Es gibt aber auch andere Versorgungsformen, die in der Diskussion mit „innovativ“ etikettiert werden, deren Auswirkungen allerdings einer kritischen Würdigung nicht vollumfänglich standhalten. Dazu gehört aus meiner Sicht die Bindung der DMPs, der Disease-ManagementProgramme, an den Risikostrukturausgleich.
Für mich ist einfach nicht nachvollziehbar, dass man, wenn man auf der einen Seite Fehlversorgung abbauen sowie die Behandlung strukturieren und verbessern möchte, auf der anderen Seite neue Probleme produziert. Es ist eine gesundheitspolitische Fehlleistung, die DMPs an den Risikostrukturausgleich zu binden.
Die Einzigen, die von der Geldumverteilungsmaschinerie profitieren, sind einige Krankenkassen. Es kann doch nicht sein, dass es Krankenkassen gibt, die von jedem Euro, den sie einnehmen, rund 35 Cent in den Risikostrukturausgleich durchreichen müssen. Das ist eine Entwicklung, die den Wettbewerb hemmt und neue Probleme aufbaut, statt alte zu lösen.
In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auf ein weiteres Problem aufmerksam machen. Ein solches ist vor allem die mit den DMPs verbundene Bürokratie. Wenn ich mir vorstelle, dass ein großer Anteil der Arbeitskraft der Ärzte und der Pflegenden für Dokumentation und Buchführung über den Patienten eingesetzt wird, um auf den alles entscheidenden Tag hinzuarbeiten, an dem der Medizinische Dienst der Krankenkassen prüft oder andere Institutionen die Daten weiterverarbeiten, dann stelle ich mir die Frage, ob die Lösung dieses Problems im Erfinden neuer Verwaltungsberufe im Gesundheitswesen zu suchen ist oder doch eher im Abbau der bürokratischen Anforderungen.
Meine Damen und Herren! Ein anderes Problem ist die Frage eines möglichen Ärztemangels in Sachsen-Anhalt. Ich finde es gut, dass der Minister diese Problematik sehr ausführlich dargestellt hat und nachgewiesen hat, dass die Landesregierung in ihrem Verantwortungsbereich alles, was möglich ist, unternimmt, um Ärzten in Sachsen-Anhalt die freiberufliche Niederlassung in einer Praxis zu ermöglichen. Ich möchte an dieser Stelle jedoch auch darauf verweisen, dass bei dieser Diskussion meistens eine Berufsgruppe ausgeblendet wird. Das ist die zahlenmäßig größere Gruppe des Pflegepersonals.
Der medizinisch-technische Fortschritt ermöglicht uns erfreulicherweise ein längeres Leben. Er führt aber auch dazu, dass im hohen Lebensalter immer mehr Menschen der pflegerischen Betreuung bedürfen. Die demografischen Veränderungen der Gesellschaft werden auch hier wirken und werden bei einem Anstieg des Anteils der über 80-Jährigen von heute 3,5 % auf 6,6 % der Bevölkerung im Jahr 2020 einen höheren Pflegebedarf erzeugen. Ich will an dieser Stelle nur darauf aufmerksam machen, damit dieses Thema entsprechend im Bewusstsein ist.
Meine Damen und Herren! Der Minister hat auch die Problematik der Überbelegung im Maßregelvollzug angesprochen. Das ist ein klassisches landespolitisches Thema, welches wir nur selber lösen können. Nicht zuletzt wegen der Brisanz der Überbelegung und aus Gründen der Sicherheit haben die Koalitionsfraktionen im Doppelhaushalt die notwendigen Mittel bereitgestellt, damit ein neuer Standort betrieben werden kann.
Damit ist es jedoch nicht getan; denn gegenüber der Bevölkerung ist auch Aufklärung statt Panikmache vonnöten. Dabei sollte im Vordergrund stehen, welche Aufgaben der Maßregelvollzug hat und welche Sicherheitsprobleme entstünden, wenn es ihn und die qualifizierte Betreuung in der Salus gGmbH nicht gäbe.
Meine Damen und Herren! Als Hans Eichel die Tabaksteuer erhöhte, hat er sicherlich in erster Linie an seinen Haushalt gedacht und die Hoffnung gehegt, dass möglichst viele Deutsche bereit sind, ihre Gesundheit weiterhin vorsätzlich zu schädigen. Nun ist in diesem Jahr etwas eingetreten, womit er wohl nicht gerechnet hat: Die Tabaksteuereinnahmen sind nicht in dem Umfang geflossen, wie er es sich gewünscht hat. Nun könnte man sagen: Seien wir doch froh, dass weniger geraucht wird.
Meine Damen und Herren! Hans Eichel hat damit nachgewiesen, dass er eines nicht hat: Menschenkenntnis. Ich denke, die betreffenden Leute rauchen auch heute noch. Nur haben sich auf andere Bezugsquellen und dergleichen umorientiert. Suchtverhalten lässt sich eben oft nur kurzfristig über den monetären Druck beeinflussen.
Damit sind wir bei den aktuellsten Themen, der Prävention und der Gesundheitsförderung. Eines möchte ich vorweg sagen: Ich halte Prävention und Gesundheitsförderung für eine so wichtige Aufgabe, dass sie gleichberechtigt neben der Kuration, der Pflege und der Rehabilitation stehen sollte. Allerdings glaube ich nicht, dass sie geeignet ist, in dem Umfang Gesundheitskosten zu sparen, wie es gemeinhin angenommen wird.
Die Aktivitäten in unserem Bundesland von der Gesundheitsberichterstattung bis hin zur Formulierung der fünf neuen Gesundheitsziele machen deutlich, dass wir die Zeichen der Zeit erkannt haben und somit auch Menschenkenntnis an den Tag legen, wenn wir mit unterschiedlichen Partnern - es sind insgesamt ca. 82 Institutionen - Prävention und Gesundheitsförderung voranbringen.
Die Grundideen haben nicht unbedingt wir in SachsenAnhalt erfunden. Aber ich finde es bemerkenswert, dass bei uns internationale Ideen wie die Ottawa-Charta der Vereinten Nationen seit Anfang der 90er-Jahre umgesetzt werden. Entsprechend dem dort formulierten Setting-Ansatz setzen Prävention und Gesundheitsförderung dort an, wo die Menschen am besten zu erreichen sind, nämlich in ihrem jeweiligen Lebensumfeld, im Kindergarten, in der Schule, im Betrieb oder in dem Stadtteil.
Dieser ortsbezogene Ansatz lässt sich nach meiner Auffassung am besten umsetzen, wenn auch die Entscheidungskompetenzen in einer möglichst flachen Hierarchieebene angesiedelt sind. Das ist die Landes- bzw. die kommunale Ebene. Große, aufgeblasene Bundesinstitutionen kosten vor allem Geld und erzeugen eine bürgerferne Bürokratie.
Prävention und Gesundheitsförderung sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es ist daher zu begrüßen, dass sich zu ihrer Finanzierung im Rahmen des Präventionsgesetzes mehrere Partner zusammenschließen. Wie diese Mittel dann verteilt werden - ich sagte es bereits -, sollte man vor Ort entscheiden.
Meine Damen und Herren! Eingangs stellte ich dar, dass die Gesundheit, aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet, eigentlich ein unbezahlbares Gut ist.
Herr Scholze, Sie sollten jetzt allmählich „ausgangs“ noch etwas darstellen und dann aufhören. Ihre Redezeit ist deutlich überschritten.
Es gibt noch eine andere Perspektive: die Flussmetapher von Aaron Antonovsky in seinem Werk „Salutogenese“ zur Entmystifizierung der Gesundheit. Danach ist der Fluss der Strom des Lebens; niemand geht sicher an seinem Ufer entlang. Darüber hinaus ist klar, dass ein Großteil des Flusses sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinn verschmutzt ist. Es gibt auch Gabelungen, gefährliche Stromschnellen und Strudel. Die zentrale Frage dabei ist: Wie wird man, wo immer man sich in dem Fluss befindet, ein guter Schwimmer?
Meine Damen und Herren! Im übertragenen Sinne wünsche ich dem Gesundheitsministerium und seinem Minister viel Erfolg beim Gestalten der Rahmenbedingungen für den Schwimmunterricht. Im wörtlichen Sinne wünsche ich dem Umweltministerium viel Erfolg bei der Reinhaltung der Gewässer gemäß dem EU-Recht und von mir aus auch gern mit saufenden Kühen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Scholze. - Meine Damen und Herren! Wir sind damit am Ende der Debatte. Die Landesregierung hat auf einen weiteren Wortbeitrag verzichtet. Beschlüsse in der Sache werden nicht gefasst. Damit ist der Tagesordnungspunkt 3 beendet.
Ich unterbreche die Sitzung bis 13.45 Uhr. Ich komme aber gern noch einer Bitte des Herrn Landtagspräsidenten nach, alle diejenigen, die er in den Beratungsraum B2 01 zu einer Besprechung eingeladen hat, daran zu erinnern.
Meine Damen und Herren! Die vereinbarte Zeit ist bereits um sechs Minuten überschritten. Obgleich der Saal keineswegs sehr gut gefüllt ist, setzen wir unsere Tagung fort.
Sie kennen das Reglement. Die Debattenreihenfolge und die Redezeiten sind Ihnen ebenfalls bekannt, sodass ich sogleich dem Fragesteller das Wort geben kann. Bitte schön, Herr Gärtner.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die PDS-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt hat diese Große Anfrage gestellt, um einen umfassenden Überblick über die Situation in der Abschiebehaft in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Die Erarbeitung erfolgte in Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisationen, die sich mit dieser Problematik seit Jahren sehr intensiv beschäftigen.
Das Parlament hat sich in der letzten Legislaturperiode wie in den Legislaturperioden davor und auch in dieser Legislaturperiode, insbesondere im Petitionssausschuss, mit Personen beschäftigt, die sich in der Abschiebehaft befinden und ihre Abschiebung verhindern wollen.
Im Mittelpunkt einer Plenardebatte in der letzten Legislaturperiode stand der Tod eines jungen Inders, der sich am 14. November 1998 in der Jugendhaftanstalt in Halle umgebracht hatte. In der Folge stellte sich heraus, dass dieser Junge dort gar nicht hätte einsitzen dürfen. Ein Antrag der PDS zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses wurde damals vom Landtag abgelehnt.
Sie sehen also, meine Damen und Herren, dass dies ein Thema von Relevanz ist. Ich will ganz deutlich betonen, dass es sich hier um Personen handelt, die nur deshalb straffällig werden, weil sie die Hoffnung haben, menschenunwürdigen Verhältnissen entfliehen zu können.
Um die Hintergründe zu beleuchten, haben wir deshalb diese konkreten und detaillierten Fragen gestellt. Das, was die Regierung geantwortet hat, kann jedoch unsererseits nur als völlig ungenügend bewertet werden und zeigt, welches Interesse oder, besser gesagt, welches Desinteresse die Landesregierung an einer umfassenden Beantwortung hatte. Ein großer Teil der Fragen wird lapidar folgendermaßen beantwortet: Statistische Angaben hierzu liegen nicht vor und würden bei einer nachträglichen Erfassung zu einem zu hohen Verwaltungsaufwand führen. - Dies ist bei mehr als der Hälfte der Fragen der Fall.
Meine Damen und Herren von der Regierung, eine Große Anfrage wird deshalb gestellt, weil umfassende Antworten erwartet werden. Wir hätten Ihnen, so wie das oftmals üblich ist, auch gern eine Fristverlängerung für die Beantwortung gewährt; das wurde allerdings nicht beantragt.
Das Material, welches jetzt vorliegt, ist ungenau, unvollständig, widersprüchlich und letztlich nicht verwertbar. Ich sage Ihnen ganz klar: Damit haben Sie Artikel 53 der Landesverfassung nicht entsprochen, der das Frage- und Auskunftsrecht des Parlaments regelt. Die Landesregierung begründet die ungenügende oder mangelhafte Beantwortung zahlreicher Fragen mit Verweis auf Artikel 53 Abs. 4 der Landesverfassung. Dieser Artikel besagt:
„Sie braucht den Verlangen insoweit nicht zu entsprechen, als dadurch die Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Regierung oder Verwaltung wesentlich beeinträchtigt würde oder zu befürchten ist, dass durch das Bekanntwerden von Tatsachen dem Wohle des Landes oder des Bundes Nachteile zugefügt oder schutzwürdige Interessen Dritter verletzt werden. Die Entscheidung ist zu begründen.“
Meine Damen und Herren! Ich sehe an keiner Stelle, dass durch eine nachträgliche statistische Erfassung die
Funktionsfähigkeit und Eigenverantwortung der Landesregierung wesentlich beeinträchtigt werden könnte. Im Übrigen wurde diese Entscheidung seitens der Landesregierung nicht bzw. nur ungenügend begründet.
Nun konkret zu einigen Antworten. Auf Frage 5 teilen Sie in Bezug auf die Anzahl der Abschiebehäftlinge und die Dauer der Abschiebehaft mit, dass hier nur das erste Quartal 2004 erfasst worden ist und dass eine Abschiebehaft von mehr als zwölf Monaten nicht vollzogen wurde.
In Frage 8 ging es darum, wie viele Abschiebehäftlinge aus der Haft entlassen worden sind, weil eine Abschiebung nicht möglich war. Auch hier bezieht man sich in der Antwort wiederum nur auf das erste Quartal 2004. Man teilt mit, dass das zum Beispiel auf drei Abschiebungshäftlinge aus Indien zutrifft, die nach 388 Tagen entlassen worden sind. Damit sind die zwölf Monate allerdings überschritten - für mich ein ganz klarer Widerspruch. Einmal mehr zeigt sich, dass Sie eigentlich kein Interesse daran hatten, diese Anfrage ordentlich zu beantworten.
In der Antwort auf Frage 19 können Sie nun wiederum sehr detailliert darstellen, wie viele Personen seit dem Jahr 2000 aus der Abschiebehaft in welche Länder abgeschoben worden sind. An anderer Stelle wollen Sie aber über die Haftdauer und andere Details keine Auskunft geben - merkwürdig.
Interessant ist auch, dass Sie mitteilen, dass die Zielstaaten in der Regel mit den Herkunftsländern identisch sind. Wollen Sie damit etwa sagen, dass es auch Personen gibt, die in ein völlig anderes Land als ihr Herkunftsland abgeschoben worden sind? - Offensichtlich ja.
Erstaunlich ist auch die Antwort auf Frage 18, in der wir wissen wollten, wie viele Abschiebungsgefangene aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen wurden. Hier bezieht man sich auf Erinnerungen von Angestellten. Zugleich kann aber über die Länge der Haft jeweils eine sehr genaue Angabe gemacht werden - ein erstaunlich gutes Erinnerungsvermögen.
Zu Frage 20, in der es darum geht, dass wir erfahren wollten, wie viele der Abschiebungsgefangenen vor ihrer Inhaftierung wie lange schon in Deutschland gelebt haben, teilen Sie wiederum mit, dass es keine Daten gäbe. - Es wäre aber doch wohl möglich gewesen, wenigstens die Daten für das erste Halbjahr 2004 mitzuteilen, wie Sie das in anderen Antworten auch getan haben.
Ich betone nochmals, wir wollten diese Daten erhalten, um daraus politische Schlussfolgerungen zu ziehen. Gerade der Tod des jungen Inders im Jahr 1998, der wegen eines behördlichen Fehlers zu Unrecht in der Abschiebehaft gesessen hat, macht deutlich, wie wichtig solche Informationen sind. Ich fordere Sie auf, diese zu liefern und dies nicht mit fadenscheinigen Begründungen abzulehnen.
Daraus schlussfolgern wir jedoch auch, dass sehr oberflächig agiert wurde und wird nach dem Motto: Es sind doch nur Ausländer, die abgeschoben werden. - Das können und wollen wir nicht akzeptieren. Für die PDSFraktion ist die Abschiebehaft weiterhin eine inhumane Einrichtung, die abgeschafft gehört.