Protokoll der Sitzung vom 09.09.2005

Es weiß doch niemand, ob sie überhaupt noch dabei sind, wenn das Gesetz umgesetzt wird. Menschenskind, haben Sie doch nicht so viel Angst, Herr Böhmer!

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ich will zum Schluss kommen, und das in aller sachlichen Ruhe. Wenn es denn verschoben ist, dann lassen Sie uns überlegen, ob es nicht möglich ist, noch eine bessere Lösung hinzubekommen. Unsere Hand ist offen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Sie wissen ganz genau - bevor hier wieder ein FDPVertreter auftritt und das sagt -, die fünf Regionalkreise, das ist unser Modell. Wir sind aber nun lange genug in der Kommunalpolitik verhaftet, stärker als andere, um zu wissen, dass das Ganze ein Kompromiss werden muss. Lassen Sie uns das ausloten. Das liegt ganz allein in Ihrer Hand, Herr Böhmer. Sie müssen das nachher vor denen verantworten, die das umsetzen müssen.

Übrigens kann ich Ihnen eine Angst nehmen, nämlich bezüglich der Frage, ob das unbedingt in dieser Wahlperiode sein muss. Die letzte Gebietsreform - sehen Sie bitte nach; Sie haben sich sehr gut vorbereitet oder vorbereiten lassen - hat vom Beschluss bis zur Umsetzung einen Zeitrahmen beansprucht, der es nicht nötig macht, es jetzt zu tun. Diese Angst will ich Ihnen nehmen.

Sie haben also alle Chancen, Herr Böhmer, aber nutzen müssen Sie sie selbst.

(Zustimmung bei der SPD)

Ich sage einen letzten Satz als Abschluss, weil ich wirklich will, dass das eine sachliche Debatte bleibt: Sie haben gesagt - -

(Lachen bei der FDP)

- Dass der Lacher von der FDP kommt, überrascht mich nun überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wissen Sie, wenn mittlerweile in der Zeitung steht, was einige verhindern oder warum das eine oder andere gemacht wird, dann würde ich nicht mehr lachen; denn hierbei geht es nicht um Sie und auch nicht um uns; vielmehr geht es darum, was dem Land am meisten hilft. Dabei sollte man sich ein Lachen verkneifen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Links- partei.PDS)

Das ist aber nicht der Abschluss, den ich wählen wollte. Herr Böhmer, Sie haben vor einigen Monaten hier vorn

gestanden und einen Satz geprägt, den ich sehr richtig finde: Dieses Land, meine Damen und Herren, gehört nicht der Opposition und nicht der Koalition.

Über diesen Satz sollten Sie am Wochenende noch einmal nachdenken, Herr Böhmer. - Ich danke Ihnen.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Bullerjahn. - Meine Damen und Herren! Die Debatte wird mit dem Beitrag der FDP-Fraktion abgeschlossen. Es spricht zu Ihnen der Abgeordnete Herr Wolpert.

(Frau Budde, SPD: Wie jetzt, Herr Wolpert?)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Herr Kollege Bullerjahn, zum Thema Sachlichkeit.

(Herr Bullerjahn, SPD: Da werde ich von Ihnen nie Zustimmung kriegen! Das ist mir schon klar!)

Der Ministerpräsident hat mit seinem Kabinett einen Regierungsentwurf eingebracht und die FDP steht zu diesem Regierungsentwurf. Dabei hat nicht die FDP mit der Regierung gewackelt, sondern die Regierung hat einen Entwurf vorgelegt und wir stimmen dem zu. Die Sachlichkeit haben Sie mit der Äußerung, dass der Schwanz mit dem Hund wackelt, verlassen.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die Linkspartei hat eine Aktuelle Debatte zum Verlauf der Kreisgebietsreform beantragt, natürlich weil sie sich Sorgen um das Wohl und Wehe unseres Landes macht und eine Klärung der anstehenden Sachfragen verfolgt. - Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Natürlich ist es der Versuch, vor den anstehenden Bundestagswahlen die in der Regierungsverantwortung stehenden Parteien in ein schlechtes Licht zu rücken. Der Versuch ist untauglich.

Wer nüchtern die Fakten betrachtet, der muss erkennen, dass durch die Einbringung und die zum Teil bereits erfolgte Verabschiedung der Gesetze zu einer Kreisgebietsreform in Sachsen-Anhalt die Koalition unter Beweis gestellt hat, dass sie äußerst zielführende Arbeit leistet. Wir haben etwas geschafft, um das uns andere Bundesländer beneiden: Zügigkeit im Verfahren, Effizienz und Bürgernähe in der Sache und damit zukunftsfähige Strukturen im Land.

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS - Zuruf von Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Die Diskussion, die dem Gesetzgebungsverfahren vorausging, konnte bereits nach einem Dreivierteljahr erfolgreich abgeschlossen werden. In den meisten Bundesländern scheitern sämtliche Reformvorhaben entweder bereits in der Diskussionsphase, bevor überhaupt ein gesetzgeberischer Schritt unternommen wurde, oder die Gesetzgebungsverfahren ziehen sich über mehrere Jahre hin. Uns ist es neben der zügigen Diskussion aber auch gelungen, innerhalb von weniger als einem Jahr drei Gesetzgebungsverfahren durch den Landtag zu bringen bzw. in den Landtag einzubringen.

Hierbei ist es mir besonders wichtig, dass die Koalition trotz des hohen Tempos beim Vorantreiben der Gesetzgebungsverfahren stets besonderen Wert darauf gelegt hat, alle Betroffenen im Rahmen der Anhörungen einzubinden und ihnen Gehör zu verschaffen.

Meine Damen und Herren! Mir ist bewusst, dass man es bei einem so emotional besetzten Gesetzgebungsverfahren wie der Kreisgebietsreform nie allen Seiten recht machen kann. Trotzdem haben wir das richtige Maß gefunden, um mit den Gesetzen effektive, bürgernahe und damit zukunftsträchtige Strukturen auf der Kreisebene zu schaffen. Hierfür spricht auch, dass der Widerstand aus den Landkreisen gering ist und der Landkreistag zu dem Grundsätzegesetz zustimmende Beschlüsse gefasst hat. Deshalb bin ich auch davon überzeugt, dass nach der endgültigen Entscheidung über die Kreisgebietsreform schnell Ruhe einkehren wird.

Von uns wird insbesondere zum jetzigen Zeitpunkt erwartet, dass wir handeln und Entscheidungen treffen. Dies haben wir getan und wir werden es auch weiterhin tun.

Meine Damen und Herren! Die Kreisgebietsreform soll zum 1. Juli 2007 wirksam werden. Das Gesetz zur Kommunalneugliederung wird statt im September erst im Oktober 2005 beschlossen. Was für eine Katastrophe! - So hört sich zumindest das Geschrei der Opposition an. Sie werfen uns Handlungsschwäche und Unfähigkeit vor, wir seien zerstritten und am Ende unserer Kräfte. - Wie lächerlich!

Meine Damen und Herren von der SPD, Ihr Beitrag zur Kreisgebietsreform liest sich wie folgt: In eigener Regierungsverantwortung stehend sprachen Sie von einer Größe von Kreisen von 150 000 Einwohnern. Der Zeitpunkt dabei war unklar, bestimmt aber nicht zu dem Zeitpunkt 2015. - So weit zu Ihrer Zukunftsfähigkeit.

Im Jahr 2003 stimmten die SPD-Landräte den Grundsätzen der Koalition zu. In der weiteren Folge tendiert der Landesvorstand zu einer Regionalkreislösung à la PDS. Die SPD bringt ihren Landesvorsitzenden in Erklärungsnot, weil er als Landrat anders abgestimmt hat. Der Regionalkreis wird beim Landesparteitag nicht beschlossen, sondern als Option offen gelassen.

Die SPD-Fraktion setzt sich für die Regionalkreise ein. Sieht man jedoch tiefer hinein, stehen sich in Bezug auf Aschersleben und Staßfurt in der Hauptsache zwei SPDLandtagsabgeordnete konträr gegenüber. - Ist das die Einigkeit, die Sie von uns erwarten?

Von der SPD kam folglich auch nichts Konstruktives. Es wurden keine eigenen Gesetzentwürfe eingebracht, keine Änderungsanträge gestellt und - ich zitiere Herrn Bullerjahn -:

„Die Kreisgebietsreform wird auch in der nächsten Wahlperiode nicht mehr aufgegriffen werden.“

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

- Da können Sie ruhig klatschen. Es ist nicht sehr konstruktiv, was da bisher kam.

Meine Damen und Herren! Die PDS begann die Diskussion mit Regionalkreisen, fünf an der Zahl, mit dem Wandel zum zweistufigen Verwaltungsaufbau im Land im Gepäck, ohne die daraus entstehenden Fragen ausreichend zu beantworten: Bürgernähe? - Fehlanzeige.

Effizienz? - Nichts Genaues weiß man nicht, sagt man in Bayern; so zumindest in der Diskussion, die wir damals geführt haben.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Kommen Sie mir nicht mit Bayern! - Heiterkeit bei der Linkspar- tei.PDS)

- Ich sage Ihnen, in Bayern hat man vergessen, die Leute mitzunehmen. Herr Strauß hat es versäumt. Bei dem brannten die Bürgersteige. Davon sind wir weit entfernt in diesem Land.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Eben!)

Kurz für Toresschluss kommt nun ein Änderungsantrag der Linkspartei, der an Unschlüssigkeit nicht zu überbieten ist. Anhalt wird zum Regionalkreis, Halle und Umgebung auch. Magdeburg bleibt kreisfrei und die Altmarkkreise und der Landkreis Jerichower Land bleiben in den alten Grenzen bestehen.

Unausgewogener geht es nicht. Der eine Kreis hat 90 000 Einwohner, der andere hat 450 000 Einwohner. Die eine Stadt bleibt kreisfrei, die andere nicht - ohne Begründung. Von einem zweistufigen Verwaltungsaufbau ist keine Rede mehr.

Es wäre übrigens auch hilfreich mitzuteilen, wie viele Kreistagsmitglieder der Großkreis Anhalt haben soll.

(Zuruf von Frau Dr. Weiher, Linkspartei.PDS)

Ihr Gesetzentwurf endet nämlich bei einem Kreis mit 300 000 Einwohnern; in diesem Fall sollen es 74 Kreistagsmitglieder sein. Das, was darüber hinausgeht, steht leider in den Sternen. In Anhalt kann man es wahrscheinlich machen, wie man es gern hätte. Vielleicht 130? - Keine Ahnung.

Der Entwurf zeugt eher von sprunghaftem Wesen als von Regierungsfähigkeit.