Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Wenn es um junge Polizistinnen und Polizisten geht, heißt es beim Innenminister nicht: Bildung auf hohem Niveau steigern, sondern: Bildung runter. Das lehnen wir als SPD ab.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Im Vorfeld und während des Gesetzgebungsverfahrens äußerte der Innenminister massive Kritik am berufspraktischen Teil des Studiums. Innerhalb der Landespolizei hingegen wird die Ausbildungsqualität an der Fachhochschule überwiegend gelobt. Im Gegensatz dazu wurden in der Anhörung am 26. Oktober 2005 anders lautende Einzelmeinungen geäußert.

Die Innenpolitiker der CDU-Fraktion sahen übrigens die Leistungen der Fachhochschule der Polizei einst auch ganz anders als ihr Innenminister. So war im März 2004 vom innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Jens Kolze nach einem Besuch in Aschersleben unter der Überschrift „Lob für praxisnahe und umfassende Ausbildung“ in einer Pressemitteilung zu lesen:

„Es ist beruhigend zu wissen, dass wir mit der Fachhochschule in Aschersleben eine Einrich

tung im Land haben, die unseren Polizeinachwuchs so umfassend und praxisnah ausbildet.“

Damit hat er damals Recht gehabt.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber der Innenminister trifft eine Entscheidung gegen die Hochschule, die ihren eigenständigen Status verlieren und praktisch zu einer Abteilung des Innenministeriums werden sollte. Dieser Ansatz ist jetzt zwar abgemildert, dennoch bleibt der Eingriff in die Hochschulautonomie bestehen.

Es stehen weiterhin die Vorwürfe mangelnder Qualität im Raum. Die Beschlussempfehlung bleibt beträchtlich hinter den Regelungen des auch von Sachsen-Anhalt unterzeichneten bundesweiten Abkommens über die Deutsche Hochschule der Polizei zurück.

Völlig unklar bleibt uns allen, in welchem Verfahren der Meinungsbildung Sie von der CDU-Fraktion, Herr Tullner und Herr Kolze, innerhalb nur eines Jahres zu einem völlig gegensätzlichen Standpunkt gekommen sind.

Die SPD-Fraktion hat im Ausschuss für Bildung und Wissenschaft mehrfach den Antrag gestellt, zunächst eine externe Evaluierung der Ausbildungsgänge an der Fachhochschule der Polizei durchzuführen und bis zu deren Abschluss die Gesetzesberatung auszusetzen. Bevor man ein Gesetz ändert, meine sehr geehrten Damen und Herren, muss man doch erst einmal den Status quo gewissenhaft prüfen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Wir bezweifeln, dass diese Analyse vom Innenministerium ausreichend sorgfältig vorgenommen wurde. Ähnlich muss wohl auch Herr Staatssekretär Böhm aus dem Kultusministerium die Situation bewertet haben. Herr Höhn wies darauf hin.

Die Hochschule selbst hat mehrfach erklärt, sie sei zu einer Evaluierung bereit und sie wolle sich einer solchen unterziehen. Uns wurde entgegengehalten, die Hochschule habe keinen förmlichen Antrag gestellt. Richtig ist aber, meine Damen und Herren, dass die Hochschule die Gesetzesnovelle abgelehnt hat und für den Fall, dass die Landesregierung und der Landtag in seiner Mehrheit an der Absicht dennoch festhalten, eine Evaluierung angeregt hat. Das ist dem Beschluss und der Stellungnahme des Senats zu entnehmen.

Der Wunsch nach einer Evaluierung der Fachhochschule ist darüber hinaus vom Rektor und von mehreren anderen Vertretern der Fachhochschule dem Innenministerium mehrfach mündlich vorgetragen worden. Aber alle diese Bemühungen der Hochschule sind von Minister Jeziorsky vom Tisch gefegt worden.

Die Anträge der SPD-Fraktion wurden von den Abgeordneten der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion niedergestimmt.

(Zuruf von Herrn Tullner, CDU)

Das heißt doch, Sie wollen gar nicht wirklich wissen, welche Stärken oder auch welche Schwächen die Studieninhalte und die Studienorganisation haben, welche Qualität die Studienabschlüsse aufweisen und welche fachlichen Fähigkeiten die Absolventinnen und Absolventen der Fachhochschule der Polizei im Vergleich mit anderen haben. Das finde ich schon sehr merkwürdig.

Nur weil offensichtlich einigen Herren im Innenministerium eigenständiges Denken an der Fachhochschule der Polizei zu weit geht, werden jetzt aufgrund von Vermutungen und nicht bewiesenen Vorwürfen Bildungsmöglichkeiten der Hochschule beschnitten. Das passt nun wirklich nicht zu einem Bildungsland Sachsen-Anhalt, so wie wir es wollen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der Linkspar- tei.PDS)

Der Vorgang, einer Hochschule die einmal eingeräumte Selbstverwaltung - darauf bezog sich die Frage von Herrn Rothe - wieder zu entziehen, wie es bei uns in Sachsen-Anhalt passieren soll, ist einmalig. Die Koalition agiert hierbei wie ein Geisterfahrer auf der Autobahn.

(Zurufe von der CDU)

Der Gesetzentwurf wird auch durch die Änderungen, die im Ausschuss vorgenommen worden sind, wonach der Rechtsstatus der Hochschule als Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten bleiben soll, nicht annehmbarer. Die äußere Hülle ist zwar wichtig, aber entscheidend ist, was unter der Hülle ist. Dabei geht es darum, ob es eine akademische Selbstverwaltung mit eigenen Befugnissen gibt oder ob die Hochschule, ähnlich wie ein Polizeirevier, an die Weisungen des Ministeriums des Innern gebunden ist.

Meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, abschließend möchte ich Ihnen die Frage stellen: Was spricht denn aus Ihrer Sicht dafür, dass gerade mit diesem Gesetz Ihre jetzt so vehement vertretene Kritik an der Ausbildung der Polizistinnen und Polizisten beseitigt wird? - Wenn Sie ehrlich sind: nichts. Deswegen wird die CDU-Fraktion diesen Gesetzentwurf ablehnen.

(Zurufe von allen Fraktionen und von der Regie- rungsbank)

- Die SPD-Fraktion.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

- Ich korrigiere mich. Die SPD-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf, den die CDU-Fraktion und die FDP-Fraktion so vehement unterstützen, ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Nun spricht für die CDUFraktion Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn hier manchmal der Eindruck entsteht, dass Bildungspolitik sehr kontrovers und sehr emotional diskutiert wird, muss ich sagen: Bei uns im Ausschuss geht es - dank der Arbeit unseres Vorsitzenden - immer relativ friedlich zu. Ich sage das nur, damit hier nicht der falsche Eindruck erweckt wird, dass bei diesem Thema Emotionen entfacht werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ehe ich auf die Frage der Kollegin eingehe, möchte ich - das habe ich auch im Rahmen der Debatte zur Einbringung des Gesetzentwurfes im Mai 2005 gesagt - uns alle noch einmal daran erinnern, dass wir jetzt nicht so tun sollten, als hätten wir da eine kleine, friedliche Fachhochschule, die gute Arbeit macht - die hat sie ohne

Zweifel gemacht -, und jetzt kommt die böse Macht des Innenministeriums, will sie von außen zerschlagen

(Herr Rothe, SPD: So ist es!)

und ist voll bösen Willens und voller Intrigen und anderer Dinge. So einfach sollten wir uns die Welt nicht machen.

Wir, die CDU-Fraktion, haben uns am Anfang der Debatte von der Frage leiten lassen: Haben wir es hierbei mit einer normalen Hochschule zu tun, die wir hochschulpolitisch bewerten? Oder haben wir es hierbei mit einer Hochschule besonderen Typus zu tun, die etwas Besonderes darstellt?

Diese Hochschule bildet Polizisten aus. Diejenigen, die in diese Hochschule kommen, befinden sich im Polizeidienst, werden dort ausgebildet und gehen dann in den Polizeidienst des Landes zurück. Ich glaube, wir sollten zwischen unseren „normalen“ Hochschulen und dieser Hochschule besonderen Typus differenzieren. - Das ist der Ausgangspunkt unserer Überlegungen gewesen.

Zu denen, die sich hier hinstellen und sagen: „Dort ist alles so toll; dort müssen wir gar nichts ändern und im Übrigen ist die Welt ideal und frei von jeder Kritik“, muss ich sagen: Die Anhörung, die wir alle gemeinsam besucht haben, hat deutlich gemacht - das hat uns ein gestandener Polizeipräsident wie der aus Halle glaubhaft vermittelt -, dass es dort Defizite gibt.

(Herr Dr. Püchel, SPD: Haben Sie die anderen auch gefragt?)

Ich wage die Frage zu stellen: Würde jemand in diesem Hause ernsthaft behaupten, es gäbe einen Politikbereich, der frei von Defiziten ist und bei dem es sich nicht lohnt, darüber nachzudenken, ob man etwas besser machen könnte?

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Frau Dr. Kuppe, SPD: Warum haben Sie dann der Evaluierung nicht zugestimmt?)

Wir haben diese Dinge aufgenommen. Es ging um den Sportbereich, es ging um die Praxistauglichkeit. Diese Dinge sind benannt worden. Also haben wir uns die Frage gestellt: Können wir etwas verbessern?

Nach unserer Überzeugung haben wir etwas verbessert und haben zugleich etwas verändert. Ich sehe einmal meinen Kollegen Gürth an, der die Beratungen begleitet und die Interessen seines Wahlkreises vehement verfochten hat. Es war die Statusfrage. Wir haben gefragt: Muss das über die Änderung der Statusfrage geschehen? Oder kann es auch anders laufen?

Wir haben uns zusammen mit den Kollegen der FDP letztlich mehrheitlich dafür entschieden, den Status beizubehalten und an anderen Stellen, die hier schon beschrieben worden sind, Änderungen vorzunehmen.

Ich will das an einem Beispiel deutlich machen, damit man einmal sieht, worüber wir hierbei reden. Das betrifft die Frage des Rektors. Wir hatten bis vor Kurzem einen Rektor, der lediglich kommissarisch eingesetzt war, weil laut Hochschulgesetz der Rektor ein Professor sein muss. In diesem Fall war es jedoch kein Professor, sondern ein Praktiker, der aus dem Innenministerium kam und sich in den Bereichen auskannte. Er war aber nur kommissarisch im Amt.

Ich frage: Kann man einer Hochschule über Jahre hinweg zumuten, mit kommissarischen Leitungsstrukturen agieren zu müssen? An dieser Stelle war aus unserer

Sicht eindeutig Änderungsbedarf gegeben. Nunmehr besteht die Möglichkeit, einen Professor oder auch einen Praktiker als Rektor zu berufen. Ich denke, diese Möglichkeit sollten wir nutzen. Diese haben wir hierin verankert.

Wenn für Sie nicht klar geworden ist, dass an dieser Stelle Änderungsbedarf besteht, dann kann ich nur sagen: Wenn man immer nur die Stimmen hören will, die einem genehm sind, dann kann man sich das Leben sehr einfach machen. Aber wenn wir in diesem Hause verantwortliche Politik betreiben wollen, dann sollten wir uns bemühen, die gesamte Wahrheit in den Blick zu nehmen. Die kritischen Stimmen sind in der Anhörung von gewichtigen Leuten vorgetragen worden. Sie haben uns veranlasst, diese Dinge aufzugreifen.

Ich glaube, es geht letztlich darum - der Innenminister hat es deutlich gemacht -, die innere Sicherheit in diesem Lande weiter zu verbessern - die rote Lampe leuchtet; ich komme zum Ende -; das geht nur über gut ausgebildete Polizisten. Wir sind zuversichtlich, dass dies mit diesem Gesetz noch besser möglich ist, als es vorher schon der Fall war. - Vielen Dank.