Protokoll der Sitzung vom 03.03.2005

Vielen Dank, Herr Kühn. - Nun bitte Herr Schomburg für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach wirklich eingehenden und schwierigen Beratungen - die CDU-Fraktion hat sich seit Februar des vergangenen Jahres mit diesem Thema beschäftigt - sind wir in der Fraktion zu dem Ergebnis gekommen, der Staatsvertragsänderung nun doch zuzustimmen, nachdem wir vor einem Jahr beschlossen hatten, es nicht zu tun. Ich schließe nicht aus, dass einzelne Kollegen aus unserer Fraktion weiterhin anderer Meinung sind.

Die maßgebliche Verärgerung über die Gebührensteigerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kommt daher, dass sie aus unserer Sicht überproportional zu anderen gesellschaftlichen Bereichen erfolgt. Ich nenne nur die Zahlen: Im Jahr 1990 haben die Bürger 9,71 € für die Rundfunkproduktion im öffentlich-rechtlichen Bereich bezahlt, ab April 2005 werden es 17,03 € sein, also fast eine Verdopplung in 15 Jahren. Dass das nicht nur bei Abgeordneten, sondern auch bei Bürgern Verärgerung auslöst, konnten wir alle in den letzten Wochen den Leserbriefseiten unserer Zeitungen entnehmen.

Im Ergebnis der Diskussion innerhalb der Fraktion und in Abstimmung mit der FDP wurde dann ein Entschließungsantrag verabschiedet, der einen Anstoß aus Sachsen-Anhalt für eine nachhaltige Strukturdebatte geben soll. Zu Recht sollten wir beide Debatten auseinander halten. Jetzt debattieren wir über die Gebühren; die Struktur kommt dann später.

Lassen Sie mich jetzt einiges zum Entschließungsantrag sagen. Wenn ich das Alleinstellungsmerkmal Information, wobei ich dazu auch den Service und die Bildung zähle, im Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anspreche, dann halte ich dies, was die Seriosität, aber auch die Ausführlichkeit angeht, für beispielgebend in der Rundfunklandschaft von ganz Deutschland. Da kommt eben kein N24 oder kein n-tv oder kein EuroNews - und wie die ganzen Informationssender heißen - mit.

Ich denke, hierbei sollte weiterhin der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Schwerpunkt setzen und ihn weiter ausbauen und eben nicht einschränken, wie es in einigen Diskussionen der vergangenen Tage und Wochen deutlich wurde.

Wenn wir von dem anderen Programmschwerpunkt Kultur sprechen, dann finden Sie in unserem Antrag nichts von Hochkultur. Kultur in der gesamten Breite, wie es mein verehrter Kollege Kühn beschrieben hat, soll selbstverständlich im öffentlich-rechtlich Rundfunk stattfinden, aber das auch zu sehbaren Sendezeiten und nicht nur die Volksmusiksendungen, sondern auch Sendungen aus anderen Kulturbereichen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich denke, in diesem Bereich hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk in den vergangenen Jahren eine Politik betrieben, die bestimmte Kultursendungen erst nach 23 Uhr ansetzte und damit für den erwerbstätigen Bürger nicht mehr sehbar. In diesem Zusammenhang sind wir durchaus bereit, auch was die ominösen Einschaltzahlen angeht, gewisse Konzessionen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu machen.

Natürlich gibt es Programmangebote, die nur von einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung angenommen werden und nicht unbedingt massenwirksam sind. Aber weil es die Grundversorgung sicherstellt und wichtig ist, dass viele Bereiche aus der Gesellschaft auch im Rundfunk widergespiegelt werden, ist dies eine Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dabei muss sich die Politik auch eingestehen, dass die Einschaltquote, die vielleicht eine Volksmusiksendung auf dem Sendeplatz bisher erbracht hat, durch eine andere Kultursendung nicht zu erbringen ist. Das muss dann auch akzeptiert werden.

Das muss ich hier sagen, weil häufig auch argumentiert werden könnte: Wenn der öffentlich-rechtlich Rundfunk die Einschaltquoten nicht bringt, womit soll er dann seine Existenz rechtfertigen? Dieser Logik folgen wir explizit nicht, sondern wir schauen auf die Qualität und auf den Grundversorgungsauftrag, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu erfüllen hat.

Wir sind ferner der Meinung, dass es das gute Recht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist, neuen Entwicklungen zu folgen, sie auch mitzubestimmen, aber dies nicht auf Kosten von Ausweitungen seiner Sendeplätze und Profile, sondern durch Substitution anderer Angebote.

Wir sind der Meinung, dass Deutschlandradio und Deutschlandfunk, die unter dem Dach des Deutschlandradios - das ist die offizielle Bezeichnung - zusammengefasst werden, die bundesweiten Veranstaltungen sein sollten und die Hörfunkprogramme der Landesrundfunkanstalten landesbezogen und regional bezogen veranstaltet werden sollten.

Das fordern wir auch für die dritten Programme der ARD. Der Ausbau dieser dritten Programme zu Vollprogrammen ist teuer und erfüllt unserem Verständnis nach auch nicht den originären Auftrag dieser dritten Programme als regionsbezogene Programme.

(Zustimmung von Minister Herrn Dr. Daehre)

Damit bieten sich auch viele neue Möglichkeiten sowohl für die Journalisten vor Ort - auch von denen habe ich ein positives Echo bekommen - als auch hinsichtlich der Kostenfrage, hier etwas einsparen zu können.

Einen Appell an die Tarifpartner möchte ich nicht unerwähnt lassen. Was die Diskussion zu ausstehenden Gesprächen über die Pensionen von ehemaligen Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks angeht, sollten wir Augenmaß walten lassen, weil ein Gutteil der Gebühren, die wir eigentlich für das Programm zahlen, in die Pensionen der ehemaligen Mitarbeiter fließt. Dass das nicht in einer unabsehbaren Höhe passieren sollte, ist allen klar.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU)

Da meine Redezeit nahezu abgelaufen ist, lassen Sie mich nur noch einiges zu der Irritation sagen, die durch die PDS in den letzten Tagen in die bundesweite Diskussion eingebracht worden ist. Die PDS versucht - aus unserer Sicht mit unbegründeten Dingen -, Verunsicherung in den Prozess der Zustimmung zu dem Staatsvertrag zu bringen. Dies hätte zur Folge, dass eine Mehrbelastung auf die Gebührenzahler von 400 Millionen € zukäme. Wer das will, der soll die Zustimmung zum Staatsvertrag in der Tat verhindern. Wer will, dass die Gebührenbefreiung für die ALG-II-Empfänger nicht kommen soll, der soll diesem Staatsvertrag nicht zustimmen.

Alle die das tun, signalisieren damit, dass sie eigentlich gegen die Regelungen auch in diesem Bereich des Staatsvertrages sind. Deshalb, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen auch namens der CDU-Fraktion Zustimmung zu diesem Staatsvertrag empfehlen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Schomburg. - Bevor ich Herrn Höhn das Wort erteile, haben wir die Freude, auf beiden Tribünen Gäste begrüße zu können; auf der Nordtribüne Seniorinnen und Senioren der Arbeitsgemeinschaft „60 plus“ aus Stendal,

(Beifall im ganzen Hause)

auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums „Am Thie“ in Blankenburg. Das ist die zweite Gruppe, die erste Gruppe hatten wir heute Morgen schon hier.

(Beifall im ganzen Hause)

Nun spricht Herr Höhn für die PDS-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zwei Vorbemerkungen machen. Herr Lukowitz, was Ihre Kritik an der PDS betraf: Die Kritik der PDS bezog sich nie auf die Höhe der Rundfunkgebühren, sondern auf das Verfahren. Aber ich kann Sie nur beglückwünschen, Sie haben als liberale Rechtspartei mit verfassungsmäßig fragwürdigen Verfahren 21 Cent für den Gebührenzahler herausgeholt. Meinen Glückwunsch, Herr Lukowitz. Wofür Sie sich hier preisen, kann ich nicht verstehen.

(Zustimmung bei der PDS)

Herr Schomburg, zu Ihrer Argumentation am Ende Ihrer Rede mit Blick auf die PDS will ich Ihnen nur sagen, wenn Sie sich jetzt hier als CDU-Fraktion bemüßigt fühlen, den Retter der ALG-II-Empfänger zu spielen, dann glaubt Ihnen das nach dem Ablauf des letzten Jahres niemand.

(Zustimmung bei der PDS und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will auf das Verfahren Bezug nehmen und beginne mit einem Zitat.

„Das Abweichen vom Vorschlag der KEF ist mit den in der Begründung zum Staatsvertrag auf den Seiten 27 und 28 unter a bis g gegebenen Begründungen verfassungsrechtlich nicht zulässig. Es verletzt die Rundfunkfreiheit und die hieraus resultierende Finanzgewährleistungsgarantie des Staates nach Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes und aus Artikel 20 Abs. 1 und 2 der sächsischen Verfassung.... Da das Verfahren der Gebührenfestsetzung in dem zugrunde liegenden Staatsvertrag verfassungswidrig ist, darf wegen der Bindung des Gesetzgebers an Artikel 3 Abs. 3 der sächsischen Verfassung und an Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes dem Entwurf ‚Gesetz zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag’... nicht zugestimmt werden.“

Das ist das Fazit eines Gutachtens des juristischen Dienstes des Sächsischen Landtages vom Februar 2005. Also, Herr Schomburg, es geht hierbei nicht allein um das, was die PDS an seltsamen Argumenten in die Debatte einbringt.

In den Diskussionen zum Verfahren der Gebührenfestsetzung - unter anderem in der Landtagsdebatte im letzten Sommer - ist immer wieder betont worden, dass die Ministerpräsidenten bzw. die Landtage durchaus die Möglichkeit hätten, vom Vorschlag der KEF abzuweichen. Dieses ist nicht bestritten worden. Allerdings hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1994 dafür enge Grenzen gesetzt und gefordert, dass nachprüfbare Gründe für ein solches Vorgehen angeführt werden müssen. Auch hierzu möchte ich ein Zitat aus dem Gutachten vortragen.

„Bloß formelhafte Wendungen, die von der konkreten Situation und Frage abheben und nicht auf konkrete Inhalte Bezug nehmen, genügen diesen Anforderungen nicht. Formulierungen wie ‚alle müssen sparen, also auch die Rundfunkanstalten’ oder ‚dem Bürger können keine größeren Belastungen zugemutet werden’ entsprechend der weithin gepflogenen politischen Rhetorik, genügen aber den Anforderungen der Rationalität an nachvollziehbare Gründe nicht.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Schauen Sie sich die Protokolle dieses Hauses an. Sie können sich auch das Protokoll der gerade abgelaufenen Debatte anschauen. Sie werden diese Rhetorik fast wörtlich in den Stellungnahmen der Mehrheitsfraktionen finden.

(Beifall bei der PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im letzten Sommer haben Sie den von uns vorgetragenen Bedenken zu Ihrem Verfahren - die danach nicht gewichen sind - entgegengehalten, natürlich werde sich die Landesregierung an geltendes Recht halten. Heute muss festgestellt werden: Dem Landtag liegt eine höchstwahrscheinlich verfassungswidrige Beschlusslage vor. Sie wissen das genau und Sie haben das auch schon im letzten Sommer gewusst. Sie haben dies bewusst in Kauf genommen. Sie beschädigen damit - Fahrlässigkeit kann ich nach den Diskussionen nicht mehr unterstellen - die Rundfunkfreiheit der Bundesrepublik Deutschland und sie gefährden den Bestand der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

(Beifall bei der PDS - Herr Gürth, CDU: Unbewie- sene Behauptung! Das ist doch Quatsch! Das ist unseriös! - Zurufe von der FDP)

Trotz aller vorgetragenen Bedenken haben Sie zum Schluss im Ausschuss eine Anhörung mit der Begründung abgelehnt, es gebe nichts Neues zu diskutieren und alles Notwendige könne man den Zeitungen entnehmen. Das ist ein trauriges Fazit für einen Fachausschuss, das muss ich Ihnen schon sagen.

(Beifall bei der PDS)

Des Weiteren führten Sie als Begründung aus, dass ein Erkenntnisgewinn nicht zu erwarten sei. Ich habe 27 Seiten des Rechtsgutachtens vor mir liegen und stelle Sie Ihnen gern zur Verfügung. Vielleicht ist das der Erkenntnisgewinn, den Sie sich im Ausschuss hätten zuführen können.

Wir erleben in der Bundesrepublik Ministerpräsidenten - auch diese Bemerkung kann ich mir nicht sparen, auch wenn Sie mir unterstellen, dass ich überziehe -, die durch das Land ziehen und erklären, dass Menschen, die aus dem Ausland hierher kommen, einen Eid auf das Grundgesetz ablegen müssen. Dieselben Ministerpräsidenten, die wir bei diesem Staatsvertrag erleben, kümmern sich einen feuchten Kehricht um die verfassungsmäßigen Vorschriften, die das Bundesverfassungsgericht festgelegt hat.

(Herr Gürth, CDU: Populistischer Unsinn! - Zurufe von der FDP)

Die PDS-Fraktion - -

(Herr Gürth, CDU: Hat keine Ahnung! - Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

- Herr Gürth, ich würde mich freuen, wenn Sie uns einmal im Medienausschuss besuchen würden, dann kann ich Ihre medienpolitische Erfahrung wahrscheinlich genießen.

Die PDS-Fraktion wird ihre Hand für diesen offensichtlich verfassungswidrigen Staatsvertrag nicht heben.

Ich will eines zum Schluss sagen: Ich habe mich bisher in der Öffentlichkeit mit dieser speziellen Forderung zurückgehalten, aber am Ende des Verfahrens zum Staatsvertrag muss ich die Anstalten auffordern, gegen diesen Staatsvertrag zu klagen. Wird dieser Staatsvertrag nicht

durch das Verfassungsgericht kassiert, haben wir uns von einem staatsfernen Rundfunk endgültig verabschiedet. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS - Zustimmung von Herrn Dr. Polte, SPD)