Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

Ich eröffne hiermit die 65. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, Ihre Plätze einzunehmen und nach Möglichkeit etwas Ruhe einkehren zu lassen.

Zu der heutigen Sitzung möchte ich Sie, verehrte Anwesende, auf das Herzlichste begrüßen.

Ich stelle zugleich die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Mir liegen folgende Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor:

Herr Ministerpräsident Professor Dr. Böhmer bittet seine Abwesenheit am heutigen 6. Oktober ab 18.30 Uhr aufgrund seiner Teilnahme an der Mitgliederversammlung des Verbandes der Papier, Pappe und Kunststoff verarbeitenden Unternehmen Mitte e. V. in Wittenberg zu entschuldigen.

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich für beide Sitzungstage. Am 6. Oktober nimmt er an einem Gespräch mit der EU-Kommissarin Hübner teil und anschließend an der in Schwerin stattfindenden zweitägigen Sitzung des ZDF-Fernsehrates.

Herr Minister Dr. Rehberger entschuldigt sich für den 6. Oktober aufgrund seiner Teilnahme am 3. Europäischen Kongress der Chemieregionen in Mailand. Entgegen einer früheren Meldung wird Herr Minister Dr. Rehberger am Freitag, dem 7. Oktober an der Landtagssitzung teilnehmen.

Herr Minister Kley entschuldigt sich für den 6. Oktober bis 11 Uhr. Am 6. Oktober findet im Ministerium für Gesundheit und Soziales eine Fachtagung zur Bedeutung von Anwendungsprojekten für die Umsetzung von Gender-Mainstreaming im regulären Verwaltungshandeln statt. Der Minister wird ein Grußwort halten.

Frau Ministerin Wernicke nimmt entgegen der ursprünglichen Anmeldung am heutigen Tag an der Landtagssitzung teil, wird allerdings morgen, am 7. Oktober an der in Bielefeld stattfindenden Agrarministerkonferenz teilnehmen und bittet daher ihr Fehlen am morgigen Tag zu entschuldigen.

Herr Minister Professor Dr. Olbertz lässt sich am 7. Oktober bis 11 Uhr entschuldigen. Er nimmt auf Einladung der Deutschen Akademie der Naturforscher an der Leopoldina-Jahresversammlung 2005 teil und wird zur Eröffnungsveranstaltung ein Grußwort halten. - So weit die Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung.

Nun zur Tagesordnung, meine Damen und Herren. Die Tagesordnung für die 34. Sitzungsperiode des Landtags liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 2 - Aktuelle Debatte - als ersten Punkt am morgigen Freitag zu behandeln.

Die Fraktion der CDU hat fristgemäß ein weiteres Thema für die Behandlung unter diesem Tagesordnungspunkt eingereicht. Der Antrag mit dem Titel „Jugendarrest ist eine wirksame Erziehungsmaßnahme straffällig gewordener Jugendlicher und Heranwachsender“ liegt Ihnen in Drs. 4/2420 vor. Der Antrag würde bei Zustim

mung durch das Plenum unter Tagesordnungspunkt 2 eingeordnet und somit am morgigen Freitag mitbehandelt werden. Gibt es dagegen Einspruch? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dies so beschlossen.

Des Weiteren ist im Ältestenrat vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 15 - Nachhaltigkeit der Förderstrategie des Landes - am morgigen Freitag nach dem Tagesordnungspunkt Aktuelle Debatte zu behandeln.

Die Fraktion der SPD hat signalisiert, dass im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen auf eine Debatte zu Tagesordnungspunkt 10 verzichtet werden kann.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Herr Gürth, bitte sehr.

Herr Präsident, ich möchte beantragen, dass wir den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in Sachsen-Anhalt unter Tagesordnungspunkt 14 am Freitag nach der Aktuellen Debatte einbringen und ohne Debatte darüber abstimmen. Damit wäre ein Zusammenhang zu dem gleich lautenden Thema in der Aktuellen Debatte hergestellt.

Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Damit ist dies so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 14 wird morgen nach der Aktuellen Debatte und vor Tagesordnungspunkt 15 behandelt werden. - Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, wir können somit nach der so geänderten Tagesordnung verfahren.

Nun zum zeitlichen Ablauf der 34. Sitzungsperiode. Die heutige Landtagssitzung werden wir wegen der um 20 Uhr im Raum B0 05 beginnenden parlamentarischen Begegnung mit dem Landesverband der Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, an die ich Sie noch einmal erinnern möchte, um ca. 19.15 Uhr beenden. Die morgige 64. Sitzung beginnt um 9 Uhr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Damen und Herren des kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt Oldenburg. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Meine Damen und Herren! Wir treten nun in die Behandlung des Tagesordnungspunktes 1 a ein:

Regierungserklärung des Ministers der Finanzen Herrn Professor Dr. Paqué zum Thema: „Aufbau Ost als finanzpolitische Herausforderung“

Meine Damen und Herren! Ich erteile nunmehr Herrn Minister Professor Dr. Karl-Heinz Paqué zur Abgabe der Regierungserklärung das Wort. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Finanzpolitik in Deutschland stand und steht vor großen Herausforderungen. Die Verschuldung der öffentlichen Haushalte hat den finanziellen Handlungs

spielraum von Bund und Ländern auf ein Niveau gesenkt, das auf Dauer nicht akzeptabel ist. Das Ausmaß an jährlicher Neuverschuldung setzt die öffentlichen Haushalte einem Konsolidierungsdruck aus, der zu einer spürbaren Verringerung der öffentlichen Ausgaben insgesamt führen muss.

Meine Damen und Herren! Für Sachsen-Anhalt hat die Landesregierung diese Herausforderung angenommen. Die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen war und ist erklärtes Ziel dieser Landesregierung. Hierbei wurden in den zurückliegenden drei Jahren erhebliche Erfolge erzielt. Diese Erfolge waren allerdings überschattet von Steuerausfällen in bisher ungekannten Dimensionen.

Lassen Sie mich die vergangenen fast dreieinhalb Jahre dieser Legislaturperiode noch einmal Revue passieren. Im Jahr 2002, dem Jahr der Amtsaufnahme der jetzigen Landesregierung, war die Situation des Landeshaushaltes von schwierigsten Rahmenbedingungen gekennzeichnet. Im Vergleich zwischen den neuen Ländern hatte Sachsen-Anhalt die zweithöchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Personal, die höchsten Zinslasten und, wie die Ist-Entwicklung im Jahr 2002 bestätigt hat, die höchste Neuverschuldung aller neuen Länder. Es kündigten sich erhebliche Steuerausfälle für das laufende Jahr an.

Mit der Amtsaufnahme musste die Landesregierung daher zunächst einen Nachtragshaushalt vorlegen, um den Fehlbetrag aus dem Jahr 2001 und weitere Risiken aus dem Jahr 2002 auszugleichen. Gleichzeitig wurde von der Landesregierung ein Fahrplan erarbeitet, der Sachsen-Anhalt mittelfristig aus dem tiefen Tal der Neuverschuldung herausführen sollte. Geplant war damals, im Jahr 2006 letztmalig eine Nettokreditaufnahme vorzunehmen.

Aber die Steuerausfälle, die danach im halbjährigen Takt der Steuerschätzungen über uns und auch über die anderen Länder, den Bund und die Gemeinden hereinbrachen, machten die mittelfristige Planung in der damaligen Form zunichte. Übrigens war das nicht nur bei uns so. Es gibt kein Land in Deutschland, das nicht seine Planungen drastisch revidieren musste, vom Bund ganz zu schweigen.

Unter diesen schwierigsten Umständen ist es uns gelungen, den eingeschlagenen Sparkurs konsequent durchzuhalten. Die Ausgaben des Landeshaushaltes wurden nicht nur konstant gehalten, sondern absolut gesenkt. Dies stellt einen enormen Kraftakt dar und ist Beleg für die Sparanstrengungen dieser Landesregierung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die bereinigten Ausgaben betrugen im Ist des Jahres 2002 10,29 Milliarden €, der Haushaltsplan für das Jahr 2006 weist nur noch Ausgaben in Höhe von 9,92 Milliarden € auf. Bereinigt um die Mittel für die Fluthilfe und die Mittel des Bundes für Hartz IV sind es sogar nur 9,76 Milliarden €.

In vier Jahren konnten die Ausgaben Schritt für Schritt um insgesamt 4 % vermindert werden. Dies ist angesichts von Ausgabensteigerungen, beispielsweise im Personalbereich durch Tarifabschlüsse und die Anpassung an das Westgehaltsniveau, Steigerungen bei der Sozialhilfe und bei den Zinsen, aber auch angesichts der allgemeinen Preissteigerung eine bemerkenswerte Leistung.

Meine Damen und Herren! Üblich sind in den alten Bundesländern Ausgabenzuwächse in der Größenordnung

von mindestens 1 % pro Jahr. Das Ausgabenwachstum von maximal 1 % pro Jahr war als Zielgröße der Stabilität im nationalen Stabilitätspakt für die Landeshaushalte festgelegt worden. Das bedeutet 4 % Zuwachs über vier Jahre gerechnet. Sachsen-Anhalt hatte dagegen in den letzten vier Jahren eine Abnahme um 4 %, keinen Zuwachs. Dies allein ist ein klarer Beleg für eine äußert restriktive Ausgabenpolitik, die wir auch bis zu dem heutigen Tag konsequent durchgehalten haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung von Herrn Scharf, CDU, und von Herrn Tullner, CDU)

Den Erfolgen auf der Ausgabenseite standen allerdings seit dem Jahr 2002 auf der Einnahmenseite Einbrüche bei den Steuern gegenüber, die in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmalig sind.

Während im Jahr 2001 bei Steuern und steuerinduzierten Einnahmen noch 5,69 Milliarden € aufkamen, sackte das Aufkommen im Jahr 2002 mit nur 5,03 Milliarden € um rund 660 Millionen € förmlich in sich zusammen. Von diesem Rückschlag hat sich das Steueraufkommen bis heute nicht erholt.

Seit dem Jahr 2002 ist das Steueraufkommen mit Ausnahme des vergangenen Jahres weiter rückläufig. Erst im Jahr 2006 werden wir wieder das Niveau des Jahres 2002 erreichen und erst im Jahr 2009 soll nach der aktuellen Steuerschätzung vom Mai dieses Jahres das Volumen aus dem Jahr 1995 wieder erreicht werden, dem Jahr, in dem die neuen Länder in den gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich integriert wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz unserer Anstrengungen auf der Ausgabenseite wird es im Jahr 2006 eine Nettokreditaufnahme in Höhe von noch immer knapp 800 Millionen € geben. Dieses Ergebnis ist gemessen an dem, was wir uns am Anfang der Legislaturperiode vorgenommen hatten, zweifellos nicht zufrieden stellend.

Aber die Regierung eines kleinen Landes wie SachsenAnhalt ist der Steuergesetzgebung des Bundes und der wirtschaftlichen Entwicklung in Gesamtdeutschland mehr oder weniger wehrlos ausgeliefert. Diese Entwicklung war nun einmal schlecht. Unter der Wirtschafts- und Finanzpolitik der rot-grünen Bundesregierung ist Deutschland zum kranken Mann Europas geworden.

(Herr Dr. Polte, SPD: Was war vorher?)

Volkswirtschaftliche Stagnation statt Wachstum und misslungene Steuerreformen haben auch die Finanzkraft unseres Landes Sachsen-Anhalt auf der Einnahmenseite ausgehöhlt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Man sollte in der Politik den Konjunktiv nicht überstrapazieren; aber es ist schon wichtig zu wissen, dass die Entwicklung der Landesausgaben ziemlich genau unserer ersten Mittelfristigen Finanzplanung aus dem Jahr 2002 entsprochen hat. Oder anders formuliert: Wäre das Steueraufkommen laut Steuerschätzung vom Mai 2002, also zum Amtsantritt der CDU-FDP-Regierung, tatsächlich aufgekommen, dann hätten wir unser Ziel erreicht, nämlich keine Nettokreditaufnahme im nächsten Haushalt vorzunehmen. Die Steuerausfälle des Jahres 2006 gegenüber der damaligen Schätzung betragen fast 1 Milliarde €. Das ist deutlich mehr, als wir für 2006 an Nettokreditaufnahme vorgesehen haben.

So wie die Einnahmenentwicklung in den letzten Jahren verlaufen ist, hat sich der Weg bis zum Zeitpunkt der Schuldentilgung zwar verlängert; aber ich kann Ihnen versichern, dass diese Landesregierung diesen Weg in Richtung Schuldenabbau, den sie beim Amtseintritt eingeschlagen hat, auch in der nächsten Legislaturperiode konsequent fortsetzen wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)