Protokoll der Sitzung vom 17.02.2006

Beratung

Keine Ausbaumaßnahmen an der Elbe

Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS - Drs. 4/2620

Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 4/2631

Einbringer für die Linkspartei.PDS ist der Abgeordnete Herr Czeke. Bitte sehr, Herr Czeke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank auch für die Ankündigung des Präsidenten, Ihnen Mut zuzusprechen, dass die Behandlung des einen oder anderen Antrags ein wenig länger dauert.

Ich bekenne, ich komme aus einem Wahlkreis, der ebenfalls an der Elbe liegt. Ich sage das, damit wir die Diskussion von eben in diese Richtung fortsetzen können.

(Heiterkeit)

Wasser ist Leben. Welche lebendige Kraft gerade die Elbe und ihre Nebenflüsse entwickeln können, wurde uns Menschen im Jahr 2002 überdeutlich gezeigt.

Es gibt zwei Gründe, unseren Antrag hier und heute vorzulegen. Der erste Grund ist folgender: Tschechien plant die Errichtung von zwei Stauwerken auf seinem Territorium. Man hat der Bundesrepublik Deutschland Unterlagen für die Prüfung, auch der Umweltverträglichkeit zugeleitet. Sie sollen in diesem Jahr bearbeitet werden. Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund: Es gibt eine sehr interessante Studie des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung, einem - das muss ich betonen - unabhängigen Institut. Diese wurde erst vor Kurzem vorgestellt. Sie wurde durch die Umweltorganisationen BUND, WWF und Deutsche Umwelthilfe in Auftrag gegeben. Insbesondere in dieser Studie des PIK - so die Kurzbezeichnung des Instituts - wird an der Aussagekraft der Studie der Bundesanstalt für Gewässerkunde gezweifelt. Das ist schon bemerkenswert.

Der Ministerpräsident sagte vorhin, er hat sich einmal ein altes Schreiben aufgehoben; wer weiß, wofür man es im Leben noch einmal braucht.

Der Umweltausschuss dieses Landtages hat eine Bereisung der Elbe vorgenommen. Die erste Station war der Sächsische Landtag in Dresden. Dort wurde uns eine

sehr interessante Folie vorgestellt, die sich mit den internationalen Verpflichtungen an und auf der Elbe befasst. Auch diese habe ich mir aufgehoben, noch nicht wissend, wofür ich sie einmal benötigen werde.

Die Elbe ist zumindest nach dieser Folie das erste Mal durch die Wiener Kongressakte am 9. Juni 1815 geregelt worden. Hierin ist der Ausgangspunkt für ein europäisches Flussschifffahrtsrecht zu sehen. Im Jahr 1821 wurde die Elbschifffahrtsakte aufgelegt. Es gab die Gründung der Internationalen Elbkommission mit Sitz in Dresden und es gibt die uneingeschränkte Schifffahrtsfreiheit für die Uferstaaten seit diesem Zeitpunkt.

Der Vertrag von Versailles vom 28. Juni 1919 legt fest, dass die Elbe eine internationale Wasserstraße ist - mit einer neuen Elbschifffahrtsakte vom 22. März 1922 und der Freiheit der Schifffahrt für alle Nationen.

Jetzt kommt das Kuriosum: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat keine Seite die Wiederanwendung der Elbschifffahrtsakte verlangt. Daher gibt es heute völkerrechtlich keine Regelung für ein internationales Regime, was in Geltung ist, sondern man spricht nur noch von einem Völkergewohnheitsrecht. Das bedeutet, dass die Bundesrepublik Deutschland die Verpflichtung hat, gerade tschechischen Binnenschiffen das Befahren der Elbe bis zum Seehafen Hamburg zu gestatten. - So weit, so gut. Es gibt aber keine Garantien in Bezug auf Tauchtiefen und den Ausbauzustand der Elbe.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Ich möchte nicht, dass wir uns nachher gegenseitig vorwerfen, wir würden hier ein ökologisches Feindbild an die Wand malen.

Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung hat in seiner Arbeit die Pegelstände zwischen Dresden und Magdeburg während des letzten Jahrhunderts unter die Lupe genommen und kommt zu dem Schluss, dass in den letzen beiden Jahrzehnten eine zunehmende Häufigkeit von Niedrigwasserperioden zu verzeichnen ist. Sie gehen davon aus, dass gerade in den Jahren 1991/ 1992, aber auch 2003/2004 in vier bis sechs Monaten die 345 eisfreien Tage mit einer garantierten Fahrrinnentiefe von 1,60 m in diesem Bereich nicht zu garantieren sind.

Das bedeutet, dass man hier von einer wirtschaftlichen Güterschifffahrt nicht mehr sprechen kann. Diese ist bei solchen Unterschreitungen nicht mehr möglich. Wir werden davon ausgehen müssen, dass sich diese Situation noch verschärfen wird.

Die Sommerniederschläge haben in den vergangenen drei Jahrzehnten im Vergleich zur untersuchten Periode in den Jahren 1951 bis 1980 stark abgenommen. Gleichzeitig stiegen aber die Jahresmitteltemperaturen während der vergangenen 50 Jahre um 1° C an. Dieser Anstieg der Temperaturen bedeutet aber gleichzeitig, dass sich auch in dem Bereich des Einzugsgebietes, im Stauraum, nämlich den Schneelagen, die Temperatur erhöht und mit weniger Schneefall zu rechnen ist, was ein wissenschaftlicher Beleg dafür ist, dass der Elbe und all ihren Zuflüssen weniger Wasser zur Verfügung steht.

Dieser Tatsache müssen wir ins Auge schauen. Das heißt, wenn diese Trends andauern, müssen wir mit häufigerem und extremem Niedrigwasser an der mittleren Elbe rechnen. Wir gehen davon aus, dass es sich hierbei um die Flusskilometer 120 bis 220 handelt. An

gesichts dieser Tatsache ist ein weiterer Ausbau - ich betone: Ausbau - der Elbe völlig unsinnig.

Wir sind uns darüber einig, dass zur Garantie der Schiffbarkeit eine Unterhaltung notwendig ist. Die Elbe hat ein Kiesbett. Sie liegt also nicht auf einem Gebirgszug, sondern sie hat ein Kiesbett, was zu hohen Auswaschungen führt, die an anderen Stellen wieder angespült werden.

Der Mensch hat auch durch die Planfeststellung in den Jahren 1936/1937 einen Flussbereich definiert, der den heutigen Bedingungen - wir haben uns im Hohen Haus schon mehrfach fachlich darüber gestritten - nicht mehr angepasst ist. Ich erinnere daran, wir haben die europäische Wasserrahmenrichtlinie, die ein Verschlechterungsverbot festlegt, was bedeutet, dass die Gewässerqualität auch an der Elbe verbessert werden muss und dass Eingriffe des Menschen hier nicht - deswegen Verschlechterungsverbot - zu einer Verschlechterung führen dürfen.

Wir haben rechts und links ab der Uferlinie - das ist der Konflikt - die Landeshoheit im Umweltschutz. Wir haben das Biosphärenreservat, wir haben geschützte Flussauen von einem unschätzbaren Wert, die in Europa einmalig sind.

Das Potsdamer Institut kommt zu dem Schluss, wenn der Fluss - die Elbe neigt dazu, deswegen habe ich das Kiesbett erwähnt - zu einem tieferen Eingraben neigt, bedeutet das aus physikalischer Sicht, dass er zwar die gleiche Wassermenge führen kann, bedeutet auch, dass die Tauchtiefe noch nicht behindert ist, bedeutet aber, dass er sich tiefer in sein Flussbett eingräbt und damit die Auenlandschaften, die von hoher Schutzgüte sind, gefährdet sind.

Wenn das Wasser einfach fehlt, meine Damen und Herren, dann müssen wir die entsprechenden Konsequenzen ziehen und uns darauf einstellen. Das heißt, wir müssen uns darüber klar werden, ob ein ganzjähriger wirtschaftlicher Betrieb der Güterschifffahrt künftig überhaupt noch das gesteckte Ziel sein kann.

Wir sagen, dass es in dieser Situation ökologisch nicht vertretbar ist, den letzten noch frei fließenden Fluss in Deutschland zu verbauen und zugleich die ökologisch wertvollsten Auenlandschaften aufs Spiel zu setzen, um mit technischer Gewalt auf der Elbe eine Güterschifffahrt bestenfalls für einige Jahre zu sichern, wie sie aus unserer Sicht für die Elbe einfach nicht mehr tragbar sein wird und sein kann. Wir sind für die Binnenschifffahrt auf der Elbe.

(Oh! bei der CDU - Minister Herr Dr. Daehre: Donnerwetter!)

Wenn wir davon ausgehen, dass auch tschechische Schiffe in vergangenen Zeiten mehr Tonnage über die Elbe transportiert haben, als es jetzt der Fall ist, dann wollen wir - das ist in diesem Hohen Hause auch schon angesprochen worden -, dass die kleinen Partikuliere weiterhin ihr Auskommen haben, damit wir nicht auch hier in der Binnenschifffahrt das so genannte Ausflaggen beobachten, dass also nur noch das Euroschiff vorhanden ist.

In der „Schönebecker Volksstimme“ der letzten Tage durfte ich einen Beitrag nachlesen, in dem sich auch der Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt äußert und Vergleiche zum Main heranzieht. Es funktioniert wahrlich nicht, wenn ich Main, Donau, Main-Donau-Kanal und

den Rhein mit unserem Bereich und der hier zur Verfügung stehenden Transportmenge vergleiche.

In dem Beitrag ist auch richtig gesagt worden, dass wir im Bereich Bernburg selbstverständlich Interessenten hätten. Wir haben hier Firmen, die wohlklingend versprechen, die Transporte zum Beispiel von derzeit 120 000 t Zement auf rund 400 000 t zu steigern; das wären 20 000 Lkw weniger auf der Straße. Das ist ein Beitrag, den wir ohne Probleme unterstützen könnten. Als wir aber beantragt haben, dass diese Firmen nach europäischem Vorbild die Möglichkeit hätten, sich zu beteiligen, wurde dieser Antrag leider abgelehnt.

Wenn man damit andere Verkehrsträger unter Druck setzen will, funktioniert das Ganze nicht. Wenn darauf hingewiesen wird, dass die Schiene keine wirtschaftliche Alternative dazu darstellt, darf ich mich fragen, warum die Bundesrepublik Deutschland das Schienennetz ertüchtigt und in Größenordnungen freie Kapazitäten hat. Ich könnte mir vorstellen, dass man Zement per Ganzzügen durch die Bundesrepublik fährt und dass das ökologisch auch sinnvoll ist.

Ein Beispiel aus der jetzigen Zeit: ein Leuchtturm der Region, das Zellstoffwerk in Arneburg. Der Umweltausschuss besuchte die Einrichtung erst vor Kurzem. Anschließend war in der Zeitung nachzulesen: Auch beim Transport spielt der Umweltschutz eine wichtige Rolle. Jetzt kommt die Größenordnung - ich musste schon schmunzeln -: 20 % der An- und Ablieferung erfolgt per Schiff - wohlgemerkt Direktanrainer zur Elbe -, 30 % mit der Bahn und der Rest - steht hier wörtlich - per Lkw. Der Rest ist mathematisch 50 %, also die Hälfte per Lkw. Es ist aus deren Sicht nicht anders machbar.

Wenn man dann lapidar sagt, die Schiene habe keine Perspektive, muss ich sagen, hier ist uns auch schon einmal etwas anderes erklärt worden.

(Zuruf von Herrn Sachse, SPD)

Wir möchten einfach nicht, dass der Überhang der Ökonomie erfolgt; denn die Gesamtkonzeption Elbe sollte tatsächlich den Ausgleich zwischen den ökologischen Forderungen der Länder und dem Ökonomischen erreichen, dem, was die Bundesrepublik Deutschland für diese Bundeswasserstraße zu verantworten hat.

Bei der Bundeswasserstraße gibt es dann schon wieder das Problem, dass wir eine Verkehrsinfrastruktur über die Elbe und auch über die Saale vorhalten. Das angesprochene Problem des Niedrigwassers trifft dann auch einen Saaleseitenkanal, sofern er denn kommen soll.

Die Frage ist nur, woher kommt das Geld. Wir unterhalten uns über desolate Brücken und darüber, dass wir bis zum Jahr 2015 112 Millionen € bräuchten, um die Brücken an den Bundesstraßen zu sanieren. Wir wollen aber hier Gelder in Größenordnungen - man spricht immer von 80 Millionen € - in den Fluss versenken und meinen, damit Reserven erschlossen zu haben.

Wenn die Unternehmen nicht bereit sind, sich an dieser finanztechnischen Aktion zu beteiligen, können wir es nicht mittragen, weil die Ökologie dann in den Hintergrund rücken muss.

Wir sehen die Möglichkeit, zu forschen und eine Chance zu nutzen, um zu produzieren und letztendlich auch Arbeitsplätze zu schaffen, wenn wir uns dann noch einmal mit dem flacher gehenden Flussschiff beschäftigen.

Auch wenn es angeblich aus dem letzten Jahrhundert stammen soll - Expo-Projekt -, erwähne ich hierbei nur: Die Schubeinheiten, die der RGW im Ganzen genutzt hat, sind heute immer noch machbar. Hier ist aus meiner Sicht auch die Politik gefragt. Wir dürfen die Binnenschiffer nicht allein auf sich gestellt lassen, im Gegensatz zu dem, was der bereits abgelöste Bundesverkehrsminister Stolpe einmal sagte. Er sagte, es wäre allein Sache der Binnenschiffer.

Wir wollen die Unterhaltung der Elbe, die den definierten Status sichert, neu definieren. Er muss neu definiert werden, weil es nach der EU-Wasserrahmenrichtlinie ein Verschlechterungsverbot gibt. Der Ausbau soll die bisherigen Bedingungen für die Schiffbarkeit verbessern.

Ich möchte Sie dazu ermuntern, sich unseren Antrag noch einmal genau durchzulesen. Die Studie des PIK ist als unabhängige Studie wirklich von Brisanz. Es ist in dem beleuchteten Zeitraum tatsächlich der Nachweis erbracht worden, dass wir immer weniger Wasser in der Elbe haben. Zudem wird aus den Tagebauen des mitteldeutschen Raumes immer weniger Wasser zugeführt. Es sind immerhin 20 Kubikmeter Wasser je Sekunde, die zusätzlich fehlen werden.

Es müsste vom Bund - wir wissen natürlich um die Schwierigkeit, dass wir nur an den Bund appellieren können - eine neue Zeitperspektive, zum Beispiel der Zeitraum von 1985 bis 2005, beleuchtet werden. Dann würde man auch feststellen, dass eine Unterschreitung der garantierten schiffbaren Tage pro Jahr dazu führt, dass wir neue Problemlösungen brauchen.

Wir sehen in den heute geplanten tschechischen Staustufen und dem etwaigen Ausbau der Elbe, dass dies die Situation konterkarieren würde und dass es dazu neuer Überlegungen bedarf.

Herr Czeke, kommen Sie bitte zum Ende.

Ja. - Darum ist es das Mindeste, was wir jetzt mit diesem Antrag fordern. Dass der Alternativantrag komplett das Gegenteil verlangt, sieht man auf den ersten Blick. Ich bin einmal gespannt, was der Kollege, der ihn einbringen wird, zur Finanzierbarkeit sagt. Aber ich kann nachher im Redebeitrag darauf noch einmal eingehen. - Vielen Dank.