Zu Artikel 3 des Gesetzentwurfes: Wir beantragen, dass eine Entscheidung über die endgültige Nichtinformation eines von Abhörmaßnahmen Betroffenen durch die G10Kommission nur einstimmig erfolgen kann, weil auch hier ein besonders schwerwiegender Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung vorliegt.
Meine Damen und Herren! Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses sieht nicht vor, das Trennungsgebot aus dem Verfassungsschutzgesetz zu streichen oder es einzuschränken. Die Landesregierung ist also auch künftig verpflichtet, dieses Trennungsgebot einzuhalten.
Inwieweit das geschieht, werden wir am kommenden Mittwoch im Innenausschuss bei der Problematik GIAZ noch einmal erörtern. Ich meine das Gemeinsame Informations- und Auswertungszentrum islamistischer Terrorismus, das mit Mitarbeitern der Verfassungsschutzbehörde im Landeskriminalamt eingerichtet worden ist. Ich hoffe, dass mittlerweile Änderungen bei der Organi
Meine Damen und Herren! Seit dem 11. September 2001 hat sich in der sicherheitspolitischen Diskussion vieles verändert. Ich selbst werde die schrecklichen Bilder nicht aus dem Gedächtnis verdrängen. Die Vorstellung jedoch, es sei mit dem 11. September eine kopernikanische Wende in der Sicherheitspolitik eingetreten, ist abwegig. Man sollte sich erinnern, vor welchem Hintergrund wir in Deutschland bestimmte rechtsstaatliche Vorkehrungen und auch Beschränkungen der Arbeit der Sicherheitsorgane eingeführt haben.
Der von der Nazidiktatur entfesselte Zweite Weltkrieg hat sechs Jahre gedauert und 55 Millionen Menschen das Leben gekostet. An jedem einzelnen Tag dieses Weltkrieges sind also 25 000 Menschen umgekommen. Wir haben keinen Anlass, wegen des 11. September all dieses zu verdrängen. Grundlage für die Bekämpfung des internationales Terrorismus ist die bedingungslose Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.
Das gilt für Sachsen-Anhalt, das gilt für die Bundesrepublik Deutschland und das gilt auch für unsere Partner im Ausland. - Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Rothe. - Für die CDU-Fraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Madl das Wort. Bitte sehr, Herr Madl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vorbereitung auf meinen Redebeitrag habe ich mich noch einmal mit den Einbringungsreden vom 14. April 2005 beschäftigt. Die PDS ausgenommen, war es die einhellige Meinung, dass die Novellierung des Verfassungsschutzgesetzes dringend notwendig und nach Aussage von Herrn Rothe längst überfällig sei. Herr Kosmehl stellte fest, dass die möglichen Mängel durch eine zügige Beratung im Ausschuss abgestellt werden könnten. - Eigentlich eine gute Basis für eine zügige Beratung im Ausschuss, an deren Ende heute die Verabschiedung des Gesetzes stehen soll.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU lässt keinen Zweifel daran, dass die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung einen funktionierenden Verfassungsschutz braucht. Die Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung 5 des Ministeriums des Innern findet oftmals nicht die öffentliche Anerkennung, die eigentlich erforderlich wäre. Dies ist jedoch der Natur einer Verfassungsschutzbehörde geschuldet, die ihre Arbeit professionell und unauffällig zu verrichten hat.
Deswegen soll den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an dieser Stelle ausdrücklich einmal der Dank und die Anerkennung für ihren überaus wichtigen Beitrag, den sie für die Sicherheit der Bevölkerung und den Schutz der Verfassung leisten, ausgesprochen werden.
Der Verfassungsschutz liefert im Vorfeld unverzichtbare wichtige Erkenntnisse, um unter anderem den Sicher
heitsbehörden die Möglichkeit zu geben, zu reagieren und geplante Straftaten zu verhindern. Unsere Aufgabe als Parlament ist es, den Verfassungsschutz nicht nur materiell, strukturell, personell und rechtlich so auszustatten, dass er die ihm übertragenen Aufgaben erfüllen kann; er braucht vielmehr auch in der öffentlichen Diskussion die notwendige Akzeptanz in unserer Gesellschaft. Auch dafür haben wir Sorge zu tragen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der CDU geht es bei dem Gesetzentwurf nicht darum, die Terrorismus- und Extremismusdiskussion zu benutzen, um - wie es die Linkspartei.PDS bezeichnete - eine gläserne Gesellschaft zu schaffen oder Fluggesellschaften, Kreditinstitute, Post- und Telefongesellschaften für den Verfassungsschutz zu offenen Büchern werden zu lassen. Uns geht es darum, den Verfassungsschutz zu stärken und ihn mit Mitteln und Instrumenten auszustatten, damit er künftig seine Aufgaben, die wir ihm gegeben haben, in der notwendigen Qualität und Quantität erfüllen kann mit dem Ziel, die Sicherheit in unserem Land zu erhöhen.
Uns allen ist bewusst, dass sich seit dem 11. September 2001 die Welt verändert hat und dass es ein Sicherheitsgefühl, wie wir es vor den Ereignissen in New York hatten, heute nicht mehr gibt. Auch Europa befindet sich im Visier des islamistischen Terrorismus. Madrid, London, Amman erst im November dieses Jahres - Jordanien war bisher als Ruhepol im Nahen Osten bekannt -, Irak, die Entführung von Susanne Osthoff - das alles sind Fakten, die wir nicht ignorieren können und dürfen.
Die Anschläge in London haben deutlich gemacht, dass Sprengsätze nicht nach Nationalitäten, Hautfarben oder Religionen unterscheiden. Eine klare Sprache sprechen in diesem Zusammenhang auch die rechtzeitig aufgedeckten Planungen von Islamisten, ein Attentat auf den irakischen Ministerpräsidenten Alawi anlässlich seines Deutschlandbesuches im Dezember 2004 zu verüben. Sie belegen, dass eine Gefährdung für Deutschland und damit auch für Sachsen-Anhalt nicht auszuschließen ist.
Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir das Gesetz zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes. Das Argument, dass die Verfassungsschutzberichte der letzten Jahre im Kapitel Ausländerextremismus aussagen, dass dieser in Sachsen-Anhalt keine erhebliche Rolle spielt, kann hierbei nicht zählen, weil Sachsen-Anhalt nicht auf einer Insel liegt, sondern mitten in Deutschland und Europa und weil wir in der Gemeinschaft aller Länder unseren Beitrag für die freiheitliche Wertegemeinschaft leisten müssen.
Extremisten und Terroristen halten sich nicht an demokratische Spielregeln. Sie verfügen über Netzwerke und materielle Ausstattungen, weshalb auch der Verfassungsschutz mit den notwendigen Instrumenten und Befugnissen ausgestattet werden muss.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte die einzelnen Regelungstatbestände des Gesetzentwurfes nicht weiter ausführen, weil das der Innenminister in seiner Rede bereits ausführlich getan hat. Ich möchte mich auf einige Anmerkungen zu einzelnen Punkten beschränken.
Erstens. Die CDU-Fraktion hält es für sehr wichtig, dass der Verfassungsschutz künftig auch Bestrebungen beobachten soll, die sich gegen den Gedanken der Völkerver
ständigung, gegen das friedliche Zusammenleben der Völker richten; denn damit wird eine bisher bestehende Gesetzeslücke bei ausländerextremistischen Bestrebungen, die sich gegen politische Gegner im Ausland richten, geschlossen.
Nach künftiger Rechtslage kann der Verfassungsschutz auch solche ausländerextremistischen Aktivitäten beobachten, die sich gegen politische Gegner im Ausland richten, ohne dass mit diesen Bestrebungen Gewaltanwendungen oder entsprechende Vorbereitungshandlungen in Deutschland verbunden sind. In erster Linie sind damit Verhaltensweisen angesprochen, die durch das Schüren von Hass einen Nährboden für extremistische Auffassungen bilden. Dem Verfassungsschutz wird somit ein vorbeugendes Instrument gegen Hassprediger und andere gegeben.
Zweitens. Die CDU-Fraktion hält es auch für wichtig, Telekommunikationsdienstleistungen, Kontobewegungen und Reisebewegungen zu überwachen; denn der weltweite Terrorismus ist mobil, und nur so lässt sich gewährleisten, dass die mobilen Täter verfolgt werden können.
Drittens. Wir begrüßen es ausdrücklich - wir danken an dieser Stelle auch besonders dem Koalitionspartner FDP -, dass von den neuen Auskunfts- und Übermittlungsbefugnissen der Verfassungsschutzbehörde sowie vom Einsatz des IMSI-Catchers zur Beobachtung des gewaltbereiten Inlandsextremismus Gebrauch gemacht werden soll.
Es wäre auch schwer verständlich und vermittelbar, wenn eine terroristische Organisation, die durch Gewaltaktionen die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, mit den neuen Auskunftsbefugnissen erforscht werden könnte und dies zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherheit des Bundes oder eines Landes nicht möglich sein sollte.
Die Gewalt der Neonaziszene und der rechtsextremistischen Skinheads, aber auch die gewaltbereiten Linksextremisten und Autonomen bedrohen die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Wir beobachten immer wieder nicht nur bei dem Terrorismus, sondern beispielsweise auch bei Skinheads, dass das Einstiegsalter des rekrutierten Nachwuchses immer weiter sinkt. Den Begriff der jugendlichen Rucksackterroristen, den Herr Rothe gebraucht hat, finde ich ganz interessant.
Herr Abgeordneter, Sie haben Ihre Redezeit bereits um eine Minute überzogen. Kommen Sie bitte zum Schluss.
Für uns ist dieses Thema ganz besonders wichtig. Aus diesem Grunde unterstützen wir auch die Regelung, dass die Frist der Speicherung von Daten in amtseigenen Dateien von 16 auf 14 Jahre gesenkt wird.
Ein Satz noch zu der Problematik des Datenschutzes. Wir geben dem Verfassungsschutz hiermit ein Instrument in die Hand, von dem wir denken, dass damit auch der Schutz unserer Wertegemeinschaft viel besser mög
lich ist. Dies muss man ganz deutlich sagen, weil angesichts der datenschutzpolitischen Diskussion hierdurch umso mehr zweifelsohne tangierte Bürgerrechte betroffen sind.
Denn bei solchen Diskussionen wird immer wieder und unzulässigerweise das Schreckgespenst des allumfassenden Überwachungsstaates an die Wand gemalt.
Ja. - Den Grundsätzen des Datenschutzes ist unter dem Geschichtspunkt der Verhältnismäßigkeit im Gesetz ausreichend Rechnung getragen worden.
Ihren Änderungsantrag lehnen wir wie bereits im Ausschuss ab. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Madl. - Für die Linkspartei.PDS erteile ich der Abgeordneten Frau Tiedge das Wort. Bitte sehr, Frau Tiedge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Insbesondere nach den Redebeiträgen der Koalitionsfraktionen habe ich mich gefragt, mit welchen Instrumentarien der Verfassungsschutz bisher gearbeitet hat.
Uns liegt heute die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres zum Gesetzentwurf zur Änderung verfassungsschutzrechtlicher Vorschriften und zur Stärkung des Verfassungsschutzes vor. Wieder einmal glaubt man, mit politischen Instrumentarien, mit obrigkeitsstaatlichen Einschränkungen von Persönlichkeitsrechten des Einzelnen oder mithilfe der Stärkung von Geheimdiensten den Bürgerinnen und Bürgern ein Gefühl von Sicherheit vorgaukeln zu können.
Wir kennen die Sorgen, die Ängste und die Verunsicherung, die es in der Bevölkerung gibt, und wir nehmen sie ernst. Aber die Verschärfung des Verfassungsschutzgesetzes und damit einhergehend die Erweiterung der Befugnisse des Verfassungsschutzes zulasten der Grund- und Freiheitsrechte können nicht die Antwort darauf sein.
Denn der verheißene Zugewinn an Sicherheit durch den Staat wird mit einem signifikanten Verlust an Sicherheit vor dem Staat, also Freiheit, bezahlt. Dieser Preis ist einfach zu hoch. Wie weit will man eigentlich noch die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit zulasten der Bürgerrechte ins Wanken bringen? Welches Ausmaß soll der Versuch, einen gläsernen Menschen, eine gläserne Gesellschaft unter dem Deckmantel der internationalen Terrorismusbekämpfung zu schaffen, noch annehmen?
Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit ist mit der Umsetzung der neuen Befugnisse nach dem Terroris
musbekämpfungsgesetz in den Bundesländern zulasten der Bürgerrechte schwer aus dem Gleichgewicht geraten, ohne allerdings die Sicherheit wirklich zu erhöhen.