Protokoll der Sitzung vom 09.12.2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das von der Linkspartei.PDS vorgeschlagene Informationszugangsgesetz würde die Informationszugangsrechte der Bürger nur subsidiär verbessern. Ein solches Gesetz würde nämlich gegenüber anderen Rechtsvorschriften, die den Zugang zu amtlichen Informationen regeln, nur subsidiär gelten können.

Gleichwohl könnte ein solches Gesetz, wie sich in der Anhörung ergeben hat, durchaus erheblichen Verwaltungsaufwand auslösen, nämlich im Zusammenhang mit der Ermittlung des jeweils einschlägigen Rechts, der Aufbereitung von Akten, die noch nicht unter Berücksichtigung eines Informationszugangsgesetzes angelegt worden sind, der Vornahme von Güterabwägungen im Einzelfall, der Beachtung von zum Teil unnötigen Verfahrensvorgaben, der Notwendigkeit zur Durchführung von Widerspruchsverfahren, um nur einige Beispiele zu nennen.

Die kommunalen Spitzenverbände und die Industrie- und Handelskammern haben die Regelungen des Gesetzentwurfs deshalb zu Recht auch als kompliziert, umständlich im Verfahrensgang und problematisch in der Rechtsanwendung bewertet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen deregulieren und Verwaltungsaufwand verringern. Das vorgeschlagene Informationszugangsgesetz wäre insoweit kontraproduktiv. Überall unternehmen wir Anstrengungen, durch Verwaltungsreformen und Aufgabenabbau und damit einhergehende Personalreduzierungen Kosten zu senken. Der vorliegende Gesetzentwurf geht genau in die gegenteilige Richtung. Schon vor dem Hintergrund der allgemeinen Haushaltslage sollten wir die Ausführungen der kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der Anhörung zu dem Gesetzentwurf über den erwarteten Verwaltungsaufwand sehr ernst nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung sieht keine Veranlassung, ihre ablehnende Haltung zu ändern, nachdem im September dieses Jahres der Bund das Informationsgesetz erlassen hat. Dieses tritt am 1. Januar 2006 in Kraft und gilt nur für die Behörden des Bundes. Auch nach Erlass des Bundesgesetzes besteht keinerlei Rechtsverpflichtung zum Erlass eines entsprechendes Landesgesetzes. Sie folgt weder aus Europa- noch aus Bundesrecht. Auch andere Länder wollen, jedenfalls derzeit, kein allgemeines Informationsgesetz erlassen.

Ich bitte Sie, der Beschlussempfehlung des Ausschuss für Recht und Verfassung zu folgen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Meine Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit fünf Minuten Redezeit

je Fraktion ein. Für die Linkspartei.PDS erhält die Abgeordnete Frau Tiedge das Wort. Bitte sehr, Frau Tiedge.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, wenn es so viele Einzelvorschriften gibt, wie Sie sagen, die den Bürgern bereits Akteneinsicht ermöglichen, dann hätte man darüber zwei Jahre lang im Ausschuss reden können und man hätte im Zuge der Rechtsvereinfachung - auch das haben Sie sich bekanntlich als Landesregierung auf die Fahne geschrieben - dies alles bündeln und in einem Gesetz zusammenfassen können.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Was unterscheidet nun die Bürgerinnen und Bürger aus Sachsen-Anhalt von den Bürgerinnen und Bürgern aus Berlin, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen?

(Zurufe von der CDU)

Den Menschen in Sachsen-Anhalt wird mit fadenscheinigen, nicht nachvollziehbaren Begründungen das Recht aberkannt, in Behördenakten Einsicht zu nehmen. In den vorhin genannten Bundesländern und auch in den meisten europäischen Ländern gibt es dieses Recht und es wird von den Bürgerinnen und Bürgern verantwortungsbewusst genutzt.

Ich weiß nicht, bei welcher Anhörung Sie waren, Herr Minister. Ich habe andere Anhörungsprotokolle gelesen. Ich war auch selbst bei der Anhörung anwesend und ich habe andere Einschätzungen aus den Ländern, die ein solches Gesetz haben, gehört.

In Schleswig-Holstein wurde zum Beispiel in dem Zeitraum vom Februar 2000 bis zum Februar 2002 in mehr als 2 000 Fällen davon Gebrauch gemacht. Informationen aus allen Verwaltungsgebieten wurde nachgefragt, beispielsweise zu folgenden Sach- und Problemfeldern: Organisation der Polizei, existierende Altlasten, Finanzierung von Bauvorhaben, Vergabe von Kindergartenplätzen, landwirtschaftliche Förderpraxis usw. usf. Dabei wurde in diesem Erhebungsbericht festgestellt, dass es keine negativen Konsequenzen aus der größeren Informationsoffenheit der Behörden gibt.

Warum soll es diese gläserne Verwaltung nicht auch in Sachsen-Anhalt geben? Würden die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt weniger verantwortungsbewusst mit einem künftigen Informationszugangsgesetz umgehen? Ist die Mündigkeit der Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt eine geringere im Vergleich mit den anderen Bundesländern? Die Fragen könnten an dieser Stelle fortgesetzt werden.

Auch während der heutigen Debatte - der Herr Minister hat ja bereits einen Einstieg gegeben - werden Sie von den Koalitionsfraktionen sicherlich keine sachlichen oder fachlich fundierten Gründe und Argumente hören, warum sie dieses Gesetz ablehnen.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, seien Sie doch an dieser Stelle einfach nur ehrlich; denn das würde Ihre Redezeit um Etliches verkürzen.

(Herr Gürth, CDU: Wieso die Redezeit verkür- zen?)

Es gibt nur zwei wahre Gründe für Ihre Ablehnung:

Erstens. Sie befürchten, dass die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts aktiv von diesem Gesetz Gebrauch machen könnten.

Zweitens. Der vorliegende Gesetzentwurf wurde von unserer Fraktion, der Fraktion der Linkspartei.PDS eingebracht, und aus Ihrer Sicht ist es wahrscheinlich höchst brisant - um nicht zu sagen: Alarmstufe rot -, wenn eine Oppositionspartei in einer Legislaturperiode zwei Gesetzentwürfe erfolgreich beschlossen bekommt.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Zustimmung von Herrn Rothe, SPD)

Was mich an dieser Stelle allerdings am meisten ärgert, ist die Tatsache, wie die Koalitionsfraktionen mit diesem Gesetz parlamentarisch umgegangen sind. In keinem der mit diesem Gesetz befassten Ausschüsse wurde auch nur in Ansätzen inhaltlich über das Gesetzesvorhaben geredet, und das, obwohl das Gesetz seit November 2003 in den Ausschüssen schmorte.

Seitens unserer Fraktion bestand die Bereitschaft, auf Hinweise aus der Anhörung einzugehen und zugunsten einer Verbesserung des Gesetzentwurfes und damit zugunsten der Bürgerinnen und Bürger Veränderungen vorzunehmen. Aber das war und ist überhaupt nicht gewollt, denn es wurde nicht über dieses Gesetz geredet.

Bis zur letzten Woche war ich immer noch der festen Überzeugung, dass wir im Ausschuss für Recht und Verfassung fair miteinander umgehen. Ich musste mich eines Besseren belehren lassen.

Unter dem Vorwand, einen Änderungsantrag zu dem Gesetzentwurf einbringen zu wollen, wurde in der Ausschusssitzung am 26. Oktober 2005 keine Beschlussempfehlung für die bevorstehende Landtagssitzung erarbeitet. Doch dieser Änderungsantrag war niemals beabsichtigt. Denn es gab nur einen Grund, unseren Gesetzentwurf nicht in der Landtagssitzung im November zu behandeln: da sowohl die Landesregierung als auch die Koalitionsfraktionen in arge Erklärungsnot geraten wären.

Ich darf daran erinnern, dass auf der Tagsordnung dieser Landtagssitzung das Umweltinformationsgesetz stand. Es wäre für die Koalitionsfraktionen mehr als peinlich geworden, wenn in ein und derselben Landtagssitzung ein Informationsgesetz angenommen und gleichzeitig ein anderes Informationsgesetz abgelehnt worden wäre.

Wie sagte Herr Stadelmann von der CDU-Fraktion in der Landtagsdebatte zu diesem Gesetzentwurf? Ich zitiere:

„Die Freiheit der Information ist ein Grundrecht in unserer freiheitlichen Demokratie. Deswegen ist es sehr wichtig, dass wir ein solches Gesetz haben.“

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Sehr richtig, Herr Stadelmann. Darum stimmen Sie und Ihre Fraktionskollegen heute für unser Gesetz, oder erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern, warum dieses Grundrecht für alle anderen Informationen nicht gelten soll. Diese soeben benannte Vorgehensweise hat nun auch meine letzten Illusionen über einen politisch fairen parlamentarischen Umgang zerstört.

Gespannt bin ich auch, wie die Kollegen der FDP-Fraktion ihre Ablehnung begründen werden. Sie, die sich in der Öffentlichkeit gerne als Bürgerrechtspartei darstellen und auf Bundesebene erklärt haben, wie wichtig solch

ein Gesetz sei, haben sich nur der Stimme enthalten, weil Ihnen das Gesetz nicht weit genug ging. Heute haben Sie die Chance, sich für ein modernes, offenes und bürgerfreundliches Gesetz zu entscheiden. Aber Sie werden, wie so oft, vor dem größeren Koalitionspartner in die Knie gehen.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Ich verspreche Ihnen heute Folgendes: Erstens. Wir werden im nächsten Jahr stärkste Fraktion.

(Zustimmung bei der Linkspartei.PDS - Lachen bei der CDU und bei der FDP)

Zweitens. Wir übernehmen Regierungsverantwortung.

Drittens. Die Bürgerinnen und Bürger von Sachsen-Anhalt bekommen ihr Informationszugangsgesetz.

Frau Abgeordnete, Herr Kosmehl hätte eine Frage an Sie. Sind Sie bereit, diese zu beantworten?

Ja, bitte.

Bitte sehr, Herr Kosmehl.

Frau Kollegin Tiedge, Sie haben ein paar Ausführungen zum parlamentarischen Verlauf der Diskussionen in dieser Wahlperiode gemacht. Sie haben in der letzten Legislaturperiode Regierungsverantwortung mittragend toleriert. Vielleicht können Sie uns noch einmal sagen, wie in der letzten Legislaturperiode mit dem wörtlich fast gleich lautenden Gesetzentwurf umgegangen wurde.

(Herr Tullner, CDU: Aha!)

Das Gesetz unterlag der Diskontinuität.

(Herr Tullner, CDU: Na guck mal an!)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Tiedge. - Für die CDUFraktion erhält nun der Abgeordnete Herr Stahlknecht das Wort. Bitte sehr, Herr Stallknecht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, die umfassende Berichterstattung des Berichterstatters und die Ausführungen des Herrn Ministers haben die begründeten Argumente dargelegt, warum wir ein solches Informationszugangsgesetz nicht brauchen. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit muss man das nicht alles wiederholen, weil es dadurch nicht besser wird.

(Lachen und Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Frau Tiedge, ich freue mich, dass Sie sich mit Ihrer Partei so kurz vor Weihnachten noch einmal den Mut machen zu gewinnen und sich da drüben in eine gewisse Rage trommeln. Dadurch wird es bei Ihnen aber auch nicht besser.