Die erste Beratung fand in der 67. Sitzung des Landtages am 10. November 2005 statt. Berichterstatter ist der Abgeordneten Herr Dr. Schrader. Herr Dr. Schrader, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den in Rede stehenden Gesetzentwurf in der 67. Sitzung am 10. November 2005 in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen. Die Beratung im Ausschuss fand in der 53. Sitzung am 19. November 2005 statt.
Die Landesregierung führte aus, die Ministerpräsidenten der Länder Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt hätten am 20. Oktober 2005 einen Staatsvertrag über die Errichtung der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt unterzeichnet. Die Einrichtung einer mehrere Länder umfassenden Versuchsanstalt beruhe auf der Erkenntnis, dass das forstliche Versuchswesen langfristig gesichert, seine Ergebnisse für die praxisnahe Waldbewirtschaftung effizienter und günstiger bereitgestellt sowie sein forstlicher Stellenwert erhalten und seine Kompetenz erhöht würden. Der Gesetzentwurf bildet die rechtliche Grundlage für die zum 1. Januar 2006 vorgesehene Errichtung der gemeinsamen Einrichtung der genannten Länder.
Während der Beratung im Ausschuss war die Fraktion der SPD interessiert zu erfahren, weshalb der Staatsvertrag mit den Ländern Hessen und Niedersachsen abgeschlossen worden sei. Die Fraktion der Linkspartei.PDS hinterfragte dagegen den Standort der Versuchsanstalt, das Umsetzen von Personal aus Sachsen-Anhalt und die Stimmenverteilung im Steuerungsausschuss. Im Ergebnis der Beratung erarbeitete der Ausschuss die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung.
Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten stimmte dem Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag über die Errichtung der Nordwestdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt in unveränderter Fassung mit 7 : 0 : 5 Stimmen zu.
Ich bitte das Hohe Haus, sich dieser Beschlussempfehlung anzuschließen, und danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Dr. Schrader, für die Berichterstattung. - Meine Damen und Herren! Im Ältestenrat ist vereinbart worden, dazu keine Debatte zu führen. Eine Wortmeldung sehe ich ebenfalls nicht. Dann können wir in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 4/2509 eintreten.
Wir stimmen zunächst über die selbständigen Bestimmungen ab. In Anwendung des § 32 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über die vorliegende Beschlussempfehlung in ihrer Gesamtheit abzustimmen. Verlangt eines der anwesenden Mitglieder des Landtages an irgendeiner Stelle eine getrennte Abstimmung? - Das ist nicht der Fall.
Wer den selbständigen Bestimmungen der vorliegenden Beschlussempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Enthaltung bei den Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD. Damit ist den selbständigen Bestimmungen zugestimmt worden.
Wir stimmen nunmehr über die Überschrift des Gesetzes ab. Diese lautet: „Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Errichtung der Nordwesdeutschen Forstlichen Versuchsanstalt“. Wer dieser Gesetzesüberschrift seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Enthaltungen bei den Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD. Damit ist auch dieser Gesetzesüberschrift mehrheitlich zugestimmt worden.
Wir stimmen nun über das Gesetz in seiner Gesamtheit ab. Wer diesem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Zeichen mit der Stimmkarte. - Zustimmung bei den Fraktionen der CDU und der FDP. Gegenstimmen? - Keine Gegenstimmen. Enthaltungen? - Enthaltungen bei den Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD. Damit ist das Gesetz mehrheitlich beschlossen worden. Der Tagesordnungspunkt 5 ist somit erledigt.
Meine Damen und Herren! Wir treten in die Mittagspause ein. Wir wollen um 13.15 Uhr mit der Plenarsitzung fortfahren.
Meine Damen und Herren! Wir setzen die unterbrochene Sitzung fort. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:
Ebenso wie die Antwort der Landesregierung kennen Sie auch die Redezeiten während der Aussprache und die geschäftsordnungsmäßige Abfolge. Die Fraktionen werden in folgender Reihenfolge sprechen: CDU, SPD, FDP, Linkspartei.PDS. Zuerst hat aber die Fragestellerin das Wort; wir beginnen daher mit dem Beitrag der Linkspartei.PDS. Bitte schön, Herr Dr. Eckert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wäre sehr erfreut, wenn zumindest die wenigen, die hier sind, versuchten zuzuhören.
In dieser Aussprache zur Großen Anfrage „Barrierefreies Sachsen-Anhalt“ spreche ich zunächst insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Ressorts meinen Dank für das Zusammentragen der Daten aus. Zugleich ist festzuhalten, dass die einzelnen Ressorts einen sehr stark differierenden Überblick über die Problematik haben, was möglicherweise mit dem sehr unterschiedlichen Engagement des Führungspersonals zusammenhängt.
Die Antwort der Landesregierung wurde dem Landtag im Sommer übermittelt. Anlass für unseren Antrag, über die Antwort im Dezember beraten zu wollen, ist der Welttag der Behinderten, der am 3. Dezember, also vor fünf Tagen, zum elften Male begangen wurde. Zugleich erlaube ich mir den Hinweis, dass die Linkspartei.PDS die Barrierefreiheit in dieser Legislaturperiode beinahe durchgängig, gewissermaßen als roten Faden unserer Fragen und unserer Aktivitäten gegenüber der Landesregierung, im Landtag thematisiert hat. Beispielhaft verweise ich hierbei nur auf das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen 2003, auf unseren Antrag vom Sommer 2004 und natürlich auch auf die heute zu beratende Große Anfrage.
Resümierend halte ich für die Linkspartei.PDS fest: Fragen der Herstellung und Sicherung der Barrierefreiheit haben enorm an Bedeutung gewonnen, sei es im Zusammenhang mit der Teilhabe behinderter und älterer Menschen und den Möglichkeiten demokratischer Mitwirkung, sei es für die Lebensqualität der Menschen oder auch für die finanziellen Ressourcen des Landes wie auch der Kommunen, aber natürlich auch für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes, beispielsweise für den touristischen Bereich, für die medizintechnischen Ressorts oder für die Hilfsmittel produzierenden Bereiche.
Wir sagen Folgendes: Nur wer die Gesellschaft barrierefrei gestaltet, verwendet die finanziellen Ressourcen effektiv. Nur wer barrierefrei baut, baut sparsam und zukunftsfähig. In diesen Auffassungen sehen wir uns als Partei bestätigt, wenn wir uns außerhalb unseres Landes umschauen. So hat die Europäische Kommission aus Anlass des Welttages der Behinderten am 1. Dezember 2005 Maßnahmen zur Förderung der aktiven Eingliederung behinderter Menschen skizziert. Darin heißt es unter anderem - ich zitiere -:
„Nach dem EU-Konzept der eigenständigen Lebensführung sollten Menschen mit Behinderungen Anspruch auf Maßnahmen haben, die so konzipiert sind, dass ihre Unabhängigkeit, gesellschaftliche und berufliche Integration und Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft sichergestellt werden. Das neue Konzept will von vornherein gegen Barrieren angehen, statt zu warten, bis die behinderten Menschen auf die Barrieren hinweisen.“
Welche Erkenntnisse bringt nun die Beantwortung unserer Großen Anfrage? - In der Vorbemerkung hat die Landesregierung festgestellt, dass heute ein positiver Rückblick auf das Geleistete möglich sei. - Das sehen viele Betroffene sicherlich etwas differenzierter, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Ich meine, das Erreichte war und ist nicht das Mögliche.
Doch unsere Landesregierung sieht die Situation nicht nur insgesamt positiver; offensichtlich bewertet sie auch die Bedeutung von Barrierefreiheit für behinderte Menschen, wie insbesondere in den Vorbemerkungen zum
Ausdruck kommt, ganz anders. Dort wird ausgeführt, dass angeblich - ich zitiere - „für viele Menschen mit zunehmendem Alter und zunehmenden körperlichen Einschränkungen der Wunsch nach selbstbestimmtem Leben notgedrungen an Bedeutung verliert“.
Ich frage: Auf welche Untersuchung stützt sich die Landesregierung bei dieser Aussage? Aus welcher Not sollte der Wunsch nach Selbstbestimmung schwächer werden?
Hat man in der Landesregierung schon einmal davon gehört, dass viele alte Menschen bei Eintritt von Pflegebedürftigkeit häufig sehr lange Widerstand gegen den Umzug in ein Pflegeheim leisten und dass dieser meist nur erfolgt, weil Familien und ambulante Dienste nicht bedarfsgerecht zur Verfügung stehen und vor allen Dingen die Wohnung und das Wohnumfeld nicht barrierefrei sind?
Hat man in der Landesregierung eventuell schon von Kampagnen behinderter Menschen wie „Marsch aus den Institutionen“ gehört, in denen körperlich schwer eingeschränkte Menschen um bessere Bedingungen für ihr Leben vor allem außerhalb von Heimen kämpfen?
Weiter meint die Landesregierung zur Bedeutung von Barrierefreiheit für behinderte Menschen - ich zitiere erneut -:
„Bei anderen kann vollständige Barrierefreiheit unter Umständen dazu beitragen, dass sie Fähigkeiten und Fertigkeiten mangels Trainings verlieren. Deshalb vertritt die Landesregierung die Auffassung, dass eine angemessen gestaltete Barrierefreiheit der hohen Komplexität der Thematik am besten Rechnung trägt.“
Nun habe ich lange darüber nachgedacht, wie ich mir das vorstellen soll. Lassen wir beispielsweise einige Stufen vor dem Wahllokal gewissermaßen als Test für die körperliche und geistige Fitness bestehen? Wer hineinkommt, darf wählen. Oder soll das vielleicht heißen, dass man mit denkmalschutzgerechtem Kopfsteinpflaster den Rollstuhlnutzerinnen die Gelegenheit geben will, ihre Fähigkeit weiterzuentwickeln, den Rollstuhl zu dirigieren? Und was bitte ist nach Auffassung der Landesregierung eine „angemessen gestaltete Barrierefreiheit“? Der Insider kennt dafür DIN-Normen.
Ich halte diese Aussagen der Landesregierung für diskriminierend, aber auch für bezeichnend für die Politik der Landesregierung. Barrierefreiheit ist für die Landesregierung - so mein Eindruck beim Lesen - eher ein marginales und vor allen Dingen ein selektives Problem. Scheinbar sind bestimmte Ressorts von der Problematik gar nicht betroffen.
Ein Beispiel: In der Antwort auf Frage 3 im Abschnitt I wird ausgeführt, dass landesspezifische Analysen erarbeitet werden, die Grundlage für die Erarbeitung des seniorenpolitischen Konzeptes sein werden. Dann heißt es weiter:
„Dabei werden Themen zur Pflegeinfrastruktur, Wohnen (barrierefrei), Verkehr, bürgerschaftliches Engagement, lebenslanges Lernen und Nutzung der Potenziale des Alters bearbeitet.“
Ich kam bei dieser sehr einschränkenden Aufzählung ins Grübeln; denn nach dieser Lesart muss nur beim Wohnen die Barrierefreiheit beachtet werden. Auch die ande
„Trotz aller Bemühungen wird es jedoch auch zukünftig nicht so sein, dass Barrierefreiheit an allen Orten umfänglich und in Verbindung mit den benötigten Serviceangeboten (Ärzten, Therapeu- ten usw.) umfassend vorgehalten werden kann. Für die Behindertenhilfe im Zuständigkeitsbereich des sechsten Kapitels des SGB XII bedeutet dies beispielsweise, ambulante oder betreute Wohnangebote dort vorzuhalten, wo die Infrastruktur es auch - soweit absehbar - zukünftig zulässt, dass die Menschen mit Behinderungen möglichst selbständig leben und sich selbstbestimmt entwickeln können. Je nach Intensität der Behinderung“
Wenn das eine Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Situation wäre, dann wäre das in Ordnung. Aber die Landesregierung gibt hier einen Ausblick auf die Zukunft. Sie hat nach diesen Worten noch nicht einmal das Ziel, überall im Land die Situation so zu verändern, dass alle Menschen möglichst selbständig leben können. Und sie will - so verstehe ich zumindest diese Ausführungen - nur dort aktiv werden, wo die Infrastruktur es auch zukünftig zulässt. Sie will also die Gesellschaft nicht aktiv so gestalten, dass Teilhabe und Mitwirkung ohne Barrieren möglich sein wird. Sie ist - so ist in der Antwort auf Frage 1 im Abschnitt II zu lesen - „bestrebt, die gesetzlichen Anforderungen an die Barrierefreiheit umzusetzen“.
Wer schon einmal eine Beurteilung geschrieben hat, weiß nun tatsächlich Bescheid; denn die Landesregierung bescheinigt sich mit dieser Bewertung unzureichende Leistungen, kennzeichnet ihr Wirken selbst als Versagen.
Sie ist bestrebt! Ich wollte der Landesregierung eigentlich zumindest partiell ein gewisses Engagement nicht absprechen.