Protokoll der Sitzung vom 11.11.2004

Vielen Dank, Frau Röder. - Als nächste Rednerin spricht für die SPD-Fraktion Frau Krimhild Fischer. Ich begrüße vorher noch Damen und Herren vom Ländlichen Bildungszentrum in Wanzleben auf der Südtribüne.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun bitte Frau Krimhild Fischer.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Der Gegenstand der Großen Anfrage der PDS-Fraktion ist, wie beschrieben, die Situation der Abschiebungshaft in Sachsen-Anhalt. Herr Gärtner, meiner Meinung nach wäre das Thema eher ein Beratungsgegenstand für den Innenausschuss oder auch für den Ausschuss für Recht und Verfassung gewesen. Man hätte sich dort intensiver mit Einzelfragen auseinander setzen können

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

und über einzelne Problemstellungen diskutieren können. Das ist im Rahmen der Aussprache zu einer Großen Anfrage leider nicht möglich. Aber es ist uns unbenommen, das in den Ausschüssen noch nachzuholen. Minister Becker hat angeboten, im Ausschuss für Recht und Verfassung dazu zu berichten. Ich denke, auch im Innenausschuss sollten wir uns diesem Thema zuwenden.

Die Abschiebehaft dient der Durchsetzung einer bestehenden Ausreisepflicht. Das haben alle bisher Vortragenden bereits genannt. Aber sie wird dabei nur als das so genannte letzte Mittel gegenüber ausreisepflichtigen Ausländern angewendet. Bevor davon Gebrauch gemacht wird, besteht der Vorrang der freiwilligen Rückkehr in die Herkunftsstaaten. Die meisten Ausreisen geschehen auf freiwilliger Basis. Aber es gibt eben auch Einzelfälle, in denen ausreisepflichtige Ausländer ihrer Ausreisepflicht nicht nachkommen. Nur in diesen Fällen wird die Ausreise zwangsweise durchgesetzt.

Die Abschiebehaft wird vom Amtsgericht und auf Antrag der Ausländerbehörde verhängt. Dabei handelt es sich nicht um eine Strafhaft. Diese Form der Haft dient der Sicherung der Abschiebung. Sie kann nicht verhängt werden, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen eine Abschiebung in absehbarer Zeit nicht möglich ist, zum Beispiel bei einem andauernden Abschiebestopp.

Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Abschiebungshaft sind in § 57 des Ausländergesetzes detailliert geregelt und stützen sich auf Gründe, die der Betroffene selbst zu vertreten hat, zum Beispiel unerlaubte Einreise, nicht angezeigter Wechsel des Aufenthalts nach dem Ablauf der Ausreisepflicht, Nichtwahrnehmung eines Abschiebungstermins, Untertauchen usw. Die zurzeit noch geltenden gesetzlichen Vorschriften des Ausländergesetzes sind in fast unveränderter Form in das ab 1. Januar 2005 geltende Aufenthaltsgesetz als Teil des Zuwanderungsgesetzes übernommen worden.

Die Dauer der Abschiebungshaft soll so gering wie möglich gehalten werden. Ich glaube, das versteht sich wohl von selbst. Deshalb begrüßen wir es, dass die Abschiebungshaft in keinem der Fälle in Sachsen-Anhalt, zumindest nach Auskunft der Landesregierung, länger als

zwölf Monate andauerte. Aber auch in den in der Antwort der Landesregierung aufgeführten Fällen, in denen Betroffene zwischen sechs Monaten und einem Jahr in der Haft verbrachten, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um eine so lange Haftdauer zu vermeiden.

Zu begrüßen ist aus unserer Sicht auch, dass weder Schwangere noch Kinder oder Personen mit Behinderungen in Sachsen-Anhalt in Abschiebungshaft saßen. So sollten gewisse Mindestregeln für die Abschiebehaft anerkannt werden, zu denen die eben genannten unmittelbar gehören. Wir sind sogar der Meinung, dass so etwas zukünftig festgeschrieben werden sollte.

Im Zusammenhang mit der Abschiebungshaft möchte ich die zentrale Ausreiseeinrichtung in Halberstadt, die so genannte Zast, erwähnen. Sie sollte zur Vermeidung der Abschiebungshaft dienen. Das war die Intention bei der Einrichtung dieser Stelle.

Die Änderungen hinsichtlich der Einrichtung mithilfe von Erlassen des Innenministeriums beschäftigten uns wiederholt im Innenausschuss. Erst im Juli dieses Jahres war der Tod eines Asylbewerbers der traurige Anlass für die Befassung des Innenausschusses mit der Situation der Asylbewerber in der Zast und mit den Umständen, die zu seinem Tod führten. In diesem Zusammenhang wurde über die Situation der Asylbewerber im Ausreisezentrum in Halberstadt und die dortige Versorgungssituation diskutiert.

Es muss geprüft werden, ob die Ausreiseeinrichtung in Halberstadt der Intention, mit der sie eingerichtet wurde, noch gerecht wird, ob sie wirklich Abschiebungshaft vermeidet; denn die Abschiebungshaft, meine Damen und Herren, stellt einen starken Eingriff in die Grundrechte eines jeden Menschen dar. Es wird stark in die Freiheitsrechte Einzelner eingegriffen. Deshalb wäre es gut, wenn es gelänge, Abschiebungshaft zu vermeiden. Die Einrichtung einer Härtefallkommission hätte vielleicht in Einzelfällen hilfreich sein können.

Herr Minister Jeziorsky, im Interesse der Betroffenen ist die Prüfung der Einrichtung einer Härtefallkommission doch zügig abzuschließen. Sie sollte unserer Meinung nach gleichzeitig mit dem In-Kraft-Treten des Zuwanderungsgesetzes am 1. Januar 2005 ihre Arbeit aufnehmen können.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Viele der Menschen, die nach Deutschland, nach Sachsen-Anhalt kommen, weil sie sich ein besseres und/oder menschenwürdigeres Leben versprechen, die oft auch illegal einreisen, brauchen zu Hause in ihrem Heimatland Perspektiven in wirtschaftlicher, politischer und auch menschenrechtlicher Hinsicht. An dieser Stelle sollten wir vermehrt ansetzen, entwicklungspolitische Zusammenarbeit anbieten und auch fördern. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Frau Krimhild Fischer. - Nunmehr erteile ich Herrn Stahlknecht für die CDU-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Gärtner, wir halten die Antwort der Landesregierung durchaus für ausreichend - nicht im Sinne einer Note; wenn wir eine Note nehmen wollten, für gut -; denn wenn Sie eine Reihe von Fragen stellen, die eine Landesregierung im Vor

feld nicht für verfolgbar oder für nicht überprüfbar hält, können Sie auch nicht eine vollumfängliche Beantwortung dieser Fragen erwarten. Sie können davon ausgehen, dass wir im Rahmen von Bürokratieabbau, von Verschlankung des Staates nicht anfangen werden, bewusst Überwachungsmechanismen oder Statistiken künstlich aufzublähen für Dinge, die in der Sache eigentlich nicht erforderlich sind. Insofern ist die Beantwortung in diesem Bereich völlig richtig erfolgt.

Ich gebe Ihnen insoweit Recht - das hat die Kollegin Röder gesagt -, als die Haftbedingungen in Sachsen-Anhalt alles andere als gut sind. Das gilt nicht nur für Abschiebehäftlinge, das gilt für Untersuchungsgefangene ebenso wie für diejenigen, die im Strafvollzug eine Freiheitsstrafe verbüßen.

Weil das so ist, haben wir auch reagiert und bauen eine neue Justizvollzugsanstalt in Burg. Wir haben das einvernehmlich im Ausschuss für Recht und Verfassung beraten. Sie sehen, nicht nur in diesem, sondern generell im Bereich des Vollzuges gibt es positive Veränderungen.

Nun stellen Sie darauf ab und sagen, es habe einen Vorfall gegeben, den Sie hinterfragt haben wollten. Sicherlich ist der Vorfall, dass ein Abschiebehäftling gefesselt worden ist, durchaus bedauerlich, weil die Grundlagen für die Anwendung des unmittelbaren Zwangs nicht vorlagen.

Aber, Herr Gärtner, in jedem Berufsstand passieren gelegentlich Fehler, wobei die Folgen dieser Fehler je nach dem Beruf, den man ausübt, in der Tat eine unterschiedliche Intensität haben. Darin gebe ich Ihnen Recht.

Aber die Tatsache, dass es Fehler gibt, kann doch nicht dazu führen, dass wir sagen, weil es Fehler gibt, schaffen wir die Abschiebehaft ab. Dann müssten wir Ermittlungsverfahren abschaffen, bei denen Fehler passieren. Wir müssten Strafverfahren einstellen, bei denen es Fehlurteile gibt, und wir müssten den Strafvollzug vollumfänglich abschaffen, weil dort hin und wieder auch Fehler passieren.

Wegen des einen Fehlers das andere zu fordern, halte ich - unter uns gesagt - für etwas demagogisch.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich zu der Abschiebehaft noch etwas sagen. In § 57 Abs. 2 des Ausländergesetzes sind die Tatbestände abschließend geregelt, die die Verhängung von Abschiebehaft rechtfertigen. Die Abschiebehaft kommt nicht aus heiterem Himmel. Sie ist nicht rechtsstaatswidrig, sie ist nicht verfassungswidrig. Hier liegt immer ein Fehlverhalten des auszuweisenden Ausländers zugrunde. Warum soll ein Staat nicht die Möglichkeit in Anspruch nehmen, einen Ausländer, der hier zu Gast ist und sich fehlverhält, eben auch abzuschieben? Ich halte das für eine durchaus gängige und gute Rechtspraxis.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich gebe Ihnen Recht, Herr Gärtner, - das Gleiche gilt im Übrigen auch für die Untersuchungshaft, die nicht länger als sechs Monate dauern soll - dass die Dauer der Abschiebehaft zwölf Monate nicht überschreiten soll. Darin gebe ich Ihnen Recht. Das war sicherlich auch ein Hintergrund Ihrer umfangreichen Anfrage.

Wir halten - um es zusammenfassend zu sagen - die Beantwortung durch die Landesregierung den Umstän

den entsprechend für gut. Wir halten die Beibehaltung des Instruments der Abschiebehaft für erforderlich. Wir gehen davon aus, dass die Grundlagen des Rechtsstaates dabei immer ordnungsgemäß angewandt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Stahlknecht. - Herr Gärtner, jetzt haben Sie noch einmal die Gelegenheit zu sprechen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insbesondere die Ausführungen von Minister Becker, aber auch die von Herrn Stahlknecht führen dazu, dass ich doch noch einmal die eine oder andere Anmerkung machen muss.

Sie begründen die Nichtbeantwortung der Fragen damit, dass das mit Bürokratieabbau und Entschlackung der Verwaltung zu tun habe. Meine Damen und Herren! Wir reden hier nicht über irgendetwas. Wir reden hier darüber, ob Menschen in diesem Land die Freiheit entzogen und massiv in ihre Grundrechte eingegriffen wird, das heißt, dass sie in einen Knast kommen.

Dazu sage ich ganz deutlich: Dass das erfasst werden muss, ist ein absolutes Muss. Die Daten sind meines Erachtens auch vorhanden, man war nur nicht gewillt, dies hier mitzuteilen. Das ist der entscheidende Punkt.

Ein zweiter, formaler Grund: Mit dieser Begründung - das ist ein Totschlagargument - können wir in diesem Landtag künftig vollständig auf Große Anfragen verzichten. Mit der Begründung, das sorge nur für einen hohen Verwaltungsaufwand, kann man auch ein Parlament abschaffen. Dies halte ich für außerordentlich problematisch und kritisiere es auch ganz deutlich.

Die Frage 36 als den Ausgangspunkt für unsere Anfrage zu nehmen, ist ebenfalls falsch. Es ging nicht darum, dies in den Mittelpunkt unserer Anfrage zu stellen. Es geht vielmehr darum, ein umfassendes Bild der Situation in der Abschiebehaft in Sachsen-Anhalt zu erhalten. Dieses haben wir leider nicht bekommen. Insofern ist es folgerichtig, dass sich sowohl der Innenausschuss als auch der Rechtsausschuss noch einmal mit diesem Thema befassen müssen, da wir in der Antwort kein umfassendes Bild erhalten haben.

Letzter Punkt: Die Note sechs haben nicht die Mitarbeiterinnen und Angestellten der Justizvollzugsanstalt und die Mitarbeiter in der Abschiebehaft in Volkstedt bekommen; die Note sechs haben Sie, Herr Minister Becker, für die Beantwortung dieser Anfrage erhalten. Nichts anderes wollte ich noch einmal sagen.

(Beifall bei der PDS - Oh! bei der CDU - Unruhe bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Gärtner. - Damit ist die Aussprache zur ersten Großen Anfrage beendet. Die zweite Große Anfrage wird am morgigen Freitag behandelt. Damit ist der Tagesordnungspunkt 6 a abgeschlossen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 7 auf:

Fragestunde - Drs. 4/1872

Es liegen insgesamt nur zwei Kleine Anfragen vor. Ich rufe die Frage 1 auf mit der Überschrift: Personalentwicklung im Nationalpark Hochharz/Harz (künftig „Harz“). Sie wird von Herrn Ulrich Kasten von der PDSFraktion gestellt. Bitte schön, Herr Kasten.

Mit der von allen Fachleuten und auch von den Parteien des sachsen-anhaltischen Landtages als sinnvoll angesehenen Fusion der beiden Nationalparke im Harz entsteht ein Länder übergreifender Park. Dieser hat aufgrund seiner Naturausstattung und seiner besonderen Geschichte eine hohe nationale und europäische Bedeutung. Während für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vorerst Bestandsschutz gilt, sollte die Personalauswahl für die Leitungsebenen diesem internationalen Standard entsprechen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wurde bei der Auswahl des Leiters des künftigen gemeinsamen Nationalparks Hochharz/Harz diesen Ansprüchen entsprochen, wie wird diese neu geschaffene Planstelle derzeit finanziert und welche Dienstbefugnis ist derzeit für diesen Leiter des Nationalparks Harz gegeben?

2. Wie wird für die zurzeit in der Ausschreibung befindlichen Stellen für den Leiter Öffentlichkeitsarbeit und den stellvertretenden Leiter des Nationalparks Harz den schon formulierten Ansprüchen entsprochen und in welcher Form wird hierbei ergänzend ein Proporz zwischen niedersächsischen und sachsen-anhaltischen Angestellten und Beamten gesichert?

Vielen Dank, Herr Kasten. - Gerade eben noch rechtzeitig eingetroffen, kann Frau Ministerin Wernicke die Antwort geben. Bitte schön.