Protokoll der Sitzung vom 07.07.2005

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke sehr, Frau Weiß. - Damit ist die Debatte beendet und wir treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2253 ein.

Einer Überweisung an sich stand nichts im Wege. Es ist vorgeschlagen worden, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wohnungswesen, Städtebau und Verkehr sowie zur Mitberatung in den Umweltausschuss zu überweisen. Gibt es Ergänzungen oder Widerspruch? - Das sehe ich nicht. Wer mit dieser Überweisung so einverstanden ist, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Gesetzentwurf in die Ausschüsse überwiesen worden. Wir beenden den Tagesordnungspunkt 12.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 13 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Rettungsdienstgesetzes Sachsen-Anhalt (RettDG 2006)

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/2254

Einbringer ist der Minister für Gesundheit und Soziales Herr Kley. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Rettungsdienst muss sich in der heutigen Zeit - wie das gesamte Gesundheitswesen - der Herausforderung stellen, die Qualität der Leistungen zu sichern, wenn möglich zu verbessern und gleichzeitig für eine bessere Wirtschaftlichkeit der Leistungen zu sorgen. Diese Intention war der Handlungsleitfaden der Regierung bei der Gesetzesänderung. Ich bin froh, Ihnen heute den Regierungsentwurf einer Novelle zum Rettungsdienstgesetz vorlegen zu können.

Um beide Ziele, Qualitätssicherung bzw. Verbesserung einerseits und Wirtschaftlichkeit des Rettungsdienstes andererseits, zu verwirklichen, bedarf es vor allem einer ausgewogenen Verteilung von Verantwortung auf die maßgeblichen Akteure im Rettungsdienst, und zwar auf die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger des Rettungsdienstes, auf die Organisationen der Leistungserbringer sowie auf die Krankenkassen als Kostenträger.

Dies soll mit der so genannten Vertragslösung für die Finanzierung geschehen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sowohl die Kommunen als auch die Leistungserbringer jeweils mit den Krankenkassen Verträge über die Vergütung der Leistungen in ihrem Tätigkeitsbereich abschließen. Damit verhandeln also auch die Leistungserbringer direkt mit den Krankenkassen über die Vergütung ihrer Leistungen.

Dieses Element bietet die Möglichkeit, die Kommunen von ihrer bisherigen Aufgabe zu entlasten, nämlich die Kosten aus dem Bereich der Leistungserbringer zu ermitteln, festzusetzen und abzurechnen. Hierin liegt ein Potenzial von Kosteneinsparungen, das mit den entsprechenden Vorschriften im Gesetzentwurf genutzt werden soll.

Eine andere wesentliche Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vermag der Gesetzentwurf durch die anzustrebende Fusion der Leitstellen sowie durch die Leitstellen übergreifende Zusammenarbeit der Rettungswacht zu

erschließen. Dabei wird schon die von der Landesregierung auf den Weg gebrachte Kreisgebietsreform im Jahr 2007 für vergrößerte Landkreise und damit auch vergrößerte Rettungsdienstbereiche sorgen.

Darüber hinaus gehen wir davon aus, dass die weitergehenden Fusionen zu größeren Leitstellen spätestens durch die Einführung des digitalen Funkverkehrs bis zum Jahr 2010 eingeleitet werden. Entsprechende Gespräche unter den Landkreisen hierzu werden seit einiger Zeit geführt. Viele Landräte haben mir versichert, dass sie diesen Prozess forcieren werden, wenn die Rahmenbedingungen für die Gebietsreform sowie die Reform des Rettungswesens feststehen.

Mit der Einführung der Funktion der ärztlichen Leitung im Rettungsdienst soll die Qualität wesentlich verbessert werden, indem mehr medizinische Kompetenz bei der Überwachung der Dispositionsarbeit in den Leitstellen und bei der Überwachung der Leistungserbringung verwirklicht wird.

Der Gesetzentwurf sieht des Weiteren eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung dadurch vor, dass - wie bereits erwähnt - die Kommunen für den Kostenbereich der Leistungserbringer nicht mehr verantwortlich sind. Außerdem entfallen Vorlagepflichten der Kommunen gegenüber der Aufsichtsbehörde. Somit wird ihnen mehr Eigenverantwortung zugestanden.

Dem Inhalt des Gesetzentwurfs vorausgegangen ist eine intensive Befassung des Ministeriums mit den Anliegen und Interessen der Verbände aller beteiligten Organisationen im Rettungsdienst sowohl im Rahmen des Landesbeirats für das Rettungswesen als auch im direkten Gespräch zwischen Ministerium und verschiedenen Verbänden. Deshalb kann ich feststellen, dass der Gesetzentwurf einen vernünftigen Kompromiss zwischen den häufig konträren Interessen von Kommunen, Leistungserbringern und Krankenkassen darstellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den kommenden Ausschussberatungen werden wir die Gelegenheit haben, uns intensiv mit der vorgelegten Novelle auseinander zu setzen. Dabei werden Sie die Gelegenheit haben festzustellen, dass der Gesetzentwurf in den letzten Monaten intensive Weiterentwicklungen erfahren hat.

Abschließend möchte ich Ihnen vorschlagen, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Gesundheit und Soziales und zur Mitberatung an den Ausschuss für Inneres zu überweisen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Minister, für die Einbringung. - Für die SPDFraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die SPD-Fraktion ist erfreut, dass die Landesregierung nach langem Zögern nun doch noch einen Gesetzentwurf zur Änderung des Rettungsdienstgesetzes in den Landtag einbringt;

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS - Herr Scharf, CDU: Ho, ho, ho!)

denn bereits zum ersten Jahrestag der Regierungsübernahme im Mai 2003 bilanzierte Ministerpräsident Professor Böhmer stolz die Einleitung der Reform des Rettungsdienstes. Die Folge war damals allerdings noch kein reguläres Gesetzgebungsverfahren, sondern eine außerparlamentarische Berg-und-Tal-Fahrt.

Einige Kostproben der medialen Begleitung durch die „Volksstimme“ und die „MZ“ will ich Ihnen nicht vorenthalten. Am 8. Juli 2003 fragte die „Volksstimme“: Wird das Rettungsdienstgesetz doch nicht verändert? - Kassen und PDS wollen eine Leitstelle. - Am 29. November 2003 forderte der CDU-Fraktionschef Scharf die Landesregierung zu raschem Handeln auf,

(Herr Tullner, CDU: Ist doch richtig!)

und zwar mit dem forschen Spruch: Reform des Rettungswesens muss endlich vorankommen.

(Zurufe von Herrn Tullner, CDU, und von Herrn Scharf, CDU)

Wenige Tage später erfuhren wir: FDP-Minister freut sich über neuen CDU-Kurs. - Im Februar 2004 kündigte der CDU-Abgeordnete Horst Hacke in Klötze unter der Überschrift „Regionale Leitstelle durchaus denkbar“ eine Entscheidung über die Leitstellenlandschaft in SachsenAnhalt bis zum Jahresende an. - Am 19. April 2005 warnte der Landkreistag vor Eile wegen der Gebietsreform, die möglicherweise erst am 1. Juli 2007 in Kraft treten soll. Die Frage in der „MZ“ lautete: Reform der Leitstellen erst später? - Am 3. Mai 2005 erstaunte uns dann die Mitteilung in der „Volksstimme“: Neues Rettungsdienstgesetz - CDU will weniger Leitstellen als der Minister.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Gleichzeitig versprach uns in demselben Artikel Frau Liebrecht die erste Lesung des Gesetzentwurfes für den 26. Mai 2005. Hier wurde die CDU-Fraktion durch die Landesregierung erneut enttäuscht.

(Oh! bei der SPD)

Mit der heutigen Gesetzeseinbringung kommt die Landesregierung einem von uns vorbereiteten Antrag zuvor, der nach § 14 der Geschäftsordnung des Landtages einen Bericht über den Stand der Beratungen zu unserem Gesetzentwurf im Landtag gefordert hätte; denn seit eineinhalb Jahren, seit Januar 2004, schmort der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Novellierung des Rettungsdienstgesetzes in den Ausschüssen,

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

unberaten und unbearbeitet. Aber jetzt kann endlich beraten werden und das freut uns.

(Frau Mittendorf, SPD: Unerhört!)

Für uns als SPD-Fraktion geht es nach wie vor darum, strukturelle Defizite im bodengebundenen Rettungsdienst wegen unzureichender Gebietskörperschaften übergreifender Kooperationen der Landkreise und kreisfreien Städte zu überwinden. Nach welchem Verfahren größere Rettungsdienstbereiche oder erweiterte Leitstellenzuständigkeiten allerdings verbindlich zustande kommen sollen, lässt der Regierungsentwurf im Dunkeln. Das bedauern wir, Herr Minister Kley.

Eine integrierte Leitstelle für 300 000 oder 400 000 Einwohnerinnen und Einwohner oder mindestens für zwei zukünftige Kreise ist gut und schön, aber es stellt sich

die Frage, wie der Weg dorthin aussieht. Wir plädieren zunächst für fünf Leitstellen analog zu den fünf Regionen unseres Landes: Altmark, Region Magdeburg, Anhalt, Harz und den Raum Halle für das südliche Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Minister, da Sie unseren Vorschlag, den Verordnungsweg zu wählen, ablehnen, schlagen wir die Zuordnung der Leitstellen im Gesetz vor.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ministers?

Das machen wir am Ende. - Nach durchgehender Einführung der neuen und kostenintensiven digitalen Technik muss allerdings später noch einmal geprüft werden, ob nicht eine einzige Leitstelle für Sachsen-Anhalt ausreichen würde.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Dass die Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes und die Leistungserbringer mit den Kostenträgern Entgelte verhandeln, war für die SPD-Fraktion bereits im Jahr 1993, also bei der ersten Erstellung des Gesetzes, der bessere Lösungsansatz im Vergleich zur Satzungslösung. Einschließlich des Schiedsstellenverfahrens im Konfliktfall finden sich diese Elemente auch im Gesetzentwurf der SPD. Deswegen findet die Regelung im Regierungsentwurf natürlich unsere Zustimmung.

Bei der Erschließung aller Wirtschaftlichkeitsreserven muss aber die Qualität der Notfallrettung immer der zentrale Leitgedanke bleiben. Die rechtzeitige und qualitätsgerechte Versorgung der Bevölkerung mit den notwendigen Hilfen ist für uns das oberste Gebot und der Maßstab bei der Veränderung der Gesetzeslage.

Meine Damen und Herren von der Koalition, große Teile des Gesetzentwurfes der Landesregierung decken sich mit dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion.

(Herr Tullner, CDU: Das ist doch schön!)

Die Koalitionsfraktionen hätten also in den vergangenen eineinhalb Jahren die aus ihrer Sicht bzw. aus der Sicht der Landesregierung erforderlichen wenigen Änderungsanträge in die Ausschüsse einbringen können. In diesem Fall hätte es diesen Beratungsstau überhaupt nicht geben müssen.

(Zustimmung bei der SPD)