Protokoll der Sitzung vom 15.10.2004

Beratung

Freie Theaterförderung in Sachsen-Anhalt

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/1834

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/1850

Einbringer für den Antrag der SPD-Fraktion ist der Abgeordnete Herr Reck. Bitte sehr, Herr Reck.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in Vorbereitung dieses Antrages eine Langfassung meiner Einbringungsrede

(Oh! bei der CDU)

und eine Kurzfassung vorbereitet. Die Langfassung war für den Fall gedacht,

(Herr Scharf, CDU: Für die Theaterfassung!)

dass ich keine Signale aus den Regierungsfraktionen erhalten würde, dass sie das Problem für ebenso wichtig halten wie wir. Da ich die Signale bekommen habe, werde ich die Langfassung zur Seite legen

(Herr Tullner, CDU: Oh!)

und die Kurzfassung vortragen.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der „Volksstimme“ vom 5. Oktober 2004, also wie bestellt zu dem Thema, aber nicht abgesprochen, hat Jürgen Hengstmann über freie Theater geschrieben. Ich will das hier einmal vortragen, weil man eigentlich freie Theater in unserem Land nicht besser beschreiben kann, als er es in dem Artikel getan hat.

„Wenn Schüler ins Theater gehen, besuchen sie in aller Regel ihr Stadttheater oder eine Landesbühne, wie das Theater der Altmark. Doch in Sachsen-Anhalt wird beileibe nicht nur für Leistungen von staatlich finanzierten Theatern geklatscht, Beifallsstürme gibt es auch für die vielen guten freien Theatergruppen.

Freie Theater sind nicht nur etwa ein Ersatz für richtige Theater, freie Theater sind ein unersetzlicher, ganz wichtiger Teil der kulturellen Identität unseres Bundeslandes. Die freien sind frech, alternativ, unabhängig und unkonventionell, bunt, besonders überraschend und wahnsinnig kreativ, aber zugleich auch von höchstem Anspruch. Sie sind eben so, wie viele junge Leute selbst sind oder es werden wollen.“

Ich glaube, dem braucht man nicht viel hinzuzufügen; ich habe es schon gesagt.

Es gibt aber ein Problem, jedenfalls hat sich das in diesem Jahr besonders krass gezeigt. Auch diese freien Theater bekommen Geld vom Land bzw. verdienen es, Geld vom Land zu bekommen. In diesem Jahr war es eben so, dass diese freien Theater aufgrund bestimmter Haushaltsbeschränkungen, Haushaltssperren ihre Gelder so spät erhalten haben, dass einzelne Theatergruppen vor der Insolvenz standen - so kann man das sagen.

Wir wollen das ändern. Das ist der Ansatz für unseren Antrag. Wir wollen, dass die Förderpraxis geändert wird, damit die freien Theater eine größere Planungssicherheit bekommen. Wir wollen, dass im Haushaltsplan klar ersichtlich ist, wie viel Geld für die freien Theater zur Verfügung steht.

Wir wissen aus den Beratungen über den Entwurf des Doppelhaushalts 2005/2006, dass die Gelder dafür zusammengefasst und bei einer Titelgruppe eingestellt sind. Es wäre zu überlegen - das wollen wir in den Beratungen erreichen -, die Mittel so zu veranschlagen, dass man aus dem Haushalt sofort erkennen kann, wie viel Geld den freien Theatern in den nächsten zwei Jahren zur Verfügung stehen wird.

Wir wollen, dass geprüft wird, ob es noch weitere Kooperationsmöglichkeiten zwischen den freien Theatern und den kommunalen Theatern gibt, die letztlich dazu beitragen können, dass sich die Qualität von beiden vielleicht noch weiter erhöht.

Deshalb werbe ich ausdrücklich für unseren Antrag, weil diese Punkte darin konkret aufgeführt sind. Ich bin aber - das möchte ich hier ausdrücklich sagen - froh darüber, dass die Koalitionsfraktionen dieses Problem aufgegriffen haben, dass sie das Thema in ihrem Antrag, der nicht ganz so konkret ist, bearbeiten und diesen Alternativantrag gestellt haben.

Der Antrag hat einen Mangel. Ich möchte das deutlich sagen. Ich hoffe, dass dieser Mangel noch behoben werden kann. In Ihrem Alternativantrag sprechen Sie davon, dass man die Berichterstattung und die Beratungen über dieses Thema im ersten Quartal des Jahres 2005 durchführen soll. Für uns ist das zu spät. Wir wollen schon jetzt, bei den Beratungen über den Doppelhaushalt 2005/2006 versuchen, die Weichenstellung zu erreichen, die ich hier angedeutet habe.

Wenn es Ihnen gelingt, diesen Absatz zu ändern und nicht zu sagen „im ersten Quartal des Jahres 2005“, sondern „parallel zu den Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt“, die jetzt anstehen, wenn Sie diesen Schritt machen, dann werden wir - wir werden natürlich zuerst unserem Antrag zustimmen - auch Ihren Antrag nicht scheitern lassen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Reck, für diese Kurzfassung. - Damit kommen wir zur Debatte. Zunächst hat für die Landesregierung der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz um das Wort gebeten. Bitte sehr, Herr Minister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist der für Kultur zuständige Minister erfreut, wenn er Unterstützung durch die Abgeordneten des Landtags erfährt; denn schon in absehbarer Zeit werden die Ausschüsse und vor allem das Parlament im Rahmen der Beratungen über den Haushaltsplanentwurf 2005/2006 der Landesregierung zu entscheiden haben, ob der veranschlagte Ansatz für die freie Theaterförderung in Höhe von etwa 500 000 € bestätigt wird.

Mit dem Antrag der Fraktion der SPD wird die Regierung bzw. der Landtag aufgefordert, erstens die Förderpraxis für Theater und Theatergruppen in freier Trägerschaft

ab 2005 umzustellen, zweitens im Rahmen der Beratungen zum Haushaltsplanentwurf zweckgebunden die dazu erforderlichen Haushaltsmittel einzustellen und drittens die gegenwärtigen Theatervertragsverhandlungen zu nutzen, um eine stärkere Kooperation zwischen den kommunal getragenen Theatern und den freien Theatern zu verankern.

In der Begründung zu dem Antrag wird neben der Würdigung der kulturellen Leistungen der freien Theatergruppen vor allem auf aktuelle Mängel im Förderverfahren 2004 Bezug genommen. Das geschieht nach meiner Auffassung zu Recht.

Insbesondere im Haushaltsjahr 2004 haben Bewirtschaftungseinschränkungen als Folge notwendiger Regierungsmaßnahmen zur Haushaltskonsolidierung in der Tat gerade in diesem Förderbereich zum einen eine überdurchschnittliche Reduzierung des Etatansatzes zur Folge gehabt und zum anderen zu einem erheblich verspäteten Mittelabfluss geführt.

Im Ergebnis dessen mussten einige geplante Projekte freier Theatergruppen abgesagt werden. In den beiden einzigen Privattheatern Sachsen-Anhalts - das Theater an der Angel in Magdeburg und die „Freien Komödianten“ in Halle - hatten die mit der Landesförderung verbundenen Unwägbarkeiten kurzfristig durchaus zu einer gefährlichen Situation geführt.

Die Gestaltung sachgerechter Förderbedingungen ist daher nicht ausschließlich ein Problem einer angemessenen Etatausstattung - ich glaube, das ist hierbei auch gar nicht der Konflikt - oder der inhaltlichen Bestimmung von Schwerpunkten in den Förderrichtlinien - auch das ist es eigentlich nicht -, sondern - das hat das Haushaltsjahr 2004 gezeigt - vorrangig ein Problem des Haushaltsvollzuges. Insofern sollten im Fortgang der Erörterung vor allem die haushaltstechnischen und die zuwendungsrechtlichen Voraussetzungen für eine sachgerechte Beförderung in den Blick genommen werden.

Die im Antrag unterbreiteten Vorschläge zur Neuordnung der Förderung von Theatern in freier Trägerschaft bzw. ihren Projekten haben einiges für sich und würden die Fördersituation verbessern. Es gibt in verschiedenen Bundesländern ähnliche, zum Teil aber auch andere Fördermodelle.

Mir ist Folgendes wichtig: Es geht nicht um eine rein fiskalische Diskussion; denn hier sollten wir uns in Realitätssinn üben, etwa in Diskussionen über die Höhe des erforderlichen Etatansatzes. Es geht vielmehr um die Umsetzung dieses Etatansatzes.

Damit wir in einem Jahr in diesem Hause nicht erneut die negativen Folgen von Haushaltssperren und globalen Minderausgaben für die Kulturförderung beklagen müssen, muss es meiner Meinung nach darum gehen, die angesichts der unverändert dramatischen Haushaltssituation des Landes auch künftig sicher unumgänglichen Bewirtschaftungsmaßnahmen im Falle der freien Theater in einer anderen, differenzierten Weise anzuwenden.

Vor allem sind bei der konkreten Ausgestaltung der Verfahren wie des Zuwendungsrechts die besonderen Rahmenbedingungen für die Kunstförderung mehr zu beachten. Auch freie Theater folgen den Gesetzen der Ensemblekunst mit den bekannten, relativ langen Vorlaufzeiten für künstlerische Planungen und Koordinierungen, dem frühzeitigen Engagement von Schauspielern und Tech

nikern, der Bindung von Spielorten, Bühnen und Terminen.

Dabei entstehen meist erhebliche Vorkosten, für die die Gruppenmitglieder nicht selten mit dem eigenen Vermögen in Vorleistung gehen. Ein Ausfall zugesagter oder in Aussicht gestellter Landesmittel oder eine extrem verspätete Auszahlung erweisen sich dann in der Tat als außerordentlich problematisch. Das kann ich nicht schönreden.

Die Probleme kumulieren, wenn durch den Ausfall der Landesförderung die Gesamtfinanzierung nicht mehr gesichert ist und sich daraufhin dann womöglich auch noch Drittmittelgeber zurückziehen. Auch das ist leider passiert.

Nach meinen Erfahrungen und den Gesprächen, die ich geführt habe, kann ich feststellen, dass viele Künstlerinnen und Künstler durchaus Verständnis für die notwendigen Maßnahmen zur Gesundung der öffentlich Haushalte haben. Kein Verständnis haben sie jedoch für ein unzuverlässiges und womöglich noch administrativ aufwendiges Förderverfahren, dessen Ausgang selbst nach dem Ende des Projekts mitunter noch ungewiss ist.

Hier fühle ich mich als zuständiger Fachminister durchaus aufgefordert, etwas zu unternehmen. Wenn das in guter Gemeinschaft mit den Abgeordneten passieren kann, dann ist das umso besser und dürfte das Vertrauen der freien Theater auch wieder herstellen.

(Frau Mittendorf, SPD: Eben!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben an dieser Stelle mehrfach die Gelegenheit gehabt, über die Förderung der freien Theater zu diskutieren. Das ist ein Förderbereich, der in der Tat von einer besonders kreativen, leistungsfähigen, auch leistungsorientierten Klientel getragen wird.

Im vergangenen Jahrzehnt ist eine eigenständige, manchmal auch eigenwillige Szene entstanden. Zwischen 30 und 40 freie Gruppen bzw. Theaterinitiativen bereiten regelmäßig ein bis zwei Inszenierungen im Jahr vor, die sich an professionellen Maßstäben messen lassen.

Aus dieser Szene sind die ersten beiden Privattheater mit ganzjährigem Spielbetrieb in Sachsen-Anhalt hervorgegangen. Ich habe sie schon genannt. Diese werden auch vom überregionalen Feuilleton wahrgenommen und sind insofern Botschafter unseres Landes in der Kulturszene, entfalten also dort eine nachhaltige Wirkung.

Die Angebote der freien Bühnen sind aus den Kulturkalendern zahlreicher Städte und Gemeinden eigentlich gar nicht wegzudenken. Dabei entfalten sie zugleich ein enormes Maß an Eigeninitiative, um ihre künstlerischen Projekte zu realisieren. Ich möchte einige Beispiele nennen.

Der Eigenerwirtschaftungsgrad der freien Theater liegt bei über 30 %. Der Anteil der Landesförderung deckt von den Projektkosten in aller Regel kaum mehr als 20 % ab. Mehr als die Hälfte der Mittel sind eingeworbene Dritt- bzw. Sponsorenmittel. Bei durchschnittlich 120 000 Zuschauern im Jahr - das entspricht übrigens der durchschnittlichen Zuschauerzahl der Bühnen Eisleben und Stendal zusammen - beträgt der Zuschuss der öffentlichen Hand pro verkaufter Karte weniger als 5 €.

Mit Blick auf die grundsätzlich veränderten Rahmenbedingungen ist über die Brauchbarkeit und Angemessenheit von bisher eigentlich bewährten Fördermechanismen in der Tat neu nachzudenken.

Vom Kultusministerium werden zurzeit die Richtlinien zur Kunstförderung überarbeitet. Die Diskussion zur Umstellung der bisherigen Förderpraxis für den Bereich der freien Theater kann hierbei hilfreich sein und sollte im Übrigen auch die veränderte Förderkulisse durch die Errichtung der Landeskunststiftung in Betracht ziehen. Diese Gelegenheit sollte man gleich ergreifen.

Insgesamt, meine Damen und Herren, dürfte sich allein die Tatsache, dass sich der Haushaltsgesetzgeber mit den besonderen Erfordernissen und Rahmenbedingungen in diesem Bereich befassen will, für die Erarbeitung sachgerechter Problemlösungen und die Weiterentwicklung der Theaterlandschaft als hilfreich erweisen. Deshalb bin ich gern bereit, im Sinne des Alternativantrages der Regierungsfraktionen im Ausschuss zu berichten. Ich denke auch, dass wir für diesen Bericht einen einvernehmlichen Termin finden werden. - Vielen Dank.