Protokoll der Sitzung vom 08.09.2005

In Sachsen-Anhalt leben Kinder und Jugendliche, die aufgrund verschiedenster Bedingungen in vielfältigsten Lebens- und Familiensituationen aufwachsen. Neben gut behüteten Kindern gibt es weniger gut behütete, neben gesunden Kindern gibt es kranke, Kinder reicher Eltern wachsen neben Kindern aus sozial schwachen Verhältnissen auf. Es gibt junge Sachsen-Anhalter, die bei bundesweiten Schulolympiaden und Sportwettkämpfen gewinnen oder als Band die Hitparaden stürmen, und es gibt junge Sachsen-Anhalter, die aufgrund verschiedenster Umstände oder Gegebenheiten im Schatten stehen und ihren Platz in der Gesellschaft noch suchen und da

her der besonderen Aufmerksamkeit und Fürsorge seitens des Landes bedürfen, in dem sie leben und sich verwirklichen wollen.

Auf alle Bedingungen angemessen zu reagieren und keinen Teil der Gesellschaft zu vergessen ist auch Ziel dieser Landesregierung. Kinder- und Jugendpolitik muss auf eine Sicherung und Verbesserung der sozialen und ökologischen Rahmenbedingungen gerichtet sein. Sie muss zum Ziel haben, die körperliche und geistige Entwicklung junger Menschen zu fördern, zur Erziehung von eigenverantwortlichen Persönlichkeiten beizutragen, das Verantwortungsbewusstsein heranwachsender Menschen zu stärken und zu fördern und ein familienfreundliches Klima zu schaffen. Gleichzeitig muss sie Sorge dafür tragen, genügend Schutz vor negativen Lebenseinflüssen, vor Kriminalität und Extremismus zu gewähren.

Für uns in Sachsen-Anhalt fordert Kinder- und Jugendpolitik, in besonderer Weise die rückläufige demografische Entwicklung zu berücksichtigen und bestmögliche Voraussetzungen für eine Trendwende zu schaffen. Lassen Sie mich anhand einiger Beispiele erläutern, welche Anstrengungen die Landesregierung im Einzelnen unternimmt, Kinder und Jugendliche angemessen zu unterstützen, und auf welche Erfolge wir dabei bereits zurückblicken können.

Hinsichtlich der Kinderbetreuung stehen wir uneingeschränkt an Deutschlands Spitze, weil wir im Kinderförderungsgesetz den Rechtsanspruch auf Betreuung ab der Geburt verankert haben, der übrigens weit über die Anforderungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Bundes hinausgeht. Entsprechende Würdigung erfuhr das Land in dem erst kürzlich vorgelegten Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung, in dem Sachsen-Anhalt namentlich genannt als bundesweiter Vergleichsmaßstab hervorgehoben wurde. In dem Bericht wird die Betreuungsquote gelobt.

Die Kindertageseinrichtungen in Sachsen-Anhalt bieten aber nicht nur Betreuung, sondern sind zudem auch der Bildung verpflichtet. Mit dem Bildungsprogramm „Bildung elementar“ werden die Grundpfeiler für lebenslanges Lernen gelegt. Und ein Bildungsprogramm, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat die PDS in acht Jahren Schattenregierung in diesem Land nicht einmal gefordert, geschweige denn umgesetzt.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Das Kinderförderungsgesetz kann aber noch mehr. Es schafft die notwendigen Voraussetzungen für zeitlich flexible Kinderbetreuung, die für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf unumgänglich ist. In unserem Land existieren weitere positive Beispiele in diesem Zusammenhang, zum Beispiel das „Projekt Ö 21“ in Magdeburg oder die in der vergangenen Woche in Halle eröffnete Kindertagesstätte „Villa Frohsinn“. Hierbei handelt es sich um Einrichtungen, die den Rahmen des Kinderförderungsgesetzes nutzen, um mehr Flexibilität zu bieten. Wenn man an die Arbeitszeiten des medizinischen Personals oder der Beschäftigten im Handel denkt, wird klar, dass solche Modelle besonders geeignet sind, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sichern.

Um das Familienbewusstsein ausdrücklich zu stärken, hat das Land Ende August außerdem überaus erfolgreich den ersten Familientag durchgeführt. In diesem Rahmen sind die ersten Familienpässe ausgegeben wor

den, ein Landesprojekt, das allen Familien und Alleinerziehenden mit mindestens einem Kind unter 18 Jahren Vergünstigungen bei Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten bietet.

Da nichts so gut ist, dass man es nicht doch noch verbessern könnte, soll der Familienpass auf möglichst vielseitige Angebote aus Handel, Handwerk und Gewerbe ausgeweitet werden. Hierzu bedarf es der weiteren Unterstützung der hiesigen Unternehmen. Gleichwohl soll nochmals all denen ausdrücklich gedankt werden, die sich an diesem Projekt mit ihrem Engagement bislang schon beteiligten.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir sonnen uns nicht in dem bisher Erreichten. Für die Förderung zahlreicher weiterer Modellprojekte, die in der Antwort der Landesregierung ausführlich beschrieben sind, steht allein in diesem Jahr eine Viertelmillion Euro zur Verfügung.

Dass wir uns mit der Art der Förderung solcher Projekte auf dem richtigen Weg befinden und der von uns eingeschlagene bildungspolitische Kurs in die richtige Richtung zeigt, belegt auch der jüngste Pisa-Ländervergleich, bei dem ein erheblicher Fortschritt in SachsenAnhalt sichtbar wurde.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Erhebliche Mittel werden in Maßnahmen und Projekte der schulischen und beruflichen Bildung, zum Beispiel in die Verbesserung von Lernbedingungen, die Sicherung der Qualität des Unterrichts, in Lehrerfort- und -weiterbildung und ergänzende sozialpädagogische Programme investiert.

Daneben stehen Kindern und Jugendlichen zahlreiche Bildungsangebote im Bereich der Umwelterziehung und -bildung zur Verfügung, die zur Entwicklung eines verantwortungsvollen Umweltbewusstseins beitragen. Ständig steigende Bewerberzahlen belegen ein großes Interesse junger Menschen an der Absolvierung eines freiwilligen ökologischen Jahres, an dessen Finanzierung sich das Land gerne beteiligt, weil die Mittel hier ebenso sinnvoll wie effizient eingesetzt werden.

Im Bereich des Kinder- und Jugendsports stellen wir dem Landessportbund im Rahmen der Budgetierung erhebliche Mittel für die Arbeit in den Vereinen und Verbänden zur Verfügung. Allein für die Projektförderung spreche ich hier von jährlich 8 Millionen €, die den zahlreichen jungen Mitgliedern in Sachsen-Anhalts Sportvereinen entsprechend ihrem Interesse die verschiedensten Aktivitäten ermöglichen.

So gelingt es uns gleichzeitig, dem Anspruch gerecht zu werden, Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg zu gesundheitsorientierter Lebenseinstellung zu unterstützen. Hinzu kommen die verschiedensten Zuschüsse zur Förderung der Kinder- und Jugendgesundheit.

Das Land ist bestrebt, mit einem effektiven Mitteleinsatz vielfältige und sinnvolle Maßnahmen in den Bereichen der Kinder- und Jugendarbeit, der außerschulischen Jugendbildung, des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes und der Jugend- und Schulsozialarbeit unter Berücksichtigung hoher Qualitätsstandards zu fördern. Neben Maßnahmen der internationalen Jugendarbeit, der Kinder- und Jugendfreizeit und -bildung umfasst dies auch die finanzielle Förderung von Feststellen- bzw. Fachkräfteprogrammen - das haben Sie völlig vergessen - und die Jugendpauschale.

Zunehmend gestaltet sich die Förderung der Träger der freien Jugendhilfe in Form von Zuwendungsverträgen. Damit wird den Trägern ein effizienter Mitteleinsatz ermöglicht, der auf Dauer zu mehr Qualität führt. Im Übrigen stehen wir ständig mit den freien Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in Kontakt und erfahren somit direkt, an welchen Stellen gegebenenfalls nachgebessert werden müsste oder wo gegebenenfalls Hilfe benötigt wird, und berücksichtigen dies bei der Jugendarbeit.

Zwischenzeitlich hat die Landesregierung das Projekt „Gender Budgeting“ im Jugendbereich entwickelt, mit dem angestrebt wird, eine Basis für die zukünftige geschlechtergerechte Planung finanzpolitischer Maßnahmen zu schaffen. Nicht vergessen möchte ich, dass schon im Kinderförderungsgesetz der Partizipationsgedanke verankert wurde. Es ist der Landesregierung sehr wichtig, Kinder und Jugendliche an den für sie relevanten Entscheidungen zu beteiligen. Aus diesem Grunde haben wir auch die „Get up“-Kampagne gefördert.

Zum Abschluss möchte ich daran erinnern, dass es viele Menschen im Land gibt, die sich gerade im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit ehrenamtlich engagieren und ausgezeichnete Arbeit an der Basis leisten. Ohne diese Unterstützung wäre Kinder- und Jugendpolitik nicht möglich.

Die Landesregierung bemüht sich nach Kräften, dieses Ehrenamt zu unterstützen. Eine wichtige Funktion kommt in diesem Zusammenhang aber vor allem den Kommunen zu. Diese können die Rahmenbedingungen gestalten, in denen Kinder-, Jugend- und Familienfreundlichkeit gedeihen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Dr. Weiher?

Ich bin gleich fertig. - Nicht zuletzt deshalb haben wir den Landeswettbewerb „Kinder- und familienfreundliche Gemeinde“ gestartet, bei dem die teilnehmenden Kommunen Preise und Auszeichnungen für ihre Bemühungen auf diesem Gebiet erhalten können. Ich möchte Sie deshalb an dieser Stelle noch einmal aufrufen, mit Ihren Kommunalpolitikern zu sprechen und dafür zu sorgen, dass sich Ihre Gemeinde an diesem Wettbewerb beteiligt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Nun die Nachfrage von Frau Dr. Weiher.

Herr Minister, ich will nicht in Abrede stellen, dass in einigen Bereichen die Kinder- und Jugendarbeit weiter qualifiziert worden ist. Es wäre schlecht, wenn das nicht passieren würde. Es gibt trotzdem eine Reihe von Dingen, die sowohl im Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung angesprochen worden sind, als auch in der Antwort auf die Große Anfrage mit Zahlenmaterial hinterlegt worden sind, die einen sehr nachdenklich machen.

Sie haben am Anfang Ihrer Rede sinngemäß gesagt, dass es, wenn man von dem Redebeitrag von Frau von Angern ausgeht, nur auf die Menge des Geldes ankomme; dann wäre alles gut.

Sind Sie mit mir einer Meinung, dass das Land im Bereich der Jugendpauschale erst jetzt den gesetzlichen Rahmen dazu gelegt hat, dass die Mittel tatsächlich ab diesem Jahr und in den nachfolgendenden Jahren nicht mehr die Höhen erreichen werden, die sie bisher erreicht haben? Die 50-prozentige Finanzierung durch die Kommunen ist durch den Landesgesetzgeber initiiert und durch die Landesregierung an dieser Stelle faktisch abgeschafft worden. Können Sie das bestätigen?

Die zweite Sache, die für mich im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit hinterfragt werden muss, ist der Punkt der Finanzierung der Kinder- und Jugendarbeit. Können Sie mir zustimmen, dass noch vor fünf Jahren, im Jahr 2000, der Bereich der Kinder- und Jugendarbeit mit einer Summe von etwa 9 Millionen DM gefördert worden ist? Davon stammten ein Viertel aus Lotto-Toto-Mitteln und drei Viertel aus Landesmitteln. Im Jahr 2005 umfasst die Summe etwas mehr als 3 Millionen € insgesamt, wovon drei Viertel Lotto-Toto-Mittel und ein Viertel Landesmittel sind. Können Sie dieses Verhältnis bestätigen?

Zunächst zu Ihrer ersten Frage. Frau Weiher, ich glaube, es war auch gerade das Interesse der PDS, zunehmend Aufgaben zu kommunalisieren. Wenn ich von Ihnen jemals eine Veröffentlichung lese, dann geht es immer darum, dass die Kommunen alles besser können. Ich glaube, somit ist die Einbeziehung der Jugendpauschale in den kommunalen Finanzausgleich auch gerade in Ihrem Interesse gewesen.

Was die Gegenfinanzierung durch die Landkreise betrifft, kann ich den Gesamteindruck, dass sie abgesunken ist, nicht so pauschal bestätigen. Viele Landkreise haben ihren Anteil aufrechterhalten, einige Landkreise sind hierbei in der Gegenfinanzierung zurückgegangen. Aber das ist jeweils eine Entscheidung der kommunalen Ebene, die sicherlich ihre Schwerpunkte setzt.

Es war der Wille, dass so verfahren wird. Wir sind davon ausgegangen, dass diese Pflichtaufgabe von den Kommunen verantwortungsbewusst wahrgenommen wird. Wir wollen jetzt nicht auseinander nehmen, welcher politischen Couleur die jeweiligen Landräte angehören.

(Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS: Das spielt auch keine Rolle!)

Ich glaube, das ist in diesem Rahmen nicht wichtig.

Ihre zweite Frage bezüglich der Haushaltsmittel kann ich so nicht bestätigen, da die Summen von Ihnen sehr mutig auf- und abgerundet wurden. Das zum einen. Das heißt, die Zahlen aus dem Jahr 2000 haben - -

(Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS: Die können Sie im Haushaltsplan nachlesen!)

- Da muss man immer schauen und im Haushaltsplan nachlesen, worum es im Einzelnen geht. Aber richtig ist, dass Zuweisungen, also die Haushaltszahlen, im Bereich der Jugendarbeit gesunken sind, wobei man schauen muss, wie sie sich jeweils zusammengesetzt haben. Dort sind zum Beispiel noch Mittel enthalten, die dort nicht hineingehören, zum Beispiel über 1 Million €, die einmal dem Verein „Miteinander“ zugeteilt wurden. In der genauen Haushaltszuordnung ist noch einiges zu tun, bevor man über diese Mittelverwendung redet.

Ansonsten glauben wir schon, dass wir im Wesentlichen die Arbeitsfähigkeit vor Ort aufrechterhalten haben. Wir können das nachher noch einmal differenziert durchgehen. Frau Weiher, ich biete Ihnen das gerne an.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Als erster Debattenredner wird der Abgeordnete Herr Kurze für die CDU sprechen. Zuvor haben wir die Freude, die zweite Gruppe von Schülerinnen und Schülern der Sekundarschule August Wilhelm Francke aus Magdeburg zu begrüßen.

(Beifall im ganzen Hause)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der heute zu diskutierenden Großen Anfrage hat die PDS den untauglichen Versuch unternommen, die Kinder- und Jugendpolitik der Landesregierung als desaströs darzustellen. Wer geglaubt hat, das Ziel der Anfrage sei eine Debatte über die besseren Konzepte in der Kinder- und Jugendpolitik gewesen, der sieht sich in dem Artikel von Frau von Angern in der „Volkstimme“ vom 6. dieses Monats eines anderen belehrt.

Kernpunkt der Kritik an der Arbeit der Landesregierung ist danach, dass die Ausgaben für Kinder und Jugendliche in den vergangenen dreieinhalb Jahren deutlich gesunken seien. Als Beispiel hierfür dienen wieder einmal Kinderbetreuung, Jugendpauschale und Schulsozialarbeit. Ich will die Diskussion darüber nicht von neuem anfangen, aber ich möchte hierzu einige klarstellende Worte sagen.

Natürlich haben wir Strukturveränderungen durchgeführt. Wir hatten keine besondere Freude daran und taten das nicht, weil wir Kinder und Jugendliche gering schätzen. Wir mussten am Anfang unserer Regierungsübernahme feststellen, dass wir eine katastrophale Haushaltslage vorgefunden haben.

(Zurufe von Frau Bull, Linkspartei.PDS, und von Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS)

Das kann man nicht oft genug sagen. - Ich weiß, dass Sie dann immer aufjaulen, gerade Sie, Frau Bull. Das weiß ich, das weiß ich ganz genau. Deshalb sage ich es noch einmal ganz klar: Acht Jahre rot-grüner, roter oder rot-roter Landesregierung haben uns ein katastrophales Land hinterlassen, meine Damen und Herren!

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wer einen sozialen Euro ausgeben will, muss diesen Euro natürlich erst einmal erarbeiten. Wir können nicht unser Leben lang den Haushalt auf Pump finanzieren. Deshalb sind wir in einer schwierigen Lage. Wir haben deutliche Akzente gesetzt und diese werde ich Ihnen versuchen vorzutragen.