Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

(Frau Feußner, CDU: So ein Quatsch! Was un- terstellen Sie eigentlich den Lehrern?)

- Lesen, Frau Feußner! - Andererseits, meine Damen und Herren, konnte der Minister in dem erwähnten Interview keine Aussagen dazu treffen, wie hoch die Abbrecherquote in jenen Ländern ist, die bereits Eignungsfeststellungen durchführen. Ebenso konnte Herr Olbertz nichts dazu sagen, ob jene Schüler in Sachsen-Anhalt, die das Gymnasium in der 10. Klasse abbrechen, tatsächlich ohne eine Schullaufbahnempfehlung an das Gymnasium gewechselt sind. Anscheinend waren diese wichtigen Überlegungen überhaupt nicht Bestandteil der Vorbereitung der Gesetzesänderung. Das verwundet schon sehr.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Meine Damen und Herren! Der Minister hat am Schluss seiner Rede gesagt, er könnte unter Umständen auf die Eignungsfeststellung verzichten. Ich kann das auf jeden Fall. Ich sage Ihnen: Man kann auf die Eignungsfeststellung verzichten, wenn man die Bildungswege später trennt und eine höhere Prognosesicherheit hat.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: So einfach ist das!)

Damit kann man eine Reihe von Bedingungen

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU - Unruhe)

aus der Welt schaffen, die zu den heutigen Problemen führen.

(Zustimmung bei der SPD - Frau Feußner, CDU: In welchem Traum leben Sie eigentlich?)

Unverständlich ist ebenfalls, dass ein Leitfaden des Kultusministeriums für die am Verfahren beteiligten Lehrkräfte in einem entscheidenden Punkt von der eigenen Verordnung abweicht. Während die Verordnung einen Ermessensspielraum für Ausnahmen zulässt, verzichtet der Leitfaden auf diesen wichtigen Zusatz. Selbst die Sprecherin des Hauses räumte Irritationen ein, um fix zu betonen, dass die Verordnung die einzige Handlungsgrundlage für die Lehrkräfte bleibt. Da frage ich mich, warum überhaupt ein Leitfaden erarbeitet wurde. - So weit zur Verlässlichkeit.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Hinzu kommen Aussagen aus dem Landesverwaltungsamt, dass die teilnehmenden Lehrkräfte auf den Gesprächsteil nicht mehr in dem erforderlichen Maße vorbereitet werden können und das Land nicht über genügend Psychologen verfüge.

Meine Damen und Herren! Das schafft nun wirklich kein Vertrauen in dieses an sich schon äußerst zweifelhafte Verfahren. Ich gehe davon aus - damit ist wirklich zu rechnen -, dass sich eine Reihe von Einzelentscheidungen vor Gericht wiederfinden werden.

Meine Damen und Herren! Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass der Elternwille plötzlich nicht mehr gelten soll. Schließlich waren Sie es, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, die im Jahr 2002 die Grundschule mit festen Öffnungszeiten abschafften mit der Begründung, dass sie angeblich Elternrechte beeinträchtige.

(Zustimmung bei der SPD - Unruhe bei der CDU und bei der FDP - Herr Dr. Schrader, FDP: Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern: Die letzte Pisa-Studie hat Schülern aus unterschiedlichen sozialen Schichten in Sachsen-Anhalt sehr ungleiche Chancen beim Zugang zu höherer Bildung gewissermaßen ins Stammbuch geschrieben.

(Frau Feußner, CDU: Das stimmt doch gar nicht!)

- Das können Sie nachlesen, Frau Feußner, lesen Sie! - Die Antwort von CDU und FDP darauf ist eine Beschränkung des Zugangs zum Gymnasium.

(Frau Feußner, CDU: Sie müssen es vielleicht einmal genauer lesen!)

Meine Damen und Herren von der Koalition, dies war bildungspolitisch eine grobe Fehlentscheidung, die wir schnellstens revidieren wollen.

(Frau Feußner, CDU: O Gott!)

Anstatt für die Eignungsfeststellung plädieren wir für eine Pflichtberatung. Jedoch sollte der Elternwille nicht angetastet werden. Das sind wir uns vor dem Hintergrund der Debatten schuldig.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Dr. Schrader, FDP: Das müssen gerade Sie sagen!)

Wie kaum ein anderer Bereich sind unsere Schulen von den demografischen Veränderungen betroffen. Die Landesregierung hat darauf mit einer rigiden Politik reagiert, die eine Vielzahl von Schulschließungen zur Folge hatte.

Unsere Fraktion hatte im Jahr 2003 in einem eigenen Gesetzentwurf Vorschläge zur Änderung der Vorgaben in der Verordnung zur mittelfristigen Schulentwicklungsplanung und für Übergangsregelungen unterbreitet und damit eine Entschärfung der Situation angestrebt. Diese Vorschläge fanden im Landtag zu jenem Zeitpunkt jedoch keine Mehrheit, obwohl sich einige davon später in außergesetzlichen Regelungen des Ministeriums wiederfanden.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Das ist doch nett!)

- Das ist wirklich nett. Das empfinde ich auch so. Wenn es dann auch klappt, ist es in Ordnung.

Primär waren für uns immer zwei Aspekte zu berücksichtigen, nämlich wohnortnahe Schulangebote und die Vermeidung - das ist auch gesagt worden - unverhältnismäßig langer Schulwege.

In der gegenwärtigen Situation mit der gültigen Schulentwicklungsplanung ist es uns wichtig, dass die derzeit als bestandsfähig ausgewiesenen Schulen an einzelnen Standorten für mindestens zehn Jahre Bestandssicher

heit erhalten. Diesbezüglich ist es notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die auch bei schwankenden oder weiter sinkenden Schülerzahlen vor allem in den ländlichen Regionen den Erhalt eines wohnortnahen Netzes kleinerer Grund- und Sekundarschulen ermöglichen, auch wenn die vorgegebene Mindestschülerzahl und die Mindestzügigkeit unterschritten werden. Ich denke, darüber gibt es durchaus einen Konsens.

Meine Damen und Herren! Eine vorausschauende Bildungspolitik - darauf sollte man abzielen - beinhaltet auch immer eine vorausschauende Personalpolitik. Bei einer Ausbildungszeit von bis zu sieben Jahren müssen wir die Lehrer von morgen schon heute ausbilden.

Nun kann man sich zurücklehnen und sagen: Bei zurückgehenden Schülerzahlen benötigen wir auch wesentlich weniger Lehrer. - Das ist auch der Fall. Die Anzahl der Lehrer sinkt und sie wird auch in den nächsten Jahren sinken. Wir wissen auch - das ist prognostiziert worden -, dass sich die Schülerzahlen ab dem Jahr 2011 stabilisieren werden. Schaut man aber einmal auf die Altersstruktur bei den Lehrkräften, dann ahnt man, was uns Übles erwartet.

Wer hofft, dass unsere Landesregierung dieses Problem erkannt hat und energisch handelt, der irrt. Obwohl man im Kultusministerium weiß, dass wir in den einzelnen Schulformen ab dem Jahr 2010 sukzessive mehr Lehrer benötigen werden, als wir im Bestand haben werden, hat das Land die Kapazitäten für die Lehrerausbildung an den Universitäten und den Ausbildungsseminaren drastisch reduziert. Die allgemeinbildende Lehrerausbildung in Magdeburg wurde eingestellt, die Kapazitäten in Halle wurden beschnitten, die Anzahl der Ausbildungsseminare wurde drastisch reduziert und die Anzahl der Plätze wurde reglementiert.

(Herr Tullner, CDU: Sie haben das doch im Jahr 2001 auch geplant!)

Die einfache Formel „weniger Geld plus weniger Studienplätze ist gleich bedarfsgerechte Versorgung“ geht erwartungsgemäß nicht auf. Meine Damen und Herren, hier tickt eine Zeitbombe.

Einen Zuzug von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern in den notwendigen Größenordnungen wird es nicht geben, weil der erhöhte Lehrkräftebedarf durch eine hohe Pensionierungswelle in den alten Bundesländern die gesamte Bundesrepublik betrifft. Wir benötigen nun endlich einmal konkrete Berechnungen des zukünftigen Bedarfs, um daraus Schlussfolgerungen für die künftig notwendigen Kapazitäten der Lehrerbildung in beiden Phasen ziehen zu können.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig die Schulsozialarbeit an unseren Schulen war, merkte man an den Schulen vor allem, als das Programm eingestellt wurde.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Schulsozialarbeiter waren für die Schüler oft die ersten Ansprechpartner und gleichzeitig wichtige Vertrauenspersonen. Durch sie wurden Konflikte friedlich gelöst. Mit ihnen wurden schulische, aber auch persönliche Probleme diskutiert. An dieser Stelle - das möchte ich betonen - war das Geld richtig gut angelegt. Hierfür, meine Damen und Herren, muss in der neuen Legislaturperiode eine Nachfolgeregelung getroffen werden.

(Starker Beifall bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Olbertz, bezüglich der Umsetzung des Ganztagsschulprogramms des Bundes in SachsenAnhalt haben wir im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft in der Tat eine fraktionsübergreifende Verständigung zum Verfahren bewerkstelligt. Das war sehr erfreulich. Weniger erfreulich ist - das muss ich nun doch schon einmal sagen -, dass Sie nun durch das Land reisen und feierlich die Zuwendungsbescheide verteilen, wobei die Art und Weise der von Ihnen durchgeführten Übergaben zumindest den Eindruck entstehen lässt, dass dieses Bundesprogramm doch ein wenig zu Wahlkampfzwecken im Land missbraucht wird.

(Zuruf von der CDU: Was? - Herr Tullner, CDU: Nein! Das ist ja billige Polemik!)

Ich sage das mit Blick auf die Antwort der Landesregierung auf eine von mir gestellte Kleine Anfrage. Darin stehen nämlich interessante Daten, die aufzeigen, wann die Zuwendungsbescheide fertig gestellt wurden. Dann muss man schauen, wann sie übergeben wurden.

(Zustimmung bei der SPD - Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Soll ich sie mit der Post verschicken, oder was?)

Ich fand Ihre Ausführungen zur neu geordneten Schulaufsicht, Herr Olbertz, sehr zurückhaltend und mager. Dafür werden Sie auch Ihre Gründe haben.

(Zuruf von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz - Frau Budde, SPD: Geben Sie doch eine ehrliche Ant- wort!)

- Er gibt es zu. Wir registrieren also: Herr Olbertz gibt es zu.

Unserer Überzeugung nach ist die neu entstandene Abteilung Schule im Landesverwaltungsamt den Anforderungen an eine moderne Schulverwaltung in keiner Weise gerecht geworden. So sahen wir die Auflösung der staatlichen Schulämter und deren Eingliederung in das Landesverwaltungsamt bereits nach zwei Jahren als einen Fehler an. Eine stärkere Vernetzung findet nicht statt und Fragen der Qualitätsentwicklung kommen zu kurz. Auch hier ist dringender Änderungsbedarf vorhanden.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich einige Worte zur Wissenschaftspolitik sagen. Wenn man die Wahlprogramme der Parteien studiert, stellt man fest: Es herrscht Einigkeit darüber, dass unsere Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen maßgeblich zur gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung unseres Bundeslandes beitragen und dass sie dementsprechend gefördert werden müssen. - Das ist die Theorie. In der Praxis erleben unsere Hochschulen gerade eine Rosskur, die der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit, aber auch der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Entwicklung unseres Bundeslandes schadet.

Bis vor Kurzem war die Entwicklung unserer Hochschulen eine Erfolgsgeschichte. Bundesweit gute Rankingplätze, ein kontinuierlicher Ausbau der Standortplätze, gute Betreuungsrelationen und stetig steigende Studierendenzahlen waren ein Gradmesser dafür.

Diese erfreuliche Entwicklung wurde jedoch durch den von der Landesregierung eingeschlagenen Kurs gefährdet. Die Mittel für die Hochschulen wurden gekürzt. Die Kürzungen im Hochschulbereich gehen mit einer „Bereinigung“ der Strukturen einher. Das bedeutet, dass die