Protokoll der Sitzung vom 08.12.2005

illegalen Drogen zusammen. Der Verbraucherschutz muss daran arbeiten, erst einmal das Zugangsalter zu erhöhen und der Werbeindustrie nicht nur die bestehende freiwillige Selbstkontrolle bei der Werbung abzuverlangen, sondern diese Forderungen auch gesetzlich festzuschreiben.

Zu den weiter zunehmenden Erkrankungen, die auf Umweltbedingungen einschließlich der Lebensstilkonzepte zurückzuführen sind und als Folge einer unzureichenden Verbraucherschutzpolitik zu werten sind, zählen unter anderem Allergien, einschließlich der Inhalations- und Kontaktallergien, Hautkrebs, Schuppenflechte, ernährungsbedingte Erkrankungen, Diabetes Mellitus, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle, oft infolge mangelnder Bewegung und falscher Ernährung, sowie Erkrankungen durch Innenraumluft. Hier ist der Verbraucherschutz gefordert, endlich Gesetzesvorlagen zu schaffen, die über die Zusammensetzung der Innenraumluftbelastungen und deren gesundheitliche Folgen einerseits und deren Vermeidung andererseits informieren bzw. diese Dinge regeln.

Die Diskussionen über Vogelgrippe, SARS und Ähnliches sind als Aufklärung und Prävention notwendig. Aber sie sollten in einer sachlichen Relation zur Problemlage stehen. In diesem Zusammenhang muss nämlich erwähnt werden, dass jährlich immer noch 1,4 Millionen Menschen an Masern erkranken und etwa 20 % daran sterben, dass es noch immer Millionen Leprakranke gibt, denen durch Antibiotika geholfen werden könnte, dass sich in Afrika jedes Jahr Millionen Menschen mit der so genannten Flusskrankheit infizieren und daran erblinden oder dass noch immer Millionen Menschen an Malaria sterben und die Tuberkulose wieder auf dem Vormarsch ist.

Dem Verbraucherschutz muss die Aufgabe zukommen, die Verbraucher über alle Gesundheitsrisiken aufzuklären und ihre Rechte zu stärken. Wenn man zum Beispiel die Rechte des Mediziners denen des Patienten gegenüberstellt, so zeigt sich, dass die einen mehrere Aktenordner füllen, während die anderen in diese dünne Broschüre passen. Der Verbraucherschutz muss in die Lage versetzt werden zu handeln, solange die Menschen noch Verbraucher sind, nicht aber schon Patienten.

Meine Damen und Herren! Nun zu der Lebensmittelsicherheit. Das steht natürlich in einem ganz engen Zusammenhang zu dem zuvor Gesagten. Die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich jederzeit darauf verlassen können, dass alle Produkte und Dienstleistungen gesundheitlich unbedenklich und sicher sind

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS)

und dass ihr Verbrauch keine wirtschaftlich-existenziellen Interessen beeinträchtigt.

Die aktuelle Situation und die Erfahrungen aus dem BSE- und dem Shrimpsskandal belehren uns darüber, dass wir wirklich keinen Grund haben, in Selbstzufriedenheit zu verfallen. Schon damals in der BSE-Debatte haben wir gefordert, dass Lebensmittel, die in den Verkehr gebracht werden - egal, ob sie aus herkömmlicher regionaler Verarbeitung und Produktion, aus ökologischem Anbau oder auch aus Importen stammen -, hinsichtlich möglicher Gefahren für die Gesundheit unbedenklich sein müssen. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit - das sollte man zumindest meinen.

Daher heißt es: Aus der Herkunft und schließlich auch aus dem Preis einer Ware bzw. aus dem Preis von Nah

rungsmitteln darf nicht abgeleitet werden können, ob es sich hierbei um gesundheitlich bedenkliche oder eher unbedenkliche Nahrungsmittel handeln könnte.

Unter den Bedingungen der Globalisierung und Liberalisierung des Agrarhandels sind wir gezwungen, Maßnahmen, aber auch Maßregelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher in völlig neuen Dimensionen zu treffen. Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Lebensmittelsicherheit, dann muss nicht nur die gesamte Lebensmittelkette, sondern auch die gesamte Futtermittelkette in ein engmaschiges Netz der Kontrolle, der Etikettierung, der Nachweisführung und der Rückverfolgung einbezogen werden. Wie die Hausfrau oder der Hausmann an der Fleischtheke muss sich auch der Landwirt bei einem Futtermittelzukauf darauf verlassen können, dass in der Verpackung auch tatsächlich das enthalten ist, was darauf steht.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Shrimpsskandal vor zwei oder drei Jahren. Dessen Spuren konnten damals ausgehend von China bis in die Altmark verfolgt werden. Durch die Presse gingen sofort Schlagzeilen wie „Antibiotikabelastetes Tierfutter in der Altmark“ oder „Agrarunternehmen gesperrt“ usw. Das machte sich natürlich gut. Der Zorn der Menschen wurde auf die Bauern und ganz nebenbei auf ein fernes Land in Asien gelenkt. Dass sich auf dem Weg zwischen China und der Altmark eine ganz andere Branche an diesem „Teufelszeug“ eine goldene Nase verdient hat, wurde tunlichst verschwiegen, ähnlich wie bei der BSE-Problematik.

Die jüngsten Vorkommnisse mit umdeklariertem und verdorbenem Fleisch in anderen Bundesländern haben uns nachdrücklich darauf hingewiesen, dass Politik in diesem Globalisierungsprozess mehr denn je gefragt ist. Und sie haben uns auch aufgezeigt, mit welchem kriminellen Potenzial wir rechnen müssen, wenn wir nicht eindeutige, unmissverständliche Regelungen zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher schaffen - und zwar solche Regelungen, die ein Höchstmaß an Transparenz und Kontrolle zulassen und zu deren Durchsetzung es mit Sicherheit nicht wenig Geld bedarf.

Der beste, unbürokratischste, nachhaltigste und kostengünstigste Verbraucherschutz wäre doch dann gegeben, wenn Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Produkten so weit wie möglich in übersichtlichen regionalen Einheiten erfolgen würden,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

wenn also die an der Produktion Beteiligten im weitesten Sinne selbst Verbraucher wären.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Gerade bei Nahrungsmitteln bzw. bei leicht verderblichen Waren deckt sich die Forderung nach einem regionalen Wirtschaftsprinzip durchaus mit der Forderung nach mehr Verbraucherschutz. Wenn Produktion und Verbrauch räumlich zusammenfallen, stehen die Produzenten und die Art, wie sie produzieren, stets unter öffentlicher Kontrolle. Statt ausufernder bürokratischer Schutzmechanismen sollte der dafür notwendige finanzielle Aufwand für die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum genutzt werden.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Nun gibt es das Zehn-Punkte-Sofortprogramm des neuen Bundesministers Herrn Seehofer. Von Verbraucherschützern wird dies allerdings als Augenwischerei kriti

siert, da all die Punkte bereits durch das EU-Recht abgedeckt seien; man müsse das Recht nur ausschöpfen und anwenden.

Ich finde es sehr interessant, dass aus dem Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft nun das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geworden ist. Ein Schalk, wer Arges dabei denkt. Ich hoffe nur, dass diese Prioritätensetzung für die Umsetzung des Sofortprogramms keine nachteiligen Folgen hat und dass sich die Länder und insbesondere unsere Landesregierung nicht von der wachsenden Bedeutung des Verbraucherschutzes abbringen lassen.

Dabei würden wir es begrüßen, wenn es eine eigenständige und ausschließliche Berichterstattung zum Verbraucherschutz im Geschäftsbereich des MS geben würde. Allein die Existenz des Landesamtes für Verbraucherschutz wird es nicht richten.

Die Politik muss erkennen und akzeptieren, dass Verbraucherschutz und Kontrolle durch die Verbraucher Bürgerrechte sind. Ein erster Schritt dahin wäre das Verbraucherinformationsgesetz gewesen, das auf Bundesebene auf den Weg gebracht wurde, dann aber durch die CDU-regierten Länder im Bundesrat verhindert wurde.

Auf eine Anfrage im Bundestag hin hat der damalige parlamentarische Staatssekretär Dr. Thalheim noch im Februar 2005 erklärt, dass der Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes zu einem zusätzlichen Sach- und Personalaufwand und damit zu zusätzlichen Kosten führen würde. Quantifiziert wurden diese Kosten natürlich nicht, aber als Totschlagargument machen sich Kosten immer gut.

Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Rahmen der Anpassung des nationalen Lebensmittel- und Futtermittelrechts an gemeinschaftliche Rechtsakte zunächst vorgesehen war, dass Informationsansprüche der Verbraucher gesichert werden sollten. Im Rahmen des Vermittlungsverfahrens sind jedoch gerade Bestimmungen zur Verbraucherinformation, soweit sie Akteneinsichtsrechte von Verbrauchern gegenüber Behörden betreffen, gestrichen worden.

Vor diesem Hintergrund müssen wir uns nicht nur fragen, was uns die Gesundheit der Verbraucher wert ist, sondern auch wie ernst wir es mit der Verbrauchersouveränität wirklich meinen. Erst wenn wir mehr Verbraucherinformation und Transparenz garantieren, stärken wir die Entscheidungskompetenz und Selbstbestimmung der Verbraucher. Dabei geht es uns nicht darum, die Menschen mit Informationen zuzuschütten, sondern darum, ihnen die Informationen bereitzustellen, die notwendig sind, um tatsächlich Entscheidungen im Interesse der eigenen Gesundheit treffen zu können.

Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung dieses Gesetz nun endlich beschließen wird. Wir werden auf Landesebene in der nächsten Legislaturperiode ein solches Gesetz auf den Weg bringen. Wenn Sie all das, was heute gesagt wurde und sicherlich noch gesagt werden wird, wirklich ernst meinen, dann müsste dieses Vorhaben ohne größere Probleme fraktionsübergreifend beschlossen werden. Nun, warten wir es ab. Aber das, Herr Minister, wäre ein echter Meilenstein auf dem Weg zu mehr Verbrauchersouveränität in Sachsen-Anhalt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Frau Tiedge. Sie haben Ihre Redezeit von 20 Minuten etwas unterschritten. Ich darf gleich die Zeiten für die nachfolgenden Debattenbeiträge nennen: CDU-Fraktion 38 Minuten, SPD-Fraktion 20 Minuten und FDP-Fraktion 13 Minuten.

Meine Damen und Herren! Bevor ich der nächsten Rednerin, der Abgeordneten Frau Vogel, das Wort erteile, begrüßen Sie mit mir auf der Südtribüne Gäste der Landeszentrale für politische Bildung. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Nun, Frau Abgeordnete Vogel, haben Sie für die CDUFraktion das Wort. Bitte sehr.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! „Die gesundheitliche Unbedenklichkeit aller Lebensmittel hat Priorität.“ Dieser Satz aus dem Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung hat schneller aktuelle Bedeutung erhalten, als einem lieb sein kann.

Als hier in Magdeburg die Regierungserklärung zum Verbraucherschutz geplant wurde, war das ganze Ausmaß des erschütternden Gammelfleischskandals noch nicht absehbar. Im Namen unserer und, ich denke, auch im Namen aller anwesenden Fraktionen möchte ich klar feststellen, dass die Missstände im Fleischhandel in keiner Weise akzeptabel und durch nichts zu rechtfertigen sind.

Auch wenn wir in Sachsen-Anhalt keinen konkreten Grund zur Klage haben, fordern wir, dass diesen gewissenlosen Geschäftemachern mit aller Entschiedenheit entgegengetreten wird. Ich freue mich, dass gestern in der „MZ“ die Schlagzeile „Ekel erregendes Fleisch nicht in den hiesigen Läden“ erscheinen konnte. Im dazu gehörenden Artikel war zu lesen, dass in unserem Bundesland kein einziger Verdachtsfall besteht.

Wir begrüßen das Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung der Missstände im Fleischhandel ausdrücklich. Dieses Maßnahmenpaket umfasst ein Zehn-Punkte-Sofortprogramm, angefangen bei der Verbesserung des Informationsflusses zwischen der Bundesebene und den Ländern, über die Ausweitung von Meldepflichten bis hin zur Verbesserung bei den Kontrollen.

Frau Tiedge, das, was Sie vorgetragen haben, ist genau das, was wir immer von Ihrer Fraktion hören, wenn es um Verbraucherschutz geht. Es hatte keine Substanz und kein Konzept. Es war wie üblich nur Panikmache: Die Welt, die ist schlecht, nur die PDS, die ist recht.

Aber ich kann Ihnen versichern, der Verbraucherschutz ist bei unserer schwarz-gelben Landesregierung in guten Händen.

(Zustimmung bei der CDU)

Für uns ist zum Beispiel die Lebensmittelüberwachung nicht nur auf dem Papier von Bedeutung. Vielmehr wollen wir den Menschen tatsächlich die größtmögliche Sicherheit bieten.

Der Verbraucherschutz, genauer der Schutz des privaten Endverbrauchers vor gesundheitsschädlichen, defekten oder gefährlichen Produkten und vor unlauteren Ver

triebsmethoden, unlauteren Geschäftsbedingungen, überhöhten Preisen oder Überschuldung gehört seit Jahren zu den aktuellsten Themen unserer Zeit. Die Gründe hierfür sind nicht schwer zu entdecken. Der Konsum gewinnt in der modernen Gesellschaft eine immer größere Bedeutung; denn mit steigendem Wohlstand wächst die Nachfrage der breiten Schichten nach Waren und Dienstleistungen kontinuierlich. Andererseits machen die Produktvielfalt und das hohe Innovationstempo den Markt in vielen Bereichen unübersichtlich.

Sachsen-Anhalt hat dem Verbraucherschutz durch die Neuorganisation und die Bündelung der meisten Zuständigkeiten im Ministerium für Gesundheit und Soziales und mit der Gründung des Landesamtes für Verbraucherschutz politische Priorität verliehen. Das Landesamt für Verbraucherschutz wurde auf Beschluss unserer Landesregierung mit Wirkung vom 28. Januar 2003 als obere Landesbehörde neu gegründet. Damit ist eine integrative Fachbehörde entstanden, die ressortübergreifend die präventiv ausgerichteten Fachbereiche Hygiene, Lebensmittelsicherheit, Veterinärmedizin und Arbeitsschutz in sich vereinigt.

Die geschaffene Struktur verdeutlicht die Absicht, mit gebündelter Fachkompetenz und modernen Strategien eine effizient arbeitende Behörde für die Verbesserung des Gesundheits-, Arbeits- und Verbraucherschutzes für unser Land zu schaffen. Der Minister hat die Behörde in seinem Statement ausführlich vorgestellt.

Gleichzeitig wurde die Task-Force „Tiergesundheit“ in Lebens gerufen. Die Task-Force würde bei einem solchen Fall sehr schnell an Ort und Stelle sein. Sie ist als Stabsstelle beim Landesamt für Verbraucherschutz in Stendal eingerichtet und arbeitet im Bedarfsfall mit den Tierärzten vor Ort zusammen, um das Geschehen sehr schnell und sehr effektiv zu koordinieren.

Der freie Warenaustausch in der Europäischen Union erfordert in immer stärkerem Maße europaweit einheitliche Standards für die Lebensmittelüberwachung. Die konsequente Umsetzung neuer Anforderungen der Europäischen Union, die die Sicherheit der Lebensmittel vom Acker bis zur Ladentheke umfassen und die erstmals auch die Futtermittel für die Lebensmittel liefernden Tiere einschließen, ist bei den amtlichen Lebensmittelüberwachungen in Sachsen-Anhalt selbstverständlich.

Ebenso selbstverständlich ist die Umsetzung bundesrechtlicher Vorschriften über einheitliche Grundsätze der Länder bei Maßnahmen der Lebensmittelüberwachung hinsichtlich der Kontrolldichte sowie der schnelleren Informationsweitergabe zwischen allen Beteiligten. Angesichts der Vermarktungsgebiete von Lebensmitteln sind ein einheitliches Durchführungsrecht und eine bessere Koordination und Kommunikation zwischen dem Bund und den Ländern sowie insbesondere zwischen dem Bund und der EU notwendig.

Wir sehen aber noch weitere, bisher nur in Ansätzen genutzte Potenziale in der Zusammenarbeit mit privaten Fachleuten beim vorbeugenden Verbraucherschutz. Im Interesse der Bürger und der Betriebe, die die Lebensmittel in den Verkehr bringen, sollten die Chancen besser als bisher genutzt werden, die in der freiwilligen Zusammenarbeit mit Privaten bestehen.

Mögliche Schwachstellen in den Betrieben sollten frühzeitig erkannt und behoben werden, bevor es zu einem Qualitätsverlust bei den Produkten kommt. Das würde Rechtssicherheit für die Betriebe schaffen. Außerdem

würden durch solche präventiven Maßnahmen wirtschaftliche Verluste verhindert werden. Es besteht also ein erhebliches Potenzial, mit dem die Vorreiterrolle Sachsen-Anhalts beim präventiven Verbraucherschutz untermauert werden könnte.