Protokoll der Sitzung vom 08.09.2005

Wer einen sozialen Euro ausgeben will, muss diesen Euro natürlich erst einmal erarbeiten. Wir können nicht unser Leben lang den Haushalt auf Pump finanzieren. Deshalb sind wir in einer schwierigen Lage. Wir haben deutliche Akzente gesetzt und diese werde ich Ihnen versuchen vorzutragen.

Wir müssen den Kurs der Haushaltssanierung fortsetzen, um das Land nicht in die Handlungsunfähigkeit zu führen; denn anderenfalls würde die Zukunft unserer Kinder nachhaltig gefährdet. Wir können und sollten uns darüber freuen, dass wir in Sachsen-Anhalt die Unterstützung der Familien als einen Kernpunkt unserer Politik für Kinder und Jugendliche definiert haben. Dies tun

wir unter anderem mit einer hervorragenden staatlichen Kinderbetreuung.

Meine verehrten Damen und Herren! Dass wir dafür mehr als 130 Millionen € ausgeben, ist eine Leistung, auf die wir stolz sein können. Wir können heute nicht mehr über unsere Verhältnisse leben; denn die Schulden, die wir heute machen, bezahlen unsere Kinder und Kindeskinder.

(Zuruf von Herrn Dr. Eckert, Linkspartei.PDS)

Sozialismus mit Euro - auch wenn es sich schön anhört -, weich eingebettet in eine populistische Forderung nach immer mehr und immer mehr - das können wir uns nicht mehr leisten. An dieser Stelle sollten wir ehrlich miteinander umgehen. Jeder Euro, den wir für Sozialpolitik ausgeben, ist gut angelegt, aber er muss erst einmal erwirtschaftet werden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der Linkspar- tei.PDS)

Das müssen auch wir Sozialpolitiker trotz aller Leidenschaft mittlerweile einmal begreifen.

Nicht nachzuvollziehen vermag ich die Kritik hinsichtlich der - Zitat - „faktischen Abschaffung“ der Jugendpauschale. Richtig ist, dass wir in diesem Bereich Umstrukturierungen vorgenommen haben. Ich will aber ausdrücklich herausstellen, dass es mit der nunmehr gefundenen Lösung nicht nur zu einer dauerhaften Festschreibung der Jugendpauschale im FAG gekommen ist, sondern auch zu einer sicheren und zukunftsfesten Planungsgrundlage für die Kommunen.

Es war immer ein formulierter Wunsch der Kommunen und der Landräte in Sachsen-Anhalt, den vollen Abfluss der Landesmittel zu erhalten, und sie versprachen, ihr Möglichstes hinsichtlich der freiwilligen Gegenfinanzierung zu tun. Viele Kommunen halten sich auch heute noch daran. Magdeburg ist mit 50 % der Kofinanzierung dabei, im Jerichower Land sind es 30 %, um hier nur einige Beispiele anzuführen.

Gern räume ich natürlich ein, dass es uns dabei nicht gelungen ist, die Verpflichtung zur Kofinanzierung rechtlich zu verankern. Das scheiterte am Widerstand der kommunalen Interessenvertreter, was zugegebenermaßen ein Wermutstropfen ist. Sie können mir glauben, dass wir bis zum letzten Tag gekämpft haben, um dort etwas zu verändern. Aber es ist eben schwer, mit Finanzpolitikern über diese Frage zu diskutieren.

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS)

Nicht zu teilen vermag ich auch die Behauptung, dass sich die Abschaffung der Schulsozialarbeit besonders negativ ausgewirkt hat. In dieser Diskussion sind bisher die unterschiedlichsten Auffassungen im Landtag dargestellt worden. Fakt ist jedoch, dass die Vorgängerregierung selbst die Schulsozialarbeit als Modellprojekt zeitlich befristet hat. Wir haben dieses befristete Modellprojekt ordnungsgemäß zu Ende geführt. Es kann also keine Rede davon sein, dass wir an dieser Stelle gestrichen oder gekürzt haben.

Im Übrigen muss herausgestellt werden, dass ein Rückgang der Pro-Kopf-Ausgaben im Berichtszeitraum für die Jugendarbeit und die Jugendschulsozialarbeit ausweislich der Antwort der Landesregierung nicht festzustellen ist. Dass der Grund für den Ausgabenrückgang in der demografischen Entwicklung unseres Landes zu suchen

ist, stimmt uns natürlich auch nicht positiv, stellt aber die Behauptung der Anfragestellerin erheblich infrage. Die Aussage ist nur hinsichtlich der absoluten Höhe der Ausgaben zutreffend.

In dem bereits erwähnten Zeitungsartikel hat die PDS erklärt, sie wolle eine öffentliche Debatte über die Frage anstoßen, was der Gesellschaft die Kinder wert seien. Dieser Diskussion stellen wir uns gern. Aus meiner Sicht ist das nicht nur in Euro und Cent zu definieren. Für uns ist die klassische Familie originäre Keimzelle unserer Gesellschaft.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU, und von Frau Weiß, CDU)

Ein intaktes Elternhaus ist nicht mit Geld zu ersetzen. Nicht nur wir, sondern auch die Eltern haben Verantwortung.

Mit der Bildungsreform im Land, mit der wir Werte und Inhalte neu definiert haben, beeinflussen wir die Zukunft unserer Kinder. Erste Ergebnisse liegen auf dem Tisch, und ich denke, diese Investition in die Kinder und Jugendlichen ist eine Zukunftsinvestition.

Neben der Bildung ist aber auch der Arbeitsplatz der Eltern ein Kernpunkt. Auch dort haben wir mit unserer Politik angesetzt. Wenn die Menschen Arbeit haben, lösen sich viele soziale Probleme von selbst. Auch auf diesem Gebiet haben wir erste kleine, aber spürbare Erfolge, obwohl die Rahmenbedingungen in Deutschland - das muss man auch in dieser Debatte sagen - in den letzten Jahren unter Rot-Grün nicht leichter, sondern für die mittelständischen Unternehmer, aber auch für die Arbeitnehmer schwieriger geworden sind.

Die Kinder und Jugendlichen liegen uns sehr wohl am Herzen. Das können Sie mir glauben. Ich denke, der Imagegewinn, den unser Land in den letzten Jahren unter unserem Ministerpräsidenten Professor Böhmer erfahren hat, tut uns allen gut.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Was uns dabei aus meiner Sicht allerdings nicht weiterbringt, ist die Definition von Armut. Aus meiner Sicht sind wir in der Armutsdiskussion längst weiter, da allgemein anerkannt wird, dass es Armut, insbesondere Kinderarmut, in ganz Deutschland gibt. Aus unserer Sicht gilt es jedoch, Armut zu vermeiden bzw. dort, wo sie entsteht, zu bekämpfen, unabhängig davon, welchen Umfang Armut insgesamt angenommen hat. Dieser Auftrag ergibt sich im Übrigen bereits aus dem Grundgesetz.

Ich will allerdings herausheben, dass Frau von Angern unseren gesetzlich festgeschriebenen Bildungsauftrag gelobt hat. Das freut uns sehr nach so viel Kritik.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Nach unserem Verständnis ist Bildungspolitik zugleich auch Sozialpolitik, Frau Bull, und im Wesentlichen auch ein Ansatz zur Vermeidung von Armut und zur Verminderung der Armutsrisiken.

Insoweit besteht zwischen uns Konsens über die Bedeutung der Bildung, und ich denke, es ist ganz gut, dass wir uns hierbei auf einer Linie treffen.

Für die CDU ist die Jugendpolitik von besonderer Bedeutung. Wir wollen, dass die junge Generation die vielfältigen Möglichkeiten, die sich im zusammenwachsenden Europa bieten, nutzen kann. Wir wollen sie zugleich

stärken und schützen - vor Drogen, vor der Einflussnahme so genannter Sekten und Psychogruppen und nicht zuletzt vor Gewalt und Kriminalität. Der Kampf gegen Gewalt einschließlich der Kinderpornografie ist in dieser Legislaturperiode vom Minister des Innern Herrn Jeziorsky bereits überaus erfolgreich geführt worden.

(Zustimmung bei der CDU)

Junge Menschen brauchen für ein demokratisches Zusammenleben ein Orientierungswissen, Wertvorstellungen und kulturelle Kompetenzen, um sich in dieser vielschichtig werdenden Welt zurechtzufinden, die nötige innere Sicherheit zu gewinnen und Toleranz üben zu können. Wir wollen dazu mit der Jugendförderung auch einen Beitrag leisten.

Junge Menschen brauchen daneben natürlich auch berufliche Perspektiven. Sie müssen die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben, um später selbständig leben zu können. Die demokratische Jugendarbeit spielt dabei eine wichtige Rolle und legt auch die Grundlage für ein Engagement Jugendlicher im politischen, sozialen, kirchlichen, kulturellen oder auch sportlichen Bereich.

Damit Kinder- und Jugendprojekte erfolgreich durchgeführt werden können, brauchen sie eine verlässliche und kontinuierliche Förderung. Die Partizipation Jugendlicher ist für die CDU von sehr großer Bedeutung.

Die politischen Weichenstellungen von heute betreffen die Kinder und Jugendlichen ganz direkt. Deshalb müssen sie schon früh in politische Entscheidungen einbezogen werden. Um junge Menschen dauerhaft für Politik und das Gemeinwesen zu interessieren, brauchen sie konkrete Beteiligungsmöglichkeiten in ihrem eigenen Lebensumfeld, wo sie politische Prozesse hautnah miterleben und gestalten können. Politische Bildung ist dabei notwendig, damit die jungen Menschen unterscheiden können, welche Angebote rechtsstaatlich sind und der Demokratie nicht schaden.

Freiwilliges bürgerschaftliches Engagement von Jugendlichen insgesamt bedarf größerer Anerkennung und Unterstützung - Unterstützung zum Beispiel durch die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit der Jugendlichen und durch die Anerkennung der Jugendleiter-Card, durch Einbeziehung der ehrenamtlichen Arbeit der Jugendlichen in Zeugnisse und durch positive Anerkennung bei Bewerbungen, vielleicht sogar auch bei der Förderdauer nach dem BAföG.

Freizeit und ihre Gestaltung haben bei Jugendlichen einen hohen Stellenwert und der Sport spielt dabei eine wesentliche Rolle. Freizeit gilt heute als das zentrale Artikulationsfeld der Jugendlichen. Dort können Träume und Vorstellungen ausgelebt werden. Es entwickelt sich ein eigenständiges, breites jugendkulturelles Milieu vor Ort, das es auch weiter zu fördern gilt.

Die Kommunen müssen aber auch in den Stand versetzt werden, dieser Aufgabe in angemessener Weise nachkommen zu können. Die Zukunft der Kommunalfinanzen ist deshalb auch unter diesem Gesichtspunkt ein wichtiges Thema für die CDU.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sieht es nun mit der Jugendförderung im Lande finanziell betrachtet aus? Trotz eines außerordentlich engen Haushalts ist es uns gelungen, ein neues Fachkräfteprogramm für die Jugendarbeit ins Leben zu rufen.

(Zustimmung bei der CDU)

Mit dem Fachkräfteprogramm - das war kein leichter Akt - stellt das Land 3,5 Millionen € pro Jahr für die Förderung zur Verfügung. Zusammen mit dem Finanzierungsanteil der örtlichen Träger der Jugendhilfe in Höhe von 30 % sind das insgesamt 5 Millionen €, und das ist doch schon ein ganzes Stück, das wir gemeinsam mit Ihnen allen im Parlament geleistet haben.

Die Jugendhilfeausschüsse vor Ort entscheiden nun, wo sie die Fachkräfte einsetzen. Inhaltlich trifft dies auf die Arbeit in sozialen Brennpunkten wie zum Beispiel den Einsatz von Streetworkern oder von Mitarbeitern in den Jugendklubs, für die Jugendarbeit im Sport oder in Familienzentren zu. Mit dem Fachkräfteprogramm ist es gelungen, gute und sinnvolle Projekte aus dem Feststellenprogramm nahtlos in das neue Programm zu überführen. Endlich besteht Planungssicherheit für Träger und Kommunen.

Das Land fördert zusammen mit den zweckgebundenen Mitteln der ehemaligen Jugendpauschale im FAG und mit dem Fachkräfteprogramm die Jugendarbeit mit fast 10 Millionen €. Nicht vergessen möchte ich dabei die Kinderbetreuung mit 130 Millionen € und den Sport mit rund 25 Millionen €. Die Umschichtung von EU-Mitteln zur Eingliederung von Jugendlichen in den Ausbildungs- und in den Arbeitsmarkt möchte ich dabei ebenfalls erwähnen. Projekte für junge Mädchen, Mittel für Prävention und auch die familienunterstützenden Leistungen wollen wir hierbei nicht vergessen.

Auf der Grundlage der Richtlinie zur Förderung der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit, des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes im Land erhalten die freien und landesweit tätigen Träger der Jugendhilfe Unterstützung. Neben der Personalkostenförderung für die Bildungsreferenten erhalten die Verbände für ihre Geschäftsstrukturen eine Pauschale für ihre laufende Arbeit. Für die Maßnahmen der Jugendbildung und vielfältige andere Aktivitäten gibt es pauschalierte Festbeträge.

Diese öffentlichen Mittel werden nicht nur im Sozialministerium aufgewendet, sondern auch aus anderen Häusern zur Verfügung gestellt. Dieser Beitrag ist für uns wichtig und wir freuen uns, dass der Prozess der gesellschaftlichen Anerkennung der Ehrenamtlichen weiter wächst.

Am Ende kann ich nur zusammenfassen: Trotz knapper Kassen haben wir gewährleistet, dass die Kinder- und Jugendarbeit auf hohem Niveau fortgeführt wird. Die Qualität unserer Jugendpolitik kann man nicht ausschließlich aufgrund der Höhe der Finanzzuweisungen beurteilen. Entscheidend sind für uns die initiierten Strukturveränderungen, die vielerorts zu mehr Qualität geführt haben. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP)

Ich danke Ihnen, Herr Abgeordneter Kurze. - Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Grimm-Benne sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Beim aufmerksamen Lesen der Antwort der Landesregierung drängten sich mir unweigerlich Parallelen zu den Antworten auf unsere Große Anfrage zu Stand und Perspektiven der Arbeitsmarktpolitik und der Kinder-,

Jugend- und Familienpolitik in Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2003 auf. Damals konnte man auf den ersten Blick vermuten, die Landesregierung präsentiere uns auf immerhin 164 Seiten ihre Zukunftsperspektiven zur Wirtschafts-, Familien- und Jugendpolitik. Wer jedoch bei der Lektüre der Antworten über das Deckblatt hinauskam, musste enttäuscht werden. Fast 70 % dieser umfangreichen Antwort bestanden aus unkommentierten Statistiken. Die restlichen 30 % beinhalteten Mittelstreichungen und nichts sagende Allgemeinplätze.

Aus den uns vorgelegten Antworten blieb uns seinerzeit die traurige Erkenntnis, dass der Landesregierung perspektivlose Mittelstreichungen als Konzept ausreichten.

Inzwischen sind seit unserer Anfrage zwei Jahre vergangen und wir müssen feststellen, dass sich die Bilder gleichen. Auch Frau Kollegin von Angern konnte in den Antworten der Landesregierung zur Kinder- und Jugendförderung leider oft nur Lippenbekenntnisse entdecken; denn das, was in der Kinder- und Jugendpolitik wirklich bewegt werden kann, wird aufgrund weiterer Mittelkürzungen immer schwieriger.