Protokoll der Sitzung vom 16.02.2006

Unsere eigenen Probleme wollen und werden wir auch zukünftig auf unsere eigene Weise lösen. Das Land Sachsen-Anhalt hat als erstes Land mit den zuständigen Gewerkschaften zum solidarischen Personalabbau ohne betriebsbedingte Kündungen eine eigene Vereinbarung getroffen, zu der wir vollinhaltlich stehen und bei der wir keine Uminterpretation zulassen werden.

Bei fast allen Reformen der letzten Jahre haben wir immer wieder geprüft, welche Erfahrungen andere Länder mit den einzelnen Regelungen gemacht haben. Das werden wir sowohl auf die Haushaltsstrukturen als auch auf die Haushaltsansätze ausdehnen, ohne dabei immer alles von anderen zu übernehmen.

Mit der Neuordnung der Programme für die nächste Förderperiode der EU schaffen wir die Voraussetzungen für

eine noch effektivere und zielgenauere Förderung von Wachstum und Beschäftigung, als dies durch das laufende operationelle Programm möglich ist.

Mit mehreren Verwaltungs- und Strukturreformen haben wir unser Land für die Lösung künftiger Aufgaben zukunftsfähig aufgestellt. Nach der organisatorischen Umsetzung der Kreisgebietsneugliederung wird in einer zweiten Phase der Verwaltungsreform über die Zuordnung von Aufgaben auf die kommunale Ebene neu entschieden werden. Dabei werden wir die modernen Möglichkeiten eines internetbasierten, interaktiven Landesportals ebenso berücksichtigen wie die verwaltungstechnische Kosteneffizienz. Bisher haben sich 17 Kreise dem Landesportal angeschlossen. Die übrigen arbeiten daran.

Die modernen Technologien ermöglichen es, das Land gleichmäßig zu entwickeln. Raumordnerische Schwerpunkte wird es dabei immer geben. Auch innerhalb des Landes soll jede Region ihre Individualität behalten. Es macht durchaus Sinn, bei der Wirtschaftsförderung branchenspezifische Schwerpunkte zu begünstigen; aber es macht keinen Sinn, Wirtschaftsförderung nur auf wenige Zentren zu konzentrieren, andere Regionen des Landes ausbluten zu lassen und dann diese Regionen mit neuen Förderprogrammen wieder zu reaktivieren.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank)

Bei allen Sorgen, die wir noch im Land haben, soll keine Gemeinde und keine Person den Eindruck haben, sie wäre von künftigen Entwicklungen abgeschnitten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Am Ende seiner vierten parlamentarischen Legislaturperiode hat Sachsen-Anhalt noch fast alle für die neuen Länder in Deutschland typischen Folgeprobleme eines grundsätzlichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Transformationsprozesses.

Wir haben die typischen Selbstfindungsprobleme eines jungen Bundeslandes ohne eigene historische Tradition. Diesen Prozess haben ältere Länder in Deutschland bereits hinter sich. Er wird auch bei uns nicht anders verlaufen. Wir haben uns in den letzten Jahren gegenseitig bewiesen, dass wir erfolgreich sein können, wenn wir an dieser Stelle die richtigen Prioritäten setzen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Es ist eine altbekannte Erfahrung, dass Entscheidungen in der Wirtschaft zu 50 % schlicht einen psychologischen Hintergrund haben. Wenn es uns darum geht, Sachsen-Anhalt als Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort mit einem kulturhistorisch interessanten Hintergrund und mit nachhaltigkeitsorientierten ökologischen und familienfreundlichen sozialen Rahmenbedingungen aufzubauen, dann sollten wir dies berücksichtigen. Investoren werden nur dort hingehen, wo die Rahmenbedingungen für das betriebswirtschaftliche Risiko für sie kalkulierbar sind und wo das Vertrauen in die eigene Zukunft erlebbar ist.

Das trifft ebenso auf die individuellen Einzelentscheidungen vieler Menschen in unserem Land zu. Solange wir noch keine wenigstens ausgeglichene Wanderungsbilanz haben, haben diese Problem für uns eine gestal

tungspolitische Dimension von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Menschen und Betriebe werden sich dort niederlassen, wo sie Vertrauen in die Zukunft haben. Menschen brauchen Vertrauen in die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze und Arbeitgeber brauchen Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Arbeiter und in die Fähigkeiten der dafür den Rahmen setzenden Politik.

Nicht nur der Einzelne, sondern auch eine politische Gemeinschaft und ganze Länder müssen sich selbst wollen und bejahen, wenn sie sich und anderen Vertrauen in die Zukunft vermitteln wollen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank)

Ein Land, das sich selbst aufgibt, kann weder Einzelnen noch Institutionen Vertrauen in die Zukunft vermitteln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustim- mung von der Regierungsbank)

Sachsen-Anhalt hat seit seiner Wiedergründung eine sehr schwierige Entwicklung hinter sich; wir wissen das alle. Dies und die gemeinsamen ersten Erfolge machen uns zu einer Schicksalsgemeinschaft, aus der heraus sich eine eigene Identität zu entwickeln beginnt.

Im Gegensatz zu den alten und zu manchen neuen Ländern sind wir erst dabei, den partiellen Staatscharakter unseres eigenen Landes zu begreifen. Die Umsetzung der Ergebnisse der Föderalismuskommission, unser gemeinsames Schicksal und unsere gemeinsamen Erfolge werden uns dabei helfen. Sie begründen das Vertrauen in die Zukunft unseres Landes. Wir schulden unserem Land die Förderung und Entwicklung eines eigenen WirGefühls. Eigene Verzagtheit darf nicht dazu führen, dem ganzen Land seine Zukunftsfähigkeit abzusprechen.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regierungsbank)

Meine Damen und Herren! Die Menschen in unserem Land hätten es nicht verdient, wenn gerade wir als ihre gewählten Vertreter ihnen diese Zukunftsfähigkeit bestreiten würden. Das Vertrauen in die gemeinsame Fähigkeit, erkennbare Probleme zu lösen, begründet unser Vertrauen in die Zukunft unseres Landes und in die der Menschen, die hier leben. - Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von der Regie- rungsbank)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident, für die Abgabe der Regierungserklärung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir Schülerinnen und Schüler des Dr.-Carl-HermannGymnasiums Schönebeck.

(Beifall im ganzen Hause)

Wir treten nun in den Tagesordnungspunkt 1 b ein:

Aussprache zur Regierungserklärung

Dazu schlägt Ihnen der Ältestenrat die Redezeitstruktur F und damit eine Debattendauer von 170 Minuten vor. Der Ministerpräsident hat seine Redezeit von veranschlagten 50 Minuten nicht ausgeschöpft. Das muss also nicht unbedingt ausgeschöpft werden.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Reihenfolge und Redezeiten der Fraktionen: Linkspartei.PDS 26 Minuten, CDU 50 Minuten, SPD 26 Minuten und FDP 18 Minuten.

Wir beginnen mit dem Redebeitrag der Fraktion der Linkspartei.PDS. Das Wort hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Gallert. Bitte sehr, Herr Gallert.

Sehr geehrte Kolleginnen! Sehr geehrter Herr Professor Böhmer! Ich hoffe, dass der Redezeit von Herrn Böhmer der Beifall der Koalition noch hinzugerechnet wird; vielleicht kriege ich dann noch eine Minute draufgeschlagen.

(Heiterkeit bei der PDS und bei der SPD)

Herr Professor Böhmer, Sie haben am Anfang darauf hingewiesen, Sie hätten gehört, der eine oder andere würde vielleicht enttäuscht sein. - Von mir haben Sie das nicht gehört. Vielleicht hätte ich es auch formulieren können.

Es ist schon interessant, was Sie gemacht haben: Sie sind der Ministerpräsident dieses Landes. Sie geben in der letzten Plenarsitzungsperiode in dieser Legislaturperiode eine Regierungserklärung ab, und der erste Satz, den Sie sagen, ist, Sie wollten weder eine Bilanz noch ein Programm darlegen, das wäre Wahlkampf. Dann heben Sie das, was Sie sagen, auf eine politische Abstraktionsebene, auf der politische Auseinandersetzung anfängt nicht mehr spannend zu sein.

(Frau Feußner, CDU: Sehr spannend!)

Dazu sage ich: Das ist nicht ungeschickt. Ich sage Ihnen aber ausdrücklich auch: Wir werden über die Bilanz reden. Ich werde über die Bilanz reden und ich werde auch über Programme reden. Das gehört in diesen Raum. Das gehört deswegen in diesen Raum, weil es genau das ist, womit sich Politiker hier draußen in den nächsten Wochen vor allen Dingen beschäftigen werden, nämlich bis zum 26. März. Dann gehört es auch hier hinein und dann werden wir uns auch damit auseinander setzen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS - Herr Scharf, CDU: Fangt doch erst einmal an!)

Herr Böhmer, Sie beschreiben das Land Sachsen-Anhalt als ein Land, das sich auf einen stabilen Weg des Erfolges gemacht habe.

(Zustimmung von Herrn Tullner, CDU)

Die normale Reaktion der Opposition wäre es nun, all die Defizite und Verfehlungen im gleichen Zeitraum darzustellen und mit einer entsprechenden Negativbotschaft die Landesregierung anzugreifen.

(Herr Gürth, CDU: Das fällt Ihnen schwer!)

Das gab es: Im Jahr 2002 hat die CDU mit der RoteSocken-Kampagne

(Widerspruch bei der CDU - Herr Tullner, CDU: Das war 1998!)

- falsch, das war im Jahr 1998 -, mit der Rote-LaternenKampagne versucht, ein entsprechendes Bild von Sachsen-Anhalt in der Bundesrepublik zu zeichnen.

(Unruhe und Widerspruch bei der CDU)

Die FDP hat mit dem Spruch, dass der Höppner nur gehen müsse und die Arbeit würde schon kommen,