Protokoll der Sitzung vom 20.01.2006

Ein oft thematisiertes Problem ist das barrierefreie Wohnen. Dieses Thema wurde durch die Landesregierung innovativ aufgegriffen. So hat das Land in diesem Jahr zum zweiten Mal den Wettbewerb „Auf dem Weg zur barrierefreien Kommune“ durchgeführt, an dem sich 13 Kommunen beteiligten. Vor ungefähr einer Stunde fand die Auszeichnung statt. Sieger ist die Stadt Hettstedt geworden.

Das Land fördert neue Projekte des Wohnens, zum Beispiel den Bau eines Wohngebäudes unter dem Thema „Barrierefreies Wohnen für alle Generationen“. Barrierefreiheit in Wohnungen und im Umfeld ist nicht nur für behinderte und ältere Menschen, sondern auch für Familien mit Kindern von Vorteil. Dieser wachsenden Klientel sollten auch die Wohnungsbaugesellschaften Rechnung tragen.

Eine Studie zu den Zukunftschancen junger Frauen und Familien in Sachsen-Anhalt hat gezeigt, dass eine große Sehnsucht nach Wohneigentum besteht. Aus diesem

Grund hat die Landesregierung ein Programm zur Förderung von Wohneigentum initiiert, das besondere Akzente bei Familien mit Kindern setzt.

Wie bekannt ist, haben 44 Städte ein Stadtentwicklungskonzept erarbeit. Unter dem Eindruck neuer Entwicklungen sind diese Konzepte zu aktualisieren.

Eine auch international Aufmerksamkeit erregende innovative Begleitmaßnahme der Landesregierung ist die Internationale Bauausstellung. Die Stiftung Bauhaus Dessau und die Landesentwicklungsgesellschaft Saleg führen im Auftrag der Landesregierung wissenschaftliche Untersuchungen dazu durch, wie eine Entwicklung der Städte bei schrumpfenden Bevölkerungszahlen vonstatten gehen kann. Es geht darum, liebenswerte Städte zu erhalten und Chancen für eine qualitative Erneuerung zu nutzen.

Meine Damen und Herren! Ich muss an dieser Stelle zum Ende kommen. Ich habe in meinen kurzen Ausführungen zu erkennen gegeben, dass sich die Landesregierung der Problematik der Schrumpfung der Bevölkerungszahlen und der Anpassung der Städte gestellt hat, um ein freundliches und attraktives Lebensumfeld für die Bürgerinnen und Bürger zu erhalten. Wir freuen uns auf den Bericht zur Halbzeit des Stadtumbauprogramms und zum Sachstand der Internationalen Bauausstellung im Jahr 2010. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Ernst. - Meine Damen und Herren! Bevor wir die Debatte fortsetzen, begrüßen Sie mit mir auf der Nordtribüne Damen und Herren vom Sportverein Grün-Weiß Hasselfelde und vom gemischten Chor Hasselfelde.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir setzen die Debatte fort mit dem Beitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Es spricht zu uns der Abgeordnete Herr Radschunat. Bitte sehr, Herr Radschunat.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Das Thema Stadtumbau ist von so großer Bedeutung, dass man es eigentlich nicht innerhalb einer Fünfminutendebatte behandeln kann und vor allen Dingen nicht in dieser kurzen Zeit mit der notwendigen Verantwortung debattieren kann.

Ausgangspunkt für die Auflegung eines Stadtumbauprogramms ist der dramatische Bevölkerungsrückgang. Das ist uns allen bekannt. Der Stadtumbau ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die natürlich ressortübergreifend von allen begleitet werden muss, die aber letztlich in den Kommunen umgesetzt werden muss.

Für die Linkspartei.PDS ist Stadtumbau gleichzeitig Rückbau, Aufwertung und Verbesserung der Wohnqualität und vor allem die Chance zur Gestaltung lebenswerter Kommunen. Unser Maßstab sollte dabei eine soziale, revitalisierte und barrierefreie Kommune sein.

Die vorhandenen Stadtumbaukonzepte gehen in ihren Prognosezeiträumen nicht über das Jahr 2015 hinaus. Der Bevölkerungsrückgang wird aber unvermindert wei

tergehen. Das zeigt, welches Ausmaß die Schrumpfung der Städte und Regionen annehmen wird. Dieser Prozess ist mit den herkömmlichen Mitteln und Methoden nicht mehr zu beherrschen. Die kommunale Daseinsvorsorge ist den veränderten Strukturen und Bedarfen anzupassen. Dies kann aber nicht dem Selbstlauf überlassen werden, meine Damen und Herren.

Unter Beachtung der sich abzeichnenden Entwicklung muss die Situation auf dem flachen Land als besonders dramatisch eingeschätzt werden. Die Versorgung mit Ärzten, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen und Kultureinrichtungen wird immer schlechter, der ÖPNV wird abgebaut statt ausgebaut. Der Stadtumbau lässt die ländlichen Regionen außen vor. Damit droht das Abhängen der ländlichen Regionen.

Weiterhin ist zu beachten, dass immer weniger Bewohner überdimensionierte Versorgungsnetze bezahlen müssen. Das ist angesichts der ohnehin hohen Ver- und Entsorgungskosten sehr problematisch. Rückbaukonzepte auch für die Stadttechnik müssen deshalb so flexibel gestaltet werden, dass sie auch nach dem Jahr 2015 weitere Reduktionen in beachtlichem Umfang zulassen. Das setzt aber auch voraus, dass die Angleichung der technischen Infrastruktur mit den notwendigen finanziellen Mitteln untersetzt wird.

Stadtumbau heißt für uns auch, dass die Kommunen mit den notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet werden, die Schaffung eines ausgewogenen Angebots unterschiedlicher Wohnformen für junge Menschen und Familien, barrierefreie Wohnungen, die den Bedürfnissen älterer und behinderter Menschen entsprechen, und vor allen Dingen auch, dass die Ergebnisse von Landesprogrammen, Förderprogrammen und natürlich auch der Internationalen Bauausstellung in den Stadtumbau einfließen. Vor allen Dingen sind die vorhandenen Förderprogramme den Bedarfen entsprechend anzupassen.

Stadtumbau - ich bringe es auf eine Kurzform - ist für uns das Anpassen der sozialen und technischen Infrastruktur an den sich entwickelnden Bedarf.

Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz auf den Antrag, der uns heute vorliegt, und auf die Chronologie eingehen. In der 70. Landtagssitzung am 9. Dezember 2005 - Herr Kollege Schröder hat es vorhin gesagt - wurde aufgrund des Änderungsantrages der Koalitionsfraktionen der Antrag „Bericht zum Stadtumbau Ost“ beschlossen. Dieser wurde am 16. Dezember 2005 im Ausschuss entsprechend behandelt und dann noch einmal auf die Tagesordnung der Ausschusssitzung am 3. Februar 2006 gesetzt. Dort wird er noch einmal als Tagesordnungspunkt 2 behandelt, Frau Weiß.

Jetzt haben aber die Koalitionsfraktionen am 11. Januar 2006 diesen Antrag eingebracht, der heute in der Landtagssitzung debattiert werden sollte. Die zum Stadtumbau Ost nicht erfolgte Regierungserklärung, so liest man es aus Ihrer Begründung heraus, ist der Grund für den heutigen Antrag.

Ich hatte vorhin schon überlegt, ob hier für Herrn Minister Daehre ein Podium geschaffen werden sollte, um sich noch einmal öffentlich zu profilieren. Aber das hat der Minister zum einen nicht nötig und zum anderen hat er es auch nicht getan.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Die Profilierung kam eher aus der Richtung der Kollegen der Koalitionsfraktionen als vonseiten des Ministers.

Ihrer Erkenntnis, das Sie es versäumt haben, eine Regierungserklärung zum Stadtumbau Ost abzugeben, kann man nur zustimmen. Ihren aus rein populistischen Gründen eingebrachten Antrag lehnen wir ab, weil ein solcher Antrag inhaltlich im Landtag schon behandelt wird. Wir lehnen ihn ab, weil auch die heutige Fünfminutendebatte nicht ausreicht, um das wichtige Thema Stadtumbau Ost ausführlich und mit der notwendigen Verantwortung zu diskutieren. Wir lehnen ihn ab, weil es ein rein populistischer Schaufensterantrag ist. - Schönen Dank.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Vielen Dank, Herr Radschunat. - Nun hat noch einmal der Abgeordnete Herr Schröder das Wort. Bitte sehr, Herr Schröder.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich versuche es weiterhin kurz und prägnant zu halten, weil ich ausdrücklich die Meinung meiner Vorredner teile, insbesondere die von Herrn Felke und von Herrn Radschunat, dass es ein Thema ist, das auch hinsichtlich seiner Bedeutung in einer Fünfminutendebatte nicht abgehandelt werden kann. Es ist gerade die innere Intention des Antrages der Koalitionsfraktionen gewesen, im Februar noch einmal eine ausführliche Berichterstattung der Landesregierung zu erhalten.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Herrn Kosmehl, FDP)

Trotz aller Spötteleien in der Rede von Herrn Felke besteht doch auch darin Konsens, dass sich dieses Haus durchaus eine Regierungserklärung zu diesem Thema hätte vorstellen können; eine solche sei bisher nicht abgegeben worden. Das muss festgestellt werden.

(Zuruf von Herrn Felke, SPD)

Aber wie passt es zusammen, dass man sich einerseits eine ausführliche Befassung mit diesem Themen wünscht und sich eine Regierungserklärung dazu vorstellen könnte, aber andererseits dem Ersuchen der Koalitionsfraktionen, genau diese umfangreiche Berichterstattung zu erhalten, nicht folgen will? Wie passt das zusammen?

(Zuruf von Herrn Felke, SPD - Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Ich kann mir das nicht vorstellen. Ich kann mir das nicht erklären.

(Zuruf von Frau Bull, Linkspartei.PDS)

Es ist ebenfalls Konsens in diesem Hause, dass uns das Thema Stadtumbau über das Jahr 2009 hinaus beschäftigen wird. Dass Herr Felke das Wort „Halbzeitbilanz“ ablehnt,

(Herr Felke, SPD: Das steht in Ihrem Antrag!)

- ja - halte ich für etwas weit hergeholt, weil es hierbei natürlich um das Stadtumbauprogramm Ost geht. Das Stadtumbauprogramm Ost als Bundesprogramm läuft nun einmal bis 2009. Wenn der Prozess weitergeht, dann sicherlich nicht mehr mit dem gleichen Programm und den gleichen Modalitäten. Auch darüber besteht doch, so denke ich, Einigkeit.

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Bischoff zu beantworten?

Gern, am Ende.

Am Ende.

Ich bin gleich am Ende. - Mir geht es darum zu sagen, dass es bei all den Gemeinsamkeiten selbstverständlich auch Unterschiede im Detail gibt. Das ist in der Rede von Herrn Felke deutlich geworden.

Das gilt zum Beispiel für die Frage der Wohneigentumsförderung. Die im Auftrag der Landesregierung erstellte so genannte Dienel-Studie hat gerade den stabilisierenden Effekt von Wohneigentum auf Familien dargestellt.

(Minister Herr Dr. Daehre: Ja!)

Das ist eine Person, die auch in Ihrer Partei eine wesentliche Rolle spielt.

(Unruhe bei der SPD und bei der Linkspartei.PDS)

Sie negieren das hier. Wir haben eine unterdurchschnittliche Wohneigentumsquote. Wir wollen das ändern. Wir wollen Wohneigentum insbesondere im Bestand fördern und spezielle Angebote für Familien unterbreiten. Das ist gut und richtig so.

(Zustimmung bei der CDU, bei der FDP und von Minister Herrn Dr. Daehre - Zuruf von Herrn Fel- ke, SPD)

Der Stadtumbau ist und bleibt eine Zukunftsaufgabe. Als der Ministerpräsident am Anfang der Wahlperiode die Zukunftsdebatte ausgelöst hat, haben sich im Nachgang alle Parteien in diesem Hause an der Suche nach einer längerfristigen Perspektive für Sachsen-Anhalt beteiligt, wenn es um diese Fragen geht, wie jetzt zum Beispiel im Zuge der IBA, der Know-how-Vermarktung, wenn es um die Fragen der Förderung neuer Formen des Wohnens, der Weiterentwicklung des ländlichen Raumes und der Unterstützung auch für kleine Städte im Bereich Stadtumbau nach Strukturentscheidungen geht. Erinnert sei zum Beispiel an die Schulschließungen in kleinen Städten. Was passiert mit der Gebäudesubstanz? - Das alles sind Fragen. Das ist gelebte Zukunftsdebatte, die wir an diesem Beispiel par excellence exerzieren wollen.

Herr Radschunat hat Recht, der Ausschuss wird sich mit diesem Thema auf Wunsch der Ausschussmitglieder noch einmal beschäftigen. Allerdings, Herr Radschunat, ging es darum, dass wir in der nächsten Sitzung noch einmal konkret die Konzepte der IBA-Städte vorgestellt bekommen wollen. Das umfasst also nur noch einen kleinen Teilbereich des Themas Stadtumbau.