Ich will auf eines hinweisen, Herr Böhmer. Der Eindruck, der jetzt entstanden ist, es habe Spielräume gegeben, die missverständlich interpretiert worden seien, und dadurch habe man jetzt ein solches Problem, ist, glaube ich, nicht richtig. Denn diese Spielräume - damit schließe ich an die Frage von Frau Dr. Weiher an - gab es tatsächlich vorher nicht.
Dieses Vier-Augen-Prinzip ist übrigens explizit für den Fall geschaffen worden, dass man eine freihändige Vergabe realisiert, wenn man zum Beispiel den Eindruck hat, dass man nur einen Anbieter hat. In diesem Fall war es aber so, dass der Marktführer in diesem Bereich nicht derjenige gewesen ist, den man genommen hat, obwohl er sich beworben hatte. Es gab hier definitiv mehrere Anbieter, ansonsten wären wir gar nicht mit dem Problem konfrontiert worden.
Nun kenne ich das Spiel zwischen Regierung und Opposition; Sie haben es gerade angesprochen. Dazu werden wir bestimmte Sichtweisen haben.
Ich möchte Ihnen, Herr Ministerpräsident, in einer ganz anderen Funktion, und zwar als Leiter eines Unter
suchungsausschusses, der sich mit ähnlichen Fällen aus der Vergangenheit beschäftigt, etwas mit auf den Weg geben: Ich habe bisher, spätestens seit der letzten Sitzung - sie war öffentlich - und der Zeugenvernehmung, noch nicht den Eindruck, dass die Brisanz dieser Fragen bereits bei allen Landesbediensteten erkannt worden ist. Wir haben in einem aus meiner Sicht viel deutlicheren Fall erst beim letzten Mal wieder gehört, dass das alles okay gewesen sei und dass man dazu überhaupt keine Diskussion zulassen dürfe.
Ich akzeptiere Ihr Bemühen, die Schlupflöcher, die in der Vergangenheit entstanden sind, zuzusperren, aber ich sage ganz deutlich: Das, was bisher dazu passiert ist, reicht offensichtlich noch nicht aus, um diese Dinge in Zukunft völlig zu verhindern.
Zweitens ist mir eben zugeflüstert worden, dass auch bei der Beurteilung, ob es tatsächlich nur einen einzigen Anbieter gibt oder nicht, mehrere Abteilungsleiter beteiligt gewesen sind und dass das keine einsame Entscheidung eines einzelnen Mitarbeiters war.
Drittens. Wenn Sie durch Ihre Arbeit im Ausschuss Schlupflöcher und Ungereimtheiten oder was auch immer finden, finden Sie bei mir ein offenes Ohr. Dann werden wir uns dieser Probleme annehmen. Das ist meine Aufgabe und der werde ich mich auch stellen, solange ich diesen Job mache. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Barleben.
Wir treten nun in eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit je Fraktion ein. Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Herr Rauls das Wort. Bitte sehr, Herr Rauls.
Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bischoff, dass sich die Begeisterung über Ihren Antrag bei uns in Grenzen hält, wird Sie nicht verwundern. Allerdings hatte ich hinter dem Antrag heute mehr Substanz und Neues vermutet. Da ich solches aber nicht gehört habe, kann ich mich etwas kürzer fassen als ursprünglich geplant.
Im Rahmen einer Selbstbefassung - Sie hatten es ausgeführt - hat sich der Ausschuss für Gesundheit und Soziales bereits im Sommer dieses Jahres ausführlich mit der Thematik befasst. Durch die beantragte und genehmigte Akteneinsicht zum Vergabeverfahren liegt der Vorgang nun erneut im Ausschuss und wurde, wenn ich mich richtig erinnere, noch nicht für abgeschlossen erklärt. Warum Sie jetzt mit diesem Antrag kommen, erschließt sich mir bisher nicht.
Zur Vergabe eines Auftrages für die Beschaffung der ITStruktur für die Errichtung der Sozialagentur gibt es unterschiedliche Rechtsauffassungen. Das haben Sie dargestellt; das hat der Ministerpräsident eben bekräftigt.
Die Regierung hat trotz der unterschiedlichen Auffassungen die richtigen Schlüsse aus dem Vergabeverfahren gezogen. Das wurde von Minister Herrn Kley im Ausschuss bereits umfänglich dargelegt. Der Herr Ministerpräsident hat das eben noch einmal bestätigt.
In der Begründung zu Ihrem Antrag wie auch in Ihrem heutigen Beitrag verweisen Sie insbesondere auf die Bedenken des Landesrechnungshofs. Dazu möchte ich persönlich zwei Dinge sagen. Der Landesrechnungshof ist zweifelsohne eine wichtige und anerkannte Institution. Sein Bericht ist aber nicht - jedenfalls nicht immer - die Heilige Schrift.
Später durch Gerichte korrigierte Einschätzungen des Landesrechnungshofes haben in diesem Land schon zum Rücktritt einer Regierung geführt. Der Begleitprozess war verbunden mit menschlichen Verletzungen, die bis heute sehr schwer wiegen. Dabei weiß ich gar nicht so genau, wen ich mehr kritisieren soll - denjenigen, der die Wunde aufreißt, oder diejenigen, die ständig darin herumstochern.
Aus diesen Gründen und aus eigenen Erfahrungen heraus - sie liegen ein paar Jährchen zurück, aber ich treffe ab und zu einen Betroffenen, der das bis heute nicht vollständig überwunden hat, der sich in den ersten Jahren als Leiter des Sozialministeriums sehr große Verdienste um dieses Land erworben hat - sollte man mit Anträgen dieser Art sehr vorsichtig umgehen.
Meine Damen und Herren! Ein Fehlverhalten der Regierung und des Ministers ist aus unserer Sicht nicht nachgewiesen. Die Landesregierung hat aber zugesichert, die Anregungen des Rechnungshofes zukünftig zu beachten. Deshalb werden wir den Antrag der SPD-Fraktion ablehnen.
Vielen Dank, Herr Rauls. - Meine Damen und Herren! Auf der Südtribüne sind Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule Prettin hinzugekommen, die wir ebenso herzlich begrüßen mögen.
Für die PDS-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Dr. Eckert das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Eckert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die PDSFraktion unterstützt den Antrag der SPD-Fraktion. Nach Akteneinsicht sowie nach dem Lesen der Berichte verstärkt sich die Überzeugung, dass hierbei nicht entsprechend den Vorschriften gehandelt wurde. Kritikwürdig sind vor allen Dingen das Vergabeverfahren und die sich darum rankenden Diskussionen.
Irritiert hat mich, wie vorhin schon ausgeführt wurde, die Bemerkung des Ministerpräsidenten. Alle Unterlagen, die wir einsehen konnten, zeigten bis weit in den April 2004 hinein, dass Hartz IV bei diesen Fragen keine Rolle ge
spielt hat und damit auch die Kompatibilität der entsprechenden Software bei der Vergabe keine Rolle spielen konnte.
Richtig dagegen ist, dass die Zusammenführung des überörtlichen und des örtlichen Sozialhilfeträgers eine Rolle gespielt hat und dass das Ministerium von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen ist. Im November 2003 haben wir den Minister im Ausschuss gefragt, wie sein Ministerium die Heranziehungsverordnung aufheben wolle. Darauf sagte er uns: Das schaffen wir schon, das machen wir alles.
Daraus ergeben sich doch die Probleme und nicht aus Hartz IV. Wenn ich das vergleiche, muss ich sagen: Das Ministerium ist schuld daran, dass Zeitdruck entstanden ist. Das ist kritikwürdig. Von daher ist die Argumentationsweise nicht nachvollziehbar.
Der zweite Punkt. Vorhin wurde nach der Korruptionsrichtlinie gefragt. Nach unserer Kenntnis steht darin genau, wer gegenzeichnen muss. Gegenzeichnen muss die Hausspitze. Deshalb muss ich fragen: Was hat - -
- Schauen Sie nach: das Vier-Augen-Prinzip und einer davon muss die Hausspitze sein. Wir haben keine Unterlagen gefunden, aus denen hervorgeht, dass irgendjemand seitens der Hausspitze in der Sache beauftragt oder bevollmächtigt worden ist.
Wir wollen festhalten, dass hier ebenfalls nicht entsprechend den Vorschriften gehandelt wurde. Von daher ist die Frage zu stellen: Was ist mit dem einzigen Anbieter? - Das Ministerium hat sich zunächst dahin gehend geäußert, dass es sehr wohl einige Anbieter gegeben hat. Das Ministerium hat dann nach eigener Recherche festgestellt, dass es nur einen Anbieter gibt.
Es sind zwei Seiten. Wie wollen Sie aufgrund dieser Leistungsbeschreibung erkennen, was gewollt ist, und wie wollen Sie die Angebote vergleichen, die möglicherweise eingehen, wenn Sie nicht schon vorher festhalten können, dass Sie nur ein Angebot haben?
Es gibt aber auch nach der Aussage des Ministeriums mehrere Anbieter, die ein entsprechendes Angebot möglicherweise hätten vorlegen können. Das wurde nicht nachgefragt. Insofern wurde auch keine Ausschreibung gemacht.
Der Ministerpräsident hat vorhin die örtlichen und den überörtlichen Sozialhilfeträger angesprochen. Ich komme noch einmal darauf zurück. Unserer Argumentation wurde nicht gefolgt. Erst als die Landräte gesagt haben, dass sie ihm die ganzen Akten vor die Tür kippen, wenn er das nicht ändere, wurde der Minister einsichtig. Dieser Vorgang ist kritikwürdig. Meines Erachtens ist es notwendig, hier ein Stoppzeichen zu setzen.
Besonders bemerkenswert ist, dass in allen Diskussionen der Minister, die Staatsekretärin und das Haus keine Einsicht gezeigt haben. Diese Uneinsichtigkeit wurde auch vom Landesrechnungshof bemängelt. Im Juni 2004
„... in der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit und Soziales am 25. Juni 2004 Bewertungen über den Beschaffungsvorgang abgegeben haben, die keinerlei selbstkritische Betrachtung oder gar Fehler bzw. Versäumnisse erkennen ließen.“
Da nicht erkennbar ist, dass im Sozialministerium die notwendigen Schlussfolgerungen gezogen worden sind, ist eine Missbilligung als deutliches Stoppsignal für ein derartiges Verwaltungshandeln geboten. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.