Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe in der Haushaltsberatung im Jahr 2004 den Fehler gemacht, nach der Mittagspause zu sprechen, und hatte dann das Vergnügen, nur noch mit der PDS zu kommunizieren.
Ich glaube, das ist im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit einer solchen Debatte nicht sehr zielführend. Deswegen habe ich daraus gelernt und beharre darauf, noch vor der Mittagspause reden zu dürfen.
Zweitens. Zu Herrn Gallert und auch zu dem Beitrag von Kollegen Rothe: Die Abwesenheit des Ministerpräsidenten fast zum handlungsleitenden Debattenthema zu machen halte ich, gelinde gesagt, für ziemlich peinlich. Wenn der Ministerpräsident zu einem Blumenzüchterverein oder auch zu einem Empfang der Queen gegangen wäre, hätte ich den Unmut vermutlich geteilt.
Aber dass man gerade in diesen Tagen, in denen es um die zentralen Fragen geht, wie es mit dem Föderalismus in Deutschland weitergeht, wie sich die Länder in die Lösung der finanziellen und anderer wichtiger Aufgaben einbringen, die sich jetzt herausbilden - ich verweise auf die Hochschulbauförderung und auf all die anderen wichtigen und spannenden Themen -, verlangt, dass der Ministerpräsident während dieser Debatte anwesend sein soll, bringt mich dazu, Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, aufzufordern, Ihre staatspolitische Verantwortung noch einmal zu hinterfragen.
Ein dritter Punkt, Herr Gallert: das Selbstbewusstsein des Ostens. Frau Hüskens hat das auch schon thematisiert. Ich könnte ja einiges erahnen, was man dem Ministerpräsidenten ankreiden kann, aber dass er unter mangelndem Selbstbewusstsein leidet, kann man wohl nicht sagen.
Selbst wir als Regierungsfraktionen müssen das manchmal zur Kenntnis nehmen und damit umgehen. Aber das zum Thema zu machen, dass wir an dieser Stelle nacharbeiten müssten - ich glaube, diesbezüglich hat sich auch in der Außenwahrnehmung in diesem Lande etwas grundlegend geändert. In dieser Hinsicht sehe ich bei uns keinen Änderungsbedarf.
Ehe wir in die Mittagspause eintreten, meine Damen und Herren, will ich noch ganz kurz einige Punkte vertiefen, die mein Fraktionsvorsitzender schon angerissen hat. Doch bevor ich dies tue, möchte auch ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, bei Frau Dr. Weiher, beim Landesrechnungshof, bei Frau Kahl, beim Gesetzgebungs- und Beratungsdienst und allen anderen fleißigen Helferinnen und Helfern im Hintergrund bedanken; denn ohne sie wären wir nicht in der Lage gewesen, diese strapaziösen Beratungen hinter uns zu bringen.
- Seien Sie doch etwas geduldiger, Frau Budde, sonst brauche ich doch noch die 26 Minuten. Lassen Sie mich doch einfach in Ruhe die Dinge ansprechen.
Meine Damen und Herren! Wir legen mit diesem Haushaltsplan ein zentrales Politikkonzept vor. Das ist gelegentlich in der Presse und auch schon in dieser Debatte ausgeführt worden. Wir haben Verantwortung in schwierigen Zeiten übernommen. Das ist anspruchsvoll, das gebe ich zu. Wir schöpfen aus dieser Verantwortung die Kraft und den Anspruch, dieses Land voranzubringen, und zwar auch über das Jahr 2006 hinaus.
Meine Damen und Herren! Vieles ist uns in großen Teilen gelungen. Wir sind dabei, unser Land zukunftsfähig zu machen und auf die absehbaren Entwicklungen vorzubereiten. Die Frage, wohin und wie sich SachsenAnhalt entwickelt, ist doch die eigentlich spannende Frage in den nächsten Jahren.
Es war nicht zuletzt das Verdienst von Herrn Bullerjahn - leider ist er jetzt nicht anwesend -, das ihm in der Opposition zur Verfügung stehende Zeitbudget dafür genutzt zu haben, den Teil der Entwicklung, den wir planbar absehen können, darzustellen und in die öffentliche Debatte einzubringen, ihr sozusagen einen zentralen Impuls zu geben - getreu der Aussage von August Bebel, dass Veränderung mit dem Wahrnehmen dessen beginnt, was ist.
Wir wissen also um die Einnahmeperspektiven unseres Landes. Sie sind in der Debatte auch schon genannt worden: Solidarpakt II, EU-Einnahmen im Lichte des statistischen Effekts und die Risiken der Bevölkerungsentwicklung mit ihren Auswirkungen auf die Steuereinnahmen.
Die unsichere wirtschaftliche Lage ist, denke ich, genügend bekannt. Das will ich nicht näher thematisieren. Wir wissen also zum jetzigen Zeitpunkt, dass wir im Jahr 2020 von einem Haushaltsvolumen unter 7 Milliarden € ausgehen müssen. Das alles lässt nur einen Schluss zu: Der Sparkurs, die strikte Fortführung der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist alternativlos. - Ich höre auch bei den Kollegen aller Fraktionen dazu keine Widerworte.
Die eigentlich spannende Frage, meine Damen und Herren, fängt aber da an, wo die gegenwärtigen Überlegungen aufhören. Was heißt denn das für die Politikangebote, für die Konzeption der Landespolitik in Sachsen-Anhalt? Wollen wir etwa den ländlichen Raum aus Kostengründen von der öffentlichen Förderung abkoppeln? Wollen wir ein zentralisiert angelegtes Entwicklungskonzept für Sachsen-Anhalt durchsetzen? Wo setzen wir die inhaltlichen Schwerpunkte, die unser Land voranbringen, das heißt, den Menschen eine Entwicklungsperspektive jenseits der Alterskohortenfixierung ermöglichen?
Meine erste Antwort darauf lautet: Es gibt kein Allheilmittel. Die Allzuständigkeit und Allkompetenz, die der Politik zugeschrieben wird, ist eine Fiktion. Wir alle bieten Politikkonzepte an, auf deren Erfolgschancen wir vertrauen, aber Garantieansprüche kann es nicht geben.
Die CDU in Sachsen-Anhalt setzt in dieser Diskussion klare Schwerpunkte: erstens Konzentration auf eigene Fähigkeiten und Ressourcen im Land, zweitens Entwicklung einer bedarfsorientierten Infrastruktur und drittens
Konzentration auf eigene Stärken und Ressourcen - was heißt das? Das heißt konzentrierte Wirtschaftspolitik, die flexibel im Einsatz ist, sich aber stringent am Bedarf orientiert.
Die Fiktion, sich auf ein Höchstmaß abstrakter Kriterien wie Branchen, Regionen oder Ähnliches zu orientieren, ist nicht zielführend; denn, Frau Budde, das Zellstoffwerk Arneburg, selbst BMW und Porsche wären unter der Cluster-Theorie überhaupt nicht möglich gewesen, weil mit solchen Theorien gerade solche Fragen nicht zu klären sind.
Konzentration im Bereich der Hochschulpolitik heißt Bündelung von Kompetenzen im Sinne der Strukturdebatte. Sie muss konsequent auf Institutsebene weitergeführt werden. Nur jetzt macht es auch Sinn, diese neuen Strukturen mit zusätzlichen Mitteln aus der Exzellenzstrategie zu unterstützen. Die Fiktion, Geld in bis dato bestehende Systeme hineinzugeben, verkennt doch völlig die Frage nach der Rationalität, der Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen.
Meine Damen und Herren! Bedarfsorientierte Infrastruktur: Wer immer davon redet, wir würden das Geld in Beton und nicht in die Köpfe investieren, hat keine Ahnung von den Realitäten im Lande. Wir haben einen großen Nachholbedarf, was die Erschließung der Entwicklungsachsen im Lande und die Zugangschancen des ländlichen Raumes zu diesen Achsen angeht. Tun wir doch nicht so, als ob wir sinnlose Straßen oder Schienenwege ertüchtigen oder neu bauen.
Nein, die B 6n ist noch nicht einmal zur Hälfte fertig, die A 9 noch nicht restlos ausgebaut, von anderen Autobahnprojekten will ich gar nicht reden. Von 60 Ortsumgehungen laut Bundesverkehrswegeplan ist erst die Hälfte fertig gestellt. In Sangerhausen fahren Züge mit 30 km/h durch die Gegend. Einzelne Stellwerke sind noch aus Kaisers Zeiten und der Bahnhof in Halberstadt sieht immer noch so aus, als ob er den ersten Preis in der Kategorie „Authentischer Bahnhof der Nachkriegszeit“ erwerben möchte.
Und dann reden einige Kollegen davon, es würde sinnlos Geld in Beton verpulvert! Nein, die GVFG-Finanzierung über den Vorwegabzug FAG ist ein verantwortbarer Rahmen, um in jenen Bereichen, für die das Land zuständig ist, notwendige Investitionen auf den Weg zu bringen.
Familie: Nicht zuletzt die Dienel-Studie hat uns nochmals wertvolle Hinweise auf die Zukunftsdebatte gegeben. Wo sind denn die Maßnahmen?, fragen Sie. Wo ist das Geld, das wir in die Hand nehmen, um Familienförderung flächendeckend im Land zu betreiben? - Nein, meine Damen und Herren, das ist ein altes Verständnis von Politik.
Der Erfolg von Politik wurde bisher in der Kategorie gemessen, dass wir ein großes Programm mit viel Geld machen, dieses Geld über das Land kippen und uns dafür feiern lassen, dass wir eine gute Familienpolitik machen. Was hinten herauskommt, wo die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen liegt, ist nie in die Diskussion gekommen.
An diesem Punkt müssen wir, denke ich, umsteuern. Die grundsätzliche Debatte ist wichtig, um die Frage zu beantworten, wo wir eine Erfolgschance haben, Familienpolitik voranzubringen. Wir wollen mehr Kinder, wir wollen stabile Familien und wir wollen den generationsübergreifenden Diskurs in der Familie. Dies ist mit Geld allein nicht zu schaffen.
Würde denn die Erhöhung des Kindergeldes den Anreiz schaffen, mehr Kinder zu bekommen? Ich sage: Nein! Wir müssen uns über die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen informieren und wir müssen einen aufklärerisch wirkenden Ansatz verwirklichen. Das ist eben nicht mit Geld zu erreichen, sondern das hat etwas mit der Akzeptanz des gesellschaftlichen Klimas zu tun.
Wir haben Morgen eine Diskussion über den familienfreundlichen Betrieb. Wir haben den Haushalten einen Familienbrief zugesandt, den alle Familien bekommen werden, und wir haben ein paar andere Maßnahmen ergriffen. Ich denke, das ist der richtige, zielführende Weg, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass die Familie die Basis der Gesellschaft ist und bleibt.
Meine Damen und Herren! Die nationale Entwicklung ist, denke ich, ausreichend gestreift worden. Ich will sie nicht näher thematisieren. Ich will nur Folgendes konstatieren: Insgesamt sinken die Mittel für die neuen Bundesländer um 604 Millionen €. Das sind 21 %. All das verdeutlicht, wie wichtig die „Chefsache Ost“ in Berlin noch genommen wird.