Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Ja, bitte.

Bitte sehr.

Es ist vielleicht mehr eine Kurzintervention. Herr Jantos, wenn Sie noch einmal nachlesen, was die Gleichstellungsbeauftragten in ihrer Stellungnahme gebracht haben, erkennen Sie sehr wohl, dass auch diese gesagt haben, dass es ein Schritt in die richtige Richtung ist.

(Herr Jantos, CDU: Ja!)

Sie waren sogar bereit, Aufgaben zu übernehmen und den Inhalt des Familienfördergesetzes hinsichtlich der Beratung mit in ihre Arbeit aufzunehmen. Das möchte ich bitte richtig stellen.

Zweitens, zu den Familienverbänden. Diese haben weniger kritisiert, dass sie die eine oder andere Forderung nicht durchbekommen haben. Sie haben kritisiert, dass aus dem Ministerium heraus festgelegt wird, was familienfreundlich ist oder nicht. An dieser Stelle sagen die Familienverbände: Wir sind doch denjenigen, die wissen, was familienfreundlich ist. Warum benutzt nicht das Ministerium unsere Kompetenz dazu, um Familienfreundlichkeit zu demonstrieren oder zu prüfen?

Frau Fischer, in der weiteren Arbeit werden wir selbstverständlich die Familienverbände noch stärker einbeziehen.

Zu den Gleichstellungsbeauftragten. Es ist richtig, was Sie sagten. Auch das wird in der Zukunft bei der weiteren Arbeit an dem Gesetz eine Rolle spielen. - Danke.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Danke sehr, Herr Jantos. - Für die Linkspartei.PDS spricht die Abgeordnete Frau Bull. Bitte sehr.

Meine Damen und Herren! Herr Jantos, das könnte Ihnen so passen - uns hier einfach Familienfeindlichkeit zu unterstellen und gut ist die Sache.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Ich will eines vorausschicken - eigentlich wollte ich es mir verkneifen -: Dass Familienpolitik auf der Tagesordnung steht, ist sehr wohl ein Verdienst der Landesregierung. Aber, meine Damen und Herren, was Sie vorgelegt haben, das wird diesen Maßstäben mit Sicherheit nicht gerecht.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Es musste irgendetwas her, das Schlagzeilen macht und das parlamentarische Beschäftigung erzeugt. Das ist Ihnen auch gelungen, keine Frage. Aber wie wirksam das Gesetz ist, das kriegen Sie heraus, wenn sich einmal jeder fragt, was eigentlich passiert, wenn dieses Gesetz den Landtag nicht passieren würde. - Nichts, meine Damen und Herren, niente.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

Familienverbände würden weiter gefördert, die Stiftung „Familie in Not“ würde weiterarbeiten, die Förderprogramme würden weiterlaufen, die sozialen Beratungsstellen würden weiter gefördert. Mit Verlaub, meine Damen und Herren, sogar das KiFöG würde weiterhin gelten.

(Zuruf von Herrn Kosmehl, FDP)

- Richtig. Deshalb brauchen wir das Gesetz nicht. Ganz genau so ist es.

Im Großen und Ganzen hat der liberale Familienminister ein strukturkonservatives Gesetz vorgelegt. Genau das ist der Grund, weshalb wir nicht zustimmen werden; denn auch nicht die Bedeutung der einzelnen Maßnahmen wird dadurch größer, weil überall der Haushaltsvorbehalt steht, meine Damen und Herren. Das heißt, wir werden über jeden einzelnen dieser Bestandteile bei Haushaltsverabschiedungen erneut beraten.

(Herr Tullner, CDU: Aber das machen wir ganz genau!)

Nun könnte man sagen, dass das ein politisches Signal ist - in Ordnung. Meine Damen und Herren, es war immer vom kleinen Schritt die Rede.

(Herr Tullner, CDU: Ein kleiner Schritt für die Menschheit!)

Aber ich denke, auch das ist ein großer Irrtum, weil das vorgelegte Familienfördergesetz nämlich die Chance, eine tatsächliche Reform in Gang zu bringen, die es durch

aus hatte, vertan hat. Das wären dann - mit Verlaub - vielleicht nicht so viele Artikel gewesen, aber ich denke, dass die Wirkung ungleich höher gewesen wäre.

Sie haben die alte Schule der Förderpraxis fortgeschrieben: Man erfinde einen Fördergegenstand, man nehme Geld in die Hand und man bestimme einen Landesbeamten, der das Geld ausgibt. Was Sie damit erreichen, sind nichts weiter als diese traditionellen und eindimensionalen Finanztransfers vom Schreibtisch eines Landesbeamten hin zur geförderten Familie. Was Sie damit nicht erreichen, sind Struktureffekte, meine Damen und Herren, sind Synergien.

Die Ausbeute an Effizienz und Wirksamkeit verhält sich nun einmal umgekehrt proportional zum Abstand zwischen dem Schreibtisch eines Landesbeamten und demjenigen, der gefördert werden soll.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung bei der SPD)

Denn je zentraler eine solche Förderpraxis ist, desto ineffizienter ist sie auch. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Das Ergebnis ist, dass 500 000 €, die in den Haushalt für Familienbildungsmaßnahmen eingestellt worden sind, nicht abfließen. Das weiß hier jeder. Das Ergebnis ist genau so.

Das Stichwort Elternbriefe ist schon gefallen. Klar, es ist eine freundliche Geste, meine Damen und Herren. Aber diejenigen, die diese Hilfe bekommen und sie lesen könnten, brauchen sie nicht; sie gehen ohnehin in die Bibliothek und wissen das alles schon. An denjenigen, die wirklich Hilfe brauchen, gehen Sie mit diesen Briefen vorbei. Zu denen finden Sie gar keinen Zugang. Für solcherlei Briefe können Sie eine Internet-Seite aufmachen. Die gibt es noch und nöcher.

Wir haben ein halbes Dutzend Beratungsstellen, meine Damen und Herren. Wir haben gleichermaßen ein halbes Dutzend Zuständigkeiten. Wir haben ein halbes Dutzend unterschiedliche Förderungsprogramme und gleichzeitig noch ein halbes Dutzend unterschiedliche Finanzierungsformen. Wir fördern ein Vor-sich-hin-Wursteln nunmehr auch in diesem Bereich - Konkurrenz statt Kooperation.

Die Festschreibung dieser Praxis im Familienfördergesetz - das ist unsere Argumentation - ist eine vertane Chance, genau diese Praktiken endlich zu durchbrechen und zur Kenntnis zu nehmen, dass Familienpolitik vor Ort stattfindet, dass man dort die Wirksamkeit verbessern kann, dass man dort die soziale Infrastruktur vernetzen kann,

(Herr Tullner, CDU: Sie reden es nur mies!)

dass dort Beratungsangebote unter einem Dach möglich sind, dass man dort, wenn Gelder vorhanden sind, tatsächlich vorhandene Bedarfe fördern kann.

Ich will es zum Schluss an zwei Beispielen deutlich machen. Sinn macht nach unserer Auffassung die Einführung und Förderung von regionalen und kommunalen Familienpässen. Sie können kulturelle und soziale Angebote in der Region vernetzen - private Anbieter gibt es dafür genügend - und können dann mit dem Geld der Kommune und des Landes auch solche Angebote einkaufen, zum Beispiel für Familien aus den unteren Einkommensgruppen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Bull?

Nein, jetzt nicht. - Eine zweite Möglichkeit wäre - sie ist bei Herrn Jantos auch angeklungen -, die 8,3 Millionen € für die gesamte Palette der Beratungsstellen zu kommunalisieren, zusammenzufassen und zweckgebunden an die Kommunen zu geben. Dann bekommen Sie wirklich Synergien hin, dann bekommen Sie Struktureffekte hin. Das wären tatsächlich ehrgeizige und sinnvolle Projekte gewesen. Die könnte man dann wirklich ernst nehmen.

Was jetzt vorliegt, meine Damen und Herren, ist Lyrik, ist eine Willensbekundung, alles so weiter zu machen wie bisher. Das mutet so ein bisschen an wie bei dem Märchen von des Kaisers neuen Kleidern: Alle stehen herum und murmeln, keiner traut sich zu sagen, der hat nichts an oder, in diesem Falle, da ist nichts drin.

Wir werden dem Familienfördergesetz aus diesem Grunde nicht zustimmen. Wir werden uns dort der Stimme enthalten, wo es sich um alte Hüte handelt. Wir werden dagegen sein, wo es Zentralismus in neuer Form gibt, und wir werden an einer Stelle dafür stimmen.

(Oh! bei der CDU)

Das sind die Neuregelungen zum Unterhaltsvorschussgesetz; denn das ist tatsächlich ein vernünftiger Ansatz, um Familien- und Sozialpolitik zu kommunalisieren.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gestatten Sie jetzt eine Nachfrage? - Nein, keine Nachfrage. Als letzte Debattenrednerin wird die Abgeordnete Frau Seifert für die FDP-Fraktion sprechen. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird dem vorliegenden Gesetzentwurf zustimmen. Wir machen mit dieser Entscheidung deutlich, dass wir zu einem gesellschaftlichen Klima beitragen wollen, in dem die Menschen Kinder als wichtigen und unverzichtbaren Teil des Lebens verstehen. Wir wollen das Signal aussenden und die Gewissheit vermitteln, dass Familie wichtig ist, dass Verantwortung füreinander wichtig ist und dass dies unsere Anerkennung findet.

Dieses Ansinnen wurde mehrheitlich positiv aufgenommen. Ich verweise auf die Anhörung im Landtag und die Stellungnahmen der Verbände und der kommunalen Spitzenverbände zu dem Gesetzentwurf. Selten habe ich eine Anhörung zu einem Gesetzentwurf erlebt, bei der alle Angehörten dem Grundanliegen des Gesetzes zustimmten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die anhaltende Tendenz der demografischen Entwicklung fordert uns geradezu auf, eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft zu propagieren. Aber ein Anliegen gerade meiner Partei ist es, dass sich keiner für seine persönliche Lebensplanung mit Kindern oder ohne Kinder entschuldigen muss.

Die einzige aus meiner Sicht vertretbare Aufgabe des Staates kann es sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, und zwar solche Rahmenbedingungen, die es Frauen und Männern ermöglichen, ihren Kinderwunsch in freier Entscheidung ohne unfaire Nachteile für sich umzuset

zen. Das gesellschaftliche Umfeld von Familien ist deshalb so zu gestalten, dass es zur Realisierung des Kinderwunsches und des Wunsches nach der Übernahme von Verantwortung beiträgt.

Familien- und Kinderfreundlichkeit ist bei allen Entscheidungen von Politik und Wirtschaft stärker zu berücksichtigen. Familienpolitik ist Bevölkerungspolitik. Bildungs-, Wohnungs-, Gesundheits-, Senioren- sowie Kinder- und Jugendpolitik, also alle Politikfelder, sollten familienfreundlichere Rahmenbedingungen fördern. Das ist in meinen Augen eine moderne Familienpolitik, und dem wird das Gesetz gerecht.

Dazu ist es einfach wichtig und richtig, eine Diskussion anzustoßen, um in die bestehenden, gut funktionierenden Strukturen den Gedanken der Familienfreundlichkeit in alle Entscheidungen hineinzutragen.