Protokoll der Sitzung vom 19.01.2006

Wissenschaft und Forschung basieren auf Selbststeuerung. Das ermöglicht es den Institutionen, gezielt Kooperationen zu suchen und einzugehen. Die Wissenschafts- und Forschungsverbünde, die als Leuchttürme im mitteldeutschen Raum hervorragen, belegen dies eindrucksvoll. Die Etablierung von staatlich gelenkten Wissenschafts- und Forschungsnetzwerken ist nicht zielführend - dies hat die Vergangenheit gezeigt - und wird nicht von Erfolg gekrönt werden. In der Konsequenz der Forderung der SPD wäre eine staatliche Koordinierungseinrichtung zu schaffen, also der Versuch zu lenken und zu steuern.

(Zuruf von Frau Dr. Kuppe, SPD)

Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen sucht man in der Forschung vor allen Dingen, um eigene Stärken zu komplettieren, um von den Erfahrungen und Leistungen anderer zu profitieren und die eigene Wettbewerbsfähigkeit weiter zu verstärken. Kooperationen bieten sich dabei natürlich im Umfeld an, in einer Region, in Mitteldeutschland, aber die Notwendigkeit, mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen zusammenzuarbeiten, setzt oft genug voraus, die regionalen und auch die nationalen Grenzen zu überschreiten.

Kooperation muss von innen gelebt werden. Sie erfolgt nicht deshalb, weil sie in einem Konzept festgeschrieben wird. Sie unterliegt zeitlichen Rahmenbedingungen und Notwendigkeiten. Man darf dabei auch nicht verkennen,

dass Zusammenarbeit natürlich auch Konkurrenz impliziert. Die Einrichtungen konkurrieren bis zu einem gewissen Grad im Verbund miteinander.

Bei all diesen Prozessen kann und muss das Land begleitend wirken. Mit der Einrichtung des Wissenschaftszentrums Wittenberg ist eine Institution geschaffen worden, die diesen Prozess im Interesse des Landes begleiten kann.

Die Diskussionen machen deutlich, dass es bei der Koalition und bei der SPD einen grundsätzlichen Unterschied im Verständnis von Forschungsförderung gibt: Begleiten und unterstützen auf der einen Seite oder administrieren und lenken auf der anderen Seite.

(Zuruf von Herrn Rothe, SPD)

Im Ergebnis der Beratungen ist empfohlen worden, die Anträge für erledigt zu erklären. Ich unterstütze dies und bitte seitens der Fraktion der FDP um Ihre Zustimmung. - Besten Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Zustim- mung von Minister Herrn Prof. Dr. Olbertz)

Vielen Dank, Herr Dr. Volk. - Nun spricht Frau Dr. Kuppe für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Die Regierungskoalition aus CDU und FDP geht leichtfertig mit dem Thema der Zukunft einer prosperierenden mitteldeutschen Wissenschafts- und Wirtschaftsregion um. Ich will diese Aussage begründen.

Uns liegt eine Beschlussempfehlung aus dem Ausschuss für Bildung und Wissenschaft vor, bei der sich die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, aber auch der PDS veranlasst sahen, mit der von ihnen angeführten Begründung den Nachweis zu erbringen, dass sie weder den Antrag der SPD richtig gelesen, noch die Einbringungsdebatte und die Berichterstattung im Ausschuss inhaltlich verfolgt haben.

(Zustimmung von Herrn Rothe, SPD, und von Herrn Reck, SPD)

Sie behaupten, die SPD fordere ein Konzept für die mitteldeutsche Wissenschaftsregion allein von den drei Landesregierungen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens. - Das ist falsch.

Richtig ist, dass wir in unserem Antrag fordern, dass diese drei Landesregierungen gemeinsam mit den entsprechenden Kommunen, gemeinsam mit den Hochschulen, gemeinsam mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und gemeinsam mit den relevanten Unternehmen ein Konzept für eine Länder übergreifende mitteldeutsche Wissenschaftsregion erarbeiten und die juristischen, strukturellen und materiellen Voraussetzungen für dessen Umsetzung befördern sollen.

Es geht uns als SPD - das sage ich Ihnen als Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP - um eine konzertierte Aktion, an der sich nicht nur die Länder und die Landesregierungen, sondern gleichberechtigt die Kommunen, die Wissenschaft und die Wirtschaft beteiligen. Alle Ressourcen des mitteldeutschen Raumes in der Forschung, in der betrieblichen Innovation und Entwicklung und in der rechtlichen und administrativen Unterstützung sollen ausgeschöpft und die Entwicklungseffek

te sollen verstärkt werden, damit sich unsere Region Mitteldeutschland im globalen Wettbewerb einen achtenswerten Platz erarbeitet und diesen dann auch behaupten kann.

(Zustimmung bei der SPD)

Aber mit Mitteldeutschland - das muss ich jetzt so kritisch anmerken - hat die Regierungskoalition ja nicht mehr viel im Sinn.

(Herr Tullner, CDU: Das stimmt nicht!)

Im vergangenen Jahr hat das sogar die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ mit der Überschrift charakterisiert: „Mitteldeutsche Farce - wie sich Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen von einem gemeinsamen Projekt verabschieden“. Ministerpräsident Böhmer wird mit seiner Aussage von August 2002 zitiert, dass es die gemeinsame Absicht aller drei Länder sei, Mitteldeutschland wieder zu dem zu machen, was es lange war: eine besonders innovative und wettbewerbsstarke Region in der Mitte Europas. Aber jetzt zum Ende dieser Legislaturperiode schätzt der Journalist Reiner Burger laut „FAZ“ ein, dass von den hehren Vorsätzen kaum etwas übrig geblieben sei. - Wir bedauern das zutiefst.

(Zustimmung bei der SPD - Zuruf von Frau Weiß, CDU)

Dass unser Antrag vom September 2004 immer noch aktuell ist, zeigt unter anderem die Kooperationskonferenz des Regionenmarketings Mitteldeutschland von Anfang November 2005. Dieses Regionenmarketing stellt eine Initiative von rund 50 strukturbestimmenden Unternehmen aus Mitteldeutschland im Verbund mit den Kammern und den Kommunen dar.

Am Beispiel der Biotechnologie, in deren Umfeld in Mitteldeutschland ca. 120 Unternehmen und zahlreiche Institute arbeiten, wurden auf dieser Konferenz Ziele und Forderungen formuliert. Damit die Branche international wahrgenommen wird, will sie einheitlicher auftreten. Es bedürfe einer kritischen Masse, um Investoren in unsere Region nach Mitteldeutschland zu locken. Der Blick der Investoren gehe zunächst immer nach Bayern oder nach Berlin - so lautet eine Feststellung der Konferenz. Deshalb sollen die rund 30 kleinen bestehenden biotechnologischen Netzwerke in diesen drei Ländern zu einem Verbund zusammengeschlossen werden. Initiativen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, Firmen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten daran bereits in einem Aufbaugremium. Sie arbeiten eigenständig daran.

Sie sehen, Wissenschaft und Wirtschaft leisten bereits das Ihre. Aber sie haben auch Forderungen an die Politik. Diese kann man nicht ausklammern. In der Proklamation der Kooperationskonferenz wird beispielsweise gefordert, dass die Aktivitäten der Länder Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen im Umweltrecht wie auch in Forschung und Wissenschaft enger koordiniert werden sollten, damit durch eine Ländergrenzen überschreitende Entwicklung und durch Kooperationsverflechtungen zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen die wirtschaftlichen und die wissenschaftlichen Stärken in Mitteldeutschland besser gefördert werden können. Gefordert wird weiterhin ein Sonderprogramm für Länder übergreifende Projekte zwischen Wissenschaft und Unternehmen.

Sie sehen, meine Damen und Herren von der CDU und von der FDP, es geht ganz und gar nicht um autoritäre Lenkungs- und Leitungsprozesse oder um den Übergriff

auf die Hochschulautonomie oder um die Abschaffung der wissenschaftlichen Selbstbestimmung. Das ist Unsinn. Es geht vielmehr um den Staat als Partner in einem Entwicklungsprozess, in dem Entwicklungsprozess Mitteldeutschland. Es geht um einen Staat, der die Eigenaktivitäten von Kommunen, von Unternehmen und von Forschungsinstitutionen ergänzt und verstärkt.

Das ist das Anliegen der SPD. Das hat nichts mit staatlicher Bevormundung zu tun. Das hat aber viel mit der Verantwortung des Staates zu tun.

(Zustimmung bei der SPD)

Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Koalition, wiederhole ich: Sie gehen leichtfertig mit dem Thema der Entwicklung Mitteldeutschlands um.

(Minister Herr Prof. Dr. Olbertz: Nein!)

Ich bin aber - Herr Olbertz, das muss ich Ihnen auch sagen - optimistisch, dass sich auch in diesem Punkt am 26. März 2006 etwas Entscheidendes ändern wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Kuppe. - Zum Abschluss kommt der Beitrag der CDU-Fraktion. Es spricht Herr Tullner.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe es vorhin schon gesagt: Ich muss mich wundern. Denn im Ausschuss haben wir faire, sachliche Auseinandersetzungen und Diskussionen und haben manchmal auch unterschiedliche Meinungen; aber hier draußen gebärden sich die Kolleginnen und Kollegen manchmal wie die Löwen, die sich mit brüllender Stimme den Rängen darstellen wollen.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielleicht ist die Zeit eben so, dass man das tun muss.

Ehe ich zu den eigentlichen Punkten komme, auf die ich meinen Redebeitrag konzipiert habe, möchte ich zwei Vorbemerkungen machen.

Erstens. Frau Kuppe, die Hoffnung stirbt zuletzt. Es ist Ihnen unbenommen, was für Hoffnungen Sie mit verschiedenen Daten in diesem Jahr verbinden. Wir werden sehen, was letztlich dabei herauskommt.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich muss aber sagen: Den Vorwurf, dass wir leichtfertig mit diesem Antrag oder mit dem Anliegen Mitteldeutschland umgehen, kann ich nicht stehen lassen. Diesen weise ich zurück.

(Herr Reck, SPD: Entschieden!)

Ich will jetzt nicht aus der Historie heraus mit Hermann Beims, von Wilmowsky und anderen anfangen, die über dieses Thema in den 20er-Jahren schon intensiv diskutiert haben. Ich will mich auch nicht über die Länderneugliederungsdiskussion auslassen.

Ich kann nur darauf hinweisen, dass ich immer wieder feststelle, dass Kollegen von der Sozialdemokratie, angefangen bei der Spitze, ein merkwürdiges Staatsverständnis durchschimmern lassen, was man unter Mitteldeutschland versteht und wie man diesen Begriff mit Inhalt füllt.

Der Ministerpräsident sagte bereits: Ein Blick in die Verfassung würde in der Diskussion und bei den Debattenbeiträgen vieles erleichtern. So einfach will ich es mir nicht machen.

Wir sollten - darauf möchte ich Sie hinweisen und Sie darum bitten - einmal darüber nachdenken, wie wir diesem gemeinsamen Ziel näher kommen. Ich glaube, man kommt diesem Ziel nur dann näher, wenn man - ich möchte einmal diese Metapher gebrauchen - die Menschen mitnimmt. So etwas kann nur von unten wachsen. Wir können uns nicht im stillen Kämmerlein auf irgendetwas einigen und die Leute dann vor vollendete Tatsachen stellen. Vielmehr sollten wir die landsmannschaftlichen Verbundenheiten, die zugegebenermaßen verschieden ausgeprägt sind, berücksichtigen und mitnehmen.

Wenn Sie das bei Ihrer Betrachtung mit in den Fokus nehmen würden, dann würden Sie sehr schnell erkennen, dass der an uns gerichtete Vorwurf der Leichtfertigkeit völlig fehl am Platze ist.

Herr Höhn, Sie sagen immer wieder - das ist Ihr gutes Recht -, es ist falsch, an den Hochschulen zu sparen, man sollte die Ressourcen anders nutzen. Das ist die Rede von einem hehren Ziel. Sie vertreten sozusagen die reine Lehre. Wenn ich nach Berlin und nach Mecklenburg-Vorpommern sehe, wo Ihre politischen Kräfte maßgeblich mit dabei sind, dann stelle ich fest: Die machen letztlich nichts anderes als wir in Sachsen-Anhalt.

Dann frage ich mich: Warum ist denn das so? - Dann kann man letztlich nur zu der Überzeugung kommen, dass Realismus offenbar sehr oft etwas mit der Funktion der Regierungsverantwortung zu tun hat und dass der Optimismus und das Setzen auf das Prinzip Hoffnung eher etwas mit der Opposition zu tun haben.

(Zustimmung bei der CDU)