Deshalb, so denke ich, darf man jetzt nicht unverantwortlich darüber sprechen, dass man den Verfassungskompromiss wieder aufdröseln könnte und das eine oder andere Feld wieder herauslösen könnte, ohne den Kompromiss insgesamt zu gefährden. Ein Nichtzustandekommen des Verfassungskompromisses, so befürchte ich, würde in ganz Deutschland bewusst oder unbewusst antidemokratischen Kräften ein neues Politikfeld eröffnen, und das sollte kein Demokrat in Sachsen-Anhalt und in ganz Deutschland wollen.
Ich will nun stichwortartig einige wenige Politikfelder benennen, die uns, sofern dieser Kompromiss zustande kommt, in nächster Zeit im Land Sachsen-Anhalt und in diesem Landtag beschäftigen werden: Statusrechte und Pflichten der Angehörigen des öffentlichen Dienstes und Neuordnungen im Hochschulwesen.
Ich will ganz deutlich sagen: Wir wollen keine willkürliche Zersplitterung des Laufbahnrechtes, der Besoldung und der Versorgung. Deshalb wird eine große Verantwortung auf die Kultus-, die Innen- und die Finanzminister gelegt werden, eine tolerierbare Spannbreite zu erforschen, die es möglich macht, länderspezifische Lösungen auszuloten, zu bestimmen, zu verhandeln, aber gleichzeitig eine nicht zu große Differenzierung in Deutschland zu erzeugen.
Wir werden demnächst die Möglichkeit haben, die Laufbahnen, die Besoldungen und die Versorgung neu auszugestalten, und wir werden uns deshalb als Gesetzgeber mit Diskussionen konfrontiert sehen, die wir in den letzten Jahren in dieser Art nicht gewohnt gewesen sind, weil wir darauf vertraut haben - es war ja auch so -, dass der Bund diese Fragen für uns regelt. Der Landesgesetzgeber kann zukünftig neue Laufbahngruppen erfinden, bestehende nicht weiterführen, Einstellungsvoraussetzungen ändern oder Qualifikationswege neu gestalten.
Wir werden zukünftig auch die Möglichkeit haben, die volle Delegation der Professorenberufungen auf die Hochschulen zu organisieren, sofern wir es letztlich wollen. Zumindest steht nach Abschaffung des Hochschulrahmengesetzes bundesrechtlich diesem Weg nichts mehr entgegen. Die Länder erhalten wirklich neue und große Kompetenzen im Hochschulbereich. Der Gestaltungsspielraum der Länder vergrößert sich.
Kommen wir nun zum Besoldungs- und Tarifrecht im Allgemeinen. Ich bin der festen Auffassung, dass das Besoldungs- und Tarifrecht in einer gewissen Kongruenz zueinander entwickelt werden sollte. Deshalb wollen wir nach der Auflösung der Bund-Länder-Tarifgemeinschaft durchaus versuchen, neue, gegebenenfalls alte oder andere Tarifgemeinschaften zu strukturieren. Mein Ziel ist es nicht, einen tariflichen Flickenteppich in Deutschland zu erzeugen.
Freilich gilt auch hierbei nicht Einheit um jeden Preis. Deshalb werden die Verhandlungen und die Verhandlungsergebnisse, die jetzt wieder deutschlandweit auf dem Spiel stehen, wahrscheinlich ein Stück weit psychologisch den Weg mitbestimmen, den wir in den nächsten Jahren zu gehen gewillt sind.
Wir werden aus dem Katalog der Kompetenzen eine Verlagerung von neuen Verantwortlichkeiten auf die Länder bekommen. Ich nenne einmal das bisher wenig beachtete Notariatswesen. Hierbei muss ich ganz deutlich bekennen: Ich weiß nicht, warum wir das Notariatswesen in Länderhoheit bekommen, aber daran soll ein Kompromiss nicht scheitern. Wir werden es schaffen, diese ungewohnte Aufgabe zu meistern, mit 16 Ländern die entsprechenden Absprachen dazu treffen, damit wir auch zukünftig ein einheitliches Rechtshandeln im Notariatswesen erzeugen, obwohl wir die volle Landeskompetenz auch im Lande Sachsen-Anhalt haben. Wir werden diese Aufgaben erfüllen können.
Meine Damen und Herren! Spannend wird wahrscheinlich das Ladenschlussrecht werden, welches wir dann vollständig auf dem Tisch haben werden. Hierzu gehen die verschiedenen Ansichten quer durch die Fraktionen. Ich erwarte auch in unserer Fraktion zu diesem Thema längere Diskussionen, die wir in dieser Form bisher nicht haben führen müssen.
Das vielleicht spannendste Thema, das auf dem Prüfstand steht, wird die Neuordnung der Finanzverfassung sein. Hierzu gehören der Abbau der Mischfinanzierungen, die Neuordnung der Finanzhilfen, die Kompensationen, die wir dafür bis zum Jahr 2013 mit durchaus gut geordneten Referenzzeiträumen, mit denen wir leben können, bekommen, und der nationale Stabilitätspakt, der nun auch gesetzlich geregelt wird. Bisher war vollkommen unklar, wie eventuelle Sanktionen der EU-Ebene zwischen dem Bund und den Ländern in Deutschland aufgeteilt werden sollten.
Meine Damen und Herren! Der Abbau der Mischfinanzierungen soll durch die geplante Neuordnung vorangetrieben werden. Die Gemeinschaftsaufgabe Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulklinika wird gestrichen. Im Gegenzug zu dem Abbau der Mischfinanzierung und den Veränderungen bei den Finanzhilfen stehen den Ländern Finanzierungsanteile des Bundes zu. Eine auch nur näherungsweise Ermittlung, welche Größenordnungen diese umfassen, bleibt derzeit noch offen.
Hinzu kommt, dass wir auch nicht wissen, wie sich die EU-Strukturförderung nach dem Jahr 2013 gestalten könnte. Das sind durchaus Unwägbarkeiten, die uns in der finanziellen Vorausschau bis zum Jahr 2019 begleiten werden.
Meine Damen und Herren! Durch die Aufnahme des neuen fünften Absatzes in Artikel 109 des Grundgesetzes, durch den ein nationaler Stabilitätspakt verankert wird, erfolgt eine weitere potenzielle Einschränkung fi
nanzpolitischer Möglichkeiten und zugleich die unmissverständliche Aufforderung an die deutschen Länder, die Landeshaushalte zu konsolidieren.
Da dieses gewöhnlich unterschätzt wird, möchte ich die Gelegenheit der Aussprache zu der Regierungserklärung heute nutzen, um kurz zu erläutern, was auf den Haushalt des Landes Sachsen-Anhalt zukommen könnte, sofern der strikte Konsolidierungskurs verlassen werden sollte. Die Länder haben von den europäischen Sanktionsmaßnahmen 35 % zu tragen und davon wiederum 35 % entsprechend der Einwohnerzahl und 65 % entsprechend ihrem Verursacherbeitrag zu leisten.
Auf der Basis der Datengrundlage des Jahres 2004 betrüge die Geldbuße für Deutschland maximal 10,9 Milliarden €. Der Anteil Sachsen-Anhalts läge bei etwa 25,4 Millionen €. Hinzu käme gegebenenfalls noch der Anteil aus dem Verursacherbeitrag, der angesichts der Haushaltslage des Landes Sachsen-Anhalt durchaus nicht gering ausfallen könnte. Hierzu ist zu prognostizieren, dass dann ein stolzer dreistelliger Millionenbetrag dem Landeshaushalt zur Last fallen könnte.
Deshalb stimme ich dem Ministerpräsidenten darin zu, dass ein geordnetes finanzielles Regelungssystem auf uns zukommen könnte, dass aber bitte nie die Zustände eintreten mögen, bei denen die Sanktionsmechanismen für Sachsen-Anhalt greifen würden, womit wir in die Situation kämen, während der Haushaltsberatungen Ansätze für diese Strafen in den Haushaltsplan einstellen zu müssen.
Jeder, der leichtfertig neue Programme verspricht, muss wissen, welche harten Strafen uns drohen, wenn das Land Sachsen-Anhalt und letztlich auch Deutschland als Ganzes den nationalen Stabilitätspakt nicht einhalten könnten.
Damit, meine Damen und Herren, bin ich wieder beim Finanzausschuss. Ich möchte zum Ende der Legislaturperiode ganz nachdrücklich einen Politiker und eine Politikerin loben, die nach meiner Auffassung in ganz erheblichem Maße zur Stabilität und zur guten Arbeit der Koalition beigetragen haben. Das sind die Obleute im Finanzausschuss, Frau Dr. Hüskens und Herr Tullner.
Ich weiß, wovon ich rede, da ich lange Zeit im Finanzausschuss war. Wenn es im Finanzausschuss klemmt, wirkt sich das auf die gesamte Koalition aus. Wenn es hingegen im Finanzausschuss gut und vernünftig läuft, kann auch eine Koalition in Ruhe arbeiten. Das musste zum Ende der Legislaturperiode noch einmal gesagt werden.
Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir einige nicht notwendige Äußerungen, die in den letzten Tagen gefallen sind und die das Verhältnis betrafen, das wir im Finanzausschuss und auch zwischen dem Finanzausschuss und dem Finanzministerium gepflegt haben, wieder ausgeräumt werden und dass wir die letzten Beratungen im Finanzausschuss in Eintracht und in gutem Miteinander bewältigen, damit wir diese Legislaturperiode auch in finanzpolitischer Hinsicht zu einem guten Ende bringen können.
Meine Damen und Herren! Das Thema der heutigen Regierungserklärung lautete: „Die Stellung Sachsen-Anhalts in der Gemeinschaft deutscher Länder“. Wir wollen unsere wiedergewonnene gute Stellung durch gute Leistungen bestätigen und ausbauen. Deshalb nehmen wir
die Gestaltungskompetenz, die uns die Föderalismusreform eröffnet, aktiv wahr und werden unseren Beitrag leisten.
Mit der großen Koalition in Berlin sehen wir durchaus eine Chance, die uns zum Beispiel bei der Umsetzung von EU-Richtlinien, im Umgang mit neuen Technologien und durch den Abbau von Bürokratie größere Handlungsspielräume eröffnen kann. Wir wollen diese Handlungsspielräume nutzen. Wir wollen als CDU Kurs halten und deutlich machen, dass die Bürger von uns jetzt und in Zukunft eine klare und verlässliche Politik zu erwarten haben.
Sachsen-Anhalt hat Zukunft. Sachsen-Anhalt hat für die Zukunft eine anpackende Regierung verdient. Wir stehen dafür, und wir stehen bereit, unseren konstruktiven Kurs auch in den nächsten Jahren fortzusetzen, wenn die Bürgerinnen und Bürger dies wollen. Dafür werden wir in den nächsten Wochen werben, meine Damen und Herren. - Herzlichen Dank.
Herr Abgeordneter, Herr Gallert wollte Ihnen vorhin eine Frage stellen. - Herr Gallert, halten Sie diesen Wunsch aufrecht? Sie haben das Wort.
Ich kann Ihnen nicht sagen, wo das steht, Herr Scharf, Sie müssen das intensiver studiert haben als ich. Da ich die Vermutung habe, dass Sie das Problem wirklich inhaltlich angehen wollten, möchte ich Sie nur auf Folgendes hinweisen: Wir sagen, dass zwei Drittel der Schüler, die von den Schulen abgehen, nicht einen Hochschulabschluss brauchen, sondern einen Hochschulabschluss oder eine entsprechende Qualifikation, die sie auf dem beruflichen Bildungsweg erwerben können.
Die Grenzen zwischen einem hohen Bildungsabschluss an einer Berufsschule und einem Bachelorabschluss werden in Zukunft immer fließender. Nach unserer Auffassung müssen wir eine große Anzahl an Schülern dahin führen, dass sie ein entsprechendes Qualifikationsniveau erreichen. Gleichwohl wird es daneben immer noch einen Anteil an Schülern geben, für die wir niedrig qualifizierte Arbeiten benötigen.
Das Problem ist, Herr Scharf, dass der Anteil der relativ niedrig qualifizierten Arbeit in absehbarer Zeit immer geringer werden wird, während der Anteil hoch qualifizierter selbständiger Arbeit auch in den normalen produzierenden Bereichen immer weiter steigen wird. Wir müssen die Quantitäten verschieben. Auch in Zukunft wird es beides geben, aber die Quantitäten werden sich verschieben. Dem müssen wir in unserem Schulsystem Rechnung tragen. Das ist der Ansatz, den wir bei dieser Geschichte verfolgen.
Wir erkennen die Unterschiedlichkeit der Menschen an. Wir wollen Bildungswege eröffnen, die jeden einzelnen zu dem ihm maximal möglichen Schulabschluss führen. Für manchen wird das die Förderschule sein. Das ist ein genauso wertvoller Mensch wie jener, der die Hochschulzugangsberechtigung erlangt und hinterher eine Hochschullaufbahn einschlägt.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch zukünftig die Mehrzahl der Schülerinnen und Schüler weder die Förderschule noch das Gymnasium besuchen wird, sondern die Sekundarschule. Deshalb ist die inhaltliche Qualifizierung der Sekundarschule der Schlüsselbegriff für die Schulreform, die wir in der nächsten Legislaturperiode mit ganzer Tatkraft angehen wollen.
An dieser Stelle unterscheiden wir uns sehr deutlich. Wir machen den Hauptschulabschluss nicht klein, um hinterher den Leuten einzureden, sie hätten Mängel. Wir sagen: Das ist der für eine bestimmte Anzahl von Personen für sie optimal erreichbare und damit der richtige und mit Würde zu erringende und später natürlich auch in der beruflichen Qualifikation durchzutragende Abschluss. Wir wollen, dass jeder mit Würde den für ihn bestmöglichen Schulabschluss, die für ihn bestmögliche Qualifikation erreicht.
Deshalb wollen wir es vermeiden, Menschen einzureden, sie könnten Qualifikationen erreichen, die ihnen doch nicht möglich sind. Wir plädieren für mehr Ehrlichkeit und für mehr Realismus. Wir meinen, dass wir in den vergangenen vier Jahren auf diesem Weg schon ein deutliches Stück vorangekommen sind. Das Klassenziel ist noch nicht erreicht, aber die Richtung stimmt.
Vielen Dank, Herr Scharf. - Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Südtribüne Schülerinnen und Schüler des Altmärkischen Gymnasiums in Tangerhütte sowie auf der Südtribüne und auf der Nordtribüne Damen und Herren der Kolpingfamilie Sandersdorf/Bitterfeld.
Nun, meine Damen und Herren, hören wir den Beitrag der SPD-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Bullerjahn. Bitte sehr, Herr Bullerjahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist guter parlamentarischer Brauch, dass die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten den Fraktionsvorsitzenden am Tage zuvor zugänglich gemacht wird. Vielen Dank noch einmal dafür. Das hat prima geklappt.
Herr Böhmer, ich muss gestehen, dass ich gestern bei der Lektüre sehr irritiert war. Ich frage mich heute, was Sie uns mit dieser Erklärung eigentlich sagen wollten. Sie haben Ihre Regierungserklärung nach Ihren eigenen Worten so angelegt, dass sie weder programmatischen Charakter noch den Anschein eines Bilanzberichtes haben soll. Aber heute ist doch eigentlich genau der Zeitpunkt der Auseinandersetzung der Fraktionen mit der Arbeit der Landesregierung und gleichzeitig des Austausches über die Konzepte für die kommenden Jahre.
Ich will gleichwohl auf das eingehen, was uns als SPDFraktion in dieser Auseinandersetzung wichtig ist. Ich habe viel über den Gestaltungsföderalismus sowie über die Schwierigkeiten mit der EU, über die kommenden Verhandlungen über die Finanzverfassung und über die
Frage gelernt, wie der Korb II des Solidarpaktes gestaltet werden soll. Wir reden über die Länderbeziehungen, wir reden über die Beziehungen zwischen Land und Kommunen. All das habe ich gehört.
Ich habe auch das Stichwort „Heimatgefühl“ im Zusammenhang mit Mitteldeutschland vernommen. Ohne diese Aussage wüsste ich fast nicht, was Sie heute gesagt haben. Ich möchte einmal die Thüringer FDP zitieren, und zwar deshalb, weil ich in dieser Frage auch persönlich stark engagiert bin.
Die Thüringer FDP hat gesagt, sie begrüße die Länderfusionsdebatte in Deutschland. Man dürfe dieses Thema nicht einfach aussparen, aus Machtkalkül vom Tisch wischen. Die Thüringer CDU, so spielt der Generalsekretär Kurth auf den Ministerpräsidenten an, müsse ihre diffuse Heimatsentimentalität aufbrechen. Wer gegen eine Länderfusion sei, müsse deutlich machen, wie sich gut neun Millionen Einwohner in Mitteldeutschland 325 Abgeordnete, drei Ministerpräsidenten und anderes leisten sollten.
Ich gehe darauf nicht ein, lasse mir aber von niemandem hier im Raum absprechen, dass ich Sachsen-Anhalt, was immer es darstellen mag, liebe.