Protokoll der Sitzung vom 10.10.2002

Frau Abgeordnete, es gibt eine Frage.

Nein, ich beantworte keine Frage, Herr Präsident. Ich finde, die Opposition sollte die Fakten zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Es trifft auch auf die Saale zu. Die alte Landesregierung hat 40 Millionen DM für den Ausbau des Hafens in Halle investiert. Jetzt geht es noch darum, die letzten 80 cm bei der Staustufe auszubauen. Es geht um eine europäische Wasserstraße. Da geht es um Investitionen. Das Sodawerk in Bernburg ist das einzige Werk seiner Art in Europa, das nicht an einer europäischen Wasserstraße liegen würde, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Ein Stopp des Ausbaus würde deshalb Investitionen und Arbeitsplätze gerade auch für junge Menschen verhindern.

Wir wollen keine Ökodiktatur.

(Lachen bei der SPD und bei der PDS)

Wir wollen Wirtschaft und Umwelt miteinander vereinbart wissen. Wir sagen immer wieder deutlich: Wir wollen, dass dieses Land im wahrsten Sinne des Wortes wieder aufblüht.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! In der Broschüre der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser wurde formuliert:

„Für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger bedeutet jedes Hochwasser eine persönliche Katastrophe, verbunden nicht nur mit erheblichen materiellen Auswirkungen, sondern vor allem auch mit einem Vertrauensverlust in die Sicherheit der eigenen Lebensumstände. Das Vertrauen in die Sicherheit ist ein hohes Gut, das unabhängig von der tatsächlichen Gefährdung ist und dessen Bedrohung teilweise mehr noch als der eigentliche Schaden selbst die Lebensqualität beeinträchtigt.“

Deswegen war es wichtig, dass die Politik mit ihrem schnellen Handeln den Menschen Sicherheit vermittelt hat. Dazu zähle ich aber nicht Versprechen à la Schröder, es werde keinem schlechter gehen als vorher, meine Damen und Herren.

Die Bundesregierung hat gerade in den letzten vier Jahren mit der Chefsache „Aufbau Ost“ dem Osten viel versprochen und nicht gehalten. Das Bild ist durch das schnelle Handeln der Bundesregierung bei der Hochwasserkatastrophe zwar korrigiert worden. Es wird sich aber in den nächsten vier Jahren erweisen, ob das Bekenntnis zum Aufbau Ost echt war. Daran muss sich die rot-grüne Bundesregierung auch von dieser Landesregierung und von den Bürgern dieses Landes messen lassen, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Ich stelle fest, dass die Landesregierung mit der Verabschiedung des Aufbauhilfefonds durch den Bundestag und den Bundesrat sehr schnell die Sofortprogramme für den kleinen Mittelstand, für mittlere Unternehmen, für freie Berufe, aber auch Hochwasserhilfen für die gewerbliche Wirtschaft auf den Weg gebracht hat. Immerhin sind ca. 90 % der Anträge mittelständischer Unternehmen auf Hilfen aus dem Sofortprogramm bewilligt.

Ich darf an dieser Stelle erwähnen, dass der erste Zuwendungsbescheid in Deutschland - er beinhaltete eine Soforthilfe in Höhe von 15 000 € - durch Minister Herrn Dr. Rehberger im Beisein des Bundeswirtschaftsministers Herrn Müller am 30. August 2002 dem Inhaber der Gaststätte Brauner Hirsch in Schönebeck übergeben wurde.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Herr Müller hat das Geld gebracht!)

Dieses Beispiel ist mehr als ein Symbol. Es zeigt, dass die Landesregierung im Interesse der Betroffenen schnell gehandelt hat.

Nichtsdestotrotz gibt es, meine Damen und Herren, einige Kritikpunkte zu nennen, was den Katastrophenschutz in Deutschland anbelangt. Die FDP-Fraktion hat im Sommer dieses Jahres eine Anhörung mit Kommunalpolitikern, mit dem Landesamt für Hochwasserschutz, mit Vertretern der Bundeswehr, der Feuerwehr und des THW durchgeführt. Dabei wurden Kritikpunkte vorgetragen, die ernst genommen werden sollten. Sie wurden bereits von anderen Rednern genannt.

So wurde eine gänzlich fehlende Organisations- und Informationsstruktur moniert, sodass betroffene Gemeinden zum Teil gar nicht oder völlig unzureichend über

Pegelstände, aktuelle Entwicklungen usw. informiert waren. Weitere Kritikpunkte betrafen die mangelnde Abstimmung mit den Krisenstäben unter anderem durch die Einsatzkräfte, die mangelnde Schulung der Einsatzkräfte, zum Beispiel der Wasserwehr, und eine mangelnde Ausstattung der Einsatzkräfte. Das wurde uns allen hinterher bewusst. Oftmals war die Verständigung nur über private Handys möglich. Es fehlten Funkverbindungen zwischen den zivilen Einsatzkräften und der Bundeswehr. Darüber hinaus fehlten teilweise Kenntnisse über den Zustand der Deiche in Sachsen-Anhalt. Auch das System der Deichunterhaltungsverbände hat nicht funktioniert.

Ich finde, das alles sind Punke, die man kritisch beleuchten muss. Es gibt einiges zur Verbesserung des Katastrophenschutzes in Deutschland zu tun. Der FDP wurde von vielen Seiten vorgetragen, dass bei Länder übergreifenden Katastrophen zukünftig eine Koordinierungsstelle im Bundesinnenministerium zuständig sein sollte.

Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt entsprachen - es wurde schon genannt - vor der Flut von den insgesamt 589 km Elbdeichen 46 % Elbdeiche mit den Rückstaudeichen der Nebenflüsse nicht der aktuellen DIN-Norm. Bereits im Jahr 1998 wurden in einer Schwachstellenanalyse zum Hochwasserschutz Defizite festgestellt, die im Jahr 2001 mit der Bestandsaufnahme des vorhandenen Hochwasserschutzniveaus im Einzugsgebiet der Elbe bestätigt worden sind.

Hierbei zeigen sich unseres Erachtens auch Versäumnisse der alten Landesregierung, entsprechende wirksame Handlungen abzuleiten und zumindest die bekannten Schwachstellen beim Zustand der Deiche zu beseitigen.

Wir wissen, dass der Bau und die Sanierung von Deichen sehr kostspielig ist, und wir wissen auch, dass gewiss niemand mit dem plötzlichen Eintreten einer solchen Flut gerechnet hat. Doch der vorsorgende Hochwasserschutz und damit die Sicherheit der Menschen in unserem Land und die Sicherheit von Hab und Gut gehören nun einmal zu den Aufgaben des Landes. Ich frage mich, ob angesichts der seit langem bekannten Schwachstellen und Mängel in den letzten Jahren wirklich alles Mögliche getan worden ist, um unsere Bürgerinnen und Bürger bestmöglich vor den Folgen eines solchen Hochwassers zu schützen.

Ich denke zum Beispiel daran, dass Deiche entlang von Naturschutzgebieten schwer oder gar nicht zugänglich waren. Herr Scharf hat zu Recht erwähnt, dass Wege freigesägt werden mussten, um an die Deiche heranzukommen, und das obwohl die Zeit so sehr drängte. Der technische Hochwasserschutz ist ein Teil der öffentlichen Infrastruktur und muss auch als solcher behandelt werden. Es kann nicht sein, dass Flussdeiche mit Bäumen bewachsen sind und Gehölzbewuchs die Zufahrt und somit die Deichverteidigung erschwert oder gar behindert. Auch hierbei hat es offensichtlich Versäumnisse gegeben, die es zu beheben gilt.

(Zuruf von Herrn Dr. Köck, PDS)

Meine Damen und Herren! Zum vorsorgenden Hochwasserschutz gehört auch, Räume zu schaffen, die Teile des Hochwassers aufnehmen können. Es muss mehr Retentionsräume geben, es müssen mehr Retentions

räume ausgewiesen werden. Das sollte die extreme Hochwassersituation in Zukunft abmildern können.

Jetzt und in der Zukunft geht es um die Bewältigung der Aufräumarbeiten, der Reparaturen der zahlreichen, teils erheblichen Schäden an unseren Deichen. Ich weiß, dass der Landesbetrieb für Hochwasserschutz mit aller Kraft daran arbeitet, die Deiche für ein mögliches Winterhochwasser so sicher wie möglich zu machen. Auch an dieser Stelle möchte ich einmal mehr meinen Dank und meine Anerkennung für die großartigen Leistungen des Landesbetriebes für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft in den letzten Wochen aussprechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung bei der SPD und von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Es gibt keinen absoluten Schutz vor den Folgen eines Hochwassers. Aber unsere Bürgerinnen und Bürger können von ihrer Landesregierung erwarten, dass alles Mögliche getan wird, um sie und ihr Eigentum vor drohenden Gefahren zu schützen. Ich kann Ihnen versichern, dass die FDP-Fraktion in diesem Landtag mit ihren Ideen und Vorschlägen alle Bemühungen der Landesregierung wirksam unterstützt, um die an den Flüssen lebenden Menschen in unserem Land vor den Folgen eines jeden Hochwassers bestmöglich zu schützen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Besten Dank, Frau Pieper. - Meine Damen und Herren! Die Aussprache zur Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten ist damit beendet. - Frau Dr. Sitte, Sie haben eine Zwischenbemerkung? Bitte sehr.

Frau Pieper hat sehr schön beschrieben, dass es um die Chancen der Kinder und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt gehen muss und dass dieses insbesondere im Zentrum der Politik ihrer Partei steht. Hat sie denn eigentlich mitbekommen, dass heute Morgen eine Demonstration vor dem Landtag stattgefunden hat,

(Beifall bei der PDS)

die sich vor allem gegen die Kürzungen in diesem Bereich im neuen Landeshaushalt gewandt hat?

Zweite Zwischenbemerkung: Die Forderung nach einer Sondersitzung wurde nicht nur von der PDS-Fraktion erhoben, sondern auch von der FDP. Zumindest hat sie es die Zeitungen wissen lassen. Im Übrigen ist festzustellen: Niedersachsen hat am 28. August 2002 eine sehr gediegene Debatte zu dieser Problematik geführt.

(Beifall bei der PDS)

Frau Pieper möchte ebenfalls eine Zwischenbemerkung machen. Bitte sehr, Frau Pieper.

Herr Präsident! Werte Frau Sitte, wenn wir diesen Haushalt nach acht Jahren Rot-Rot nicht so vorgefunden hät

ten, hätten wir jetzt keine Einsparungen in der Kinderbetreuung vornehmen müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Zweitens. Auch nach den Einsparungen, die wir vornehmen müssen, wird die Qualität in der Kinderbetreuung in Sachsen-Anhalt, die einmalig im gesamten Bundesgebiet ist, nicht darunter leiden. Wir sind das einzige Bundesland, das eine Kinderbetreuung von null bis 14 Jahren vorhält.

Wir werden sogar Qualitätsverbesserungen in den Kindergärten vornehmen,

(Lachen bei der PDS - Herr Gallert, PDS: Sie ha- ben das Kita-Gesetz nicht gelesen! - Zurufe von der SPD)

indem wir zukünftig auch Tageseltern zulassen werden bzw. einen Bildungsauftrag, so wie ihn die Pisa-Studie vorsieht, an die Kindergärten geben werden.

Meine Damen und Herren von der Opposition, in der Tat haben wir in Erwägung gezogen,

(Unruhe bei der SPD und bei der PDS)

eine Sondersitzung in der Sommerpause durchzuführen. Ich sage es noch einmal: Es war ein Abwägungsprozess. Im Rahmen dieses Abwägungsprozesses haben wir uns für das Handeln und nicht für Reden entschieden.