Protokoll der Sitzung vom 08.09.2005

Wären Sie bereit, meine Damen und Herren? - Gut, wir behandeln noch einen ganz kurzen Tagesordnungspunkt. Es ist der Tagesordnungspunkt 6:

Zweite Beratung

Entwurf eines Gesetzes zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/2184

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Finanzen - Drs. 4/2313

Die erste Beratung erfolgte in der 60. Sitzung des Landtages am 27. Mai 2005. Berichterstatterin ist die Ausschussvorsitzende Frau Dr. Weiher. Bitte sehr, Frau Dr. Weiher.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann es heute recht kurz machen, da über den vorliegenden Gesetzentwurf und über die Beschlussempfehlung zum einen nur im Finanzausschuss beraten worden ist und zum anderen auch in völliger Einigkeit im Finanzausschuss beraten worden ist.

Der Entwurf eines Gesetzes zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband in der Drs. 4/2184 wurde am 27. Mai 2005 vom Landtag in den Finanzausschuss überwiesen. Herr Minister Paqué hat in seiner zu Protokoll gegebenen Rede die wesentlichen Änderungen des dem Gesetzentwurf zugrunde liegenden Staatsvertrages benannt, die aufgrund der Veränderungen der Rahmenbedingungen im Sparkassensektor notwendig waren.

Im Kern ging es um folgende fünf Punkte: erstens um die Änderung des Namens in „Ostdeutscher Sparkas

senverband“, zweitens um die Mitgliedschaft kommunaler Gebietskörperschaften im Verband, die selbst nicht mehr Träger einer Sparkasse, aber Mitglied in einem Sparkassenzweckverband sind, drittens um den Wegfall der Gewährträgerhaftung, viertens um den turnusmäßigen Wechsel der Staatsaufsicht über den Sparkassenverband und fünftens um die Ersetzung des Begriffs „Sachsen-Finanzverband“ durch den Begriff „SachsenFinanzgruppe“ aufgrund der erfolgten Verschmelzung.

In der 79. Sitzung des Finanzausschusses am 14. Juli 2005 waren diese Änderungen des Staatsvertrages unstrittig, zumal der zweite Punkt zu einer Stärkung der kommunalen Ebene im Verband und der kommunalen Verankerung des Verbands führt. Daher hat der Ausschuss diesen Gesetzentwurf mit elf Jastimmen einstimmig angenommen. Er macht damit auch den Weg für den bereits am 2. Mai 2005 unterzeichneten Staatsvertrag frei.

Da dieser aber nach Artikel 69 Abs. 2 der Landesverfassung der Zustimmung des Landtags bedarf, liegt Ihnen heute in der Drs. 4/2313 die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vor, in der die Annahme des Gesetzentwurfes empfohlen wird. - Danke schön.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS und von Herrn Tullner, CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Weiher, für die kurze Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Eine Debatte ist zu diesem Tagesordnungspunkt nicht vorgesehen. Wir treten deshalb in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2313 ein.

Zunächst stimmen wir über die selbständigen Bestimmungen ab. In Anwendung des § 32 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über die vorliegende Beschlussempfehlung - sie besteht aus zwei Artikeln - in ihrer Gesamtheit abzustimmen. Oder verlangt ein anwesendes Mitglied des Landtages eine getrennte Abstimmung? - Das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir ab.

Wer den selbständigen Bestimmungen dieses Gesetzentwurfes in der Fassung der Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit ist den selbständigen Bestimmungen einstimmig zugestimmt worden.

Nun stimmen wir über die Gesetzesüberschrift ab. Sie lautet „Gesetz zum Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über den Ostdeutschen Sparkassen- und Giroverband“. Wer dieser Gesetzesüberschrift seine Zustimmung gibt, den bitte ich ebenfalls um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit stelle ich ebenfalls einstimmige Zustimmung fest.

Nun erfolgt die Abstimmung über das Gesetz in seiner Gesamtheit. Wer diesem Gesetz in seiner Gesamtheit zustimmt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Keine. Damit ist diesem Gesetz einstimmig zugestimmt worden. Das Gesetz ist somit beschlossen.

Wir haben den Tagesordnungspunkt 6 sehr zügig erledigt. Meine Damen und Herren, Sie können jetzt in Ihre

verdiente Mittagspause eintreten. Wir treffen uns um 14 Uhr wieder. Oder wollen wir um 13.50 Uhr wieder beginnen?

(Zurufe: Nein!)

Also 14 Uhr.

Unterbrechung: 12.53 Uhr.

Wiederbeginn: 14.03 Uhr.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

Aussprache zur Großen Anfrage

Auswirkungen der Vergabe öffentlicher Mittel auf die Lebenssituation von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Sachsen-Anhalt

Große Anfrage der Fraktion der PDS - Drs. 4/2152

Antwort der Landesregierung - Drs. 4/2271

Der Ältestenrat hat die Redezeitstruktur C und damit eine Debatte von 45 Minuten Dauer vorgeschlagen. Gemäß unserer Geschäftsordnung erhält zunächst die Fragestellerin das Wort. Alsdann erhält die Landesregierung das Wort. Nach der Aussprache steht der Fragestellerin das Recht zu, Schlussbemerkungen zu machen.

Zunächst hat für die Fragestellerin, die Fraktion der Linkspartei.PDS, Frau Eva von Angern das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Meine Fraktion hat im Mai dieses Jahres eine Große Anfrage zu den Auswirkungen haushalterischer Entscheidungen auf Kinder und Jugendliche gestellt. Wir haben uns bewusst für einen Zeitpunkt außerhalb von Haushaltsverhandlungen entschieden, damit wir gemeinsam eine konstruktive, zukunftsorientierte Diskussion führen können.

Das Ziel der Anfrage war es herauszufinden, inwieweit es die Landesregierung mit ihrem Lippenbekenntnis hinsichtlich der hohen Priorität von Kinder- und Jugendpolitik tatsächlich ernst meint. In der Praxis mussten wir - natürlich nicht erst nach der Antwort der Landesregierung - leider feststellen, dass diese Prioritätensetzung nicht immer und teilweise gar nicht sichtbar ist. Ich möchte das beispielhaft an einigen Antworten der Landesregierung darstellen.

Ich erspare es Ihnen nicht und beginne mit dem Themenkomplex Kinderbetreuung. Die Antwort der Landesregierung - ich zitiere -: „Der effektivere Einsatz der Haushaltsmittel hat in diesem Bereich zu einem nicht unerheblichen Einsparvolumen geführt“, kann ich nur als puren Zynismus bewerten. Tatsache ist, dass das Land im Jahr 2001

(Zuruf von Frau Dr. Hüskens, FDP)

- hören Sie zu, Frau Hüskens - im Schnitt noch 136,17 € pro Monat in einen Betreuungsplatz investiert hat. Unter der schwarz-gelben Landesregierung wurde dieser Betrag im Jahr 2004 auf 101,15 € gesenkt. Das ist eine Senkung um ca. 26 %.

Wenn ich dann hinterfrage, wer denn die Differenz ausgleicht, brauche ich nur in die Tabelle zur Entwicklung der Elternbeiträge zu schauen. Zahlten die Eltern im Jahr 2001 im Schnitt noch 123,60 € pro Monat für einen Krippenplatz, so sind wir im Jahr 2004 bei durchschnittlich 155,77 € monatlich angekommen. Das ist eine Steigerung um ca. 26 %; was für ein Zufall!

Wenn wir uns neben den finanziellen Belangen die Lebenswirklichkeit in den Kindertagesstätten anschauen, dann können wir feststellen, dass das Land SachsenAnhalt zweifelsohne über ein qualitativ hochwertiges Bildungsprogramm verfügt, dieses aber leider nicht flächendeckend umgesetzt werden kann. Damit meine ich nicht nur, dass die vier Konsultationseinrichtungen und die Multiplikatorinnenrunde mit der Verbreitung überfordert sind, sondern auch das Problem, dass Erzieherinnen nicht ausreichend Zeit für die Vor- und Nachbereitung und ihre eigene Weiterbildung haben.

Ich wage es schon gar nicht, danach zu fragen, inwieweit denn Eltern in die Umsetzung des Bildungsprogramms einbezogen werden. Ich traf in jeder der von mir besuchten Einrichtungen auf äußerst engagierte und hoch motivierte Erzieherinnen. Doch auch sie stoßen an ihre Grenzen. Da ist die Politik gefragt, Lösungen zum Wohle der Kinder zu finden.

Kindertagesstätten legen den Grundstein für ein erfolgreiches Lernen. Was hier versäumt wird, ist nur schwer wieder aufzuholen, aus haushalterischer Sicht übrigens zumeist auch nur mit einem höheren Aufwand. Um der wissensbasierten Gesellschaft gerecht zu werden, bedarf es einer hohen Qualität der pädagogischen Arbeit in diesen Einrichtungen. In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal die Forderung der Linkspartei wiederholen, dass Erzieherinnen in Zukunft wie in fast allen europäischen Ländern an der Hochschule ausgebildet werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sehr geehrter Herr Sozialminister, in diesem Punkt sollten Sie durchaus einmal auf Ihre Landesvorsitzende hören, die die gleiche Forderung aufmacht. Das wäre tatsächlich eine sinnvolle, eine nachhaltige Investition.

Ein Teil der Großen Anfrage befasste sich auch mit den Auswirkungen des SGB II auf Kinder und Jugendliche, ein besonders trauriges Kapitel. Hier geht es um Kinderarmut pur, um das Verhindern von Chancengleichheit, um das Stigmatisieren von Kindern und Jugendlichen aufgrund der Erwerbssituation ihrer Eltern.

Der Antwort ist zu entnehmen, dass 58 401 Kinder unter 15 Jahren in Sachsen-Anhalt in Bedarfsgemeinschaften leben. Zu beachten ist dabei, dass von drei Landkreisen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zahlen vorlagen. Allein auf der Grundlage der vorliegenden Zahlen ist festzustellen, dass 22,38 % der Kinder in Sachsen-Anhalt in Bedarfsgemeinschaften leben. Unter Hinzuziehung der fehlenden Landkreise ist davon auszugehen, dass jedes vierte Kind in Sachsen-Anhalt in einer Bedarfsgemeinschaft lebt.

Die Linkspartei schließt sich der Forderung des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes an, der aufgrund der kürzlich veröffentlichten Studie „Zu wenig für zu viele - zu Kindern und Hartz IV“ eine öffentliche Diskussion über die Frage fordert, wie Mindestbedarfe von Kindern und Familien in dieser Gesellschaft überhaupt aussehen und

was gerade Kinder benötigen, um deren gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit sicherzustellen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Der Antwort ist des Weiteren zu entnehmen, dass die Landesregierung prüft, Koordinierungsstellen vor Ort einzurichten, die zwischen der Jugendhilfe, insbesondere der Jugendberufshilfe, und den Argen oder den optierenden Kommunen zur Verbesserung der Eingliederungschancen junger Menschen moderieren sollen. Der Landesjugendhilfeausschuss forderte die Einrichtung einer landesweiten Koordinierungsstelle schon vor etwa einem Jahr. Geschehen ist bisher nichts.

Der Antwort ist leider nicht zu entnehmen, welche konkreten Probleme und möglichen Handlungsoptionen die Landesregierung bei der dringend notwendigen Einbindung der Jugendberufshilfe und der bestehenden Netzwerkstrukturen in das Gesamtsystem und das Zusammenwirken der Fachkräfte sieht. Bei den Fachkräften der Bundesagentur für Arbeit besteht mitunter erheblicher Fortbildungsbedarf für die Beratung von Jugendlichen. In der Praxis bleibt aber sowieso meist keine Zeit für sozialpädagogisches Case-Management. Die Frage ist, wie sich die Jugendhilfe besser und effektiver in die Kompetenzagenturen einmischen kann und ob bisherige Kooperationsvereinbarungen zu unverbindlich sind.

Resümierend ist festzustellen: Hartz IV ist für Jugendliche unter 25 Jahren weniger eine Chance, sondern eine gesetzlich vorgesehene Warteschleife, an deren Ende keine wesentliche Verbesserung für die betroffenen Jugendlichen zu erwarten ist.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)