Ich möchte hierüber keine parteipolitische Debatte eröffnen. Es gibt keinen direkten Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Rechtsextremismus und man kann wegen der hohen Arbeitslosigkeit nicht von Weimarer Verhältnissen sprechen.
Blicken wir auf die Fakten: 18 % der NPD-Wähler in Sachsen sind arbeitslos. In Gegenden mit besonders hoher Arbeitslosenquote ist die NPD aber nicht stärker als in besser gestellten Regionen. Die Wahlerfolge der Rechten im reichen Baden-Württemberg können mit der Arbeitslosigkeit schon gar nicht erklärt werden.
Trotzdem können wir als eine der Ursachen für das Erstarken rechter Gruppierungen die sozialen Umbrüche hierzulande nicht außer Acht lassen. Wenn Zukunftsaussichten schlecht und Missstände vorhanden sind, die Enttäuschung über korrupte Politiker und maßlose Wirtschaftsbosse groß ist, dann ist eben auch die Versuchung groß, den etablierten Parteien eines auszuwischen. Anders ist der Erfolg der DVU bei der Wahl im Jahr 1998 nicht zu erklären; denn eine inhaltliche Auseinandersetzung hat damals nicht stattgefunden.
Wir haben die schwierige Aufgabe, den Rechtsextremismus als das zu entlarven, was ist er ist, nämlich zutiefst menschenverachtend, gefährlich und undemokratisch. Hinter dem Mäntelchen des ehrbaren Bürgers werden die Geschichte verfälscht, Menschen verführt, Gewalt verherrlicht, Ausländer verprügelt und Behinderte als minderwertig diffamiert.
Wir brauchen eine umfassende Aufklärung in Schule, Hochschule, Vereinen und Verbänden. Wir brauchen Verbündete in der Wirtschaft. Wir brauchen den Sport, die Sozialverbände und die Kirchen. Wir brauchen ein breites gesellschaftliches Engagement und den Mut aller Demokraten in diesem Land. Deshalb ist die Bildung eines Netzwerkes mit den schon vorhandenen Vereinen und Verbänden - wir kennen einige, wie runde Tische, den Verein „Miteinander“ -, der Polizei und anderen zu gewinnenden Institutionen wie Wirtschaftsverbände, Banken, Medien und Künstler erforderlich, wenn eine breite Bewegung in Gang gesetzt werden soll.
Wir brauchen keine Angst vor dem Rechtsextremismus zu haben. Die Rechtsextremisten müssen Angst vor den Demokraten und vor der Zivilgesellschaft haben, die sich selbstbewusst zur Wehr setzt.
Es geht darum, den Einfluss des Rechtsextremismus auf allen gesellschaftlichen Ebenen zurückzudrängen. Wir wollen keine national befreiten Zonen. Wir wollen, dass sich ausländische Studenten ohne Angst in unserem Land bewegen können. Wir wollen eine offene, tolerante und demokratische Gesellschaft.
Deshalb werden wir als SPD-Fraktion mit unseren Kräften und Möglichkeiten den Landtagspräsidenten und den Ministerpräsidenten in ihren Bemühungen unterstützen. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Bischoff. - Für die FDP-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Rauls das Wort. Bitte sehr, Herr Rauls.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDPFraktion unterstützt den gemeinsamen Antrag uneingeschränkt. Ja, Herr Bischoff, politischer Extremismus schadet der Demokratie; Sie haben es eben ausgeführt.
Dessen Anhänger verherrlichen die Ausgrenzung anderer und die Anwendung der Gewalt als Mittel der Zurschaustellung der eigenen Haltung. Gewaltverherrlichung und -anwendung bedrohen den Einzelnen und das Gemeinwesen. Sie schränkt dadurch das friedliche Miteinander und das Zusammenleben ein und zerstört zudem materielle Werte - Herr Scharf hat einige Beispiele genannt.
Politischer Extremismus richtet sich gegen die überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung und damit gegen jeden, der nicht in die engen vorgegebenen Kategorien der Extremisten passt. Herkunft, politische Anschauung, Aussehen, Geschlecht und Alter sind keine Kriterien, um nach ihrem Verständnis nicht doch als Auszugrenzender zu gelten oder Betroffener zu sein.
Auch wenn die von den politischen Extremisten ausgehende Bedrohung, Gefahr oder sogar Gewaltanwendung uns persönlich nicht in jedem Fall und unmittelbar betreffen mag, müssen wir dennoch als Gesellschaft und als Einzelne reagieren. Deshalb geht es auch jeden von uns etwas an. Augen zu und durch - das kann kein Rezept sein.
Für eine Zivilgesellschaft und für eine Demokratie ist es Teil des eigenen Grundverständnisses, dass über Auswüchse, Verbrechen und Gewalttaten in der Gesellschaft nicht hinweggesehen wird. Das gilt natürlich auch für das Wirken politischer Extremisten.
Beispiele für extremistische Zurschaustellungen haben wir allein in der jüngsten Vergangenheit zur Genüge verfolgen müssen. Menschen anderer ethnischer Herkunft werden in der Straßenbahn bedroht oder brutal zusammengeschlagen. Gewalttätige Ausschreitungen werden gezielt als Mittel der Auseinandersetzung angezettelt. Dreist werden Aufmärsche organisiert, um Propaganda zu betreiben und wissentlich Geschichte zu verfälschen.
Wir wollen weder die Aufmärsche, noch brauchen wir die Gewaltausschreitungen der Extremisten. Wir lehnen politischen Extremismus jeder Art kategorisch ab.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung bei der SPD, bei der PDS und von der Re- gierungsbank)
Wir wenden uns gegen Doktrinen, die Menschen gegeneinander ausspielen, Personen nach pseudowissenschaftlichen Phantasien klassifizieren, Nationalismen, die den Einzelnen für nichts und nur die kollektive Identität für alles halten, fanatische Ideologien, die nicht fähig sind, verschiedene Meinungen zu respektieren und von allen verlangen, nur das anzuerkennen, was sie für die Wahrheit halten.
Wir wollen und können diese Vorfälle mit politischen Extremisten nicht leugnen. Das Verdrängen und Leugnen der Realität sind Momente, die die tatsächliche Gefahr vergrößern. Dabei geht es nicht nur darum, Moral zu zeigen oder gar zu moralisieren. Wir dokumentieren, dass wir willens und in der Lage sind, der Ideologie und der Gewalt von politischen Extremisten Widerstand und Geschlossenheit entgegenzusetzen.
Die Anwendung von tatsächlicher und verbaler Gewalt reduziert das Agieren bewusst auf einfachste Strukturen der Konfrontation. Das verhindert eine sachliche Diskussion und Auseinandersetzung. Der Gebrauch von Gewalt dient immer auch der Vereinfachung und dem Herstellen einfacher und überschaubarer Verhältnisse.
Wir wissen, dass sich extremistisches Gedankengut in den Köpfen einiger verfestigt hat. Wir werden auch zukünftig beim besten Willen nicht verhindern können, dass es politische Extremisten gibt. Die auf Formeln und Losungen reduzierten Aussagen bieten vielfach die Handhabe, einen breiten Kreis von Menschen als Sympathisanten oder Mitstreiter zu gewinnen und zu missbrauchen, auch wenn diese sich nicht vollends mit der Sache oder der Idee identifizieren. Dem gilt es entgegenzusteuern. Wir müssen in die Offensive gehen. Wir brauchen und sollten der Erfolgsnotwendigkeit wegen aber nicht in Aktionismus verfallen.
Im Antrag heißt es deshalb zu Recht, dass alle maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte gebündelt werden sollen und ein Netzwerk für Demokratie und Toleranz zu bilden ist.
Ich bin mir sicher, dass der Einsatz des Ministerpräsidenten und des Präsidenten des Landtages die Etablierung des Netzwerkes für Demokratie und Toleranz deutlich befördern wird. Ich bitte alle Mitglieder des Landtages, den Prozess zu unterstützen. Damit können wir als Parlament und kann jeder Einzelne als verantwortungsbewusster Staatsbürger ein unüberhörbares Signal senden und couragiert dem politischen Extremismus entgegentreten. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung bei der SPD, bei der PDS und von der Re- gierungsbank)
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Rauls. - Für PDS-Fraktion erteile ich nun dem Abgeordneten Herrn Gallert das Wort. Bitte sehr.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Ein gemeinsamer Antrag aller vier Landtagsfraktionen zur Bewahrung von Demokratie und Toleranz ist aus unserer Sicht nach wie vor ein ausgesprochen bewerkenswerter Vorgang. Aus unserer Sicht ist der beängstigende Anstieg der Zahl rechtsextremer Aktionen und die Akzeptanz rechtsextremen Gedankengutes in unserer Gesellschaft der Besorgnis erregende Anlass für einen solchen Antrag.
Um aber wirklich erfolgreich zu sein in einem gemeinsamen Anliegen, das - das wissen wir alle - zugegebenermaßen nicht so einfach zu formulieren war, muss man sich die Frage stellen: Wofür treten wir eigentlich gemeinsam ein? Erst dann kann vernünftig geklärt werden, gegen wen wir gemeinsam auftreten. Ich will versuchen, diese Gemeinsamkeit positiv zu definieren.
In der Präambel unserer Landesverfassung ist das Ziel formuliert: Die Freiheit und die Würde des Menschen sind zu sichern. Sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassung verpflichten uns damit, die universellen Menschenrechte unteilbar zu garantieren.
Aus unserer Sicht besteht genau hierin die entscheidende Trennlinie zwischen denjenigen, die sich trotz aller politischen Unterschiede in einem gemeinsamen Konsens finden müssen, und denjenigen, die wir bekämpfen wollen. Gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte können und dürfen wir nicht zulassen, dass in unserer Gesellschaft Positionen eine Mehrheit finden, die Gruppen von Menschen von der Garantie dieser Rechte ausgrenzen wollen. Mögen das nun Ausländer sein, anders Aussehende, anders Denkende oder anders Lebende. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen Menschen gewonnen werden, sich bewusst und aktiv gegen jede Form von Diskriminierung einzusetzen.
Eine weitere Trennlinie muss die Akzeptanz demokratischer Verfahren und demokratisch legitimierter Institutionen sein. Dazu gehören sowohl die Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen als auch die Garantie von Minderheitenrechten.
Mein Appell - er richtet sich an alle in diesem Haus - ist, diesen Grundkonsens nicht durch gegenseitige Verdächtigungen infrage zu stellen,
sondern auch in den eigenen Reihen dafür zu werben, dass er immer wieder hergestellt wird, Herr Scharf.
- Nein. Ich war insofern etwas enttäuscht, als Herr Scharf in seiner Einbringungsrede für alle vier Fraktionen genau dies wieder anführte.
Wissen Sie, die Gegenreaktion wäre, einfach bei der CDU zu sehen, welche Dinge es dort gibt, die man jetzt anführen kann. Ich frage aber: Wem nützt denn das? - Das nützt nicht Ihnen, das nützt nicht uns, das nützt nicht dem gemeinsamen Anliegen, das nützt denjenigen,
Nur wenn wir unser Augenmerk in die eigenen Reihen richten, wenn wir selbst versuchen, uns an dieser Trennlinie auszurichten, wenn wir nach innen und damit in die Gesellschaft wirken, werden wir mit diesem Anliegen wirklich erfolgreich sein.
Ich sage aber auch ausdrücklich: Die Gefahr für diesen Konsens ergibt sich aus unserer Sicht nicht primär aus der Anwendung von der Gewalt, die hier wohl eher gemeint ist als die Anwendung von Gewalt außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols.
So brutal die Bilder auch sein mögen, das zentrale Problem in unserer Gesellschaft sind nicht prügelnde und totschlagende Skinhead-Banden, das eigentliche Problem sind die Neofaschisten im Biedermann-Anzug, wie sie im Sächsischen Landtag präsent sind.
Das eigentliche Problem sind zum Beispiel die Ärzte, Lehrer und Juristen, die offensichtlich Toleranz gegenüber inhumanen, rassistischen und nationalistischen Ideen in den gesellschaftlichen Diskurs einspeisen. Dies ist die sächsische Erfahrung.
Lassen Sie mich das an einem Beispiel demonstrieren: Vor anderthalb Jahren verließ ein Bekannter von mir, ein Student an einer hiesigen Hochschule, verheirat mit einer Afrikanerin, das Land Sachsen-Anhalt deshalb, weil er den alltäglichen Rassismus nicht mehr ausgehalten hat. Das entscheidende Erlebnis war dabei nicht eine körperliche Attacke gegenüber seiner Ehefrau - die gab es nicht -, es waren auch nicht die vielen verbalen Attacken gegenüber seiner Ehefrau, die sie dazu trieben, das Haus bald nicht mehr zu verlassen. Das entscheidende Erlebnis war, dass sie an einem Stand von dem Verkäufer keine Fahrkarte für die Straßenbahn bekam mit der Begründung, Schwarze könnten gefälligst zu Fuß gehen.
Das ist keine Gewalt, wie wir sie jetzt in den Köpfen haben, aber das ist genau das, was wir bekämpfen müssen.
Glauben Sie, liebe Kollegen, eingeschmissene Fensterscheiben sind ärgerlich. Diejenigen, die das getan haben, müssen dafür zur Verantwortung gezogen werden. Kameradschaften, die Menschen zusammenschlagen, müssen dafür von der Justiz verfolgt werden. Aber denen, die die Unteilbarkeit der Menschenrechte angreifen und die die Demokratie bekämpfen, müssen wir uns in den Weg stellen. - Danke.