Protokoll der Sitzung vom 27.05.2005

Um das Versorgungswerk, also eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, jedoch rechtswirksam und rechtssicher zu errichten, ist darüber hinaus ein dem Kammerversammlungsentscheid nachgelagerter Beschluss der Landesregierung notwendig. Mit diesem wird zugleich der Zeitpunkt der Errichtung bestimmt. Mit Blick auf dieses Verfahren hat die FDP-Fraktion die Bedenken gegen eine Pflichtmitgliedschaft in dem Versorgungswerk, die es durchaus gab, zurückgestellt.

Insbesondere aufgrund der durch die Betroffenen selbst getroffenen Entscheidung über die Errichtung sehen wir die Verpflichtung, im Rahmen eines berufsständischen Versorgungswerkes Vorsorge für die Eigensicherung zu treffen, nicht im Widerspruch zum Wesen des freien Rechtsanwaltsberufes. Gerade in wirtschaftlich und finanziell schwierigen Zeiten müssen auch wir als Gesetzgeber unserer Verantwortung gerecht werden, den Anwälten zumindest eine praktikable Möglichkeit zu eröffnen, Eigenvorsorge zu treffen.

Die Leistungen, die das Versorgungswerk neben weiteren Ermessensleistungen erbringen muss, sind insbesondere Altersrenten, Berufsunfähigkeitsrenten und Leistungen für Hinterbliebene. Durch die Kombination aus den in § 9 festgelegten Pflicht- und Ermessensleistungen wird das Versorgungswerk auch den Vergleich mit anderen Vorsorgemöglichkeiten für freie Berufe nicht scheuen müssen und ein leistungs- und konkurrenzfähiges Produkt darstellen, wie es auch in anderen Bundesländern der Fall ist.

Eine weitere elementare Vorschrift des Gesetzentwurfs ist § 3, der die Mitgliedschaft, aber auch die Ausnahmen von der Pflichtmitgliedschaft regelt. Demnach werden grundsätzlich alle Rechtsanwälte, die der Rechtsanwaltskammer des Landes Sachsen-Anhalt angehören, Mitglieder des Versorgungswerkes. Gesetzlich befreit von dieser Pflichtmitgliedschaft sind Anwälte, die bei InKraft-Treten dieses Gesetzes am 1. August 2005 das 45. Lebensjahr vollendet haben, also rund 650 der 1 700 Anwälte in Sachsen-Anhalt, oder die nach Vollendung des 45. Lebensjahres Mitglied der Kammer werden.

Meine Damen und Herren! Diese Begrenzung des Eintrittsalters soll sicherstellen, dass sich das Versorgungswerk auch unter ungünstigen Umständen selbst trägt.

Durch die Satzung können jedoch auch freiwillige Beitritte zugelassen werden, soweit dies nach versicherungsmathematischen Kalkulationen verantwortet werden kann. Für Rechtsanwälte, die älter als 45 Jahre sind und die einen freiwilligen Beitritt wünschen, wäre dies unter Umständen die einzige Möglichkeit, einen adäquaten Versicherungsschutz zu erhalten, weil es in diesem Alter leider bereits häufig problematisch ist, leistungsstarken privatrechtlichen Versicherungsschutz zu erhalten.

In § 3 wurde zudem verankert, dass die zu verabschiedende Satzung außer der Altersbegrenzung weitere Ausnahmeregelungen von der Pflichtmitgliedschaft enthalten soll, wobei insbesondere der Ausnahmetatbestand der nachgewiesenen gleichwertigen privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Versorgung zu nennen ist.

Meine Damen und Herren! Wir haben die Neuregelung des Errichtungsverfahrens dazu genutzt, ein insgesamt modernes, zeitgemäßes und an die Rechtsprechung angepasstes Gesetz zu formulieren. Es erschien uns sinnvoller, eine komplett überarbeitete Neufassung auf den Weg zu bringen als lediglich Stückwerk. Daher wird mit dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes das bisher geltende Gesetz vom 13. Dezember 1993 außer Kraft gesetzt.

Lassen Sie mich abschließend ausführen, dass uns natürlich auch bekannt ist, dass andere Berufsgruppen wie zum Beispiel die Steuerberater mit einem ähnlichen Anliegen an die Fraktion herangetreten sind. Diesen können wir daher wärmstens ans Herz legen, in die Fußstapfen der Anwälte zu treten oder sich gar mit den Anwälten zusammenzutun.

Ich freue mich auf die konstruktiven Beratungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf und beantrage die Überweisung in den Ausschuss für Recht und Verfassung. - Danke schön.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Wolpert, für die Einbringung. - Für die PDS-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Tiedge sprechen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir zunächst eine generelle Vorbemerkung zu den Vorstellungen der PDS zu einem solidarischen Rentenrecht in der BRD. Unsere Forderung ist die Einführung einer Erwerbstätigenversicherung. Das bedeutet konkret eine Rente für alle von allen. Auch Beamte, Abgeordnete, Freiberufler und Selbständige sollen in die Rentenkasse einzahlen. Denn Rente ist mehr als ein Problem von Alt und Jung.

(Zustimmung bei der PDS - Zuruf von Herrn Tull- ner, CDU)

Rente muss eine Frage von Solidarität, der sozialen Sicherheit und Gerechtigkeit bleiben. Oder muss man jetzt schon sagen: wieder werden? Die gesetzliche Rentenversicherung muss zu einem allgemeinen Altersversorgungssystem entwickelt werden, in das bisher nicht versicherte Personenkreise schrittweise einbezogen werden. Grundsätzlich sollte gelten: Versicherungspflicht für jede Arbeitsstunde!

Nun, das sind gegenwärtig noch Zukunftsvisionen. Aber man weiß nie, wie sich die Mehrheitsverhältnisse ändern. Das ist ja heute sehr schnelllebig.

Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen sollen die gesetzlichen Grundlagen für ein Versorgungswerk für Rechtsanwälte in Sachsen-Anhalt geschaffen werden. Wie Herr Wolpert bereits sagte, ist Sachsen-Anhalt das letzte Land, in dem es noch kein Versorgungswerk gibt. Bis Mai 2004 scheiterte dies an der ablehnenden Entscheidung der Kammerversammlung. Zumindest sollten wir uns in den Ausschüssen die Gegenargumente ernsthaft anhören.

Rechtsanwalt Dr. Ulrich Kirchhoff hat auf dem 35. Deutschen Anwaltstag 2004 in Hamburg Folgendes geäußert - ich zitiere -:

„Zu den Sicherungssystemen der Anwaltschaft heute und morgen gehört als wesentlicher Bestandteil die Gewähr, dass für die Risiken der Berufsunfähigkeit, für das Alter und für die Hinterbliebenen nach dem Tod des Anwalts durch das berufsständische Rechtsanwaltsversorgungswerk Vorsorge für eine Grundsicherung getroffen ist. Außerdem beugen diese einer Überalterung des Berufsstandes vor und dienen damit der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Berufsstandes und erfüllen neben einer Verbesserung der Altersstruktur auch eine arbeitsmarktpolitische Funktion.“

Im Klartext: Ein Anwalt muss nicht mehr weit über das Rentenalter hinaus seiner Tätigkeit nachgehen. Aber natürlich nur dann, wenn die Rentenanwartschaft dafür auch ausreichend ist.

Es ist nach wie vor gängige Auffassung: Ein Anwalt oder eine Anwältin hängt ein Kanzleischild mit seiner Telefonnummer und seinen Öffnungszeiten an die Hauswand und von Stund an ist er oder sie sofort reich und vermögend bis ans Lebensende. Dass dies nicht so ist, zeigt die Tatsache, dass in Sachsen-Anhalt allein in den letzten zwei Jahren 25 Anwaltskanzleien wegen Vermögensverfalls geschlossen werden mussten.

Darüber hinaus muss davon ausgegangen werden, dass der überwiegende Teil der Rechtsanwälte in SachsenAnhalt entweder gar nicht oder nicht ausreichend privat rentenversichert ist, weil sie es sich schlichtweg nicht leisten können. Das wird sich durch eine Pflichtmitgliedschaft nicht automatisch ändern, aber diese soll eine Fürsorgeeinrichtung sein, von der ich hoffe, dass in den vorliegenden Gesetzentwurf noch Regularien eingebaut werden können, die den sehr unterschiedlichen Einkommenssituationen der Anwälte in irgendeiner Form Rechnung tragen können. Dazu zählt zum Beispiel auch die Frage, ob eine breitere Differenzierung bei der Höhe der Beiträge möglich ist.

Das sind aber bereits Einzelfragen, die im Ausschuss für Recht und Verfassung im Interesse der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte im Land Sachsen-Anhalt sehr intensiv beraten werden sollten. Wir gehen davon aus, dass das sicherlich auch mit einer Anhörung verbunden sein wird.

Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Recht und Verfassung zustimmen. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Danke sehr. - Herr Stahlknecht, Sie haben für die CDUFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wolpert hat die Intention dessen, was wir vorhaben, vollumfänglich vorgetragen. In Anbetracht der vorgerückten Zeit möchte ich, obwohl ich gern von hier vorn spreche, meine Rede zu Protokoll geben.

Das dürfen Sie, Herr Stahlknecht. Danke sehr.

(Zu Protokoll:)

Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erfüllen die Koalitionsfraktionen eine langjährige Forderung der Standesvertretungen der Rechtsanwälte und der Mehrheit ihrer Mitglieder in Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt ist heute das einzige Bundesland in Deutschland, in dem bislang ein Versorgungswerk für den Berufsstand der Rechtsanwälte nicht existiert. Allein dieser Umstand macht aus meiner Sicht deutlich, dass es auch in Sachsen-Anhalt Zeit wird, eine solche Versorgungseinrichtung zu etablieren.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP hat in seiner Einbringungsrede auf viele bedeutsame Aspekte hingewiesen, deren Wiederholung ich mir und Ihnen ersparen möchte. Deshalb beschränke ich mich in meinen weiteren Ausführungen auf einige wenige, für die CDU-Fraktion aber bedeutsame, Aspekte des im Hohen Hause heute zu beratenden Gesetzentwurfes.

Die Mitglieder der CDU-Fraktion halten es für unverzichtbar, dass die Rechtsanwälte selbst in einer Art Urabstimmung darüber entscheiden sollen, ob es in Sachsen-Anhalt künftig ein Versorgungswerk geben soll oder nicht. Damit beabsichtigt die CDU-Fraktion - entsprechend ihrem allgemeinen Verständnis von Selbstverantwortung und Selbstbestimmung -, die Betroffenen selbst über ihr Schicksal entscheiden zu lassen. Denn nach unserem Verständnis des Verhältnisses von Staat und dem Einzelnen soll ersterer lediglich den Ordnungsrahmen schaffen, den auszufüllen aber den handelnden Personen obliegt.

Die Rechtsanwälte selbst sollen also ihr „Schicksal in die Hände nehmen“. Der Staat stülpt ihnen nicht einfach etwas von ihnen vielleicht überhaupt nicht Gewolltes über. Mit diesem Grundverständnis korrespondiert auch eine im Gesetzentwurf ausgeformte umfangreiche Satzungsgebungsbefugnis, wie es einem als Selbstverwaltungskörperschaft ausgestalteten Versorgungswerk auch ansteht.

Als Vertreter der CDU-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt möchte ich aber auch nicht verhehlen, dass ich die Einrichtung eines solchen Versorgungswerkes für Rechtsanwälte als sozial- und ordnungspolitische Notwendigkeit begreife. Auch wenn es viele von uns noch nicht wahrhaben wollen, die wirtschaftliche Situation vieler Rechtsanwälte hat sich in einem hart umkämpften Markt deutlich verschlechtert. Es kann daher leider heute nicht mehr ausgeschlossen werden, dass viele Rechtsanwälte am Ende ihrer Lebensarbeitszeit keine ausreichende Versorgung aufgebaut haben. Wenn dies aber heute schon bekannt ist, so empfinde ich es als eine Pflicht des Staates, diese Menschen wirtschaftlich nicht ins Bodenlose fallen zu lassen, sondern ihnen auch am Ende ihres Lebensabends ein würdevolles Leben zu ermöglichen.

Ebenso wichtig war es uns aber auch, die Fälle im Auge zu behalten, die gerade wegen des Fehlens eines Versorgungswerkes in Sachsen-Anhalt andere Vorkehrungen der Alterssicherung getroffen haben. Denn es wäre unbillig, auch solche Rechtsanwälte zu Zwangsmitgliedern in einem Versorgungswerk zu machen, die in den vergangenen Jahren in großem Verantwortungsbewusstsein ihre Alterssicherung mit anderen Mitteln sichergestellt haben. Deshalb war es gerade die CDUFraktion, die bei den Beratungen zu diesem Gesetzentwurf darauf gedrungen hat, dass in diesen Fällen eine Befreiungsmöglichkeit von der Mitgliedschaft in dem Versorgungswerk zwingend in die Satzung aufgenommen wird.

Zuletzt möchte ich auf Wirtschaftlichkeitsüberlegungen eines künftig in Sachsen-Anhalt zu errichtenden Versorgungswerkes zu sprechen kommen. Zwar haben versicherungsmathematische Berechnungen ergeben, dass auch ein von der Rechtsanwaltschaft in Sachsen-Anhalt allein betriebenes Versorgungswerk wirtschaftlich arbeiten kann. Allerdings würde die CDU-Fraktion es für wünschenswert halten, wenn sich das sachsen-anhaltinische Versorgungswerk in der Zukunft mit Versorgungswerken anderer Länder oder mit Versorgungswerken anderer Berufsstände zusammenschließen würde. Hierdurch könnte sich das sachsen-anhaltinische Versorgungswerk zu einem Erfolgsmodell entwickeln. Ich darf an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es Signale gibt, derartigen Kooperationen - etwa auch mit dem Berufsstand der Steuerberater - offen gegenüberzustehen.

Die SPD-Fraktion hat auf einen Redebeitrag verzichtet. - Herr Wolpert, wünschen Sie noch einmal das Wort?

(Herr Wolpert, FDP: Nein, ich verzichte auch!)

Dann treten wir in das Abstimmungsverfahren zu der Drs. 4/2161 ein. Einer Ausschussüberweisung als solcher steht nichts im Wege. Wer dafür ist, den Gesetzentwurf in den Ausschuss für Recht und Verfassung zu überweisen, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Keine. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 11.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Landesentwicklungsplan des Landes Sachsen-Anhalt

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/2170

Die Einbringerin ist noch nicht anwesend. Die Umweltministerin Frau Wernicke soll in Vertretung des Ministers für Bau und Verkehr sprechen. Wir haben jetzt keine Zeit, darauf zu warten. Ich schlage vor, den Tagesordnungspunkt noch einmal zu schließen.

(Minister Herr Kley: Ich mache das!)

- Sie machen das. Bitte sehr, Herr Minister Kley.

(Herr Bullerjahn, SPD: Ich bin froh, dass es bei der Regierung noch einen gibt, der mitmacht, Herr Kley!)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erklärtes Ziel der Landesregierung ist es, Hemmnisse für die wirtschaftliche Entwicklung im Land weitestgehend abzubauen und den Standort Sachsen-Anhalt für Investitionen interessanter zu machen. Unter diesem Gesichtspunkt standen auch die Festlegungen des Landesentwicklungsplanes auf dem Prüfstand.

In Gesprächen mit Verbänden und öffentlichen Planungsträgern war insbesondere seitens der Wirtschaft angeregt worden, die Außenwirkung des Landesentwicklungsplanes zu erhöhen. Es wurde vorgeschlagen, die überregionalen Verbindungsachsen des Landes auszuweisen und die Verdichtungsräume Halle und Magdeburg deutlicher hervorzuheben.

Im April 2003 wurde das Änderungsverfahren von der Landesregierung eingeleitet, indem die Planungsabsicht im Ministerialblatt bekannt gemacht wurde. In einem breit angelegten Anhörungsverfahren wurden alle Kommunen, Verbände und Vereinigungen, die für die Landesplanung von Bedeutung sind, beteiligt. Bereits in diesem Verfahren wurde auch dem Landtag der Änderungsentwurf der Landesregierung übermittelt.

Die Ausweisung von Entwicklungsachsen im Landesentwicklungsplan zeigt einerseits die Standort- und Lagevorteile der von ihnen berührten Räume auf, die strukturelle Entwicklungsimpulse hervorrufen können. Andererseits sollen durch die Bündelung der Verkehrsinfrastruktur wichtige Ausgleichs- und Naherholungsflächen in den Achsen und Achsenzwischenräumen erhalten werden sowie Flächenzerschneidung und Bodenverbrauch in der freien Landschaft so gering wie möglich gehalten werden.