Deswegen sage ich: Um demjenigen das Existenzminimum zu sichern, brauchen wir über diese Löhne hinaus das Einstiegsgeld. Wir machen uns etwas vor, wenn wir diesen Weg nicht gehen. Die Alternative ist der Schwarzarbeitsmarkt. Dieser ist allerdings für unsere Volkswirtschaft in hohem Maße schädlich.
Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Laucha, Damen vom Landfrauenverein Bodestadt Oschersleben sowie Gäste der Landeszentrale für politische Bildung.
Für diese Debatte war die Redezeitstruktur F und damit eine Debattendauer von 170 Minuten vorgesehen. Wir sind jetzt aber bei der Redezeitstruktur G, Debattendauer 255 Minuten. Vielleicht haben Sie Verständnis - für die Landesregierung standen 50 Minuten zur Verfügung -, wenn ich allen Fraktionen zehn Minuten zusätzliche Redezeit einräume, oder halten Sie das nicht für erforderlich? - Gut. Dann verständigen wir uns: Jede
Ich rufe in der Reihenfolge auf: PDS-Fraktion, CDUFraktion, SPD-Fraktion und FDP-Fraktion. Für die PDSFraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Dr. Thiel das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Thiel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! SachsenAnhalt steht nicht nur früher auf, sondern nun holt es auch auf und wir haben seit gestern eine neue Dynamik im Land Sachsen-Anhalt.
Das waren die Slogans der Landesregierung in den letzten drei Tagen. Nach den Ausführungen unseres Herrn Wirtschaftsministers könnte man meinen, jetzt braucht sich die gesamte Landesregierung nur noch auf den Weg nach Berlin zu machen und dann wird Deutschland gerettet,
Auch Frau Merkel wurde nicht müde, in den letzten Tagen zu betonen, dort, wo die CDU in Regierungsverantwortung stehe, gehe es den Menschen besser.
Dann gibt es in Ostdeutschland nach dieser Regierungserklärung zumindest drei verschiedene Varianten der CDU, nämlich die beste, die bessere oder die gute, je nachdem, ob man nach Sachsen-Anhalt, nach Sachsen oder nach Thüringen schaut.
Nun, meine Damen und Herren, wir wollen jedoch den Wahrheitsgehalt der langwierigen Regierungserklärung etwas abklopfen und uns die Weglassungen und Lücken etwas näher anschauen.
Um die Ausgangslage Ostdeutschlands im Jahr 15 der deutschen Einheit zu beschreiben, muss doch auch gesagt werden, dass infolge der Treuhandpolitik und eines fehlenden Konzeptes für den Transformationsprozess von der sozialistischen Plan- zur kapitalistischen Marktwirtschaft eine Deindustrialisierung von historisch unbekannter Dimension stattfand. Davon war das heutige Land Sachsen-Anhalt aufgrund der Konzentration großer Kombinate der Chemie, des Schwermaschinenbaus, der Braunkohlegewinnung, der Energieerzeugung, des Schienenfahrzeugbaus, der Kupfergewinnung und -verarbeitung, der Baustoffgewinnung sowie der sich lange hinziehenden Zerschlagung und Privatisierung der Kombinate besonders betroffen. Da hatte, meine Damen und Herren, die Vernichtung von Arbeitsplätzen in Ostdeutschland übrigens die Farbe Schwarz-Gelb.
Auch das sollte man ins Kalkül ziehen und nicht nur einseitig - und auch noch unseriös - das Jahr 1989 beschreiben.
Wenn man diese Ausgangslage betrachtet, dann ist tatsächlich in den letzten Jahren eine Menge passiert. Wir als PDS-Fraktion betrachten die wirtschaftliche Situation in Sachsen-Anhalt realistisch und auch im richtigen Kontext zu den Ergebnissen anderer Länder. Wir betrachten
die Lage auch aus volkswirtschaftlicher Sicht und stellen fest: Für eine realistische Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik reicht es nicht aus, nur die Zahl kurz vor oder nach der Kommastelle zu vergleichen und zu der Aussage zu kommen: Wir sind doch eigentlich die Besten.
Umfassender Ausdruck für die wirtschaftliche Leistung einer Region ist das Bruttoinlandsprodukt. Das ist unbestritten. Dieses ist in Sachsen-Anhalt im Jahr 2004 gegenüber dem Vorjahr real, das heißt nach Herausrechnung des Einflusses der Preisentwicklung, um nur 1,2 % gewachsen und erreichte ein Volumen von 42,3 Milliarden €. Damit liegt das Land Sachsen-Anhalt unter dem Durchschnitt der Zuwachsraten in der Bundesrepublik insgesamt und auch der ostdeutschen Länder. Das war in den vergangenen Jahren nicht anders.
Auch bei der Masse der anderen Wirtschaftsindikatoren nimmt das Land im Vergleich zu den ostdeutschen Ländern einen unteren Tabellenplatz ein bzw. hinkt Sachsen und Thüringen hinterher. Die wirtschaftliche Lage ist also insgesamt nicht befriedigend und kritisch zu bewerten.
Wir übersehen dabei nicht die sich abzeichnenden positiven Effekte und günstigen Entwicklungstendenzen auf einigen Gebieten, wie im verarbeitenden Gewerbe, in der Ansiedlungspolitik und im Gründungsgeschehen. Auch wir freuen uns über jeden positiven Stimmungswandel im Land. Aber wenn Sie, Herr Minister, eine Legitimierung als erfolgreiche Landesregierung für die kommenden Wahlkämpfe brauchen, so sollten Sie das nicht am Beispiel der Wirtschaftspolitik darstellen.
Denn was sich im Land Sachsen-Anhalt an positiven Entwicklungen getan hat, ist vor allem der Einsatzbereitschaft der Unternehmerinnen und Unternehmer und ihrer abhängig Beschäftigten zu danken und weniger dem Setzen von wirtschaftspolitischen Akzenten durch die Landesregierung.
Nach zwei so genannten Investitionserleichterungsgesetzen, Änderungen an der Bauordnung und einigen wenigen Anträgen zu Einzelfragen seitens Regierung und Koalition wurden parlamentarisch kaum Initiativen erkennbar, und überall, wo Sie nicht weiter wussten, wurde auf den Bund oder notfalls auf Brüssel geschimpft.
Herr Minister, Sie beklagen das Stagnieren der wirtschaftlichen Aufholprozesse und geben als Ursache dafür an, dass dies nicht regionale Faktoren seien. Sie haben damit zugleich die Entschuldigung dafür parat, dass in der gesamten Regierungserklärung weder weitreichende Handlungskonzepte noch eigenständige Ideen erkennbar sind.
Kein Wort davon, dass der Aufbau Ost als Nachbau West gescheitert ist. Kein Wort davon, dass auch in Sachsen-Anhalt der Übergang zu einer wissensbasierten global kommunizierenden Wirtschafts- und Dienstleistungsgesellschaft begonnen hat und dass dieser Prozess die Grundlage für die Entwicklung einer selbsttragenden Wirtschaftsentwicklung ist. Kein Wort darüber, dass dafür auch landespolitische Konzepte erforderlich
Dafür hören wir aber Schelte an der Opposition, dass sie die Lage bis zum Jahr 2020 fatalistisch darstelle.
Nein, Herr Minister, da haben Sie unsere Konzepte schlichtweg nicht verstanden oder einfach ignoriert.
Für uns steht die Zukunftsfähigkeit unseres Landes im Mittelpunkt der Debatte. Man muss sich nicht, wie Sie sagten, in den nächsten Jahren sehr gründliche Gedanken machen, sondern jetzt ist die Zeit dafür.
Zukunftsfähigkeit heißt, dass man auf Innovations- und Gestaltungsfähigkeit anstelle von Erstarrung und einer von einem massiven Sozialabbau gekennzeichneten rückwärts orientierten Politik setzt.
Doch zunächst zurück zur Lagebeschreibung. Wir haben die Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert - so Ihre Aussage, Herr Minister. Dann werden Beispiele, wie überarbeitete Gesetze, leistungsfähige Verkehrswege mit Autobahnen und Querspangen sowie abgewendete Schildbürgerstreiche, wie Flugplätze um Magdeburg und der Ausbau des Magdeburger Hafens, genannt; wobei ich mir nicht sicher bin, ob Ihre Aussage, dass die Landeshauptstadt Magdeburg mit Mitteln des Wirtschaftsministeriums für 20 Millionen € den Hafen ausbaut, nicht einen Verstoß gegen das von Ihnen selbst beschlossene Investitionserleichterungsgesetz darstellt, wodurch nämlich die Ausweitung kommunaler Wirtschaftstätigkeit verhindert werden soll. Wir werden dem nachgehen.
Die Ergebnisse der Ansiedlungs- und Investitionsoffensive können sich im statistischen Vergleich durchaus sehen lassen; da sind wir einer Meinung.
Die Industrie Sachsen-Anhalts ist im Vergleich zwischen den ostdeutschen Flächenländern der Spitzenreiter bei den getätigten Industrieinvestitionen je Einwohner. Wie Sie dargelegt haben, wurden seit 2002 rund 20 000 Arbeitsplätze in der Industrie geschaffen. In dem gestern von der Landesregierung und der CDU veröffentlichten Papier waren es noch 18 000, aber so schnell ist die Zeit.
Der Aufwand von 7,5 Milliarden € zeigt aber eindeutig, dass die Arbeitsplatzwirksamkeit der getätigten Investitionen noch immer zu wünschen übrig lässt. Positive, arbeitsplatzschaffende Effekte nur im verarbeitenden Gewerbe, das ist einfach zu wenig.
Nach wie vor weist das Land Sachsen-Anhalt eine schwierige Arbeitsmarktsituation auf. Darüber kann auch die Abgabe der letzten Position unter den ostdeutschen Ländern in der Statistik nicht hinwegtäuschen. Die monatlichen Zahlen überraschen nicht; sie erschrecken dennoch. Alles Gerede über statistische Effekte ist schlichte Augenwischerei. Die hohe Arbeitslosigkeit ist Resultat einer völlig verfehlten Politik im Bund wie im Land - jawohl, auch im Land.