Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 74. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der vierten Wahlperiode.
Ich begrüße Sie dazu recht herzlich und habe zu Beginn gleich etwas sehr Angenehmes zu verkünden. Der Abgeordnete Herr Kolze hat heute Geburtstag. Ich möchte ihm im Namen des Hohen Hauses sowie auch persönlich recht herzlich gratulieren und ihm alles Gute wünschen.
Wir setzen nunmehr die 38. Sitzungsperiode fort. Wir beginnen heute die Beratung vereinbarungsgemäß mit dem Tagesordnungspunkt 25 - Aktuelle Debatte. Darauf folgt der Tagesordnungspunkt 4.
Gestatten Sie mir, gleich zu Beginn noch eine organisatorische Information bezüglich der Mittagsversorgung zu geben. Ich möchte Sie darüber informieren, dass aufgrund einer im Anschluss an die Plenarsitzung stattfindenden Veranstaltung im Landtagsrestaurant die Mittagsversorgung heute im Bereich des Ostflügels im ersten Obergeschoss angeboten wird.
Für jedes Thema in der Aktuellen Debatte beträgt die Redezeit wie immer zehn Minuten. Es wird folgende Reihenfolge vorgeschlagen: FDP, Linkspartei.PDS, CDU und SPD. Doch zunächst hat der Antragsteller das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Schrader, Sie haben das Wort.
Danke. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit großem Vergnügen las ich letztens in der Zeitung, in fast allen Bereichen akzeptiert der SPDSpitzenkandidat im Wesentlichen die Politik, die von der jetzigen Landesregierung gemacht wird. Gestern hörte sich das allerdings ganz anders an. Aber, Herr Bullerjahn, Sie erzählen viel, wenn der Tag lang ist. Auch das habe ich der Zeitung entnehmen können,
ob das die Schulpolitik betrifft, die Kreisgebietsreform oder die Hochschulpolitik. Da fragt man sich: Gibt es denn überhaupt einen Streitpunkt, bei dem die SPD und Sie nicht wackeln? - Ja, es gibt ihn. Es ist die Wirtschaftsförderung. Schaut man sich dies genauer an, so stellt man Folgendes fest: Sie wollen - das haben Sie gestern auch zum Ausdruck gebracht - zum Beispiel ei
ne Verstärkung der Beschäftigungswirksamkeit der Förderung und eine hohe Effizienz bei geringer werdendem Budget. Das steht in Ihren Perspektiven.
Nun ist über die Wirtschaftsförderung in dieser Legislaturperiode schon des Öfteren strittig diskutiert worden. Es gab zwei Modifizierungen der Investitionsförderung durch die Landesregierung, die sich erstens auf eine stärkere Fokussierung auf Arbeitsplatzschaffung, zweitens auf einen Ausschluss von Branchen aus der Förderung, die sich im regionalen Verdrängungswettbewerb befinden, und drittens auf eine Begrenzung der Anzahl der Förderungen pro Vorhaben bezogen.
Ich erinnere mich an das große Geschrei von Frau Budde in den Ausschusssitzungen, als wir darüber diskutiert haben. Nun stelle ich fest, auch nach den gestrigen Ausführungen von Herrn Bullerjahn, dass wir einiges von dem, was Sie uns nun als neue Strategie verkaufen wollen, schon lange gemacht haben. - Willkommen in der Realität!
Aber, Herr Bullerjahn, Sie sagen auch ganz dezidiert: „Wir wollen Fördermittel auf Branchen und Standorte konzentrieren.“ Hierin unterscheiden wir uns grundsätzlich. Dies ist, meine Damen und Herren, in der Tat ein gravierender Streitpunkt; denn in seinen „Einsichten und Perspektiven - Sachsen-Anhalt 2020“ wird Herr Bullerjahn konkreter und verkündet, dass die Wirtschaftsförderung räumlich und sektoral auf wenige überregionale Standorte konzentriert wird - nachzulesen auf Seite 18. Im Klartext heißt das: Die Höchstförderung wird es mit der SPD nur noch in den Räumen Magdeburg und Halle geben, vielleicht auch in der westlichen Altmark und in Wernigerode. Aber das soll es dann auch gewesen sein.
Das ist ein klarer Systemwechsel, wie ihn die Kammern und Institute keinesfalls wollen. Zu Deutsch: Geht es nach der SPD, wird es in Zukunft weder in Dessau noch in Hettstedt, weder in Stendal noch in Zielitz und Zeitz, weder in Wittenberg noch in Bernburg, weder in Halberstadt noch in Sangerhausen, weder in Zerbst noch in Genthin eine Höchstförderung bei Ansiedlungen und Erweiterungsinvestitionen bei Industrie und industrienahen Dienstleistungen geben.
Herr Bullerjahn, Sie wissen ganz genau, wie heiß umkämpft Neuansiedlungen in Ostdeutschland sind, wie spitz der Bleistift ist, mit dem Investoren die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile der Standorte in Ostdeutschland, in Europa und in der Welt durchrechnen.
Ein neuer Chemieinvestor, der sich in Wittenberg ansiedeln möchte, bekommt dort nach Ihrem Konzept keine Höchstförderung mehr und wird, da er mindestens zwei andere Standorte im Visier hat, nicht nach Wittenberg gehen, sondern wohl in Richtung Osten wandern. Bei einem neuen Investor aus der Automobilzulieferindustrie oder dem Maschinenbau, der nach Sangerhausen oder Hettstedt möchte, wird es mit der SPD zu keiner Ansiedlung kommen.
Die Außenwirkung ist zudem katastrophal. Es wird dann heißen: In Sachsen-Anhalt gibt die Regierung vor, wo sich ein Investor anzusiedeln hat.
Nach Auffassung der FDP ist es unverantwortlich, 80 bis 90 % des Landes aus dem Wettbewerb um Arbeitsplätze schaffende Investitionen faktisch auszuschließen.
Förderbedingungen sind so zu gestalten, meine Damen und Herren, dass sie für Investoren möglichst attraktiv
sind. Wir haben das seit der Regierungsübernahme im Jahr 2002 deutlich gemacht. Im Zuge der Ansiedlungsoffensive der Landesregierung sind seit 2002 mehr als 23 000 neue Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe entstanden. Davon haben alle Teile des Landes profitiert und die Wirtschaftsdaten sprechen ebenfalls für sich. Wir haben alle zur Verfügung stehenden EU- und Bundesmittel für die Wirtschaftsförderung genutzt.
Sie haben in Ihrer Zeit 400 Millionen € allein an Bundesmitteln zurückgegeben, weil Sie keine Investitionsprojekte hatten. Sie hatten keine Projekte, weil Ihre Strategie der Wirtschaftsförderung und die Attraktivität für Investitionen im Land nicht gut genug waren. Das wird durch das Länderstandortranking klar belegt, bei dem Sachsen-Anhalt deutlich aufgeholt hat. Das könnte ich auch mit Zitaten unseres gemeinsamen Freundes Erich Wasserthal, erfolgreicher SPD-Bürgermeister im Sülzetal, oder mit Einschätzungen der Wirtschaftsverbände belegen.
Das wirtschaftliche Image des Landes hat sich deutlich verbessert, insbesondere auch für ausländische Investoren. Es gibt nach Auffassung der FDP keinen vernünftigen Grund, die erfolgreiche Wirtschaftsförderung der Regierungskoalition infrage zu stellen und in Zukunft große Teile des Landes von der wirtschaftlichen Entwicklung abzuhängen.
Im Übrigen: Nach Ihrer Philosophie hätten Standorte wie Leuna, Wolfen, Aschersleben, Arneburg oder Zeitz niemals eine so erfolgreiche Entwicklung nehmen können. Niemand kann voraussagen, ob nicht in ein oder zwei Jahren ein Großinvestor an einen Standort kommen möchte, an den man bisher überhaupt nicht gedacht hat. Das wird dann aber nicht passieren, weil Sie vorher nach außen hin verkünden: Wir fördern nur noch in Ballungszentren. - Sie verhindern mit Ihrer Strategie auch das Entstehen neuer industrieller Kerne.
Die von der SPD geforderte Konzentration der Höchstförderung auf Ballungszentren hätte auch sonst fatale Folgen für unser Land. Es gibt in Sachsen-Anhalt eine Reihe von Industriestandorten, die weder in zentralen Orten noch an Entwicklungsachsen liegen. Dies ist - nehmen wir Harzgerode oder Rothenburg - geschichtlich oder - nehmen Sie Profen, Amsdorf, Zielitz oder Elbingerode - durch Rohstoffvorkommen bedingt. An diesen Standorten sind in den letzten 15 Jahren hochmoderne, weltweit wettbewerbsfähige Unternehmen entstanden, die immer wieder durch Investitionen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Es ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar, warum Herr Bullerjahn in Zukunft diese Unternehmen, wenn sie weitere Arbeitsplätze schaffen wollen, deutlich schlechter fördern will als Unternehmen in Magdeburg oder Halle.
Mit der FDP - auch mit der CDU, davon bin ich fest überzeugt - wird es demgegenüber auch in Zukunft bei der Förderung von Unternehmen keine Zweiklassengesellschaft à la Bullerjahn geben.
Noch ein weiterer Aspekt muss beleuchtet werden: Ein beachtlicher Teil der Mittel für die Wirtschaftsförderung fließt bekanntlich in die Infrastruktur. Davon profitiert in
besonderem Maße die touristische Infrastruktur, also Projekte zum Ausbau der touristischen Markensäulen „Straße der Romanik“, „Blaues Band“, „Gartenträume“ und „Himmelswege“. So gut wie alle diese Projekte kamen nur deshalb zustande, weil das Land kommunalen Trägern die Höchstförderung gewähren konnte.
Würde das Land Sachsen-Anhalt in Zukunft die Höchstförderung nur noch in den Räumen Magdeburg und Halle und in den Grenzregionen zu Niedersachsen gewähren, gäbe es praktisch keinen Ausbau der touristischen Infrastruktur mehr. Gerade der Tourismus ist aber eine wichtige Wachstumsbranche und hat in Sachsen-Anhalt unter der jetzigen Landesregierung die besten Ergebnisse seit der Wende erzielt. Insofern kann ich mir gar nicht vorstellen, dass Sie, Herr Bullerjahn, Ihre Forderungen mit Ihrer Kollegin Kachel abgestimmt haben.
Für die FDP-Fraktion steht demgegenüber fest: Die touristische Infrastruktur wird auch in Zukunft in allen touristischen Schwerpunktbereichen ausgebaut werden, dort, wo das notwendig ist, auch mit der Höchstförderung.
Zum Schluss möchte ich mich bei Ihnen, Herr Bullerjahn, ausdrücklich bedanken; denn Sie haben rechtzeitig vor der Landtagswahl deutlich gemacht, wo die Gemeinsamkeiten, aber auch die konzeptionellen Unterschiede zwischen den Regierungsparteien einerseits und Ihnen als SPD-Opposition andererseits liegen.
Bei dem Konzept für die Wirtschaftsförderung gibt es in der Tat gravierende Unterschiede. Würde Herrn Bullerjahns planwirtschaftliches und investitionsfeindliches Konzept realisiert, würden viele Regionen und Städte von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung im Lande abgehängt. Dann fiele Sachsen-Anhalt wieder in die Höppner-Zeit der roten Laternen zurück.
Mit uns werden Industrie und Gewerbe sowie der Tourismus im Land Sachsen-Anhalt weiter wachsen - zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute zu dem Antrag der FDP „Sachsen-Anhalt holt auf - keine Abkehr von der erfolgreichen Wirtschaftsförderung“. Eigentlich fehlt nur noch ein nächster mit einem Gedankenstrich angefügter Satz, und zwar: „Unser Horst soll bleiben!“
Im Zentrum der Debatte soll das Thema einerseits deshalb stehen, weil das Thema der Konzentration der Wirtschaftsförderung auf wenige Zentren in der jüngsten Vergangenheit in den Medien einen breiten Raum einge