Ich möchte an dieser Stelle sehr deutlich sagen, dass man wirklich nicht in blinden Pessimismus und Fatalismus verfallen darf - übrigens auch nicht in Bezug auf die Entwicklung bei der Abwanderung. Auch diesbezüglich haben wir in den letzten beiden Jahre deutliche Fortschritte erzielt. Ich will darauf im Einzelnen nicht eingehen.
Ich möchte nur sagen, dass wir bei allzu pessimistischer Betrachtung eigenartige Diskussionen bekommen, die ich als Finanzpolitiker mit großer Sorge verfolge. Ich halte sie nämlich für außerordentlich schädlich. Es wurde jüngst von mehreren Seiten - auch von Ihnen, Herr Bullerjahn - vorgeschlagen, die neuen Länder sollten teilweise entschuldet werden, da sie nicht in der Lage seien, ihre Haushalte aus eigener Kraft zu konsolidieren. Wie gesagt, ich halte diese Debatte für außerordentlich gefährlich. Ein Land, das nicht mehr in der Lage ist, seinen Haushalt zu konsolidieren, ist ein Sanierungsfall.
Wenn Sie, Herr Bullerjahn, in Ihrem so genannten Zukunftspapier die Forderung aufstellen, man müsse mit dem Bund über eine Teilentschuldung Sachsen-Anhalts verhandeln, dann ist das letztlich nichts anderes als das Eingeständnis, dass man den Weg zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gehen will, um auf eine Haushaltsnotlage zu klagen. Alles andere wäre juristische Träumerei.
Dieser Weg ist allerdings völlig aussichtslos; denn er würde einen Präzedenzfall schaffen. Mit welchem Recht können ostdeutsche Länder eine Entschuldung für sich beanspruchen, während dies für ähnlich hoch verschuldete alte Länder nicht gelten soll? Ich denke zum Beispiel an Schleswig-Holstein. Abgesehen davon müssten die Mittel für die Entschuldung letztlich aus dem Steueraufkommen der alten Bundesländer aufgebracht werden. Meine Damen und Herren! Das ist gefährliche Träumerei. Diese sollten wir lassen.
Übrigens würde so etwas auch ein Eingeständnis darstellen, das höchst gefährlich für das Rating des Landes ist - mit drohenden Folgen wie einer höheren Zinsbelastung und damit einer weiteren Belastung des Haushalts. Es würde darüber hinaus dem Image des Landes schweren Schaden zufügen; potenzielle Investoren würden sich abwenden.
Meine Damen und Herren! Wir, das Land Sachsen-Anhalt, haben an den internationalen und den nationalen Kapitalmärkten durchaus einen guten Ruf, ein Vertrauenskapital entwickelt. Wir sind eben - entschuldigen Sie den sehr weitgreifenden Vergleich - keine zentralafrikanische Republik, für die ein Schuldenerlass kaum Nachteile bringt, weil sie auf dem internationalen Kapitalmarkt ohnehin keine Kredite bekommt. Wir sind ein angesehenes Land. Wir wollen es bleiben. Deswegen muss dieses Gerede aufhören, meine Damen und Herren.
Im Übrigen empfehle ich Ihnen, sehr geehrter Herr Bullerjahn, sich über dieses Thema mit meinem Kollegen und Ihrem Parteifreund Herrn Finanzsenator Dr. Sarrazin in Berlin zu unterhalten; denn von ihm würden Sie erfahren, dass die Erklärung einer Haushaltsnotlage ein Land nicht davor bewahrt, schmerzhafteste Einschnitte in allen Bereichen seiner Ausgaben vorzunehmen. Die Bereiche, die Sie, Herr Bullerjahn, laut Ihrem Zukunftspapier
verstärkt fördern wollen, kann Herr Sarrazin schon lange nicht mehr finanzieren. Ich zitiere einmal kurz aus Ihrem Zukunftspapier:
„Finanzierungsprogramm zur Sanierung von Schulen, internationale Profilierung von Hochschulen, Bereitstellung von Fördermitteln für eine ausreichende Unterstützung des Mittelstandes, Finanzierung eines hochwertigen kulturellen Angebots,“
- Aber ich rede nicht davon, dass dieses Land ein Sanierungsfall ist, das eine Teilentschuldung braucht.
Das ist es doch. Ich handele am Kapitalmarkt verantwortungsvoll und Sie tun das nicht. Das ist der Unterschied.
All das, was ich genannt habe, ist in Berlin längst - - Sprechen Sie mit Herrn Sarrazin. Das ist außerordentlich aufschlussreich. Er ist ein kenntnisreicher Mann, der in Berlin mit der Konsolidierung oder dem Versuch der
Sprechen Sie mit ihm! Sie werden sehen, dass das, was in Berlin gemacht wird, alles andere als ein Zuckerschlecken ist. Die drastischen Einschnitte gerade in den von Ihnen genannten Bereichen gehen weit über das hinaus, was wir uns hier zumuten. Deswegen müssen wir die Dinge aus eigener Kraft lösen.
Meine Damen und Herren! Ich will eines noch einmal ganz deutlich auch in diesem Zusammenhang sagen - dies ist in der Tat in dieser Legislaturperiode die letzte große Debatte über unseren Haushalt -: Wenn wir etwas in die Zukunft blicken - Sie, Herr Bullerjahn, tun das gern -, dann taucht gelegentlich die Vorstellung auf - Sie haben es auch in Ihrem Papier wieder gebracht -,
man müsse diese Probleme, weil man sie nicht selbst lösen kann, anschließend in ein Bundesland Mitteldeutschland einbringen und lösen.
Auch in dieser Hinsicht kann ich genauso wie bei der Entschuldung nur vor Illusionen warnen. Ob eines Tages in ferner Zukunft tatsächlich ein Land Mitteldeutschland auftaucht, ist eine ganz andere Frage. Über diese kann man sich vernünftig unterhalten.
Wenn jemals eine Diskussion in diese Richtung entsteht, dann müssen wir sie als patriotische Sachsen-Anhalter von einer Position der Stärke aus führen und nicht mit einer Konkursmasse, mit der wir von den Sachsen über den Tisch gezogen werden.
Meine Damen und Herren! Es liegt ohne jeden Zweifel in den nächsten Jahren noch ein schwerer Weg bis zur vollständigen Gesundung der Landesfinanzen vor uns.
Er wird ohne jeden Zweifel schmerzliche Opfer erfordern. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir uns aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien können und werden - vorausgesetzt wir gehen diesen Weg konsequent weiter und eine neue Bundesregierung macht ihre Hausaufgaben, um uns größere Spielräume sowohl in finanzieller Hinsicht als auch in Bezug auf die Entwicklung einer eigenen Wirtschaftskraft zu verschaffen. Diesbezüglich brauchen wir mehr Spielräume.
Dann bin ich mir sicher, dass wir Stück für Stück dort hinkommen, wo wir hin müssen, nämlich in eine gesunde Haushaltslage. Wir haben in dieser Legislaturperiode ohne jeden Zweifel eine vernünftige, eine solide Grundlage für diese Entwicklung gelegt, auch wenn die äußeren Umstände aufgrund der enormen Steuerausfälle extrem schwierig waren.
Meine Damen und Herren! Aus meiner Sicht - damit möchte ich zum Schluss meiner Rede kommen - sind wir moralisch dazu verpflichtet, diesen Weg aus eigener Kraft zu gehen. Es geht bei dieser Angelegenheit nicht nur um das Land Sachsen-Anhalt. Es geht hier im Kern
- das sage ich nur wenige Tage nach dem 15-jährigen Jubiläum der deutschen Einheit; ich war selbst in Potsdam und habe den Feierlichkeiten als Vertreter der Landesregierung beigewohnt - um die Vollendung der deutschen Einheit.
Für dieses Ziel haben große demokratische Politiker leidenschaftlich gearbeitet, jeder auf seine Art; in den frühen 50er- und 60er-Jahren Konrad Adenauer, Kurt Schumacher und Theodor Heuss, später Willy Brandt, Helmut Kohl und natürlich der Sachsen-Anhalter HansDietrich Genscher. Wichtiger ist vielleicht noch zu erwähnen, dass dafür jene Menschen in der friedlichen Revolution des Jahres 1989 gekämpft haben, die für Freiheit und für Verantwortung in einem vereinten Deutschland auf die Straße gegangen sind.
Für lähmenden Fatalismus darf da kein Platz sein, wohl aber für eine tätige Zuversicht und einen realistischen Blick für die Möglichkeiten und Chancen, die die Zukunft bietet. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister, für die Abgabe der Regierungserklärung. - Meine Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Südtribüne Damen und Herren des Studieninstitutes Magdeburg sowie Seniorinnen und Senioren der evangelischen Kirchengemeinde Kalbe (Mil- de). Herzlich willkommen!
Der Ältestenrat schlägt die Redezeitstruktur E und damit eine Debattendauer von 129 Minuten vor. Die Reihenfolge und die Redezeiten sind wie folgt festgelegt worden: SPD 20 Minuten, CDU 38 Minuten, Linkspartei.PDS 20 Minuten und FDP 13 Minuten. Die Aussprache eröffnet die SPD-Fraktion. Ich erteile dazu der Abgeordneten Frau Krimhild Fischer das Wort. Bitte sehr, Frau Fischer.