Protokoll der Sitzung vom 08.07.2005

Dass der Tierschutz verankert wurde, stimmt uns optimistisch. Hoffen wir, dass es nicht wiederum ein Jahrhundert benötigt, um dieses Recht im Sinne des Bemühens von Schleswig-Holstein wirklich mit Leben zu erfüllen. Es stimmt uns optimistisch, dass von zwei Jahren mit dem Artikel 20a der erste Schritt gegangen worden ist. Wir bleiben dran und werden in dieser Hinsicht auch die Vereine und Verbände unterstützen und werden in Gesellschaft und Politik auch für dieses Thema um Mehrheiten ringen.

(Beifall bei der PDS)

Danke, Herr Krause. - Für die CDU-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Rotzsch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Ablehnung des Antrages des Landes Schleswig-Holstein zur Einführung eines Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände durch den Bundesrat am 5. November 2004 sehen wir unsere fachlichen Argumente gegen die Einführung eines Verbandsklagerechts bestätigt. Diese habe ich Ihnen im Namen der CDUFraktion bereits in der Landtagssitzung am 6. Mai 2004 vorgetragen.

Der Bundesrat hat durch die Ablehnung klar entschieden, dass durch das geltende Tierschutzgesetz ausreichende rechtliche Bestimmungen zur Gewährleistung des Tierschutzes vorliegen. In allen beteiligten Ausschüssen des Bundesrates erfolgten zuvor intensive Beratungen zu dieser Thematik. Aus den Ausschussprotokollen geht deutlich hervor, dass man sich aufgrund erheblicher Bedenken parteiübergreifend gegen die Einführung ausgesprochen hat.

Darüber hinaus hätte die rot-grüne Bundesregierung, wenn sie es gewollt bzw. für notwendig erachtet hätte, die Möglichkeit gehabt, durch eine Änderung des Tierschutzgesetzes oder eine Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung die Verbandsklage einzuführen. Da dies

bisher nicht der Fall war, bestätigt das unseren Standpunkt.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

In den vergangenen Jahren hat sich gerade auf dem Gebiet des Tierschutzes vieles zum Positiven gewendet. Die Verantwortung gegenüber unseren Mitgeschöpfen fordert die Zusammenarbeit aller. Dies beschränkt sich nicht auf den Gesetzgeber und die Regierungen, sondern schließt auch die Bürgerinnen und Bürger ein. Deshalb habe ich auch vor der Tätigkeit anerkannter Tierschutzorganisationen großen Respekt, wenn sie sich, wissenschaftlich belegt, für bessere Haltungsbedingungen für Tiere einsetzen.

Im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie im Ausschuss für Umwelt hatten wir die Gelegenheit, intensiv über das Für und Wider einer Verbandsklage für Tierschutzvereine zu debattieren. Für die CDU-Fraktion überwiegen eindeutig die Argumente kontra ein Verbandsklagerecht, die ich an dieser Stelle noch einmal kurz zusammenfassen möchte.

Die Einführung eines Verbandsklagerechts hätte eine Verlagerung der medizinischen und biologischen Forschung ins Ausland bewirkt, und zwar in die Länder, in denen geringe oder keine tierschutzrechtlichen Vorschriften gelten. Dies wäre ein klarer Rückschritt für den Tierschutz gewesen, was nicht im Interesse unserer Politik liegt und deshalb mit uns nicht zu machen ist.

Tierschutz ist und bleibt ein wichtiges Anliegen für die CDU. Aus wirtschaftlicher Sicht würde ein Klagerecht für Tierschutzverbände die Tiernutzung unzumutbar erschweren. Verbandsklagen würden notwendige Rechtsakte, insbesondere Genehmigungen, verzögern sowie zu einer Überlastung der Justiz führen. Ich vertrete nach wie vor die Meinung, dass aufgrund der Einführung mit einer Klageflut zu rechnen wäre. In nicht wenigen Fällen wird allein schon mit der zeitlichen Verzögerung eine Investition unwirtschaftlich und damit verhindert.

Bei der Einführung eines Verbandsklagerechts wird vor allem die Bürokratie - ohne effektiven Nutzen für die Tiere - weiter aufgebläht. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und Forschung sind unabsehbar. Wir setzen im Land Sachsen-Anhalt aber auf Deregulierung und Bürokratieabbau.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, in der der Antrag für erledigt erklärt wird, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke, Frau Rotzsch. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Oleikiewitz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Rotzsch, das war ja ein richtiges Sammelsurium von Horrorvorstellungen, das Sie hier an die Wand gemalt haben für den Fall, dass das Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände eingeführt werden würde.

Es wird nicht eingeführt, der Bundesrat hat anders entschieden. Das sehen wir als sehr problematisch an. Wir sehen es auch als problematisch an, dass die SPDregierten Länder in der Bundesrepublik das ähnlich ge

sehen haben. Ich stelle das mit Bedauern fest. Ich kann es nicht ändern. Trotzdem sind wir in der SPD-Fraktion nach wie vor der Auffassung, dass das Verbandsklagerecht im Interesse des Tierschutzes durchaus eine Berechtigung hat.

(Zustimmung von Herrn Bischoff, SPD)

Wir erleben - im Gegensatz zu dem, was Frau Rotzsch gesagt hat -, dass es noch lange nicht so ist, dass sich alles zum Positiven gewendet hat. Es gibt ein aktuelles Beispiel mit der Papageienkrankheit, die in Thüringen aufgetaucht ist. Das ist eine Folge.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU - Herr Gallert, PDS: Die gehören doch zu uns! - Herr Tullner, CDU: Das wollte ich gerade sagen!)

- Ich hatte eben Lutz Kühn angeschaut.

(Herr Gallert, PDS: Der kommt auch nicht aus Thüringen!)

- Er kommt aber fast aus Thüringen. - Wir erleben also, dass solche Krankheitsausbrüche auch damit zu tun haben, dass kein ordentlicher Tierschutz praktiziert wird und praktiziert wurde. Deswegen hat auch aus dieser Sicht die Verbandsklage für die Verbände nach wie vor durchaus eine Berechtigung.

Aber eines hat mich betroffen gemacht. In der Begründung für die Ablehnung im Bundesrat ist eine ganze Reihe von Argumenten angeführt worden. Sie haben das eben noch einmal wiederholt, Frau Rotzsch.

Investitionsverhinderung: Sie haben gesagt, die Folgen auf die wirtschaftliche Entwicklung sind unabsehbar. Ich kann mir das, was von Ihnen an die Wand gemalt wird, überhaupt nicht vorstellen. Das ist ein Horrorszenario, das dem, was wir wollten, nicht entspricht. Es geht um die Klagemöglichkeit von Verbänden im Interesse der Tiere, Frau Rotzsch. Das muss ich an dieser Stelle noch einmal sagen.

Im Übrigen kenne ich keinen Fall, in dem zum Beispiel das Klagerecht der Umweltverbände dazu geführt hat, dass eine große Investition in Deutschland bzw. in Sachsen-Anhalt verhindert worden wäre. Wenn Sie mir diese Beispiele zeigen, dann würde ich mich eines Besseren belehren lassen.

Der Schutz der Kreatur scheint auch in Deutschland für die Politiker nicht an vorderster Stelle zu stehen. Ich höre aber immer dann, wenn zu Wahlkämpfen Reden gehalten werden, dass man auf einmal sagt, dass die Tiere natürlich besser geschützt werden müssen.

Ein aktuelles Beispiel ist die Misshandlung der Affen. Hierzu hat das Gericht in Münster eine klare Entscheidung getroffen. Die Politiker haben sich alle gemeldet und haben gesagt, dass das eine große Schweinerei sei und dass sie dagegen etwas tun müssten. Getan haben Sie natürlich nichts. Diese Praxis wird fortgeführt und die nächsten Skandale sind vorprogrammiert.

Wir sind dafür, dass das Klagerecht ein Thema bleibt. Wie es auch die PDS-Fraktion gesagt hat, werden wir weiterhin alle Möglichkeiten, die wir haben, nutzen, um dieses Thema in den Köpfen der Leute zu halten. Ich denke, das ist gut für die Kultur des Umgangs mit den Tieren in unserem Land. Deswegen werden wir der Beschlussempfehlung, die heute vorliegt, nicht zustimmen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der PDS)

Danke sehr. - Als letzter Debattenredner wird Herr Kehl für die FDP-Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Oleikiewitz, der Antrag lautet: Die Landesregierung wird aufgefordert, den vom Land Schleswig-Holstein in den Bundesrat eingebrachten Gesetzentwurf zu unterstützen. - Diesen gibt es nicht mehr; der ist abgelehnt worden. Von daher ist auch der Antrag erledigt. Was soll die ganze Debatte? Ich verstehe das nicht. Diesen Antrag nicht als erledigt zu erklären, wäre absurd und würde auf etwas hinauszielen, was definitiv nicht mehr möglich ist.

Davon abgesehen stellt sich auch inhaltlich die Frage der Praktikabilität. Wir sehen, dass in der Vergangenheit von der rot-grünen Bundesregierung in vielen Politikbereichen öffentlich-rechtliche Bereiche gern in den privatrechtlichen Bereich abgedrängt wurden. Das ist nicht immer gut. Wir muten - wie es zum Beispiel Herr Dr. Rehberger in einer der letzten Sitzung zum Antidiskriminierungsgesetz ausgeführt hat - Nachbarn damit Dinge mit einem gut gemeinten Hintergrund zu, aber in der Praxis wird es eine Katastrophe.

Sie glauben doch nicht, dass sich die meisten Fälle eines Verbandsklagerechtes gegen Praktiken in Tierversuchslaboren oder Ähnliches richten. Die meisten werden sich gegen den Nachbarn richten, der Pfiffi einen Tag lang im Garten oder auf dem Hof allein lässt. Das Verbandsklagerecht wird mit Sicherheit dazu missbraucht werden, nachbarschaftliche Streitigkeiten auszutragen. Das ist doch das, was passieren wird. Konkret helfen wird es dem Tierschutz eher weniger.

Es ist richtig, was gesagt wurde: Die Normen für den Tierschutz sind eigentlich ausreichend, wenn man sie vernünftig auslegt und wenn sie vernünftig verfolgt werden. Die Landkreise sind dafür zuständig und sind auch in der Pflicht, tätig zu werden, wenn Dinge nicht so laufen, wie sie sollten. Dass es an dieser Stelle Versäumnisse gibt, darüber sind wir uns auch einig. Dies wäre dann der Ansatzpunkt, um zu sagen: Werdet der behördlichen Pflicht besser gerecht als in der Vergangenheit.

Ich bin der Meinung, dass das Justizministerium mit einer Fülle von Klagen überhäuft werden würde. Wir sehen das auch in anderen Bereichen. Herr Krause sprach von „Bürgerdemokratie“. Bürgerdemokratie ist das nun nicht gerade vor Gericht, sondern es entscheidet ein Richter. Bei der Bürgerdemokratie würde in einer Bürgerinitiative oder Ähnlichem massiv Stimmung gemacht werden. Der Klageweg ist dafür nicht das richtige Instrument.

Herr Krause, ich möchte einmal sehen, ob Sie Ihre Meinung ändern, wenn der erste Tierschutzverband einen Schweinestall in Ihrer Region mit so vielen Klagen überschwemmt, dass dieser aufgrund von Gerichtskosten oder Ähnlichem schließen muss. Dann wird sich Ihre Meinung garantiert ändern.

(Herr Krause, SPD: Wenn es gerechtfertig und definitiv begründet worden ist!)

Herr Oleikiewitz, Sie sprachen an, dass die Papageienkrankheit und solche Dinge verhindert werden könnten.

Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass man mit Klagen solchen Auswüchsen tatsächlich begegnen kann. An dieser Stelle sind die Behörden in der Pflicht. Ich betone nochmals: Wir müssen zusehen, dass wir behördliche Aufgaben nicht weiterhin in den privaten Rechtsstreit bringen. Das bringt Rechtsunfrieden und hilft dem Tierschutz nicht weiter.

Sie wissen, die FDP hat sich immer für den Tierschutz eingesetzt. Nicht zuletzt auch auf Drängen der FDP ist der Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen worden. Deshalb ist die Sache für uns nicht erledigt. Ich rufe Sie auf, lassen Sie uns in einem Antrag oder auch im Ausschuss dafür sorgen, dass wir den Kontrolldruck der Behörden erhöhen können, um sicherzustellen, dass die Landkreise ihrer Aufsichtspflicht verstärkt nachkommen.

Ich denke, wenn wir für den Tierschutz etwas erreichen wollen, dann sollten wir auch den europäischen bzw. weltweiten Gedanken nicht aus dem Blick lassen und uns bemühen, Standards zu schaffen, die überall gelten und eine artgerechte Haltung zumindest europaweit gewährleisten. Wie Frau Rotzsch zutreffend gesagt hat, hilft es wenig, wenn die forschenden Pharmabetriebe von hier weggehen und die Tierversuche dann völlig unkontrolliert im Ausland machen. - Schönen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Dank, Herr Kehl. - Damit ist die Debatte beendet. Wir treten in die Abstimmung über die Beschlussempfehlung in der Drs, 4/2221 ein, den Antrag in der Drs. 4/1517 für erledigt zu erklären. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden. Wir beenden den Tagesordnungspunkt 18.

Wir treten nun in eine Mittagspause bis um 13.30 Uhr ein. Danach werden wir den Tagesordnungspunkt 20 behandeln und anschließend vereinbarungsgemäß den Tagesordnungspunkt 30. Ich bitte alle, pünktlich im Saal zu erscheinen.

Unterbrechung: 12.46 Uhr.

Wiederbeginn: 13.33 Uhr.

Meine Damen und Herren! Wir setzen die Landtagssitzung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Zweite Beratung