Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Auch jenseits der so genannten harten Kategorien gibt es viele gute Gründe, für Oschersleben zu stimmen. Ich möchte an dieser Stelle einige nennen. An diesem Standort sind alle Schulformen vorhanden. Wir verfügen neben staatlichen Schulen auch über ein freies Gymnasium, eine freie katholische Grundschule, eine Musikschule, die kürzlich zum wiederholten Male eine hohe Auszeichnung erhalten hat, und eine moderne Europaschule als Berufsschulzentrum.

Der Sitz des Kreiskrankenhauses befindet sich im Ortsteil Neindorf. Durch die Motorsportarena ist die Stadt Oschersleben weit über die Grenzen hinaus bekannt und zu einem internationalen Tourismusmagneten für Motorsportbegeisterte geworden. Jährlich werden 500 000 bis 600 000 Besucher von den vielfältigen Sportveranstaltungen angezogen. Die Übernachtungszahlen liegen zwischen 35 000 und 45 000 Übernachtungen jährlich.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen in meinen kurzen Ausführungen einige Argumente dafür nennen, dass die Wahl der Stadt Oschersleben als Kreissitz ein gutes Zeichen für den neu entstehenden gemeinsamen Kreis wäre. Ich bitte Sie deshalb um Ihre Stimme für Oschersleben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Brakebusch. - Für Haldensleben spricht Herr Geisthardt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass ein jeder für seine Stadt kämpft, ist legitim. Er würde, wenn er es nicht tun würde, denke ich, nicht zu achten sein. Deswegen ist es auch richtig und vernünftig, dass die Kollegen aus Oschersleben für sich werben.

Aber ich spreche hier für Haldensleben. Das tue ich ausdrücklich auch im Namen meines Kollegen Stahlknecht. All die Probleme, die im Vorfeld angesprochen worden sind, werden im Nachgang durch den neuen Kreistag geklärt werden. Damit brauchen wir uns an dieser Stelle gar nicht zu beschäftigen.

Oschersleben und Haldensleben sind liebenswerte Städte und sie haben fleißige Menschen. Ich denke, kein Ort wird an Bedeutung verlieren, wenn er den Kreissitz verliert. Wir haben das im Ohrekreis schon erlebt: Wolmirstedt ist trotz des Verlustes des Kreissitzes eine Perle im Ohrekreis. Ich denke, auch Oschersleben ist eine Perle im Bördekreis - ich sage ganz bewusst „Bördekreis“ - und wird dies auch bleiben.

Die Stadt Haldensleben erfüllt die Kriterien der Landesregierung in hervorragendem Maße. Ich will nicht weiter auf die Kriterien eingehen. Ich sage nur eines: Die Lage ist zentral und die Verkehrsinfrastruktur ist optimal. Der Umstand, dass wir in den letzten zwei Monaten eine große bundesweite Auszeichnung für das Gartenreich bekommen haben, und der bedeutende Dienstleistungs- und Industriestandort sprechen für sich. Ich bitte deswegen um Ihr Votum für Haldensleben. Oschersleben ist eine gute Wahl, aber Haldensleben ist die bessere. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Geisthardt. - Möchte dazu noch jemand sprechen? - Frau Mittendorf, bitte schön. Sie haben drei Minuten Redezeit.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, dass ich als Haldenslebenerin für Haldensleben spreche. Ich denke schon, dass einige Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion wissen, dass ich mich immer für Haldensleben eingesetzt habe.

Ich habe durchaus Verständnis für die Oscherslebenerinnen und Oscherslebener, aber trotzdem muss ich sagen: Die Entscheidung der Landesregierung, Haldensleben vorzuschlagen, ist richtig. Insofern unterstütze ich den Vorschlag der Landesregierung, was für jemanden aus einer Oppositionspartei, wie man weiß, nicht selbstverständlich ist.

Meine Damen und Herren! Das eigentliche Problem besteht darin, dass es gar nicht zu einer Konkurrenzsituation hätte kommen müssen, wenn nicht die regierungstragenden Fraktionen einen anderen Vorschlag gemacht hätten. Insofern kann ich nur hoffen, dass alle Abgeordneten der regierungstragenden Fraktionen und die Mehrheit der Abgeordneten der anderen Fraktionen, so auch

meiner Fraktion, Haldensleben als Kreissitz unterstützen. Denn Haldensleben ist die Stadt, die fast jeder kennt.

(Zurufe von der CDU und von der SPD)

Es ist die Stadt zwischen den Wäldern. Es ist die Stadt der traditionellen Keramik. Es ist die Stadt, von der aus das große Versandhaus Otto seine Waren in die Welt liefert. Haldensleben ist die Stadt, die viele Dinge in sich vereint. Nicht zuletzt: Wer ein Auto fährt - -

(Minister Herr Dr. Daehre: Wenn es bei den Re- gionalkreisen nach der SPD gehen würde, dann wäre Haldensleben keine Kreisstadt mehr, Frau Kollegin! - Beifall bei der CDU - Zurufe von der SPD)

- Herr Daehre, wenn Sie und andere dafür sorgen, dass Haldensleben eine ordentliche Anbindung an die A 14 bekommt, dann haben wir ein zusätzliches Problem gelöst. Sollte es - ich nehme Ihren Einwand auf - irgendwann einmal große Regionalkreise geben, dann wird Haldensleben möglicherweise nicht mehr Kreissitz sein.

(Minister Herr Dr. Daehre: Ei, ei, ei! - Zuruf von der CDU: Bravo! - Weitere Zurufe von der CDU)

Nichtsdestotrotz ist es zum gegenwärtigen Zeitpunkt die richtige Entscheidung. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung für Haldensleben.

(Oh! bei der CDU - Herr Gürth, CDU: Jetzt haben Sie mich aber verunsichert!)

Vielen Dank, Frau Mittendorf. - Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Somit können wir zur Abstimmung kommen.

Ich lasse abstimmen über den Änderungsantrag in der Drs. 4/2484, den § 1 betreffend. Es wird gewünscht, dass Oschersleben Kreissitz werden soll. Wer stimmt zu? - Das werden wir sorgfältig zählen. Es sind 19 Abgeordnete. Wer stimmt dagegen? - Das ist eindeutig die Mehrheit. Das müssen wir, glaube ich, nicht auszählen; es sei denn, es wird gewünscht. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion der Linkspartei.PDS und Teile der SPD-Fraktion. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt worden.

Wir stimmen nun über die §§ 1 und 2 sowie über die Gesetzesüberschrift und das Gesetz in seiner Gesamtheit in der Fassung der Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt zu? - Das sind fast die gesamten Koalitionsfraktionen und Teile der SPD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? - Eine Gegenstimme. Wer enthält sich der Stimme? - Die Fraktion der Linkspartei.PDS und Teile der SPD-Fraktion. Reichen Ihnen die Angaben so, Herr Gallert?

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Völlig in Ordnung!)

- Schön. - Damit ist das Gesetz so beschlossen worden.

Nun kommen wir zum Tagesordnungspunkt 1 d: Entwurf eines Gesetzes zur Bestimmung des Kreissitzes des Landkreises Burgenland (Burgenland-Kreissitz-Ge- setz - BurgenlandKrsG). Es liegt der Gesetzentwurf der Landesregierung in der Drs. 4/2237 vor. Grundlage ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drs. 4/2458. Es gibt dazu einen Änderungsantrag mehrerer Abgeordneter in der Drs. 4/2488. Sie wollen Weißenfels als Kreissitz bestimmen.

Es spricht zunächst pro Weißenfels der Abgeordnete Lienau. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ohne Zweifel ist die Entscheidung über einen neuen und endgültigen Kreissitz für uns Abgeordnete schwierig und wird oft von Bildern und Emotionen geleitet, weil wir sie mit Ausnahme der jeweiligen Wahlkreisabgeordneten aus der Ferne treffen müssen. Daran ändern auch die vielen Schreiben und in den letzten Monaten verfassten Papiere nichts. Denn sie ersetzen nicht den unmittelbaren Eindruck von einer Stadt und einer Region. Jede Partei, die sich für einen Kreissitz engagiert, bevorzugt natürlich ihren angestammten Kreissitz.

Zu Recht hat die Stadt Naumburg bis heute eine Entwicklung im Stadtbild vorzuzeigen, die sicherlich als atemberaubend zu bezeichnen ist und die Menschen aus der Region mit großem Stolz und großer Identifikation erfüllt. Andererseits darf dabei aber auch nicht vergessen werden, dass die Stadt Weißenfels in den 90er-Jahren überhaupt keine Chance hatte, dies auch zu erreichen.

Besondere Gründe hierfür waren sicherlich der Wegfall Tausender von Arbeitsplätzen in der Schuhindustrie sowie in den bekannten chemischen Zentren wie Leuna und Buna. Hinzu kommen sofort erkennbare starke Mängel in der Bausubstanz der Innenstadt. Von diesen sichtbaren und unmittelbar spürbaren Tatsachen waren die Menschen in ihrem Optimismus stark negativ betroffen. Ich habe dies nach meiner ersten Ankunft im Oktober 1990 und in den Vorjahren als Neuzugang selbst erleben müssen.

In der Folgezeit verließen weitere Behörden, wie zum Beispiel das Finanzamt und das Katasteramt, die Stadt. Als die Stadt Naumburg bereits in aller Munde war und ihre vorbildhafte Entwicklung ständig gepriesen wurde und die Ansage in der Stadt „Würde ich bloß in Naumburg wohnen...“ die Runde machte, begann fast unbemerkt in der Stadt Weißenfels eine Aufholjagd.

Mit der Fertigstellung von Straßenanbindungen, die ich als einzigartig in Sachsen-Anhalt bezeichnen möchte, erkannte die Lebensmittelindustrie die logistisch hervorragende Lage und begann zu investieren. Dem folgten der Metallbau, Dienstleistungen sowie das Handwerk. Teile dieser Wirtschaft haben in ihrem Wirken eine europäische Ausdehnung erreicht.

Unterstützend entwickelten sich wieder Sportarten der Breite sowie der Ausnahme, nämlich Uni-Hockey und Basketball - ebenfalls mit einer europäischen Ausstrahlung. Private Bildungseinrichtungen, wie die Wirtschaftsakademie und neuerdings eine medizinische Bildungseinrichtung mit ca. 600 Schülern, forcieren den Schneeballeffekt. Kulturelles Erbe wurde wieder bewusst und mit wiedererlangtem Stolz in der Öffentlichkeit herausgestellt.

Viele Menschen erledigten die zahlreichen Aufgaben ehrenamtlich. Das Selbstvertrauen der Menschen steigerte sich enorm und der Glaube an eine erfolgreiche Zukunft ist heute überall zu spüren. Noch vor vier Jahren wäre eine solche Unterstützerkampagne in der Stadt und in der Region aus meiner Sicht undenkbar gewesen.

Gleichermaßen wuchs aktuell aber auch die Angst, dass man den Menschen wieder etwas nehmen will, nämlich

das nicht ohne Symbolkraft erscheinende Wort „Kreisstadt“, und dies auch noch vor dem Hintergrund der geschichtlichen Tatsache, dass Weißenfels im Gegensatz zu Naumburg seit dem Jahr 1816 ununterbrochen Kreisstadt war.

Wenn eine Maxime der Politik des Landes SachsenAnhalt darin besteht, dass starke Zentren die Regionen und ihre Entwicklung befördern sollen, ist gestalten und nicht verwalten gefordert, kann Wachstum nur durch Wirtschaft, Bildung, Sport und Behörden in engem Verbund entstehen und nicht durch eine Emotion oder ein Bild einer schönen Stadt.

Das Symbol „Kreisstadt“ kann diese positive Entwicklung der Stadt Weißenfels unterstützen. Deshalb sollte hier im Landtag die Entscheidung für das Zentrum des mitteldeutschen Raumes - das ist Weißenfels nämlich geografisch gesehen - ausfallen.

An dieser Stelle, meine Damen und Herren, sei mir noch eine Anmerkung zu den in der Begründung zu dem Gesetzentwurf genannten Kriterien zur Bestimmung des künftigen Kreissitzes erlaubt: So leicht sie scheinbar zu handhaben sind, so schlicht sind sie auch. Die entscheidende Weichenstellung erfolgt durch die Einordnung der jeweiligen Stadt in den Landesentwicklungsplan, die aber bereits vor mehr als zehn Jahren vorgenommen wurde und damit aktuelle Entwicklungen überhaupt nicht erfasst.

Viel entscheidender aber ist, dass die technische Klassifizierung der Städte die Herzen der Menschen nicht erreicht. Sie finden sich in ihr nicht wieder. Die vielen von mir oben genannten Vorzüge der Stadt Weißenfels sollen entgegen den eindeutigen Erwartungen der Menschen keine Rolle spielen. Dabei sind es doch gerade die weichen Kriterien, die eine emotionale Bindung und damit eine Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt ermöglichen.

Wegen der besonderen Entwicklung der Stadt Weißenfels halten wir deshalb einen sachlichen Grund für gegeben, hier ausnahmsweise aus dem festen Kriterienschema auszubrechen und uns für Weißenfels als Kreisstadt einzusetzen.

Erlauben Sie mir zum Schluss einen Hinweis aus dem Sportlerleben. Im Fußball stelle ich den Spielgestalter mit der berühmten Nr. 10 nicht ins defensive Mittelfeld, sondern ins Zentrum des Spielgeschehens. Diese Lebensweisheit sollten wir heute in praktische Politik umsetzen und Weißenfels zur Kreisstadt eines neuen und erfolgreichen Landkreises machen. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Lienau. - Für Naumburg spricht Krimhild Fischer.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Es ist für Sie alle kein Geheimnis, dass ich die ab 1. Juli 2007 geltende Kreisstruktur nach wie vor für zu kleinteilig halte. Ich bin auch nicht einverstanden mit der Vorgehensweise der Landesregierung, deren heutige Kabinettsmitglieder sich im Wahlkampf 2002 gegen eine Gebietsreform in der jetzigen Legislaturperiode

ausgesprochen hatten und dann doch anders agiert haben, wenn auch halbherzig.

(Herr Gürth, CDU: Wir machen genau das, was Sie acht Jahre lang wollten!)

Ich rede trotzdem für den Gesetzentwurf der Landesregierung, der den künftigen Kreissitz des Landkreises Burgenland regelt, weil es mir als Naumburgerin überaus wichtig ist.

(Herr Gürth, CDU: Das hat sich jetzt nicht so an- gehört!)