Protokoll der Sitzung vom 14.04.2005

Kinder sind nicht allein eine private Familienangelegenheit, sondern zugleich eine gesellschaftliche Verpflichtung.

Ein starker Sozialstaat braucht starke Familien.

Eine nachhaltige Familienpolitik braucht neue finanzielle Ansätze.

Sachsen-Anhalts Investitionen in Kinder sind die beste Zukunftsvorsorge für alle Generationen.

Schulen werden Zentren des sozialen Lebens und kooperieren mit der Jugendhilfe.

Das Land braucht seine aktiven Bürgerinnen und Bürger.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt!)

Sachsen-Anhalt meistert den demografischen Wandel.

Sachsen-Anhalt öffnet Türen für eine neue Vielfalt.

Diese acht Leitlinien bedeuten im Kern: Kein Kind darf in Sachsen-Anhalt untergehen; Eltern werden von der Gesellschaft dabei unterstützt, ihre Verantwortung gegenüber ihren Kindern wahrnehmen zu können; die demografische Entwicklung wird kreativ genutzt.

Aus dem ganzen Paket gehören für mich die Investitionen in die Bildung von Kindern zu den wichtigsten Zukunftsinvestitionen mit nachhaltigen Wirkungen für die wirtschaftliche Entwicklung und die soziale Sicherung.

Kindertagesstätten unterstützen Eltern dabei, die Kindererziehung und die Berufstätigkeit miteinander zu vereinbaren. Kindertagesstätten, die sich zu Kinder-ElternZentren entwickeln, können zugleich eine sich selbst organisierende Familienhilfe in Partnerschaft mit den professionellen Kräften werden und sie können Stätten der Elternmitverantwortung werden.

An erster Stelle helfen Kindertagesstätten mit ihrem Bildungsangebot, die Chancengleichheit von Kindern zu fördern und Nachteile aufgrund der sozialen Herkunft auszugleichen.

(Herr Gürth, CDU: Das stimmt!)

Diesen Aufgaben können Kindertagesstätten aber nur gerecht werden, wenn der Schwerpunkt auf die Qualität gelegt wird.

(Herr Gürth, CDU: Das ist auch ganz wichtig!)

Quantitativ sind wir in Sachsen-Anhalt gut versorgt. Herr Gürth, darin stimmen Sie mir hoffentlich zu?

(Herr Gürth, CDU: Ja, von ganzem Herzen!)

Die Qualifikation der Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten steht und fällt aber mit der Qualifikation der Erzieherinnen und Erzieher.

Frau Hüskens, ich stimme Ihnen zu, wenn Sie sagen, dass unsere Erzieherinnen gut qualifiziert sind. Aber neben den Erzieherinnen in Österreich sind die im vorschulischen Bildungsbereich in Sachsen-Anhalt und in Deutschland tätigen Erzieherinnen weniger qualifiziert als in den anderen europäischen Ländern. Deutschland und Österreich hinken hinterher. In den anderen europäischen Ländern besteht eine wesentlich bessere Qualifikation der vergleichbaren Erzieherinnen und Erzieher. Wenn wir nicht wollen, dass die Schere immer weiter auseinander klafft, müssen wir das in Deutschland nachholen. Wir müssen insbesondere in diesen Bereich investieren.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Wir schlagen vor, dass in Sachsen-Anhalt ein Fachhochschulstudium „Frühkindliche Bildung und Erziehung“ mit einem Bachelor-Abschluss und berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen angeboten werden mit dem Ziel, dass im Jahr 2020 alle Einrichtungsleiterinnen und -leiter und die Hälfte der Erzieherinnen und Erzieher über einen solchen Bachelor-Abschluss verfügen.

Meine Damen und Herren! Eines unserer Kernanliegen besteht darin, die Elementarbildung, also die Bildung im vorschulischen Bereich, in ihrer Wertigkeit der schulischen Bildung gleichzustellen. Das bedeutet konsequenterweise aber auch, dass langfristig gesehen die Gebührenfreiheit in Bildungseinrichtungen für die unter Sechs

jährigen als Ziel benannt werden muss. Zur Finanzierung sage ich noch etwas.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Tullner, CDU: Da bin ich aber gespannt! Was ist denn mit der Finanzierung?)

An die vorschulische Bildung muss sich die schulische Bildung nahtlos anschließen. Diese Schnittstelle kann durch intensive und vor allem frühzeitige Kooperation von Kindertagesstätte, Grundschule und Eltern optimal gestaltet werden. Durch die Wiedereinführung der Schulsozialarbeit und deren Zusammenarbeit mit den Eltern und der Lehrerschaft sowie dem heilpädagogischen und dem kinder- und jugendärztlichen Dienst wollen wir dazu beitragen, dass kein Kind den Anschluss in der Schule verliert und mehr Schülerinnen und Schüler die Schule erfolgreich abschließen.

(Herr Tullner, CDU: Das kostet alles Geld!)

Schule und Jugendhilfe müssen im Interesse der Schülerinnen und Schüler eine enge Partnerschaft eingehen.

Meine Damen und Herren! Bei den Wegen in eine kinderfreundliche Gesellschaft braucht Familienpolitik Unterstützer, Partnerinnen und Partner, die verlässlich sind. In besonderem Maße ist dabei die Wirtschaft gefragt. Es geht hierbei nicht nur um die Schaffung von Betriebskindergärten oder von überbetrieblichen und Public-PrivatePartnership-Angeboten zur Förderung und Betreuung von Kindern.

Es geht auch um ausreichende und zukunftsträchtige Ausbildungsplätze für junge Frauen und Männer und es geht vor allem - und das im Interesse der Familien und im wohl verstandenen Interesse der Unternehmen - um eine familienorientierte Personalpolitik mit neuen Formen von flexibler und ortsvariabler Arbeitszeit, mit neuen Formen in der Gestaltung von beispielsweise Monats- und Jahresarbeitszeiten, die viel stärker als bisher lebensphasenbezogen sein muss.

Es gilt zu erreichen, dass genauso wie die Öffentlichkeit auch die Unternehmen bei ihren Mitarbeitern deren aktive gestaltende Rolle als Väter im Zusammenleben der Generationen respektieren und in der Personalpolitik berücksichtigen und ebenso die Mitarbeiterinnen, die Mütter sind, dabei unterstützen, ihren Platz im Berufsleben zu finden und dort eine erfolgreiche Entwicklung zu nehmen.

Zur Familienpolitik der Zukunft gehören auch neue Formen der Generationensolidarität. Die steigende Lebenserwartung verlangt nach erweiterten Möglichkeiten des aktiven Alters, des sinnvollen Tätigseins nach Beendigung der Erwerbstätigenphase. Hier liegen Ressourcen, die allen Generationen zugute kommen werden.

Meine Damen und Herren! Zusätzlich wird das Gemeinwesen insgesamt davon profitieren, wenn es gelingt, von Beginn an die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern bei Planungsprozessen und später auch bei Entscheidungsprozessen fest zu verankern.

Aber - das sage ich deutlich - selbst wenn ein großes Paket an politischen Entscheidungen und Maßnahmen Familiengründungen in Sachsen-Anhalt erleichtern und befördern wird, werden wir darüber hinaus auf Zuzug und Zuwanderung junger Leute und Familien aus anderen Bundesländern und aus dem Ausland angewiesen sein und auch darauf setzen. Ich denke, dass der Satz stimmt, dass Gesellschaften, die für Vielfalt offen sind,

sich dynamischer entwickeln als solche mit Abschottungstendenzen. Deswegen wollen wir das.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Sie fragen, wenn Sie sich denn überhaupt mit unseren Papieren beschäftigen, zu Recht, wie das alles bezahlt werden soll.

(Herr Tullner, CDU: Darauf sind wir ganz ge- spannt!)

Wir meinen, dass eine kinderfreundliche Gesellschaft solide finanziert werden kann.

(Herr Gürth, CDU: Sehr gut!)

Das geht allerdings nicht mit dem Status quo.

Zunächst zur Bundesebene. Auch wenn die Bundesregierung seit 1998 in großem Umfang die Zuwendungen für Familien erhöht und für die Weiterentwicklung der Tagesbetreuung der unter Dreijährigen, für den Ausbau des Ganztagsschulangebots und die Unterstützung lokaler Bündnisse für Familien mehr als 5,5 Milliarden € zur Verfügung stellt,

(Minister Herr Kley: Reine Werbemaßnahmen! - Unruhe)

ist das noch nicht ausreichend, Herr Minister. Das gesamte Steuer- und Sozialversicherungsrecht muss im Hinblick auf die Frage überprüft werden, ob das Erziehen, das Aufziehen und das Zusammenleben mit Kindern gefördert wird. Alles gehört auf den Prüfstand.

Allein bei der Umstellung des Ehegattensplittings auf eine Individualbesteuerung werden die freigesetzten Mittel auf eine zweistellige Milliardensumme geschätzt, die dann stärker familienfördernd in einem solchen System eingesetzt werden kann.

(Frau Bull, PDS: Ist das auch Mehrheitswille der SPD?)

- Es setzt sich mittlerweile durch. - Mehr als 100 Milliarden € werden jährlich für Kindergeld, familienbezogene Steuererleichterungen und Ähnliches aufgewendet. Ein Teil dieser Transfermittel sollte nach unserer Vorstellung von der direkten finanziellen Zuwendung in die Finanzierung familienbezogener Dienstleistungen umgewidmet werden.

(Herr Tullner, CDU: Das ist aber sehr unkonkret!)

Bei einer Ausgabe von Bildungsgutscheinen für Kinder unter sechs Jahren könnte in einem solchen System damit begonnen werden, den Besuch von Kindertagesstätten für die Eltern gebührenfrei zu stellen. Die KitaTräger erhielten dann einen den Bildungsgutscheinen entsprechenden finanziellen Ausgleich. Für Kinder, die keine Kita besuchen - das war auch eine Frage - könnten solche Bildungsgutscheine beispielsweise in der Musikschule, in Fremdsprachenkursen für Vorschulkinder, im Bewegungstraining oder für andere Angebote eingelöst werden. Die Familien profitierten in einem solchen System; sie würden nach wie vor finanziell unterstützt, aber die Leistungen kämen direkt bei den Kindern an.

Auf ein mögliches einkommensabhängiges Elterngeld will ich heute nicht eingehen. Dazu steht sehr viel in der Tagespresse.

(Herr Tullner, CDU: Aber nicht sehr konkret!)