Danke sehr, Herr Gürth. - Für die SPD-Fraktion wird die Abgeordnete Frau Budde sprechen. Zuvor haben wir jedoch die Freude, Schülerinnen und Schüler des Dr. Hermann-Gymnasiums aus Schönebeck bei uns begrüßen zu dürfen. Seien Sie willkommen!
Meine Damen und Herren! Die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten wird heute kommentiert mit: „Nur weiter so?“ - Eigentlich hätten wir uns die Debatte dann sparen können; denn „Nur weiter so“ reicht offensichtlich nicht aus, sondern das Fragezeichen zeigt deutlich an, dass es eine Veränderung in der gesamten Regierungspolitik, aber eben auch in der Wirtschaftspolitik geben muss.
Als ich am 15. Februar 2006 die „Mitteldeutsche Zeitung“ gelesen habe, in der Herr Rehberger damit zitiert wird, dass die Zahl der Arbeitslosen seit dem Jahr 2002 um knapp 10 % gesunken sei, da habe ich mir gedacht, nur gut, dass es Pisa noch nicht gab, als Sie zur Schule gin
gen. Ansonsten hätte das den Schuldurchschnitt wahrscheinlich dramatisch verschlechtert. Ich glaube, auch bei Ihnen gab es schon die Prozentrechnung. Das ist ganz schwer aus den Zahlen herauszurechnen.
Ich weiß, Sie sind, was die Statistiken angeht - ich möchte nicht sagen: Fälscher, weil ich dann eine Anzeige bekomme; ich habe inzwischen gelernt, dass es, wenn es vorsätzlich gesagt wird, Lüge ist -, zumindest ein Jongleur. Wenn man es so liest, dann nimmt man sich einmal die Zahlen vor und versucht herauszukriegen, wie Sie das meinen:
Also im Jahr 2002 betrug die Arbeitslosenquote durchschnittlich 19,6 %, im Jahr 2005 20,2 %. Danach ist die Arbeitslosenquote um 0,6 Prozentpunkte gestiegen.
Nehmen wir die realen Zahlen, Herr Wolpert: im Jahr 2002 260 465 Arbeitslose und im Jahr 2005 258 525 Arbeitslose, also ein Minus von exakt 1 940 Arbeitslosen.
1 % von 260 465 ist 2 604. Der Rückgang beträgt also weniger als 1 %. Die 10 %, um die die Arbeitslosigkeit zurückgegangen sein soll, lassen sich aus diesen Zahlen nicht ableiten.
Was Sie gemacht haben, nehme ich an, ist Folgendes: Sie haben die Zahlen vom Januar 2002 und vom Januar 2006 genommen und nur diese Momentaufnahme analysiert und haben dann gesagt: Das ist der Trend. - Anders kann ich mir die Zahlen nicht erklären. Das ist schon ein bisschen Jonglieren mit den Zahlen, wie man es gerade braucht.
Wissen Sie, man kann die Arbeitslosenquoten im Zeitraum von 2002 und 2005 sowieso nicht prozentual miteinander vergleichen - da haben Sie völlig Recht -, weil es unterschiedliche Basissysteme in der Berechnung gab. Deshalb kann man im Grunde genommen nur eines feststellen: Die Arbeitslosigkeit ist zu hoch. Es gibt zu viele Arbeitslose und der Trend ist leider nicht wirklich gebrochen. Das heißt, es liegt noch richtig viel Arbeit vor uns.
Wenn man dann eine Zahl nehmen will, die tatsächlich vergleichbar ist, dann nimmt man die Zahl der Erwerbstätigen; denn deren Berechnungsbasis ist gleich geblieben: Im Jahr 2002 gab es 1,025 Millionen Erwerbstätige und im Jahr 2005 0,985 Millionen Erwerbstätige. Das entspricht einem Minus von 40 500 Erwerbstätigen. Das ist zumindest ein Signal, dass es so, wie es jetzt gemacht wird, offensichtlich noch nicht zu einem Erfolg geführt hat und dass man darüber nachdenken sollte, wie man Wirtschaftspolitik effektiver und zielsicherer ausgestaltet.
Nun zu Ihrer Ansiedlungsoffensive; deren Ergebnisse: Na ja. Ich attestiere Ihnen gern, dass es ist in diesen Zeiten schwierig ist, große Investitionen zu holen. Es
gibt eine allgemeine Investitionszurückhaltung. Steuergeschenke haben nicht dazu geführt, dass die Unternehmen stark investieren, und die Binnennachfrage ist auch nicht angekurbelt worden. Das alles zusammen macht es schwierig.
Aber trotzdem: Manchmal hat man das Gefühl, außer verstopften Förderpipelines ist bei Ihnen nicht viel gewesen. Nach dem Bewilligungsboom im Jahr 2003: 730 Anträge, davon 250 Anträge Kominvest, 500 Anträge von der normalen gewerblichen Wirtschaft. - Das ist ungefähr der gleiche Stand wie in den Jahren 2000 und 2001 gewesen.
Im Jahr 2005 setzt sich der Trend allerdings nach unten fort mit nur noch 250 Anträgen. Das zeigt ausschließlich - ich will hier überhaupt keine Negativdiskussion aufmachen -,
dass wir etwas verändern müssen. Diese Erkenntnis will ich erreichen, dass Sie etwas verändern müssen im Rahmen der Wirtschaftspolitik.
Wissen Sie, Herr Rehberger, ich habe in der ersten Legislaturperiode in einer Debatte einmal zu Ihnen gesagt - heute würde ich solche Vergleiche nicht mehr verwenden -, Sie wären wie ein Dinosaurier: Wenn man dem auf den Schwanz tritt, dauert es auch ewig, bis die Information im Gehirn ankommt. - Ich würde diesen Vergleich heute nicht mehr machen.
Wir haben die Wirtschaftsbroschüre im Sommer 2004 veröffentlicht. Wir haben jetzt das Jahr 2006. Offensichtlich ist die Leitungslänge noch länger geworden; denn die SPD wird immer noch mit falschen Konzepten der Wirtschaftsförderung, die sie haben wolle, die sie diskutieren wolle, zitiert. Deshalb mache ich einmal eine kurze Lesestunde hier bei Ihnen. „Wirtschaftsförderung konzentrieren und an klare Kriterien binden“, heißt es in unserer Broschüre.
„Wirtschaftliche Entwicklung braucht eine starke industrielle Basis. Sachsen-Anhalt wird seine Unternehmenslücke nur schließen können, wenn es seine industrielle Basis festigt und erweitert.“
Das hat übrigens Herr Paqué beim Wirtschaftsrat der CDU gesagt. Stimmt’s, Herr Bullerjahn? - Ich muss Sie auch einmal zitieren, sonst falle ich hinter Herrn Schrader zurück, der Sie so oft zitiert hat. Nicht dass auch bei mir gezählt wird, wie lange und wie oft ich meinen Fraktionsvorsitzenden zitiere.
„Eine zielorientierte, nachhaltige Wirtschafts- und Investitionsförderung ist daher auch in Zukunft notwendig. Zugleich“
„erstens weil die Summe der künftig zur Verfügung stehenden Mittel kleiner wird und zweitens weil das Land bereits einen Großteil der zur Verfügung stehenden Mittel verplant hat. Die Her
ausforderung liegt also darin zu sparen und gleichzeitig eine Schwerpunktförderung sowohl regional als auch sektoral umzusetzen. Die Investitionsförderung soll künftig aus einer Grundförderung bestehen,“
- das ist das Einzige, was Sie richtig gesagt haben; Sie können Regionen nämlich gar nicht abhängen, weil in den EFRE- und in den GA-Richtlinien festgelegt ist, dass Regionen, die schlechter dran sind, bevorteilt werden sollen -
„die für alle Regionen des Landes und für alle Branchen gleich ist und sich an den allgemeinen Bedingungen der GA orientiert. Die Höchstförderung wird allerdings an die Erfüllung zusätzlicher Kriterien gebunden.“
„Zur räumlichen und sektoralen Konzentration der Mittel wird vorgeschlagen, dass einzelbetriebliche Investitionen nur noch dann den Höchstfördersatz bekommen, wenn mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt sind: Investitionsvorhaben in den Regionen Magdeburg, Halle und Harz,“
- da sind wir bei Ihren Regionen; das sind die ökonomischen Entwicklungskerne, die das IWH für SachsenAnhalt analysiert und herausgefunden hat -
„Investitionsvorhaben in strukturbestimmenden Clustern, mit denen die Wertschöpfungsketten im produzierenden Gewerbe gestärkt werden, Investitionsvorhaben, mit denen“
- das ist nämlich eine echte Mittelstandsklausel; kleinere Betriebe brauchen weniger neue Arbeitsplätze zu schaffen, um in den Genuss der Höchstförderung zu kommen, als größere Betriebe; ich denke, das ist in unserem Land sehr angebracht -
„Investitionsvorhaben in Betriebsstätten mit einer Mindestausbildungsquote, Investitionsvorhaben, mit denen eine Verlagerung und Ansiedlung bedeutsamer unternehmensspezifischer Funktionen wie zum Beispiel Unternehmenssitz, Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb verbunden sind, und“
„Investitionsvorhaben mit hohem Forschungs- und Entwicklungsanteil, insbesondere Vorhaben in Zusammenarbeit zwischen verarbeitendem Gewerbe und sachsen-anhaltischen Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen.“