmitteln begibt? Das heißt, wenn die Bundesregierung ihrerseits Veränderungen vornimmt, würde sozusagen unsere Gestaltung des ÖPNV davon abhängig sein.
Sehen Sie das auch so? Die Frage der Regionalisierungsmittel und der GVFG-Mittel haben Sie angesprochen. All das sind Bundesmittel. Wir selbst liefern keinen eigenen Beitrag mehr.
Ich musste meine Rede aus Zeitgründen etwas kürzen. Das wäre Punkt 8 gewesen. Sie haben Recht, nach dem geltenden Gesetz ist ein Zuschuss vorgesehen, wenn die Mittel nicht reichen. Diese Regelung ist in dem Gesetzentwurf nicht enthalten. Damit haben Sie dieses Problem, das Sie eben erwähnten: die komplette Abhängigkeit von durchgereichten Bundesmitteln. Das ist so.
Ich nenne ein Beispiel. Vorhin wurden die Straßenbahnbetriebe erwähnt. Nach den jetzigen Förderbedingungen wird etwa in Halberstadt ein Ersatzbau gefördert. Dort müssen wir in den nächsten 25 Jahren den Straßenbahnverkehr vorhalten. Damit kommen wir in einen Widerspruch.
(Frau Weiß, CDU: Wir doch nicht! Die Stadt! - Minister Herr Dr. Daehre: Nicht das Land, die Stadt! Nun aber!)
Vielen Dank, Herr Kasten. - Nun hören wir zum Abschluss der Debatte den Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Frau Rotzsch. Bitte schön.
(Herr Kasten, PDS: Entschuldigung, ich habe ei- ne Sache vergessen! Die Ausschussüberwei- sung! Können Sie mir noch eine Minute geben? - Heiterkeit bei allen Fraktionen)
Wir beantragen die Überweisung zur federführenden Beratung an den Verkehrsausschuss. Wir sind aber der Meinung, dass das Thema auch in den Finanzausschuss und in die Ausschüsse für Gleichstellung, Familie, Kinder, Jugend und Sport, für Bildung und Wissenschaft sowie für Wirtschaft und Arbeit gehört. - Danke schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir leben in einer sich dramatisch verändernden Gesellschaft. Demografisch und wirtschaftlich veränderte Rahmenbedingungen, die sich, wie auf alle Bereiche der Daseinsvorsorge, auch auf den öffentlichen Personennahverkehr auswirken, erfordern ein Umdenken im öffentlichen Personennahverkehr hin zu mehr Flexibilität und zu einem höheren Leistungsanreiz.
Die Zahl der Fahrgäste in den Linienbussen ging von gut 207 000 im Jahr 2000 auf 197 000 im Jahr 2002 zurück - eine Entwicklung, die sich nach Aussagen von Experten noch weiter verstärken wird. Der Bevölkerungsrückgang, die Abwanderung aus den Städten, der Geburtenrückgang und die gleichzeitige Vergreisung werden neben der Zunahme an PKW als Ursachen für das Minus genannt. Nicht einmal sechs von 100 Berufspendlern nutzen in Sachsen-Anhalt derzeit Bus oder Bahn.
Die Zahl der Schüler an allgemein bildenden Schulen wird sich in Sachsen-Anhalt bis zum Schuljahr 2009/ 2010 um 25 % verringern. Die Landesregierung subventioniert Tickets mit 22 Millionen € pro Jahr. Hinzu kommen investive Mittel in Höhe von 15 Millionen €. Damit beläuft sich die Förderung des ÖPNV im Land SachsenAnhalt auf 37 Millionen € jährlich.
Aufgrund der sich stetig verändernden Rahmenbedingungen ist der ÖPNV als reiner Linienverkehr nicht mehr zu bezahlen und bedarf einer Novellierung. Wir müssen über neue Strategien nachdenken und überlegen, wie wir Anreize schaffen und den ÖPNV trotz rückläufiger Mittel für die Menschen im Lande attraktiver machen.
An dieser Stelle möchte ich einen Vergleich von Herrn Professor Hans-Joachim Fiedler nennen: Beim Klavierspielen kann man mit den weißen Tasten „Hänschen klein“ spielen; bei einem professionellen Stück von Beethoven muss man die schwarzen Tasten mit benutzen. Beim ÖPNV sind die weißen Tasten der Linienverkehr. Um effizienter und flexibler reagieren zu können, ist eine Kombination mit den schwarzen Tasten notwendig.
Um auch in Zukunft einen attraktiven öffentlichen Nahverkehr anbieten zu können, sollen deshalb die kommunalen Aufgabenträger den herkömmlichen Linienverkehr durch flexible Bedienformen wie Anrufbusse und Ruftaxen ergänzen bzw. ersetzen und diese als Zubringerverkehre entwickeln. Mit diesen alternativen Angeboten, die nach telefonischer Bestellung der Kunden verkehren, kann man auf die sinkenden Fahrgastzahlen und die steigenden Kosten reagieren.
In vielen Teilen des Landes bietet es sich an, dass Linienbusse im Stadt- oder im Schülerverkehr zum Einsatz kommen, während Rufbusse vor allem ländliche Gebiete bedienen. Somit hätten die Bürger in ländlichen Gebieten die Gewissheit, dass kleine Orte weiterhin angefahren werden. Das garantiert auch ein Stück Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen.
Rufbusse und -taxen werden bereits auf 285 Linien eingesetzt und sind somit nicht nur praktizierte, sondern auch akzeptierte Angebotsformen. Durch die Zielsetzung des Gesetzes werden sie nun zu einem gleichwertigen Instrument bei der Schaffung eines Verkehrsträgermixes.
Mit einer Zusammenführung der bisher zwischen den Kreisen und dem Land getrennten Aufgaben- und Finanzverantwortung bei den Aufgabenträgern wird die Eigenverantwortung auf kommunaler Ebene gestärkt. Die kommunalen Aufgabenträger erhalten die Gesamtverantwortung für investive und konsumtive Mittel und werden somit in die Lage versetzt, eigene Investitionsentscheidungen entsprechend den örtlichen Gegebenheiten zu treffen.
Im Zuge der Umstrukturierung werden auch die Finanzzuweisungen an die kommunalen Aufgabenträger - dies wurde heute bereits mehrmals erwähnt - nach vier leistungsabhängigen Finanzierungsfaktoren neu geordnet. Die Verteilung von Mitteln soll somit künftig verstärkt mit Leistungsanreizen verknüpft werden.
Mit der Umstrukturierung der Finanzzuweisungen, der Stärkung der kommunalen Aufgabenträger und der Neugewichtung der Verkehrsträger schafft das vorliegende Gesetz eine Grundlage, die dem veränderten Bedarf und den finanziellen Möglichkeiten gleichermaßen gerecht wird. Ich bitte Sie deshalb, den Gesetzentwurf zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr zu überweisen.