Protokoll der Sitzung vom 06.10.2005

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Herr Bullerjahn, SPD: War das ein Angebot? - Zuruf von Herrn Czeke, Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Der Aufbau Ost in SachsenAnhalt geht weiter. Sachsen-Anhalt hat weiterhin ein Investitionsniveau, das - pro Kopf gerechnet - etwa doppelt so hoch ist wie im Durchschnitt der alten Länder. Die Einnahmeausfälle und die Konsolidierungszwänge haben aber in Sachsen-Anhalt wie auch in allen anderen neuen Ländern in den letzten Jahren einen schrittweisen Rückgang erzwungen.

In Sachsen-Anhalt wurde in den vergangenen Jahren und wird mit dem Doppelhaushalt weiterhin vor allem in jene Nachholbereiche investiert, die das DIW-Gutachten aus dem Jahr 2000 zu Recht als besonders wichtig bezeichnet hat. Hierbei sind insbesondere die Hochschulen und die Forschung sowie die Verkehrsinfrastruktur zu nennen. Dies wird in den Fortschrittsberichten der Jahre 2002, 2003 und 2004 ausführlich dargestellt; darauf brauche ich an dieser Stelle nicht einzugehen.

Der infrastrukturelle Aufholprozess in Sachsen-Anhalt wird weitergehen. Aber - das muss an dieser Stelle gesagt werden - wir werden es uns auch im investiven Bereich nicht mehr leisten können, alles zu fördern, was man theoretisch fördern könnte. Nur das, was das Land wirtschaftlich voranbringt und geeignet ist, die hohe Arbeitslosigkeit zu vermindern und mittelfristig zu beseitigen, wird in Zukunft noch gefördert werden.

Diese Messlatte, die wir bereits an die vergangenen Haushalte angelegt haben, werden wir in Zukunft noch strikter handhaben müssen. Auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung ist eine Fortführung der Diskussion zur weiteren Gestaltung staatlicher Leistungen unerlässlich.

Dies ist im Übrigen nicht nur ein Problem der neuen Länder. Die Diskussion, insbesondere die zu den bundesgesetzlichen Leistungen, muss daher weiterhin auch Länder übergreifend sowie mit dem Bund geführt werden. Im Ergebnis muss ein Subventionsabbau stehen. Es müssen alle Möglichkeiten der Privatisierung staatlicher Leistungen genutzt werden.

Meine Damen und Herren! In der kommenden Legislaturperiode werden in der Finanzpolitik neben die Weiterführung des Personalabbaus und die Fortsetzung der Verwaltungsreform verstärkt auch neue Schwerpunkte treten. Wir werden noch mehr Deregulierung im Geset

zes- und Richtlinienbereich brauchen, und zwar auf der Bundesebene und auf der Landesebene.

Wir werden neue Steuerungsinstrumente in der Haushaltsführung und ein zentrales Controlling beim Fördermitteleinsatz entwickeln und anwenden. Und wir werden - das ist vielleicht das Wichtigste - Förderprogramme von einer Zuschussvergabe auf die Darlehensgewährung umstellen, und zwar vor allem mit Unterstützung der Investitionsbank Sachsen-Anhalt.

Gerade in Bezug auf die Kreditversorgung des Mittelstandes zu Markt- und auch zu Förderkonditionen hat die Landesregierung in dieser Legislaturperiode maßgebliche Weichen für die Zukunft gestellt. Aus dem Landesförderinstitut wurde die Investitionsbank. Ziel der Landesregierung ist es, mit dieser Bank neue Förderwege zu erschließen und am Kapitalmarkt zu refinanzieren.

Trotz anfänglicher Kritik - auch aus dem Bereich der Geschäftsbanken - konnte sich die Investitionsbank als verlässlicher Partner am Markt etablieren. Ihre Rolle und ihre Bedeutung wird in der Zukunft noch deutlich wachsen; sie ist gerade erst 18 Monate am Markt.

Daneben hat sich Sachsen-Anhalt zusammen mit den Sparkassen des Landes aktiv an der Neuausrichtung und der Kapitalerhöhung der NordLB beteiligt, und zwar auch und gerade als Landesbank für Sachsen-Anhalt. Auch die Sparkassen sind gut aufgestellt und werden im Rahmen der Kreisgebietsreform zukunftsfähige Größenstrukturen erhalten. Die regionale Verankerung unserer Sparkassen ist ein wichtiger Bestandteil der Kreditversorgung in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren, und zwar vor allem für den Mittelstand.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Meine Damen und Herren! Sie sehen, diese Landesregierung hat die Weichen für Veränderungen gestellt, die den Landeshaushalt entlasten. Dazu zählt auch die Kreditversorgung des Mittelstandes zu Förderkonditionen. Dabei haben wir in den allermeisten Bereichen keine Unterstützung von der Opposition gehabt. Ich erinnere nur an die Diskussion um das Kinderförderungsgesetz, an die Privatisierungen, an die Verwaltungsreform und an viele hitzige Debatten um Etatkürzungen, die von der Opposition fast durchweg abgelehnt wurden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich sage trotzdem ganz klar und deutlich: Alle Maßnahmen werden nicht ausreichend sein, um den Landeshaushalt dauerhaft ohne Verschuldung zu finanzieren, wenn wir nicht in Deutschland insgesamt bessere Rahmenbedingungen bekommen. Die neue Bundesregierung, wie auch immer sie aussehen wird, wird in der Pflicht sein, durch mutige Reformen das Wirtschaftswachstum bundesweit zu verbessern, damit das Steueraufkommen spürbar steigt, und zwar ohne schädliche Erhöhung der Steuersätze. Sie wird in der Pflicht stehen, die Belastungen der Landeshaushalte aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften abzubauen, und sie wird in der Pflicht sein, auf Bundesebene Reformen auf dem Arbeitsmarkt durchzuführen, die das Land und letztlich auch seine Kommunen entlasten. Dann und nur dann werden unsere Anstrengungen Erfolg haben, eine Gesundung der Landesfinanzen auch dauerhaft und nachhaltig zustande zu bringen, meine Damen und Herren.

Die Landesregierung hat in der letzten Woche den Fortschrittsbericht 2004 für das Land Sachsen-Anhalt vor

gelegt. Wie in jedem Jahr wurde auch diesmal vom Bund und von einigen anderen der Vorwurf erhoben, die neuen Länder und insbesondere Sachsen-Anhalt würden die Solidarpaktmittel, die ihnen zur Verfügung stehen, nicht ordnungsgemäß einsetzen, sondern für Personalausgaben und andere konsumtive Ausgaben verschwenden.

Wie Sie der Presse entnehmen konnten, habe ich mich bereits öffentlich gegen diesen Vorwurf verwahrt. Ich möchte aber auch an dieser Stelle die Gelegenheit dazu nutzen, die dringend erforderliche Klarheit in diese für die neuen Länder zentrale Debatte zu bringen.

Zunächst einmal ist zwischen den erreichten Fortschritten beim Aufbau Ost und dem rein mechanischen rechnerischen Verwendungsnachweis für die SonderbedarfsBundesergänzungszuweisungen ganz klar zu unterscheiden. Die SoBEZ - gestatten Sie mir dieses Kürzel als Ersatz für das Wortungetüm Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen - werden den Ländern grundsätzlich als allgemeine Deckungsmittel zur Verfügung gestellt. Dies war die Absicht des Bundes, als das vorher zweckgebunden orientierte Investitionsförderungsgesetz Aufbau Ost sogar vorzeitig beendet wurde. Um trotzdem einen Überblick über den Mitteleinsatz zu erhalten, forderte der Bund, im Nachhinein eine Verwendungsrechnung zu konstruieren. Im Ergebnis ist das bekannte und ständig fehlinterpretierte Rechenmodell entstanden, mit dem wir derzeit kämpfen.

Bei der Berechnung des Bundes wird zunächst von den nicht aus Drittmitteln finanzierten Investitionen des Landes und der Kommunen die Neuverschuldung abgezogen. Die verbleibende Differenz, die im Übrigen bei einer hohen Neuverschuldung auch negativ sein kann, wird für die Berechnung der ordnungsgemäßen Verwendung der SoBEZ herangezogen. Hinzu kommt noch ein Betrag zum Ausgleich der unterdurchschnittlichen kommunalen Finanzkraft. Das Ergebnis wird zu den tatsächlich empfangenen SoBEZ ins Verhältnis gesetzt.

Meine Damen und Herren! Die daraus resultierende Aussage ist höchst fragwürdig. Eine Anerkennung teilungsbedingter Lasten, wie sie der Gesetzestext ausdrücklich vorsieht, wird bei dieser Methodik überdies völlig vernachlässigt, wie zum Beispiel die 400 Millionen € jährlich für die Zusatz- und Sonderversorgung der DDR oder die von den Ländern übernommenen Verpflichtungen für die Altschulden der kommunalen Einrichtungen der DDR nach dem Altschuldengesetz. Das sind aber enorme Ausgaben, die unser Land belasten. Darum dürfen wir auch darüber reden, ja wir müssen darüber reden.

Wie anfällig der rechnerische Nachweis für methodische Fragen ist, zeigt sich bei der begründeten Anrechnung dieser Lasten einerseits und bei einer periodengenauen Abgrenzung der Zahlen andererseits. So ergibt sich nach unseren Berechnungen anhand der Bundesmethode ein Nachweis von rund 58,5 %. Die Einzelheiten können Sie dem Fortschrittsbericht entnehmen.

In der Presse und von einigen Wissenschaftlern wird immer wieder behauptet, dass bis auf das Musterland Sachsen alle anderen Länder ihre für den Aufbau Ost vorgesehenen Mittel verschwenden würden, anstatt sie zielgerichtet für Investitionen in den Aufbau Ost zu verausgaben. Daraus wird unter anderem die Forderung abgeleitet, dass man die finanziellen Mittel von Ländern, die die Mittel verschwenden, zugunsten der Länder, die

den Nachweis vollständig erbringen, umschichten müsse. Meine Damen und Herren, ich brauche Ihnen nicht zu klären, aus welchem Land diese Forderungen besonders lautstark kommen.

Meine Damen und Herren! Das Berechnungsthema ist ungeeignet, die Fortschritte beim Aufbau Ost in irgendeiner Weise abzubilden. Reflektiert werden hierbei lediglich die Höhe der jährlichen Neuverschuldung und die Zinsbelastung aus der Verschuldung der Vergangenheit. Ohne die Zinsbelastung aus der Verschuldung der vergangenen Jahre könnte Sachsen-Anhalt ebenso wie Sachsen einen fast vollständigen Nachweis erbringen.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Allein aufgrund seiner geringeren Neuverschuldung sticht Sachsen so weit aus den anderen Ländern hervor. Den Vorwurf, Mittel des Aufbaus Ost zu vergeuden, müssen wir uns nicht gefallen lassen; den dürfen wir uns auch nicht gefallen lassen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir sollten stattdessen endlich einmal über die tatsächlichen Fortschritte reden. Fest steht, dass das Investitionsniveau in allen neuen Ländern im Vergleich zu den Westländern mehr als doppelt so hoch ist. Das, was hier mehr investiert wird, ist geeignet, einen Fortschritt beim Aufbau Ost zu bewirken. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Das Bild, das man allgemein in der Öffentlichkeit hat, wonach vor allem Sachsen weit mehr als alle anderen neuen Länder einschließlich Sachsen-Anhalts Investitionen vornimmt, ist schlicht falsch. Bei den gesamten Investitionen in die Infrastruktur liegen, fluthilfebereinigt, alle Länder dicht beieinander. Der wesentliche Unterschied ist allein die Neuverschuldung. Dies hat aber nichts mit dem Fortschritt beim Aufbau Ost zu tun.

Es muss endlich Schluss sein damit, dass ein Land wie Sachsen-Anhalt öffentlich als ein Land der Verschwendung von Mitteln aus dem Solidarpakt diffamiert wird - und das, meine Damen und Herren, bei einem Land, das wie kein anderes neues Bundesland in den letzten dreieinhalb Jahren alles getan hat, um die Erblast früherer Jahre bei den konsumtiven Ausgaben abzutragen. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es bleibt die Frage: Wie stellen sich denn nun die Fortschritte beim Aufbau Ost tatsächlich dar? Ist es nur der von allen gelobte Musterknabe Sachsen, der entsprechende Fortschritte macht, oder gibt es auch aus Sachsen-Anhalt Positives zu berichten?

Der Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung SachsenAnhalts mit der des Freistaates Sachsen zeigt, dass das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner im Jahr 2004 ganz nahe beieinander lag - in Sachsen bei 18 500 €, in Sachsen-Anhalt bei 18 250 €. Beide Länder liegen damit in der Gruppe der neuen Länder vorn. Ebenso trifft dies auf die Zuwachsraten zu, die zwischen 2001 und 2004 erzielt wurden: 7,2 % in Sachsen-Anhalt, 7,1 % in Sachsen. Auch hierbei finden sich beide Länder dicht zusammen, übrigens mit beträchtlichem Abstand zu dem Nächsten - das ist Thüringen - mit 3,9 % und dem Vierten - das ist Rheinland-Pfalz - mit 3,0 %.

In der letzten Woche hat das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt die Ergebnisse des ersten Halbjahres

2005 vorgestellt. Auch hierbei liegt Sachsen-Anhalt bundesweit in der Spitzengruppe. Das reale Bruttoinlandsprodukt ist um 1 % gewachsen, während es in den neuen Ländern insgesamt zurückging, in Sachsen sogar um 0,7 %. Meine Damen und Herren! Hier kann überhaupt nicht die Rede davon sein, dass das Geld, das wir im Rahmen des Solidarpakts investieren, anders oder schlechter investiert ist als das, was die Sachsen investieren. Das muss deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie heute in der „Magdeburger Volksstimme“ nachlesen konnten, dass die Dynamik nachgelassen habe, kann ich an dieser Stelle nur sagen: Nun gut, das sind Zahlen, die sich auf 2004 beziehen. Die neuen Zahlen, die Dynamik des Jahres 2005, habe ich gerade dargestellt. Dabei steht im verarbeitenden Gewerbe Sachsen-Anhalt in ganz Deutschland an der Spitze, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Unruhe bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

- Meine Damen und Herren von der Opposition, ich weiß gar nicht, was es an dieser Stelle so eifrig zu diskutieren gibt. Wir haben im verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2005 einen Zuwachs, was die Bruttowertschöpfung betrifft, von 9,7 %; Sachsen hat einen Zuwachs von 5,3 %. Wir sind auf Platz eins, Sachsen ist auf Platz sechs.

Aber ich sage auch klar: Es gibt natürlich kurzfristige Schwankungen. Wir sollten einen längeren Zeitraum nehmen. Wenn wir uns die Zahlen von 2001 bis 2005 ansehen, dann stellen wir fest, dass Sachsen und Sachsen-Anhalt mit mehr als 20 % ziemlich nah beieinander liegen. Ein Wachstum im verarbeitenden Gewerbe von mehr als 20 % liegt weit über - ich betone: weit über - dem Niveau, das in Westdeutschland erreicht wird. Dort liegt die Steigerung bei etwa 4 %. Deswegen ist es offensichtlich, dass all die Infrastrukturinvestitionen, die wir in dieser Region tätigen, gut angelegtes Geld sind.

(Minister Herr Dr. Daehre: Richtig!)

Damit schaffen wir die industrielle Basis für die Zukunft, damit wir auch später unsere Steuereinnahmen erzielen können.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir werden in den nächsten Jahren den Abstand im Industriebesatz, in der Dichte der wirtschaftlichen Aktivität Stück für Stück reduzieren, minimieren. Das ist durchaus eine realistische Perspektive, die sich derzeit andeutet.

Meine Damen und Herren! Es ist schon etwas kurios, dass wir eine extrem pessimistische Diskussion über den Aufbau Ost gerade in der jüngsten Zeit bekommen, in der wir diese Wachstumsraten im verarbeitenden Gewerbe zu verzeichnen haben, die nur im Gesamtbild etwas dadurch gemindert werden, dass die Bauwirtschaft weiterhin schrumpft - das ist in gewissen Grenzen natürlich - und dass der öffentliche Dienst gleichzeitig Personal abbaut, was auch die gesamtwirtschaftlichen Wachstumszahlen belastet. Dieser Personalabbau - das wissen wir alle; ich habe darüber gesprochen - ist absolut nötig.

Meine Damen und Herren! Meine Prognose ist erheblich positiver als die, die zum Beispiel Herr Bullerjahn jüngst in einem Zukunftspapier vorgelegt hat.

(Herr Dr. Polte, SPD: Wenn man in der Regie- rung ist, sieht man alles positiv! - Zuruf von Frau Kachel, SPD)

Sie, Herr Bullerjahn, gehen davon aus, dass es bis zum Jahr 2015 in Sachsen-Anhalt zu einem weiteren Verlust an Arbeitsplätzen kommen wird. Wir sehen das nicht so. Im Gegenteil: Wir sind zuversichtlich, dass wir wieder ein Wachstum in der Zahl der Erwerbstätigen bekommen - das deutet sich in der jüngsten Zeit bereits an -, ebenso dass wir vor allem im verarbeitenden Gewerbe, das wirtschaftlich so wichtig ist, Wachstum bekommen.

Möglicherweise, Herr Bullerjahn, haben Sie in den Annahmen, die Ihrem Denken an dieser Stelle zugrunde liegen, unterstellt, dass die SPD die Landtagswahl im Frühjahr gewinnt.

(Heiterkeit bei der FDP)