Protokoll der Sitzung vom 15.04.2005

Erste Beratung

Seniorenpolitische Leitlinien

Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 4/2120

Einbringer ist der Abgeordnete Herr Bischoff. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vierte Landesseniorenforum fand am 25. Februar 2005 statt. Das Wortprotokoll ist Ihnen, glaube ich, Anfang der Woche zugegangen. Diejenigen von Ihnen, die noch einmal nachgelesen haben, was in dem Seniorenforum besprochen und am Ende auch beschlossen worden ist, werden vielleicht gesehen haben, dass dieses Gremium, das zum vierten Mal getagt hat, ein sehr konstruktives und wertvolles Gremium ist. Das wurde schon an den Fragestellungen deutlich.

Der Ministerpräsident war auch dabei; im Augenblick ist er nicht anwesend. Ich hätte vielleicht noch etwas ansprechen können.

Es ist deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass die Landesregierung, die Fraktionen im Landtag und die Landesseniorenvertretung gemeinsam über die aktuellen Probleme diskutieren, die die ältere Generation auf dem Herzen hat.

Bei diesem Forum wurde die Erwartung an den Landtag und die Landesregierung formuliert, dass die Fraktionen, also die Politik, und die Exekutive gemeinsam mit der Seniorenvertretung über die Probleme sprechen. In der ersten Beschlussvorlage mit dem Titel „Die Rolle und der Platz älterer Menschen in Sachsen-Anhalt“ heißt es in Absatz 2:

„Von Landtag und Landesregierung wird erwartet, dass sie Grundsätze und Leitlinien für die künftige Seniorenpolitik unter Einbeziehung der Senioren erarbeiten und beschließen.“

Diese Anregung haben wir mit unserem Antrag aufgenommen. Wir wollen gegenüber der Seniorenvertretung

deutlich machen, dass sich das Parlament aktiv daran beteiligt und die Beschlüsse gemeinsam mit der Landesregierung umsetzt. Es ist also ein gemeinsamer Prozess der Legislative und der Exekutive.

Mit diesem Antrag verbinden wir nicht den Anspruch, dass allein die SPD-Fraktion Adressat der Landesseniorenvertretung wäre. Deshalb haben wir unseren Antrag an alle Fraktionen geschickt in der Vorstellung, wir könnten das gemeinsam tun. - Wir haben weder Zustimmung noch Ablehnung erfahren.

Ich hatte etwas den Eindruck, dass diese Zurückhaltung wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass der Antrag von uns kam. Man schaut erst einmal, von welcher Fraktion eine Initiative gestartet wird, dann entscheidet man, wie man sich dazu verhält. Ich finde das nicht wirklich gut; denn das hieße, dass Parteipolitik über Sachpolitik steht. Aber ich will jetzt keine weiteren Vermutungen äußern. Die Redner oder Rednerinnen nach mir werden dazu Stellung nehmen.

Neue Leitlinien in der Seniorenpolitik sind nicht nur vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung wichtig, sondern auch deshalb, weil in Zeiten sozialer Umbrüche, die so rasant erfolgen wie im Augenblick, insbesondere die ältere Generation oft überfordert ist. Sie ist geängstigt, weil es zu viele Informationen gibt, einen Wust von Meinungen, von Werbung, von Bildern, von Nachrichten. Wenn schon die Jungen damit überfordert sind, das Richtige herauszufiltern, dann sind die Älteren erst recht überfordert damit zu erkennen, was heute eigentlich noch wesentlich ist.

Ich denke, auch der Jugendwahn der Werbeindustrie in den letzten Jahren hat die Relationen etwas verschoben. Allerdings bemerkt man zurzeit eine langsame Trendwende. Dies gibt den Älteren eine Chance, ihre Erfahrungen einzubringen. Da die ältere Generation ohne den Druck lebt, unbedingt immer erfolgreich sein zu müssen, kann sie vielleicht dazu beitragen, die eigentlich wesentlichen Dinge des Leben zu erkennen und einmal in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Leitlinien sollten deshalb diese allgemeinen gesellschaftlichen Dinge wieder mehr in den Vordergrund rücken und deutlich machen, wo bei all diesen sozialen Umwälzungen die besonderen Härten liegen, die insbesondere die ältere Generation betreffen.

Der Familienpolitik widmen sich jetzt alle Parteien, nicht nur in den Landtagen, sondern auch im Bund. Dabei spielt die Frage des Umgangs mit der älteren Generation eine besondere Rolle. Dabei ist es, glaube ich, wichtig, wie wir in der Familienpolitik die Lebensleistung der älteren Generation würdigen, wie wir zum Beispiel ihre Familienleistung anrechnen; denn das scheint ein Hauptpunkt zu sein, wenn man die demografische Entwicklung heute sieht.

Aber es geht auch um neue Aufgaben. Wo werden ältere Leute heute gebraucht? Wo sind sie wichtig? Ohne die Wertschätzung der Älteren verliert eine Gesellschaft ihre Verankerung und ihre Orientierung.

(Zustimmung von Herrn Schomburg, CDU)

Die Diskussion und die Themen des vierten und des dritten Seniorenforums, bei denen einige von Ihnen immer dabei waren, ähneln sich. Dabei geht es immer wieder um dieselbe Frage, um die kommunale Einbindung. Es geht um die Sicherheit der älteren Generation bzw. das

Gefühl, dass sie sich unsicher fühlt. Des Weiteren geht es um das Problem der Pflegebedürftigkeit.

Hierbei haben die Älteren das Gefühl, es würde sich nichts bewegen. Dabei haben wir im Landtag über dieses Thema in den letzten acht, zehn Jahren sehr häufig diskutiert. Ich kann mich daran erinnern. Es ging um Demenz - für dieses Thema hat sich immer Frau Liebrecht stark gemacht. Es ging um betreutes Wohnen, um den Umgang mit der älteren Generation überhaupt. Insbesondere Frau Dirlich hat hierbei auf Leitlinien abgezielt; das war auch häufiger ein Thema im Landtag. Es ging um die Pflege; das war sozusagen das große Thema unseres Kollegen Herrn Nehler. Wir haben dieses Thema oft genug behandelt, nicht zuletzt beim Behindertengleichstellungsgesetz.

Nichtsdestotrotz scheinen die Älteren es so zu sehen, dass ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten von der Politik nicht deutlich wahrgenommen wurden. Sie haben zumindest das Gefühl, dass wir diese nicht richtig erkannt hätten.

Vielleicht liegt das auch daran, dass wir immer die problematischen Fragen des Alters in den Vordergrund geschoben und uns immer auf Fragen bezogen haben wie: Sind die sozialen Sicherungssysteme noch leistungsfähig, um das Leben der älteren Generation abzusichern? - Wir haben vielleicht die Fähigkeiten und die Kompetenzen, die ältere Menschen für die Gesellschaft einbringen können, zu wenig im Blick gehabt.

Die Menschen in unserem Land, auch die älteren, wollen aktiv, mit Lebensfreude und Optimismus alt werden, auch in dem Bewusstsein, ihr eigenes Leben selbst gestalten zu können, und ohne Angst vor Hilfsbedürftigkeit zu haben. Ich glaube, deshalb ist es wichtig, dass man dieses Thema auch aufgrund der Ergebnisse des Landesseniorenforums mit Engagement noch einmal im Ausschuss aufnimmt. Ich finde, es sollte nur ein Ausschuss sein, weil die Mitglieder des Sozialausschusses, zumindest wenn es um diese Problematik geht, oft auch im Gleichstellungsausschuss sind.

Der Ausschuss soll uns einen verlässlichen Zeitplan vorgeben und aufzeigen, wie wir mit den Leitlinien und den Grundsätzen umgehen, die dort von uns gefordert werden. Es geht darum, dass wir die Zuarbeit von der Landesregierung bekommen. Es ist ja schon bekräftigt worden, dass vom Ministerium zurzeit eine Vorlage erarbeitet wird. Es ist uns daran gelegen, dass wir einen gemeinsamen Beschluss zeitnah noch in dieser Wahlperiode fassen.

Das nächste Landesseniorenforum findet im Jahr 2007 statt. Bis dahin sind es noch zwei Jahre. Dazwischen liegt noch eine Landtagswahl mit dem entsprechenden Wahlkampf. Wir wissen, dass sich die Sachpolitik dann eher im Hintergrund abspielt. Es ist nicht mehr allzu viel Zeit. Wir sollten deshalb nach der Sommerpause sofort damit beginnen. Deshalb bitte und werbe ich darum, dass Sie unserem Antrag zustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Danke, Herr Abgeordneter Bischoff, für die Einbringung. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Zunächst wird für die Landesregierung in Vertretung des Sozialministers der Kultusminister Herr Professor Dr. Olbertz sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der in den letzten Jahren zu beobachtende Anstieg der Lebenserwartung ist vor allem mit einem Gewinn an aktiven Lebensjahren verbunden, also mit einer Verlängerung jener Lebensphase, in der die Menschen zu einer selbständigen und selbstverantwortlichen Lebensführung in der Lage sind.

Angesichts einer besseren Gesundheit, eines höheren Bildungsniveaus und einer höheren Vertrautheit mit Bildungsangeboten und Lernsituationen kann davon ausgegangen werden, dass zukünftige Generationen älterer Menschen länger und intensiver ein selbstbestimmtes und erfülltes Leben führen können und zugleich auch imstande sind, einen aktiven Beitrag zum Wohl der Gesellschaft zu leisten.

Das trägt auch zu dem Gleichgewicht zwischen den Generationen bei. Es sichert zudem den legitimen Anspruch der Gesellschaft, auf das Potenzial an Erfahrungen und an Lernergebnissen sowie auf die Aktivität der älteren Generation zurückgreifen zu können. Wir können es uns gar nicht leisten, dieses Potenzial brachliegen zu lassen.

Gleichwohl muss man der Tatsache ins Auge sehen, dass immer mehr Menschen, wenn sie älter werden, auch pflegebedürftig werden können. Die Landesregierung hat dieses Szenarium im Blick. Sie hat, ursprünglich für den Herbst dieses Jahres vorgesehen, einen Bericht zur Altenhilfeplanung bis zum Jahr 2020 einschließlich der Überarbeitung der Landespflegekonzeption in Angriff genommen. Insofern ist der Antrag der SPDFraktion kein neuer Impuls, sondern eine Bestätigung der planerischen Arbeit der Landesregierung. - Im Manuskript von Herrn Kollegen Kley steht an dieser Stelle: „Vielen Dank“. Dem schließe ich mich an.

Auf dem vierten Seniorenforum am 25. Februar 2005 wurden drei Beschlüsse gefasst, die von der Landesregierung schrittweise umgesetzt werden. Diese Beschlüsse betreffen erstens die Rolle und den Platz älterer Menschen in Sachsen-Anhalt, zweitens die Sicherheit der älteren Menschen in Sachsen-Anhalt und drittens den Stand und die Reform der Pflegeversicherung und die Pflegesituation in Sachsen-Anhalt.

Insbesondere die in den folgenden Jahren erforderlichen Strukturveränderungen in den Versorgungs- und Betreuungssystemen verlangen eine umfassende Analyse und Bewertung der Situation bis zum Jahr 2020. Auf dieser Grundlage können dann prognostische Aussagen zur Entwicklung im Lebensumfeld von Seniorinnen und Senioren gemacht und Handlungsoptionen aufgezeigt werden. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die Mobilisierung von Selbsthilfepotenzialen und die Sicherung von Pflege sind nur einige Aspekte einer solchen Konzeption.

All das erfordert jedoch das Vorliegen bundespolitischer Rahmenbedingungen, deren Umsetzung und Ausgestaltung dann auf Landesebene erfolgt. Diese Rahmenbedingungen müssen den demografischen Erfordernissen angepasst werden. Dazu wurde die Bundesregierung mehrfach aufgefordert. Es ist höchste Zeit, die Pflegeversicherung zu reformieren und dadurch die Voraussetzungen nicht zuletzt für die Bezahlbarkeit der Systeme zu schaffen.

Ferner wird der fünfte Altenbericht der Bundesregierung erwartet, der die Potenziale des Alters - so wird er sich

wohl nennen - aufzeigen soll, die sich auf die Bereiche Arbeit, Wirtschaft, Bildung, Familie und soziale Netzwerke beziehen.

Nicht zuletzt sollen die im Herbst 2005 zu erwartenden Empfehlungen des „Runden Tisches Pflege“ mit den Arbeitsgruppen, „Verbesserung der Qualität und der Versorgungsstrukturen in der häuslichen Betreuung und Pflege“, „Verbesserung der Qualität der stationären Betreuung und Pflege“, „Entbürokratisierung“ und „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ in ein umfassendes Konzept einfließen.

Das Ministerium für Gesundheit und Soziales hat trotz der dargestellten Defizitlage aufseiten der Bundesgesetzgebung bereits jetzt umfangreiche Vorbereitungen getroffen, um dem Anspruch einer umfassenden Altenhilfeplanung gerecht werden zu können. Eine solch zukunftsweisende Konzeption bedarf allerdings einer sicheren Grundlage, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt.

Dies ist mit den Bordmitteln eines Ministeriums allein nicht zu bewältigen. Deshalb ist die Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens geplant, welches sowohl die besonderen Umstände in den neuen Bundesländern berücksichtigt, als auch bundes- und europaweite Entwicklungen aufzeigt. Die Ergebnisse dieses Gutachtens sollen als wissenschaftliche Basis in die Konzeption zur Altenhilfeplanung bis zum Jahr 2020 einfließen.

Unter Beachtung der Fristen für das Ausschreibungsverfahren und der Tatsache, dass die Erstellung des Gutachtens einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen wird, auch um dessen Ergebnisse einzuarbeiten, kann die Präsentation des Landeskonzeptes nicht vor Ende 2006 erfolgen. Der ursprüngliche Zeitplan sah allerdings, wie schon erwähnt wurde, anders aus.

Eine erste Ausschreibung der wissenschaftlichen Studie erfolgte bereits im November 2004 im Landesanzeiger und im Bundesanzeiger. Leider musste im Ergebnis der abschließenden Auswertung der eingegangenen Angebote festgestellt werden, dass kein Bieter ein Angebot eingereicht hatte, das sowohl den formalen als auch den inhaltlichen, den fachlichen Anforderungen der Ausschreibung entsprach. So ärgerlich dieser Umstand auch ist, ist es dann in der Tat richtig, nicht loszulegen, sondern eine zweite Runde einzuläuten, aus der ein ordentlicher Anbieter für ein anspruchsvolles und wissenschaftlich hochkarätiges Gutachten hervorgeht.

Derzeit wird eine neue Leistungsbeschreibung erarbeitet, die Grundlage für eine erneute Ausschreibung sein wird. Das ist einer der Gründe dafür, weshalb der Zeitplan jetzt geändert werden musste. Diese Verfahrensweise wurde allerdings mit dem Landespflegeausschuss und mit den Spitzenverbänden abgesprochen. Außerdem werden zu diesem Zeitpunkt voraussichtlich auch die bereits erwähnten Rahmenbedingungen aus den bundespolitischen Vorgaben berücksichtigt werden können.

Aus den genannten Gründen ist der im Antrag der Fraktion der SPD geforderte Zeitpunkt der Vorstellung der Leitlinien im September 2005 seriös nicht haltbar. Deshalb bittet Herr Kley darum, diesen Antrag abzulehnen.

Gleichwohl wurden durch das Sozialministerium bisher vielfältige Vorbereitungen in Form von landesspezifischen Analysen in den Bereichen der stationären Pflege, der ambulanten Pflege und zur Wohnsituation älterer

Menschen getroffen, die ebenfalls Grundlage für das Konzept sein werden. Dabei handelt es sich um konkrete Maßnahmen, die in den Beschlüssen des Seniorenforums gefordert wurden. Auch die Landesseniorenvertretung und die Spitzenverbände waren an der Erarbeitung der Analysen beteiligt.

Unabhängig hiervon wird die Landesregierung selbstverständlich zu den Beschlüssen des vierten Seniorenforums innerhalb der vorgegebenen Frist Bericht erstatten. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Rauls sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Aufgrund des gerade eben Gehörten kann ich mich ausgesprochen kurz fassen. Minister Olbertz hat die Herangehensweise der Landesregierung umfassend und nachvollziehbar dargestellt. Dem stimmen wir ausdrücklich zu.