Meine Damen und Herren! Viele von Ihnen haben bereits die vorangegangenen Entscheidungen im Hinterkopf und stellen neben objektiv-fachlichen auch emotionale Überlegungen an. Ich halte das für verständlich. Auch ich bin als Mensch nicht frei davon.
Ich bitte Sie jedoch eindringlich, der Bedeutung der Entscheidung dadurch Rechnung zu tragen, dass Sie möglichst sachgerecht und objektiv abstimmen. Mit einem Kreissitz Sangerhausen ist eine effektive Verwaltung ohne höhere Kosten und ohne eine Schwächung der Stadt Eisleben möglich. Das hat auch die Anhörung gezeigt.
Ich bitte Sie eindringlich: Wählen Sie die Kreisstadt, die zentraler im Kreisgebiet liegt und die für die Bewohner nachweislich besser erreichbar ist. Bestimmen Sie deshalb Sangerhausen zum Kreissitz. Wählen Sie das einwohnerstärkere Mittelzentrum mit größerer wirtschaftlicher Impulskraft für das Umland. Bestimmen Sie auch deshalb Sangerhausen zum Kreissitz. Wählen Sie die Stadt, die die räumliche Ausgewogenheit in der Region am besten gewährleistet. Bestimmen Sie deshalb Sangerhausen zum Kreissitz. Wir legen unser Schicksal in Ihre Hände. - Herzlichen Dank.
Dann stimmen wir über den Änderungsantrag in der Drs. 4/2493, betreffend § 1, ab, in dem die Lutherstadt Eisleben als Kreissitz gewünscht wird. Wer stimmt zu? - Wir werden wieder zählen. Zeigen Sie die Karte bitte deutlich, sodass es keinen Irrtum geben kann. Das sind 33 Stimmen. Wer stimmt dagegen? - Das sind 43 Stimmen. Damit ist der Änderungsantrag nicht angenommen worden.
Wir stimmen jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab, die Sangerhausen als Kreissitz vorsieht. Ich fasse die Abstimmung wieder zusammen. Wir
stimmen über die selbständigen Bestimmungen, über die Gesetzesüberschrift und über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer stimmt zu? - Das ist eindeutig die Mehrheit, bestehend aus den Koalitionsfraktionen und Teilen der SPD. Wer stimmt dagegen? - Es gibt eine Gegenstimme von Herrn Jantos. Wer enthält sich der Stimme? - Weite Teile der SPD-Fraktion und der PDSFraktion. Damit ist auch dieses Gesetz beschlossen worden.
- Ich beabsichtige, den Tagesordnungspunkt 1 zum Abschluss zu bringen, ohne zwischendurch eine Pause einzulegen.
Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 1 g: Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung des Kreissitzes des Landkreises Saalkreis. Beratungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Drs. 4/2462. Änderungsanträge liegen dazu nicht vor. Der Kreissitz soll Merseburg sein.
Wenn niemand dazu sprechen möchte, können wir darüber direkt abstimmen. Wer stimmt den §§ 1 und 2, der Gesetzesüberschrift und dem Gesetz in seiner Gesamtheit in der Fassung der Beschlussempfehlung zu? - Die Koalitionsfraktionen und weite Teile der SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Stimmenthaltungen? - Die PDS-Fraktion und Teile der SPD-Fraktion. Damit ist dieses Gesetz mit großer Mehrheit beschlossen worden.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 h auf: Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung des Kreissitzes des Landkreises Salzland. Die Beratungsgrundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres in der Drs. 4/2463. Es gibt zwei Änderungsanträge mehrerer Abgeordneter, zum einen in der Drs. 4/2464, zum anderen in der Drs. 4/2486.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin seit 15 Jahren in diesem Hause und habe schon viele Reden von dieser Stelle aus gehalten, aber ich gestehe: Ich war selten so aufgeregt wie in diesem Moment.
Die Entscheidung, die wir heute treffen, wird viele Menschen für einige Jahrzehnte - davon gehen wir aus - berühren. Wenn wir auf die kommunale Neugliederung zurückblicken, dann können wir feststellen: Es gab zwei Regionen, in denen öffentlich ganz besonders strittig und emotional über die Frage der kommunalen Neugliederung debattiert wurde. Das waren die Region Anhalt und die Region zwischen Harz und Börde. Es gab Bürgerentscheide, Unterschriftensammlungen und vieles mehr.
Wenn wir heute eine gute Entscheidung hinbekommen, dann gelingt es uns, die Emotionen einzufangen und zu berücksichtigen. Eine gute Entscheidung wäre für viele Bürger nachvollziehbar und für die große Mehrheit der Einwohner in dem neuen Kreis akzeptabel. Eine gute Entscheidung ist zugleich ökonomisch sinnvoll.
In der Begründung zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung stehen zwei sehr wichtige Kriterien, die ich herausheben möchte. Zum Ersten heißt es dort:
„Zum anderen sollte die Wahl der Kreisstadt entsprechend der Zielsetzung der Kreisgebietsreform nach dem Kommunalneugliederungsgesetz dem Gesichtspunkt der Identifikationsmöglichkeit der Einwohner Rechnung tragen...“
„Vor dem Hintergrund der generellen Richtung des Kommunalneugliederungsgesetzes, langfristig leistungsstarke kommunale Strukturen zu schaffen, sollte weiteres Ziel auch der Kreissitzwahl sein, bereits aktuell starke Gemeinden noch weiter zu stärken. Maßgeblich ist als Auswahlkriterium daher auch die aktuelle Leistungsstärke der jeweiligen Gemeinde.“
Wenn wir diese beiden wichtigen Kriterien berücksichtigen wollen, müssen wir uns heute für Aschersleben entscheiden. Die Stadt ist als einzige über den ÖPNV und den SPNV aus allen Kreisteilen gut erreichbar und hat gute Verbindungen mit Bus und Bahn in die Oberzentren, was die anderen Städte nicht in dem gleichen Maße vorweisen können.
Darüber hinaus hat die Stadt in dem Punkt der Leistungsfähigkeit einen besonderen Nachweis erbracht. Weder Bernburg noch Schönebeck haben eine Gebietsreform mitmachen müssen. In Aschersleben kann man heute schon sehen, dass die Stadt in der Lage ist, die im Zuge einer Gebietsreform fusionierte Kreisverwaltung aufzunehmen und eine leistungsfähige Infrastruktur anzubieten und gemeinsam mit dem Landkreis vorzuhalten.
Sowohl die Stadt als auch der Landkreis sind Vorbild für das, was wir zum gemeinsamen Ziel der Kreisgebietsreform erklärt haben, nämlich Wirtschaftlichkeit. Die Personalkosten, die Investitionsquote und die Pro-Kopf-Verschuldung in den Haushalten der Stadt und des Landkreises Aschersleben sind vorbildlich und liegen weit besser als der Landesdurchschnitt. Die Stadt Aschersleben hat bewiesen, dass sie eine gute Kreisstadt ist, auch im Zuge einer Gebietsreform.
Ein weiterer Punkt, der eine ganz große Rolle für die Bürger spielen wird, wird sein: Wenn jetzt eine Entscheidung über den Kreissitz getroffen wird, dann werden wieder Gelder von Steuerzahlern für neue Verwaltungsgebäude und ähnliche Dinge ausgegeben. Die Stadt Aschersleben kann für die Aufnahme der Mitarbeiter einer gemeinsamen Kreisverwaltung unter Beibehaltung der dezentralen Dienstleistungsangebote für die Bürger als einzige Stadt bereits ausreichende, moderne Räumlichkeiten in einer Entfernung von zehn Minuten Fußweg zum Bahnhof anbieten, ohne dass neue Gelder in die Hand genommen werden müssen.
Last, but not least lassen Sie mich auf einen weiteren Punkt eingehen, der ebenfalls eine große Rolle spielt. Wir haben in unserer Region einen Bürgerentscheid pro Harz gehabt. Wir wissen, dass in diesem neuen Landkreis aus dem Bereich Altkreis Aschersleben in den Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften Aschersleben, Seeland und Falkenstein 80 bis 90 % der Bürger in den Harz wollen und dies nun nicht können.
Würde Aschersleben von Ihnen heute als Kreissitz bestimmt werden, würde das bedeuten, dass wir es, ob
wohl die Zuordnung nicht dem Wunsch der Mehrheit der Bevölkerung in diesem Teil des neuen Landkreises entspricht, heute schaffen würden, vor allem die Frage der Identifikation mit dem neuen Kreissitz zu lösen. Aschersleben wäre eine leistungsfähige Kreisstadt, die die Zustimmung der meisten Teile in dem neuen Landkreis hätte; denn der Landkreis Aschersleben-Staßfurt bringt nicht nur die größte Fläche, sondern auch die meisten Einwohner in dieses neue Gebilde ein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein gutes Sprichwort sagt: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Die Stadt Aschersleben ist nicht nur die älteste Stadt des Landes, sondern auch ein sehr leistungsfähiger Verwaltungssitz. Ich wünsche mir Ihre Zustimmung und bitte Sie um Ihre Stimme für den Kreissitz Aschersleben.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass jeder seine Kreisstadt auch in dem künftigen Landkreis als Kreisstadt behalten möchte, ist selbstverständlich. Das haben heute alle gesagt. Sie merken es den Leuten auch an, welche emotionale Anspannung heute besteht; denn es ist eine wichtige Entscheidung. Was aber auch wichtig ist: Zum Schluss müssen wir alle als Partner dastehen. Wir müssen nach einer sachgerechten Lösung suchen.
Dass es heute emotional zugeht, ist selbstverständlich. Das ist logisch. Es wäre schlimm, wenn es anders wäre. Zum Schluss müssen wir es aber heute schaffen, die Entscheidung von der emotionalen auf die rationale Ebene zu heben. Wir müssen schauen, wo die Mehrzahl der rationalen Argumente ist. Das muss in die Entscheidung einfließen.
So gesehen kann ich der Landesregierung in den entscheidenden Kriterien zustimmen. Es wird als wesentliches Entscheidungskriterium die Einstufung im Landesentwicklungsplan herangezogen. Zieht man dieses Kriterium Nr. 1 bei uns im neuen Salzlandkreis heran, ergibt sich: Schönebeck ist Mittelzentrum mit Teilfunktionen eines Oberzentrums, Bernburg ist Mittelzentrum und Aschersleben ist Mittelzentrum. Wir merken: Schönebeck hat eine höhere Einstufung, und das sicherlich nicht ohne Grund.
Es gibt aber noch ein zweites Kriterium für den Fall, dass aufgrund des ersten Kriteriums die Entscheidung nicht getroffen werden kann. Das zweite Kriterium ist die Einwohnerzahl. Schönebeck hat mehr als 34 000 Einwohner, Bernburg mehr als 32 000 Einwohner und Aschersleben knapp 26 000 Einwohner. Das heißt, auch das zweite Kriterium spricht für Schönebeck. - Ich brauche das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes, das dabei herangezogen wurde, nicht zu wiederholen. Sie alle haben es gelesen.
Last, but not least gibt es ein drittes Kriterium. Das hat die Landesregierung aus der Tasche gezaubert; in dem niedersächsischen Urteil ist es nicht enthalten. Das Kriterium ist: Die neue Kreisstadt darf keine gemeinsame Gemarkungsgrenze zu einem Oberzentrum haben. Warum? - Es gibt keinen plausiblen Grund für dieses Kriterium.
Hinzu kommt, dass dieses Kriterium einzig und allein für Schönebeck gilt. Gerade die Nähe zum Oberzentrum wird bei der Einstufung im Landesentwicklungsplan zusätzlich honoriert. Jetzt kommt aber dieser Systembruch: Plötzlich soll es ein Nachteil sein. Das heißt, man könnte es genauso gut andersherum betrachten: Die Nähe zum Oberzentrum könnte ein zusätzliches Plus für Schönebeck sein.
Selbst wenn wir Kriterien wie Wirtschaftskraft, Infrastruktur, kulturelle oder touristische Stärken betrachten, spricht sehr vieles für Schönebeck: die ausgezeichnete Anbindung über Bus und Bahn zu allen sachsen-anhaltinischen Oberzentren, Herr Gürth, oder das Wachstum des Industriestandorts, die Automobilzulieferindustrie. Herr Böhmer hat gerade Truppenteile der Presse dorthin geschickt, um ihnen diesen Leuchtturm zu zeigen. Das ist ein beachtliches Zentrum.
Zusammenfassend kann ich also sagen: Aus meiner Sicht, aus emotionaler Sicht spricht alles für Schönebeck. Ich hoffe, auch aus Ihrer Sicht, sprich aus rationaler Sicht, spricht alles für Schönebeck.
Wenn Sie gerichtsfeste Kriterien haben wollen, dann müssen Sie den Kriterien Landesentwicklungsplan und Einwohnerzahl zustimmen. Diese sprechen nun einmal für Schönebeck. Das heißt im Schluss: Eine Entscheidung gegen Schönebeck ist eine Entscheidung gegen die rationalen Kriterien. Aus diesem Grund bitte ich Sie auch im Namen von Herrn Hauser, Frau Grimm-Benne und Frau Dirlich: Stimmen Sie für Schönebeck als Kreisstadt des neuen Salzlandkreises. - Danke.
Vielen Dank, Herr Dr. Schellenberger. - Für Bernburg spricht nun der Abgeordnete Professor Dr. Spotka.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises 22 und namens der anderen für diesen Wahlkreis zuständigen Abgeordneten zu Wort melden und für meine Kreisstadt Bernburg als Kreissitz werben, die, wie Ihnen bekannt ist, im Gesetzentwurf der Landesregierung in beanstandungsfreier und objektiv-sachlicher Abwägung als Kreissitz des neuen Salzlandkreises bestimmt worden ist.
Ich darf wie Herr Jantos darauf hinweisen, dass schon die geschichtliche Tradition der Stadt Bernburg mit ihrem weithin sichtbaren Renaissanceschloss, das als Krone Anhalts bezeichnet und in alten Schriften als das uralte fürstlich-anhaltische Haupt-, Stamm- und Residenzhaus benannt wird, die hervorgehobene Stellung Bernburgs in der anhaltischen Geschichte als politischer, wirtschaftlicher und kultureller Mittelpunkt und als Regierungssitz einer Region zeigt, der Stadtbild und Stadtstruktur geprägt hat.
Besonders hervorheben möchte ich die Ballung der Industrie in und um Bernburg. Diese hohe Industriedichte hebt die Stadt als Wirtschaftsstandort heraus. Bei kaum einer anderen Stadt können Sie, meine Damen und Herren, - bei der Anfahrt aus Richtung Halle in Höhe Löbejün - eine so beeindruckende Skyline industrieller und gewerblicher Bauten sehen wie in Bernburg. Bernburg
verfügt mit seinem Mix aus großen Industrieunternehmen und mittelständischen Betrieben nicht nur über eine nachhaltig leistungs- und zukunftsfähige Wirtschaftsstruktur, sondern in der Kombination günstiger Betriebsgrößenstruktur, von Industrieparks, von Innovationspark und Hochschulstandort mit mittlerweile mehr als 3 500 Studierenden auch über ein dynamisches Entwicklungspotenzial, das weit über die Grenzen hinaus Anziehungskraft entfaltet und ausstrahlt.
Selbstverständlich sind auch die weichen Standortfaktoren, wie Bildungs- und Weiterbildungseinrichtungen, Freizeit- und kulturelle Angebote, in Bernburg mindestens so gut ausgeprägt und attraktiv wie in den beiden anderen genannten Kreisstädten. Insofern ist Bernburg den anderen Städten mindestens gleichwertig. Das alles ist sehr bedeutsam für Ihre Entscheidung, aber noch nicht entscheidungsrelevant.
Meine Damen und Herren! Das Entscheidende - hierbei ist die Landkarte unbestechlich - ist die zentrale Lage und die optimale Verkehrsanbindung Bernburgs in einem neuen Salzlandkreis sowohl an Aschersleben wie auch an Schönebeck. So verbindet die derzeitige Bundesstraße B 185 wie auch zukünftig die Bundesstraße B 6n die Stadt Bernburg mit dem Landkreis Aschersleben-Staßfurt in der Ost-West-Ausrichtung. Parallel dazu wird der Landkreis Bernburg im südlichen Teil noch durch die Bundesstraße B 6 erschlossen, die eine SüdWest-Ausrichtung aufweist.
Die Bundesautobahn A 14 sowie die Bundesstraße B 71 verbinden die Stadt Bernburg mit dem Landkreis Schönebeck. Eine Verbindung der Kreisstadt Schönebeck und der Kreisstadt Aschersleben über eine Bundesstraße ist dagegen nicht vorhanden. Wer von Aschersleben nach Schönebeck oder umgekehrt von Schönebeck nach Aschersleben will, kommt nicht umhin, den Weg über Bernburg als Kreuzungspunkt sowohl der OstWest-Achsen wie der Nord-Süd-Achsen im künftigen Landkreis zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Wenn also Kosteneffizienz und Bürgernähe zentrale Entscheidungskriterien für die Bürgerfreundlichkeit einer Gebietsreform sind, dann prädestiniert sowohl die Zentralität als auch die optimale Verkehrsanbindung Bernburgs vom Standpunkt der zumutbaren Erreichbarkeit und der Bürgernähe Bernburg als Kreissitz. Das kann niemand bestreiten.