Protokoll der Sitzung vom 07.07.2005

Einen wichtigen Diskussionspunkt stellt die Überführung des Personals in die in Zukunft kooperierenden Kliniken und medizinischen Fakultäten dar. Mir ist wohl bewusst, dass organisatorische Veränderungen, vor allem solche, die viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betreffen, auch zu Verunsicherungen und Ängsten führen. Deshalb waren die Personalvertretungen immer mit einbezogen. Wir haben das Gespräch stets gesucht: mit dem Hauptpersonalrat, mit den Personalvertretungen in den medizinischen Fakultäten und mit Vertretern von Statusgruppen.

Zur Steuerung der Übergangsphase sind in dem Gesetzentwurf eine Reihe von Übergangsregelungen formuliert worden. Jeder Mitarbeiter wird vor der Gründung der Anstalt darüber informiert, ob er an der Klinik oder an der medizinischen Fakultät tätig sein wird. Die Tarifverträge gelten so lange fort, bis die Tarifpartner gemeinsam veränderte Lösungen gefunden haben oder anstreben.

Meine Damen und Herren! Wenn Personalräte unter der Federführung der GEW Verunsicherung schüren, so rechne ich das der Kategorie „Theaterdonner“ zu.

Vor acht Jahren standen die Universitätsklinika in Magdeburg und in Halle schon einmal in einem Gesetzgebungsverfahren zur Diskussion. Mit dem im November 1996 beratenen und im Januar 1997 beschlossenen Gesetz zur Entwicklung der medizinischen Fachbereiche des Landes wurden die Universitätsklinika zu Landesbetrieben gemäß § 26 der Landeshaushaltsordnung erhoben. Vieles, was in den damaligen Debatten ins Feld geführt wurde, könnte heute zugunsten des vorliegenden Gesetzentwurfs vorgebracht werden.

Ich bin der Überzeugung, so wie heute von allen über die damalige Überführung der Kliniken in einen Landesbetrieb positiv gesprochen wird, so wird der vorliegende Gesetzentwurf in einigen Jahren ebenfalls eine positive Wirkung entfalten und wird als richtige Entscheidung für die Standortsicherung und Standortentwicklung unserer Universitätsklinika bewertet werden.

Ich bitte um Ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Dr. Volk. - Ich möchte anmerken, dass die Redezeit erst recht für die verlesenen Beiträge gilt.

(Heiterkeit)

Frau Dr. Kuppe, Sie haben für die SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Hochschulen unseres Landes stehen vor großen Herausforderungen. Faktoren wie die demografische Entwicklung, die Entwicklung der Finanzausstattung oder die Standortprofilierung im Zusammenhang mit dem Ausbau des europäischen Hochschulraums werfen ihre Schatten voraus.

Für die Hochschulmedizin gelten darüber hinaus besondere, vor allem komplexere Bedingungen. Hier muss bei

allen Veränderungsprozessen zwingend die „Dreieinigkeit“ von Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung berücksichtigt werden.

Mit dem Gesetz über die Entwicklung der medizinischen Fachbereiche hat Sachsen-Anhalt im Jahr 1997 Neuland betreten und - wie Sie, Herr Tullner, es bei der ersten Lesung des Gesetzentwurfes so schön formuliert haben - eine beachtliche innovative Lösung für die Probleme der beiden Universitätskliniken gefunden.

In den vergangenen Jahren sind neue Anforderungen an die Hochschulmedizin gestellt worden. Diese neuen Anforderungen verlangen erneut Antworten. Neue Aspekte sind dabei zum Beispiel der zunehmende Konkurrenzdruck vor allem durch große private Konzerne im Krankenhausbereich, die Veränderungen in den Strukturen der medizinischen Versorgung und die Einführung des neuen Vergütungssystems mit Fallpauschalen.

Nach Ansicht der SPD-Fraktion müssen alle Gesetzesänderungen, die die Hochschulmedizin betreffen, dazu dienen, dass die Universitätsklinika zeitnah, flexibel und im Rahmen der ihnen übertragenen Budgets wirtschaftlich und effizient arbeiten können. Eine Gesetzesänderung muss nach unserer Auffassung einen Zugewinn an Handlungsspielraum, an Handlungsmöglichkeiten im Vergleich zur geltenden Rechtslage bringen.

Deswegen waren wir unterschiedlichen Lösungsansätzen gegenüber offen. Das betraf vor allem die Frage, in welcher Rechtsform die Klinika in Zukunft organisiert werden sollen. Darauf möchte ich mich im Folgenden konzentrieren.

Der Regierungsentwurf sieht eine Überführung der derzeitigen Landesbetriebe „de luxe“ in Anstalten des öffentlich Rechts und damit eine Abtrennung des jeweiligen Universitätsklinikums von der Hochschule vor. Sowohl das Kolloquium in Wittenberg als auch die Anhörung zu dem Gesetzentwurf im Landtag brachten eine schier unübersehbare Flut von Änderungsvorschlägen und -begehren durch die Fachleute und Interessensvertretungen hervor.

Weder bei diesen Veranstaltungen noch bei den Ausschussberatungen zum Hochschulmedizingesetz konnte von irgendeiner Seite belegt werden, dass die Herauslösung der Universitätsklinika aus dem Gesamtverbund der jeweiligen Hochschule und die Änderung ihrer Rechtsform die Flexibilität oder die Entscheidungsfähigkeit der Klinika signifikant oder gar alternativlos erhöht und dauerhaft kostensparend wirkt. Einen Variantenvergleich hat das Kultusministerium auch nicht vorgelegt.

Wir sehen bei der Anstaltslösung für die Universitätsklinika insbesondere folgende Schwachstellen:

Erstens. Der Verbund von Lehre, Forschung und medizinischer Versorgung unter dem Dach der Universität wird gelöst.

Zweitens. Es entsteht zusätzlicher bürokratischer Aufwand, um die Beziehung zwischen der für Lehre und Forschung zuständigen medizinischen Fakultät und dem die Krankenversorgung tragenden Klinikum zu regeln. Das Ministerium dirigiert an verschiedenen Stellen noch zusätzlich hinein.

Drittens. Als Grundlage für einen Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Fakultät und dem Klinikum muss eine Zuordnung des Personals erfolgen. Die Kriterien dafür sind absolut unklar.

Viertens. Teile des Personals werden finanziell oder hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen voraussichtlich schlechter gestellt sein. Zusätzlich müssen die vor wenigen Wochen durchgeführten Personalratswahlen in kurzer Zeit wiederholt werden. Dazu kommen jetzt noch die anhängigen Klagen, die Schwierigkeiten bereiten.

Meine Damen und Herren! Eine Rechtsformänderung wirft demnach eher zusätzliche Fragen und Probleme auf, als dass sie tatsächlich eine Lösung darstellt. Der Regierungsvorschlag wirbelt unglaublich viel Staub auf. Er folgt aber nach meiner Einschätzung eher einer modischen Linie und bietet keine ausreichend Vertrauen erweckende Lösung an.

(Zustimmung bei der SPD)

Deswegen sind wir zu folgendem Ergebnis gekommen:

Erstens. Auch wir meinen, dass der Status quo nicht unverändert beibehalten werden sollte.

Zweitens. Ausgehend vom Theiss-Gutachten wollen wir der Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts die Ertüchtigung der Hochschulklinika als Landesbetriebe entgegensetzen.

Drittens verfolgen wir das Ziel, die Hochschulmedizin im synergetischen Verbund mit den Fakultäten, Fachbereichen und Zentren der Universitäten weiterzuentwickeln. Deswegen stellen wir heute, meine Damen und Herren, noch einmal acht konzentrierte, ausgewählte Änderungsanträge.

Wir sind davon überzeugt, dass mit unserem Lösungsansatz in Verbindung mit den Zielvereinbarungen, die geschlossen werden, beide Standorte der Hochschulmedizin in qualifizierter Form erhalten werden können und dass die Universitätsklinika mit unserem Lösungsansatz auch die notwendigen Instrumente in die Hand bekommen, damit sie auf Herausforderungen angemessen reagieren können. Die Beziehungen zur jeweiligen medizinischen Fakultät und auch zur restlichen Universität lassen sich unbürokratisch ausbauen. Damit werden Lehre und Forschung befördert und nicht behindert.

Ich denke, auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden keinem unnötigen bürokratischen Zuordnungsdruck ausgesetzt. Immerhin sind die Universitätsklinika mit rund 7 000 Beschäftigten jeweils der größte Betrieb in der Region, in den beiden großen Städten unseres Landes.

Ein letzter Punkt. Innerhalb des synergetischen Verbundes können nach unserer Auffassung neueste Forschungsergebnisse nicht nur zügig Eingang in die Lehre finden, sondern auch aktuell und zeitnah zur Verbesserung der Krankenversorgung genutzt werden, beispielsweise zur Qualifizierung der Hochleistungsmedizin. Damit kann man die Angebote für die Bevölkerung verbessern. Das kann aber auch im Standortwettbewerb ausschlaggebend sein.

Deshalb, meine Damen und Herren, bitten wir um Zustimmung zu unseren acht Änderungsanträgen. Wenn diese Änderungsanträge keine Mehrheit finden, dann wird die SPD-Fraktion das Gesetz zur Hochschulmedizin ablehnen.

(Zustimmung bei der SPD - Oh! von der Regie- rungsbank - Zurufe von der CDU)

Danke, Frau Dr. Kuppe. - Für die CDU-Fraktion wird der Abgeordnete Herr Tullner sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch hier neigt sich, wie bei der NordLB, ein langer und sehr mühevoller Weg - das gebe ich offen zu - einem parlamentarischen Ende zu.

Frau Dr. Sitte, ich möchte gleich am Anfang mit einer Mär aufräumen. Sie sagten, acht Monate seien keine lange Zeit für Beratungen gewesen. Angesichts der unzähligen Sitzungen, die die Ausschüsse und unsere Arbeitsgruppen absolviert haben, und der Gespräche, die wir vor Ort geführt haben, sollte man bei der Wahrheit bleiben und wenigstens sagen: Wir haben ordentlich, vernünftig und tiefgründig beraten. Das Gegenteil lassen wir uns auch nicht durch plakative Äußerungen an die oberen Ränge nachsagen, Frau Dr. Sitte.

(Frau Dr. Sitte, PDS: Es waren drei Sitzungen!)

Zur Intention dieses Gesetzes. Es gab immer wieder die Frage, warum wir dieses Gesetz machen. Sie haben es bereits gesagt, Frau Dr. Sitte. Ich will es noch einmal kurz erwähnen. Der Wissenschaftsrat sagt: Von 35 Uniklinika sind 15 in ihrem Bestand gefährdet. Das Land Hessen privatisiert gerade zwei Klinika, nachdem sie fusioniert haben. Genau das wollten wir nicht. Das will ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich betonen.

Ein weiterer Punkt. Die Einführung der DRGs - das haben Sie ein bisschen unter den Tisch fallen lassen - gibt Anlass zu der Befürchtung, dass bei den Klinika in Deutschland ein Defizit von 1 Milliarde € eintreten wird. All das ist Grund genug zum Handeln, wenn wir Politik verantwortlich betreiben wollen und wenn wir den Gefahren, von denen wir wissen, dass sie auf uns zukommen, begegnen wollen.

Deswegen haben wir gehandelt. Wir haben über den Gesetzentwurf und über die vorliegenden Änderungsanträge beraten. Herr Dr. Volk und der Ausschussvorsitzende Herr Dr. Schellenberger haben das sehr detailliert beschrieben.

Ich will Ihnen auch noch eines sagen: Uns ist natürlich bewusst, dass insbesondere vonseiten der großen Personalkörper, die beide Klinika darstellen, der Intention des Gesetzgebungsverfahrens ein großes Misstrauen entgegengebracht wird. Das wissen wir alle. Wir wissen, dass es fast immer so ist, weil Veränderungen bei den Menschen stets mit der Sorge einhergehen, was wird mit ihrem Arbeitsplatz, was ändert sich bei der Vertragsgestaltung, bei der Bezahlung etc.

Ich denke aber, dass unsere Politik von der Verantwortung und von dem Anspruch, zukunftsfähiger zu werden, geprägt sein muss. Deswegen gehen wir diesen unbequemen Weg. Wenn wir den bequemen Weg gewählt hätten, hätten wir nichts gemacht. Dann hätten wir keine Unruhe produziert und es wäre alles so geblieben, wie es ist. Vielleicht hätten wir dann noch zwei, drei Jahre so weitergewurstelt.

Aber das kann nicht unser Anspruch sein. Deshalb haben wir das Gesetz gemacht. Es entspricht sicherlich nicht in allen Punkten unseren Wünschen. Aber wir haben genau deshalb die Revisionsklausel hineingeschrie

ben, damit wir uns nach drei Jahren noch einmal anschauen, an welchen Stellen es gegebenenfalls Verbesserungsbedarf gibt, wo wir noch einmal herangehen und was wir nacharbeiten müssen. Damit haben wir an dem Punkt auch Vorsorge getroffen.

Meine Damen und Herren, wir werben um Ihr Vertrauen. Ich erinnere daran - Frau Dr. Kuppe hat es im Ausschuss einmal gesagt -: Bei der Salus gGmbH gab es ähnliche Geschichten, was tarifliche Änderungen angeht. Diesbezüglich hört man zumindest im Nachhinein keine Klagen; so will ich es einmal formulieren. Im Gegenteil, ich habe mir sagen lassen, dass die Beschäftigten dort sogar mit den neuen tariflichen Regelungen zufrieden sind. Es muss also Punktum nicht alles immer nur schlechter werden.

Ein Stichwort sind die Personalräte. Die Zeitung hat das noch einmal beschrieben. Wir sehen den anhängigen Klagen mit Respekt entgegen und werden das weiter verfolgen. Wir können aber nicht auf anhängige Klagen Rücksicht nehmen und parlamentarische Beratungsverfahren nur deshalb aussetzen, weil irgendjemand dagegen klagt. Meine Damen und Herren, das wäre ein falsches Verständnis von der Zusammenarbeit zwischen Legislative und Judikative.

Ich will noch eines sagen, weil die GEW das direkt angesprochen hat: Wir haben im Ausschuss und auch vor Ort sehr intensiv mit den Personalräten gesprochen. Ich lasse nicht zu, dass etwas anderes gesagt wird oder dass dem Ausschuss unterstellt wird, er sei ignorant gewesen. Das weise ich strikt zurück, meine Damen und Herren. Das ist einfach unwahr.

(Zustimmung von Minister Herrn Prof. Dr. Ol- bertz)

Meine Damen und Herren! Die langen Beratungen neigen sich dem Ende zu. Wir können nur darauf hoffen, dass das Hochschulmedizingesetz - die rote Lampe leuchtet - die Wirkungen haben wird, die wir uns davon versprechen. Ich werbe deshalb um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.