Protokoll der Sitzung vom 16.09.2004

Ich kann nicht umhin festzustellen, dass mir in diesen Punkten das Sondervotum doch schlüssiger erscheint. Das Ziel der Bundesregierung bei dem im Jahr 2002 reformierten Hochschulrahmengesetz war es, mit der Schaffung der Juniorprofessur für junge Nachwuchswissenschaftler und Nachwuchswissenschaftlerinnen eine Motivation mehr zu schaffen, ihre akademische Laufbahn in Deutschland fortzusetzen und eben nicht abzuwandern.

Bundesbildungsministerin Bulmahn hatte die Juniorprofessur damals als eine deutsche Alternative im weltweiten Wettbewerb um Spitzennachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler von morgen bezeichnet. Die Juniorprofessur sollte einen jungen, eigenständigen Wissenschaftler repräsentieren, der sich auf einem verlässlicheren Karriereweg bewegt als die bisher Habilitierenden.

Lässt man nun wiederum die unwissenschaftliche Kopplung von Qualität an Juvenilität oder Schnelligkeit beiseite, bleiben immer noch die Ideen von größerer Eigenständigkeit und höherer Planungssicherheit übrig. Sie garantieren ihrerseits nicht per se die Hochrangigkeit wissenschaftlicher Ergebnisse, machen die Juniorprofessur aber in besonderer Weise durchaus attraktiv.

Eine neue Studie an der Humboldt-Universität in Berlin hat gezeigt - darüber war ich selbst erstaunt -, dass sich 87 % der dort Befragten als Juniorprofessoren völlig selbständig in Forschung und Lehre fühlen. Alle Berliner Stelleninhaber würden sich wieder um ihre Posten bewerben. Meine Gespräche mit Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren in Sachsen-Anhalt haben einen grundsätzlich ähnlich positiven Eindruck hinterlassen.

Dass auch von Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren bisweilen - auch in diesen Gesprächen geschehen - zu Recht über mangelnde Ausstattung geklagt wird, obwohl sie über ein eigenes auskömmliches Budget verfügen müssen, kann eigentlich nicht verwundern. Die etablierten Professorinnen und Professoren tun das ihrerseits unablässig.

Den relativ großen Freiheiten von Juniorprofessoren einerseits stehen andererseits relativ geringe Sicherheiten gegenüber. Das erschwert für diese Gruppe eine längerfristige Lebensplanung. Bundesweit gibt es bereits Juniorprofessoren erster und zweiter Klasse. Im Land Sachsen-Anhalt kann es beide gleichzeitig geben. Für die einen endet die Professur spätestens nach sechs Jahren, für die anderen wurde entweder prinzipiell, wie beispielsweise in Berlin, der so genannte Tenure Track eingerichtet oder wie bei uns wenigstens die Möglichkeit offen gehalten. Für die Juniorprofessorinnen und -professoren besteht danach die Option auf eine Überleitung der befristeten Juniorprofessur in eine befristete oder später auch in eine unbefristete Stelle.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Eine Garantie wäre auch ein Ding!)

- Das wollten wir auch nicht. Darüber waren wir uns einig. - Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren sind nicht zwangsläufig schneller als herkömmliche Assistenten. Im Gegenteil, sie müssen mehr Zeit für das Forschungsmanagement und die Selbstverwaltung aufwenden. Sie stehen auch unter einer erhöhten Prüfungsbelastung und den gesteigerten Anforderungen, die die

Betreuung von Abschlussarbeiten und Ähnlichem mit sich bringt. Vor allem aber müssen sie sich anders als die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Leistungsüberprüfung unterziehen, die zum Teil bereits zwei Jahre nach der Besetzung der Stelle beginnt und zu deren Verlängerung um weitere drei Jahre führen kann.

Im Mittelpunkt werden dabei ganz sicher die Ergebnisse der Forschungsvorhaben im internationalen Vergleich stehen, die von einer Evaluierungskommission und durch externe Gutachter an qualitativen und quantitativen Maßstäben gemessen werden. Dazu zählen die methodische Fundierung, der innovative Charakter, die Seitenzahlen, die Publikationsorte und die Publikationsnachweise sowie nicht zuletzt die Drittmitteleinwerbung und weiterführend die Lehre, die Nachwuchsförderung und die Rolle in der Selbstverwaltung.

Ich zähle das alles auf, weil ich damit einem Vorurteil begegnen will, das mir im Landtag vorgehalten wurde, nämlich dass die Juniorprofessur sozusagen die akademische Light-Variante wäre. Leider haben Zweifel, mangelnde Akzeptanz und die öffentlichen Debatten darüber bei einer ganzen Reihe von Betroffenen dazu geführt, dass sie zur Sicherheit nun doch das zweite Buch - in Gestalt der Habilitation - für sich selbst anstreben.

Ich habe mich zwischenzeitlich damit abgefunden, dass es sowohl die Juniorprofessur als auch die Habilitation als Wege einer akademischen Laufbahn geben wird, wenngleich mit einer Bedingung: Sie sollten gleichermaßen Beachtung und Chancen erhalten. So wie es aussieht, werden diese beiden Wege auch Eingang in die Gesetzgebung der Länder finden.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

- Ja, aber nicht bei allen. Ich komme noch dazu. Ich habe noch ein wenig Zeit.

Wir haben dann die klassische Mitarbeiterstelle, also den Assistenten oder die Assistentin, neben der Juniorprofessur. Die Regierungen von Bund und Ländern sollten beide Wege zumindest so absichern, dass ein fairer Wettbewerb möglich ist.

Im Übrigen ist die Habilitation im internationalen Kontext eher die Ausnahme. Viele Länder kennen sie in ihrem Hochschulsystem überhaupt nicht. Das findet meinerseits Erwähnung, weil wir derzeit intensive Bemühungen und Diskussionen um die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraumes haben.

Man kann nun die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes teilen oder auch nicht. Fakt bleibt, dass es bereits heute infolge der Novelle zum Hochschulrahmengesetz in zehn Bundesländern - das Land SachsenAnhalt dann eingeschlossen - zur Einführung der Juniorprofessur gekommen ist. Rund 180 Millionen € Fördermittel hat die Bundesregierung zur Verfügung gestellt, mit denen insgesamt 3 000 Juniorprofessuren gefördert werden könnten. Laut der Bundesbildungsministerin wurden bislang für 933 Stellen an 65 deutschen Universitäten Mittel bewilligt. Rund 600 Stellen sollen bereits besetzt sein.

Die Kultus- bzw. die Wissenschaftsminister der Länder stehen nunmehr vor der Aufgabe, Vereinbarungen auszuhandeln, die eine gegenseitige Anerkennung von Juniorprofessoren beinhalten. Damit bleiben Juniorprofessorinnen und Juniorprofessoren insbesondere im Rahmen von Berufungsverfahren wettbewerbsfähig.

Mit der Nichtigkeitsentscheidung bezüglich der fünften Novelle zum Hochschulrahmengesetz ist die zum 22. Februar 2002 in Kraft getretene Neuordnung der Fristverträge für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie für wissenschaftliche Hilfskräfte ausgehebelt worden. Bundesweit dürften davon etwa 20 000 Arbeitsverträge betroffen sein. Natürlich sind auch hierdurch die Betroffenen erheblich verunsichert.

Ich habe dies aufgrund der Komplexität und der Kompliziertheit dieser Materie noch nicht in den vorgelegten Antrag aufgenommen. Ich gehe nämlich zudem davon aus, dass es in Bezug auf diese Fragen im Gegensatz zu den Juniorprofessuren - so hoffe ich - dann doch weit größere Differenzen zwischen den politischen Entscheidungsträgern geben könnte. Es bedarf also durchaus auch eines ausführlicheren Diskussionsprozesses. Mir erscheint am Ende das Meinungsbild zur Juniorprofessur wesentlich homogener. Insofern sollten wir mit dem weniger Strittigen beginnen und möglichst bald zu verbindlichen Regelungen zwischen den Ländern kommen.

Abschließend sei meinerseits angemerkt, dass es dazu bereits eine gleich lautende, einstimmig gefasste Beschlussempfehlung des Wissenschaftsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus gibt.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Gleich lautend!)

- Natürlich gleich lautend, das weiß ich doch, das ist doch günstig. - Diese geht auf einen Antrag der dortigen FDP-Fraktion zurück.

(Herr Tullner, CDU: Oho! Oho!)

- Na klar. - Ich teile den Inhalt und sehe angesichts dieser parlamentarischen Vorarbeit der Berliner gute Chancen, auch hier zu klaren Mehrheiten zu kommen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Frau Dr. Sitte. - Für die Landesregierung hat Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst freut es mich, dass sich inzwischen auch die Vertreterinnen und Vertreter der PDS zu den beiden parallelen Qualifikationswegen des wissenschaftlichen Nachwuchses bekennen. Das ist ja neu.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU - Frau Dr. Sitte, PDS: Was soll man machen?)

Dieser ehrlichen Freude möchte ich hier Ausdruck geben. Sie stimmen mit den Intentionen der Regierung bei der Vorlage des Entwurfs zu unserem Hochschulgesetz außerdem auch noch überein. Das heißt, wir haben die Einführung der befristeten Juniorprofessur unter Beibehaltung der Habilitation als Alternative in der Nachwuchsförderung im Hochschulgesetz verankert.

Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich dazu, dass die Beibehaltung der Juniorprofessur im Sinne einer Weitererprobung sinnvoller Modelle zur Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses unsere Handlungsgrundlage ist. Das bezieht sich insbesondere auf solche Fächer und Bereiche, in denen schon jetzt

eine einheitliche Habilitationsschrift nicht mehr üblich oder nicht sinnvoll ist.

Das sind gelegentlich technische Disziplinen, bestimmte soziale und pädagogische Berufe, insgesamt solche Felder, die mit einem unmittelbaren Praxisbezug und Entwicklungsaufgaben vor Ort verknüpft sind, wo Projekterfahrung in der Tat, wenn sie denn wissenschaftlich ausgewertet und verarbeitet wird, mindestens einen Äquivalenzcharakter gegenüber der Habilitation beanspruchen kann. Damit sage ich aber nichts Neues; das ist schon immer meine Position und auch die Position der Regierung.

Die Zukunft wird zeigen, ob die Habilitation oder die Juniorprofessur mehr Zuspruch findet oder ob sich nicht sogar noch weitere Äquivalenzmodelle herausbilden werden. Hierbei sollten wir ganz offen sein und auch ein bisschen auf das Potenzial der akademischen Autonomie vertrauen.

Die Mehrheit des Parlaments hat sich durch die Zustimmung zu dem geltenden Hochschulgesetz schon sehr klar zu diesem Weg bekannt. Es wäre natürlich durchaus schön, meine Damen und Herren, wenn Sie hier einmal parteiübergreifend einen bereits eingeschlagenen Weg bestätigen und bekräftigen wollten.

Zwar stimmen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die in den §§ 41 f. des Hochschulgesetzes des Landes getroffenen Bestimmungen zur Juniorprofessur nun nicht mehr mit dem Rahmenrecht überein, doch hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung gerade deutlich gemacht, dass dieser Bereich den rahmenrechtlichen Regelungen gar nicht umfassend zugänglich ist. Das bedeutet, dass der Bundesgesetzgeber kurzfristig das HRG an die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anpassen muss.

Hierzu gibt es bereits Gespräche auf allen Ebenen, auch auf der Ebene der Landesregierungen. Im Land selbst allerdings - dazu haben Sie alle beigetragen - haben wir dem durch die Gesetzgebung schon vorgegriffen.

Insofern stimmt die Landesregierung mit dem PDS-Antrag und den darin enthaltenen Forderungen nach bundesweiten Abstimmungen, insbesondere zur wechselseitigen Anerkennung der Juniorprofessuren - das ist in der Tat sehr wichtig -, überein.

Der Intention nach - das haben Sie selbst gesagt - gibt es hier und dort gelegentlich wortgleiche Anträge, auch anderer Parteien. Aber das will ich alles als gutes Zeichen betrachten.

Dass ich den Ausschuss über die Ergebnisse der laufenden Abstimmungsprozesse in diesem sensiblen Bereich, sobald sie vorliegen, kurzfristig unterrichten werde, versteht sich eigentlich von selbst. Aber eine Bekräftigung dieses Vorhabens kann nicht schaden.

Der Antrag ist also angesichts der Haltung der Regierung und insbesondere der bereits gültigen Gesetzeslage in Sachsen-Anhalt so überflüssig, wie er in der Sache richtig ist. Deshalb kann man ihn ablehnen oder befürworten. In dieser Konstellation plädiere ich allerdings für Letzteres; denn Einigkeit in wichtigen Fragen der Hochschulentwicklung besteht in diesem Hohen Hause selten genug. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der PDS, bei der FDP und von Minister Herrn Dr. Rehberger)

Danke, Herr Minister. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Tullner sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fürchte, dass die Vorbereitung mehr Zeit in Anspruch nimmt als meine Rede. Trotzdem vielen Dank.

(Zuruf von Frau Bull, PDS - Heiterkeit)

Als Vertreter einer Regierungsfraktion ist es immer schwierig, wenn der Minister laut Regieanweisung direkt vor einem redet. Da der große Konsens von ihm ausgerufen wurde - zu Recht -, kann und will ich mich dem natürlich nicht verweigern.

Der Antrag erscheint mir - wir sind gestern Abend recht spät aus Israel zurückgekommen; ich habe ihn trotzdem noch gelesen - ein bisschen lyrisch. Es werden Dinge festgestellt, die eben festzustellen sind. Dazu kann man sich positionieren. Er schadet nicht, und deswegen werden wir ihm in dem Sinne, wie es die Landesregierung offenbar macht - der Minister hat es so gesagt -, zustimmen.

Ich will vielleicht mit Blick auf den Antrag, den wir nachher haben, der einen ähnlichen Komplex umfasst - die ganze Föderalismusdiskussion im Hochschulbereich -, darauf hinweisen, dass die ganze Verwirrung und Unsicherheit gerade für die Betroffenen eben ein Stück davon herrührt, dass eine Ministerin meinte, eben einmal selbstherrlich über die Dinge entscheiden zu müssen, weil sie davon überzeugt war, den Reformeifer gepachtet zu haben und ihn auch kraftvoll umsetzen zu müssen.

Man kann sehen, was dabei im Endeffekt herauskommt: Die Betroffenen sind verunsichert und ihnen wird zumindest mental Schaden zugefügt; denn sie wissen nicht, wie es an der Stelle weitergeht. Die Ministerin wird dadurch ebenfalls beschädigt, weil plötzlich klar ist, dass die Dinge eben nicht so einfach und kraftvoll umzusetzen sind, wie das manche Personen in Berlin meinen.

Wir alle sollten uns auch ein Stück weit daran orientieren, den Konsens in der Hochschulpolitik - den föderalen Konsens, aber auch den hier im Hause - an der Stelle zu bekräftigen. Deswegen ist der Antrag diesbezüglich auch positiv zu bewerten.

Ein zweiter und letzter Gedanke. Wir haben eine lange und sehr heftige - - Frau Dr. Sitte, da wir gerade über Ihren Antrag reden, wäre es schön, wenn Sie mir auch ein Stück weit Gehör schenken würden.