Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

Meine Damen und Herren! Das Landwirtschaftsaltschuldengesetz eröffnet den landwirtschaftlichen Unterneh

men die Möglichkeit, freiwillig ihre Altschulden in einem einheitlichen Ablöseverfahren durch Zahlung eines nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens bestimmten geringeren Ablösebetrages vorzeitig abzulösen.

Es ist an dieser Stelle unvermeidbar, dass ich ein paar Jahre zurückblicke und Sie kurz gedanklich auf einen Ausflug in die Entwicklung der Personengesellschaften aus steuerlicher Sicht mitnehme. Das Thema, mit dem wir uns beschäftigen, lässt sich gerade nicht auf die bloße Feststellung reduzieren, dass für einige Gesellschafter bei einem Wegfall der Altschulden Einkommensteuer anfällt. Herr Krause, das ist eben nur in einer Gesamtschau wirklich zu bewerten.

Meine Damen und Herren! Viele ehemalige LPG-Nachfolgegesellschaften sind im Wege einer formwechselnden Umwandlung in eine GmbH & Co. KG umgewandelt worden. In den Jahren 1992/1993 schlossen die betreffenden Unternehmen mit den Banken Verträge über den Rangrücktritt von Krediten, die vor dem 1. Juli 1990, also vor der Wirtschafts- und Währungsunion, ausgereicht worden waren. Daraufhin wurden die Kredite nach § 16 Abs. 3 des D-Mark-Bilanzgesetzes nicht als Schuld ausgewiesen, sondern in eine Rücklage nach § 27 des D-Mark-Bilanzgesetzes eingestellt. Das heißt - und das ist der zentrale Punkt -, sie wurden bilanziell als Eigenkapital ausgewiesen.

Mittlerweile sind, häufig altersbedingt, viele der ehemaligen Gesellschafter aus den Unternehmen ausgeschieden. Die ausgeschiedenen Gesellschafter haben Abfindungen erhalten, die meist deutlich unter dem anteiligen Eigenkapital laut Steuerbilanz lagen; denn bei der Beimessung der zu zahlenden Abfindung wurde berücksichtigt, dass eine Auskehrung des buchmäßigen Eigenkapitals, das auf die im Rangrücktritt befindlichen Altkredite entfällt, aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen zum Rangrücktritt nicht möglich ist.

Die verbliebenen Gesellschafter - jetzt wird es ökonomisch interessant - haben die Anteile der ausgeschiedenen Gesellschafter zu einem Kaufpreis erworben, der geringer war als der Buchwert des jeweiligen steuerlichen Kapitalkontos des Ausscheidenden.

Dadurch entstanden bei den ausgeschiedenen Gesellschaftern Veräußerungsverluste. Bei den verbliebenen Gesellschaftern entstand nicht sofort ein gleich hoher Gewinn, sondern sie führten die Buchwerte der Aktiva in der Regel unverändert fort. Dadurch stand weiterhin das gesamte Abschreibungsvolumen zur Verfügung. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt.

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Ah! - Weitere Zurufe von der Linkspartei.PDS)

Meine Damen und Herren! Es konnten Abschreibungen vorgenommen werden. Es entstand also ein ökonomischer Vorteil durch den höheren Buchwert.

Frau Dr. Klein, so ist es nun einmal. Das ist ein ökonomisch relevanter Punkt.

Haben die Unternehmen nun - und das haben sie - von dieser zugelassenen Methode Gebrauch gemacht, so waren, wenn wir auf die Passivseite der Bilanz gehen, so genannte passive Ausgleichsposten steuerneutral einzustellen. Diese passiven Ausgleichsposten sind grundsätzlich - das gilt immer - in späteren Jahren bei der Tilgung der Altkredite betragsgleich erfolgswirksam wieder aufzulösen.

Meine Damen und Herren! Dieses Verfahren - das ist wichtig - war den Steuerpflichtigen bzw. ihren Beratern auch zum damaligen Zeitpunkt bekannt.

Meine Damen und Herren! Die Einkommensteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder beschlossen im April 2005, dass dieses übliche Verfahren auch Anwendung findet, wenn nach dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz Ablösezahlungen geleistet werden. Das heißt, dass die passiven Ausgleichsposten bei der Tilgung durch eine Ablösezahlung nach dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz und dem dadurch bedingten Wegfall der Altkreditverbindlichkeiten erfolgswirksam aufzulösen sind.

Meine Damen und Herren! Das ist an dieser Stelle steuersystematisch zwingend. Ein steuerpflichtiger Gewinn fällt dann an, wenn der passive Ausgleichsposten die Ablösungszahlung übersteigt. Bei der Ablösung der Altkredite nach § 7 des Landwirtschaftsaltschuldengesetzes sind im Vergleich zu dem zu leistenden Ablösebetrag betragsmäßig höhere Kredittilgungen bzw. die vollständige Tilgung möglich, sodass Gewinne anfallen können.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

- Vielen Dank für den fachkundigen Applaus.

(Heiterkeit bei der Linkspartei.PDS - Herr Gallert, Linkspartei. PDS: Darauf würden wir nicht beste- hen!)

Was heißt das nun ökonomisch? Zum einen sind für die bei der Gesellschaft verbliebenen Altkreditverbindlichkeiten durch die Möglichkeit der Ablösung nach § 7 des Landwirtschaftsaltschuldengesetzes Zahlungen in einer geringeren als der ursprünglich angenommenen Höhe zu leisten. Zum anderen hat sich für die verbliebenen Gesellschafter die Höhe der zu leistenden Abfindungen gemindert. Deshalb stellt die erfolgswirksame Auflösung der passiven Ausgleichsposten bei Tilgung bzw. bei Wegfall der Restschuld grundsätzlich keine sachliche Unbilligkeit dar.

Meine Damen und Herren! In den Fällen, über die wir hier sprechen, führt die Zahlung der Ablösesumme, die nach dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz zu leisten ist, damit die Altschulden wegfallen, zu gewinnmindernden Betriebsausgaben. Das ist so bei Kapitalgesellschaften und das ist genauso bei Personengesellschaften. Der Wegfall der Altschulden ist bei beiden Rechtsformen steuerlich erfolgsneutral.

Eine etwaige steuerliche Belastung der Gesellschafter - ich betone es: nicht der Gesellschaft - von Personengesellschaften hat ihren Grund allein in den seinerzeit beim Ausscheiden von Gesellschaftern gebildeten passiven Ausgleichsposten. Es geht hier nicht darum, durch eine grundsätzliche Billigkeitsregel, wie sie der Linkspartei.PDS vorschwebt, Neutralität herzustellen, sondern man würde, wenn man es grundsätzlich so machen wollte, von der Neutralität abweichen.

Meine Damen und Herren! Ich verkenne nicht, dass die erfolgswirksame Auflösung der passiven Ausgleichsposten im Einzelfall zu einer steuerlichen Belastung führen kann, die für den Betroffenen eine erhebliche Härte darstellt. In diesen Fällen haben die betroffenen Steuerpflichtigen die Möglichkeit, unter Darlegung ihrer persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse beim zuständigen Finanzamt einen Antrag auf Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen Billigkeitsgründen zu stellen. Das Finanz

amt kann zum Beispiel die Steuer auch langfristig stunden.

Bereits bei der Beschlussfassung im April dieses Jahres haben die Vertreter des Bundes und der Länder erkannt, dass die steuerlichen Folgen im Einzelfall vor einer Antragstellung auf die Ablöseregelung nach dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz geklärt sein sollten. Deshalb wurde Betroffenen auch die Möglichkeit eingeräumt, zu der Frage, ob eine Stundung in Betracht kommt, schon vor der Antragstellung zur Teilnahme an der Ablöseregelung beim örtlichen Finanzamt eine verbindliche Auskunft einzuholen, um Rechtssicherheit zu erlangen.

Meine Damen und Herren! Nach Auskunft des Landwirtschaftsressorts gibt es in Sachsen-Anhalt elf Unternehmen, bei denen sich die aufgezeigte Problematik stellt. In den Nachbarländern, in Sachsen zum Beispiel, bewegt sich das, so glaube ich, in der Größenordnung von 27. Es ist in unseren Ländern also eine begrenzte Zahl von Fällen. Ich gehe davon aus, dass in allen diesen Fällen für die Gesellschafter über die möglichen Billigkeitsmaßnahmen vertretbare Ergebnisse erreicht werden können.

Meine Damen und Herren! Pauschale Lösungen - das muss ich an dieser Stelle allerdings deutlich sagen -, etwa eine grundsätzliche Billigkeitsregelung, kann es nicht geben. Die Billigkeit muss immer im Einzelfall geprüft werden. Eine grundsätzliche Billigkeitsregelung ist eigentlich schon ein Widerspruch in sich.

Ich möchte deshalb an dieser Stelle sagen, dass ich dem Hohen Hause empfehle, den Antrag der PDS-Fraktion abzulehnen. Ich füge sofort hinzu, dass ich selbstverständlich bereit bin, diese nur knappen und kompakten Ausführungen, die ich soeben gemacht habe, um ein gutes Stück zu erweiterten. Frau Dr. Klein, das können wir im Finanzausschuss gemeinsam mit den Freunden aus der Landwirtschaft machen, um die Sachverhalte einer Klärung zuzuführen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich möchte zu diesem Zeitpunkt feststellen, Herr Krause, dass man sich in enger Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium und in einer kontinuierlichen Abstimmung zwischen den Ländern, nicht nur zwischen den Finanzministern, bemüht hat, diese Dinge wirklich im Interesse der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen vernünftig zu regeln. Mit anderen Worten: Wir werden dafür sorgen, dass in diesem Land keine GmbH & Co. KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommt, weil sie in einer solchen Sondersituation ist. Wenn wirklich vernünftige Billigkeitsgründe geltend gemacht werden können, dann gehen wir auch gemeinsam einen vernünftigen Weg.

Dem Zusatz zu dem Antrag kann ich aus der Sicht der Landesregierung nicht zustimmen, weil er im Grunde wieder zu Ihrem Antrag hinführt. Aber nach dem, was Sie am Ende Ihres Redebeitrages gesagt haben, glaube ich, dass wir zu einer sehr sachbezogenen und fachlich fundierten Diskussion in den Ausschüssen kommen können. Ich freue mich darauf. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Danke, Herr Minister. - Für die FDP-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Dr. Hüskens sprechen. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe bei den Ausführungen von Herrn Krause und von Herrn Paqué ins Rund geguckt und eine Reihe von Reaktionen festgestellt, von grundsätzlicher Flucht über Gähnen bis hin zu Lachen.

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Interesse!)

Ich gehe einmal davon aus, dass es den meisten von Ihnen ähnlich gegangen ist wie mir, als ich angefangen habe, mich mit dem Thema zu beschäftigen. Sie haben nicht wirklich verstanden, worum es gegangen ist.

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Doch!)

Das ist kein Vorwurf. Als ich mich vorbereitet habe, hatte ich riesige Schwierigkeiten, wirklich zu verstehen, worum es geht. Ich glaube, das ist das Problem, das wir haben. Es ist ein wunderschönes Beispiel dafür, dass in Deutschland mit ordentlicher Regelungswut und mit möglichst vielen steuerlichen Regelungen dafür Sorge getragen werden kann, dass zum Schluss eigentlich keiner mehr weiß, welche Auswirkungen welches Gesetz auf welches andere Gesetz hat.

Inzwischen kann man davon ausgehen, dass es, wenn man irgendein Gesetz in der Republik anpackt, auf irgendjemanden Auswirkungen im steuerrechtlichen Bereich hat. Wenn ich eine steuerrechtliche Regelung anfasse, dann kann ich davon ausgehen, dass es irgendwo auch Auswirkungen auf andere Gesetzesbereiche haben wird. Das versteht in dieser Republik keiner mehr. Ich vermute, selbst die Kollegen im Bundesfinanzministerium haben damals, als sie das Gesetz über die landwirtschaftlichen Altschulden mitgezeichnet haben, nicht gesehen, welche Auswirkungen das in der einen oder anderen Form haben könnte.

Was ist eigentlich passiert? - Die Unternehmen haben damals Rangrücktrittsverträge mit ihren Banken abgeschlossen. Es ist für mich schon ein spannender Punkt, dass danach die Altkredite bilanziell als Eigenkapital ausgewiesen werden. Wir haben gestern schon darüber gelästert, dass es nicht schlecht wäre, wenn man die eigenen Schulden als Eigenkapital ausweisen könnte. In der Bilanz ist das aber so. Über den Punkt können wir im Finanzausschuss gern einmal reden.

Bei den Abfindungen für ausscheidende Gesellschafter - Minister Herr Paqué hat gesagt, dass das aufgrund des Alters relativ häufig vorgekommen ist - hat man allerdings sehr wohl berücksichtigt, dass es eigentlich um Kredite handelt und nicht um Geld. Dies hat man entsprechend mindernd bewertet. Das heißt, wenn die verbleibenden Gesellschaften ihre Buchwerte unverändert gelassen haben - das haben sie getan -, dann musste auf der Passivseite der Bilanz ein Ausgleichsposten eingestellt werden, damit alles seine Ordnung hat. Bei einer Tilgung der Altkredite sind diese Ausgleichsposten betragsgleich aufzulösen gewesen, damit die Bilanz auf beiden Seiten ausgeglichen war. Dies gilt auch, wenn nach dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz Zahlungen geleistet werden.

Nun kann es durch die besonderen Regeln, durch den - ich nenne es einmal untechnisch so - Rabatt, den man aus dem Landwirtschaftsaltschuldengesetz bekommen kann, dazu kommen, dass der Ausgleichsposten auf der Passivseite die Summe auf der Aktivseite übersteigt. Dadurch fällt ein Gewinn an, den das landwirtschaftliche

Unternehmen wie jedes andere Unternehmen auch zu versteuern hat.

Nun weiß jeder von uns, dass es außerordentlich ärgerlich ist, wenn das Finanzamt schreibt, dass man Steuern nachzuzahlen hat. Das gilt vor allem dann, wenn die Steuern nicht auf Bargeld, sondern auf eine Wertsteigerung entfallen. Das kann ein Unternehmen genauso wie Privatpersonen schon einmal in die eine oder andere Schwierigkeit bringen.

Deshalb hat das Finanzamt - Herr Minister Paqué hat es ausführlich dargestellt - natürlich eine ganze Reihe von Instrumentarien, die genutzt werden können, um für die Unternehmen oder für eine Privatperson unbillige Härten abzuwenden. Dazu gibt es einen ganzen Instrumentenkasten. In den Schreiben, die an die Unternehmen und an die Steuerberater verschickt worden sind, wurde sehr detailliert auf diese Möglichkeiten hingewiesen.

Wir sollten über diese Aspekte im Ausschuss im Sinne des Änderungsantrages, den wir gestellt haben, ausführlich diskutieren. Vielleicht verstehen wir dann auch noch die eine oder andere Feinheit, die ich jetzt übergangen habe, damit das Ganze hier nicht zu einem steuerrechtlichen Kolloquium wird.

Grundsätzlich - das möchte ich aber noch einmal sagen - sollte das ein weiterer Ansatz sein, um in der großen Koalition in Berlin doch noch Anstrengungen zu unternehmen, das Steuerrecht wenn schon nicht preiswerter für die Leute, so doch zumindest einfacher und durchschaubarer zu machen, damit nicht jeder Bürger bei einer Änderung des Steuerrechts den Eindruck bekommt, den Herr Krause vermittelt hat, nämlich dass das Steuerrecht ungerecht ist und dass das Steuerrecht an sich schon eine unbillige Härte ist. Dann, so denke ich, kommen wir ein Stück weiter. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP)

Es gibt eine Nachfrage, Frau Dr. Hüskens.

Aber gern.

Bitte sehr.

Frau Dr. Hüskens, ohne jetzt daran zu zweifeln: Steuerrechtlich haben Sie alles richtig erklärt.

Ich habe auch echt geübt, ja.