Noch ein allerdings sehr wichtiger Satz: Diese Schülerinnen und Schüler haben ein Anrecht darauf, dass wir mehr Phantasie auf sie verwenden, als sie nur erneut in eine Schulstrukturdebatte zu verwickeln.
Man kann durchaus sagen, dass wir in gewisser Beziehung - „wir“ meine ich ganz global - inzwischen den Preis dafür zahlen, dass wir die Reformdebatte im deutschen Bildungssystem seit den 70er-Jahren auf ein ständiges Hin und Her in Bezug auf die äußeren Schulstruk
turen reduziert haben. Dabei ist letztlich die Debatte über innere Impulse, über innere Förderkonzepte und über eine moderne innere Schulreform verloren gegangen.
Daher ist der Akzent in der Bildungspolitik der Landesregierung und der Koalitionsfraktionen so gesetzt, dass sich Strukturänderungen ausdrücklich und immer mit inneren Reformen und inneren Veränderungen rechtfertigen müssen. Ohne eine solche Rechtfertigung ist selbst die kleinste Strukturveränderung nicht mehr legitimierbar. Auch das halte ich für einen sehr wichtigen Punkt.
In diesem Sinne - Herr Dr. Schellenberger hat ein paar Punkte genannt - ist einiges geschehen. Ich denke dabei an die Änderung der Stundentafeln sowohl der Grundschule als auch der Sekundarschule mit dem klaren Fokus auf die Kernkompetenzen: mehr Deutsch, mehr Mathematik, im Übrigen auch die Einführung des Englischunterrichts an der Grundschule. Es ist bereits gesagt worden.
Ein zweiter wichtiger Punkt im Sinne der Stärkung dieser Kernkompetenzen ist die Möglichkeit, die in der Stundentafel verankerte Klassenstunde auf Grundvoraussetzungen des erfolgreichen Lernens zu verwenden, wie zum Beispiel die Methodenkompetenz oder auch eine stärkere Konzentration auf die individuellen Lernbedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Es gibt einen Stundenpool, der den Schulen zugewiesen wird. Außerdem besteht die Möglichkeit, Förderangebote vorzuhalten. Hierbei gibt es übrigens keine einschränkenden Vorgaben für die Schulen; das heißt, sie können entsprechend den tatsächlichen Notwendigkeiten vor Ort entscheiden, wie sie diese Stunden nutzen wollen. Fördermöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit Lernbeeinträchtigungen, die genau diese Abschlussgefährdung ausmachen, sind explizit eingeschlossen.
Wir werden diesen Pool im nächsten Schuljahr noch einmal erhöhen, um die Fördermöglichkeiten für diese Schülerinnen und Schüler zu optimieren; denn man muss sagen: Es mangelt an zweierlei. Es mangelt an einem Arrangement, in dem diese Schülerinnen und Schüler Erfolg erleben, das heißt also in ihrer Selbstgewissheit bestärkt werden.
Wie organisiert man in einer Schule Erfolg? - Das ist eine ganz wichtige Frage. Das geht bis in den Lehrplan hinein. Verlangt man ihnen eine unendliche Menge von mehr oder weniger nutzlosen Dingen ab oder konzentriert man sich auf nachhaltige, konstante Lerninhalte, bei denen man dann auch lange genug verweilt, auf die man immer wieder zurückkommt, mit denen man intensiv arbeitet und an die man alles Neue zurückbindet, damit die Schülerinnen und Schüler erst einmal Erfolg erleben.
Wir versprechen uns übrigens einiges von den abschlussbezogenen Zweigen innerhalb der Sekundarschule. Sie wissen, mit einer der Schulgesetznovellen haben wir jetzt die Möglichkeit, nach neun Jahren im Rahmen eines solchen abschlussbezogenen Zweiges den Hauptschulabschluss zu vermitteln.
Die Klassen, die dafür gebildet werden, haben im Gegensatz zu den Realschulklassen eine maximale Stärke von 15 Kindern, während die Klassen, die zu dem regulären Realschulabschluss führen, 20 Schülerinnen und Schüler umfassen. Das heißt, in den Hauptschulklassen bzw. Lerngruppen ist es möglich, sich effektiver den Proble
Im Übrigen ist das ein wichtiger Schwerpunkt in der Fortbildung mit dem Ziel der Qualifizierung gerade auf dem Gebiet der differenzierten Einzelförderung. Das ist sowohl in der landesweiten als auch in der regionalen staatlichen Lehrerfortbildung eine der maßgeblichen Schwerpunktsetzungen in Einzelveranstaltungen, in Intervallseminaren und in Veranstaltungsreihen, um den Lehrerinnen und Lehrern Unterstützung und Hilfe dabei zu bieten, die Schülerinnen und Schüler im Hinblick auf das Erreichen des Schulabschlusses gezielt zu fördern. Dabei geht es um Themen wie Leistungsverweigerung, aber auch Erwerb von Lernmethoden, Lernkompetenz oder um das Thema „Selbst gesteuertes Lernen fördern und fordern“.
Die Landesregierung hat in den letzten Monaten eine Reihe weiterer Impulse in die Schulen vermittelt, die darauf abzielen, vor allem die Zusammenarbeit mit den Eltern zu stärken. Ich denke, ohne eine konzertierte Aktion, ohne eine wirklich stabile Allianz mit den Elternhäusern wird es uns nicht gelingen, diese jungen Leute wieder einzufangen und zu einem erfolgreichen Schulabschluss zu führen.
Das kann die Schule allein nicht. Umso wichtiger ist es aber auch, einmal eine kritische Bilanz zu ziehen, welche traditionellen Formen der Zusammenarbeit mit den Eltern wir unter Umständen sogar wiederbeleben müssen, weil sie uns aus dem Blickfeld geraten sind. Das fängt bei der Kultur der Führung von Hausaufgabenheften an und reicht bis hin zur Regelmäßigkeit von Elternbesuchen in beiden Richtungen.
Sicherlich ist es ein Gebot der Verfassung, die Eltern nicht gegen ihren Willen zu besuchen. Aber man kann aus dieser wichtigen Regelung nicht den Umkehrschluss ziehen, dass Eltern überhaupt nicht mehr besucht werden dürfen, weil es sein könnte, dass einige darunter sind, die nicht besucht werden wollen. So können wir, glaube ich, nicht arbeiten.
Ich denke, es gibt eine ganze Menge von Möglichkeiten, die wir auch vonseiten des Kultusministeriums neu regeln können und dabei durchaus ein paar neue Standards setzen können. Es geht nämlich darum, sich frühzeitig über die Entwicklung jedes einzelnen Kindes zu informieren und die Eltern stärker in die Gestaltung des Schullebens einzubeziehen.
Meine Damen und Herren! Wichtigstes Anliegen aller dieser Bemühungen ist es, dass die Schulen in stärkerem Maße Verantwortung für die Lernerfolge der Schülerinnen und Schüler übernehmen, dass sie in diese Verantwortungsallianz die Eltern einbeziehen und dass sie dem traditionellen Profil, insbesondere im Bereich der Sekundarschule mit den Schwerpunkten Berufswahlvorbereitung und Berufsorientierung, stärker zur Geltung verhelfen.
Deshalb wurden für die Sekundarschulen der Wahlpflichtbereich, die Schülerbetriebspraktika sowie das Thema Betriebs- und Arbeitsplatzerkundung gestärkt. Für die Schulen bzw. für die Lehrkräfte wird gegenwärtig eine Handreichung zur Vermittlung ökonomischer Bildung sowie zur Berufsorientierung und zur Berufswahlvorbereitung erarbeitet, die konkrete inhaltliche und methodische Anregungen für den Unterricht sowohl in Fä
Die Rahmenrichtlinien und die Stundentafel lassen es übrigens zu, dass die Schulen darüber hinaus Unterrichtsangebote organisieren, die beispielsweise in Kooperation mit der Wirtschaft, mit sozialen Einrichtungen und auch mit dem Handwerk einen stärkeren Praxisbezug ermöglichen. Meiner Meinung nach fehlt diesen jungen Leuten oftmals das Bewusstsein der Relevanz dessen, was ihnen abverlangt wird. Es geht um die Greifbarkeit der Themen und der Unterrichtsgegenstände. Sie müssen das Gefühl vermittelt bekommen, dass mit diesem Wissen etwas anzufangen ist, dass es nützlich ist und dass es nicht nur der theoretischen Reflexion dienen soll.
Ich verweise im Übrigen auf die Bemühungen der Landesregierung, denjenigen Schülerinnen und Schülern, die als besondere Problemgruppen bilanziert werden müssen, Möglichkeiten zu eröffnen, an dem Projekt „Produktives Lernen“ teilzunehmen. Wir haben die Anzahl der Schüler, die in diesem Projekt mitwirken, kürzlich verdreifacht. Waren bisher sieben Schulen an diesem Projekt beteiligt, so nehmen nun 21 Schulen daran teil.
Sie wissen es: Es handelt sich um einen Modellversuch, bei dem die Kinder an drei Tagen der Unterrichtswoche außerhalb der Schule in solchen relevanten Zusammenhängen, beispielsweise in der Kooperation mit Unternehmen, auf Ziele orientiert werden, die sie auch erlangen können. Dadurch können sie am Ergebnis der eigenen Arbeit eine Motivation erfahren. An zwei Tagen der Woche wird in der Schule Unterricht durchgeführt.
Im Übrigen haben wir aus der Bilanz ersehen, dass bei aller Skepsis, die anfangs diesem Projekt entgegengebracht wurde, die Erfolgsquote atemberaubend hoch ist. An einer Befragung der Schülerinnen und Schüler aus der ersten Runde, die natürlich freiwillig war, haben von 54 befragten Schülerinnen und Schülern, wie ich glaube, 52 teilgenommen. Allein diese Rückmeldequote ist für jede sozialwissenschaftliche Studie sensationell. Das spricht dafür, dass hier auch die Motivation besser gelingt. Wir werden dieses Projekt auch weiterhin fördern und ausbauen.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es wird damit zumindest deutlich, dass die Landesregierung eine Vielzahl von Anstrengungen unternommen hat, um dieses Problem über Impulse zur inneren Schulreform in den Griff zu bekommen, die Schülerinnen und Schüler so zu fördern und dafür die Strukturen auch so zu individualisieren, dass sie eine Chance haben, die Schule mit einem Abschluss zu verlassen, und - das sage ich an dieser Stelle ganz offen - sei es der Hauptschulabschluss.
Selbstverständlich können wir den Hauptschulabschluss abschaffen. Wir können aber nicht die Schülerinnen und Schüler abschaffen, für die das der angemessene Bildungsweg ist, weil er ihnen Erfolg verheißt.
In dieser These erschöpft sich meine Begeisterung für den Hauptschulabschluss. Aber ich sage es noch einmal: immerhin; denn wir reden von einer Gruppe, die anderenfalls überhaupt keine Hilfe erfahren würde.
Ich begrüße diesen Antrag deshalb ausdrücklich. Ich bin gern bereit, die verschiedenen Wege, die wir schon gegangen sind, im Gespräch mit dem Ausschuss zu erörtern und auch neue Wege zu eröffnen. Ich heiße es ausdrücklich willkommen, dass wir uns mit dem Thema befassen. Ich freue mich auch sehr darüber, dass es eine Initiative der Regierungsfraktionen ist. - Vielen Dank.
Danke sehr. - Für die PDS-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Hein sprechen. Doch zuvor haben wir die Freude, Schülerinnen und Schüler des Altmärkischen Gymnasiums Tangerhütte bei uns zu begrüßen. Seien Sie herzlich willkommen!
Das Thema passt auch richtig gut für eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern. - Frau Dr. Hein, Sie haben das Wort.
Ich gebe es zu: Ich war schon einigermaßen verwundert, als ich den Antrag gelesen habe. Ich habe mich gefragt, warum eigentlich die Koalitionsfraktionen ihrer eigenen Landesregierung einen solchen Auftrag erteilen. Fehlt ihnen womöglich das Zutrauen in die Arbeit der Landesregierung? Ist es eine Kritik an deren Arbeit?
Der Minister hat gerade gesagt, dass er den Antrag sehr begrüßt. Ein bisschen verwunderlich ist das schon.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Man kann doch einmal von den eigenen Leuten bestärkt werden! - Zuruf von Frau Mittendorf, SPD)
Die Klage über die fehlenden Abschlüsse ist nicht neu und das Problem ist weiß Gott ein dauerhaftes. Auch die Zahl der Schülerinnen und Schülern in den jetzt noch als Sonderschulen bezeichneten Einrichtungen ist immer noch viel zu hoch. Wir haben bisher nicht die Chance gehabt, sie zu senken, was aber nötig wäre.
Die Koalition wollte ein Rezept dagegen haben; das hat sie am Anfang der Legislaturperiode verkündet. Sie hat dann die Vollzeitschulpflicht verkürzt. Sie hat in einem Schulgesetz die Zwangszuordnung zu dem hauptschulabschlussbezogenen Unterricht nach der Klasse 6 verkündet und beschlossen
und sie hat angenommen, damit mehr Klarheit geschaffen zu haben. Offensichtlich ist aber nicht mehr Klarheit entstanden; denn der Zustand ist ebenso wie vorher.
(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Wie soll das in- nerhalb von zwei Jahren geschehen? - Herr Tull- ner, CDU: Das braucht doch Zeit! - Herr Gürth, CDU: Sie wissen selber, dass das Unsinn ist!)
Das Problem, verehrter Herr Minister, liegt meines Erachtens - davon können Sie mich nicht abbringen - im System. Ich rede jetzt nicht von der äußeren Schulstruktur.
- Vom System. Der Fehler liegt meines Erachtens darin, dass die Koalition einen Teil von Schülerinnen und Schülern überhaupt nur noch auf den Hauptschulabschluss orientiert.
Der Weg wäre meines Erachtens ein anderer. Der Weg wäre meines Erachtens, ein anderes Bildungsziel anzustreben, nämlich alle Schülerinnen und Schüler zu einem Abschluss der 10. Klasse führen zu wollen. Das werden sicherlich nicht alle erreichen; darin gebe ich Ihnen Recht.