Protokoll der Sitzung vom 17.02.2006

(Unruhe bei der Linkspartei.PDS)

Mit einer ausschließlichen Privilegierung gemeinnütziger Hilfsorganisationen würden wir Ansiedlungen, auch in diesem Geschäftsbereich, verhindern.

(Zustimmung bei der FDP)

Im Übrigen hat der Minister bereits darauf verwiesen, dass das entscheidende Kriterium die Leistungsfähigkeit ist. Das bedeutet dann eben auch, dass die gewerblichen Leistungserbringer, wenn es um die Versorgungsplanung für einen Massenanfall an Verletzten geht, nicht ausgeschlossen werden dürfen.

Meine Damen und Herren! Mit der Einbeziehung der Kassenärztlichen Vereinigung in die Organisation des Rettungsdienstes beschreiten wir einen neuen Weg. Wir waren uns alle darin einig, dass die integrierte Leitstelle auch den kassenärztlichen Notdienst vermitteln sollte, damit jeder Patient die geeignete Hilfe bekommt und Fehlallokationen vermieden werden.

Konsequent wird diese Forderung, die im Übrigen auch vom Sachverständigenrat erhoben wurde, aber erst dann umgesetzt, wenn wir wie mit unserem Vorschlag die Ärzteschaft an dieser Stelle mehr in die Verantwortung nehmen. Die ärztliche Selbstverwaltung, die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung, hat es nun in der Hand, den eröffneten Gestaltungsrahmen verantwortlich auszufüllen.

Meine Damen und Herren! Ich habe noch nichts zum Verhandlungsverfahren mit der Schiedsstelle gesagt. Ich halte diese Form der Finanzierung der Leistungen für alle beteiligten Leistungserbringer, Landkreise und Krankenkassen für ausgewogen. Die Krankenkassen erhalten eine größere Mitverantwortung und die Leistungserbringer können notfalls vor der Schiedsstelle eine auskömmliche Finanzierung erstreiten. Dabei geht es eben nicht um die billigste, sondern um die beste Leistung.

(Zustimmung von Minister Herrn Kley und von Herrn Kosmehl, FDP)

Meine Damen und Herren! Ich will zum Schluss kommen. Wir alle wissen, dass der Weg, den das Rettungsdienstgesetz in dieser Legislaturperiode - -

(Unruhe)

Könnten Sie bitte den Lärmpegel senken? Herr Scholze versucht schon die ganze Zeit, wacker dagegen anzukämpfen.

Herzlichen Dank. - Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass der Weg, den das Rettungsdienstgesetz in

dieser Legislaturperiode zurückgelegt hat, lang und mühsam war.

(Frau Bull, Linkspartei.PDS: Ach!)

Niemand in unserer Koalition hat es sich hierbei einfach gemacht.

(Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Nein!)

Ich möchte alle Akteure im Rettungsdienst, die bewährten Hilfsorganisationen, die gewerblichen Rettungsdienstunternehmen, die Ärzte, die Landkreise und die Krankenkassen bitten, nein auffordern, dieses Gesetz anzunehmen und verantwortungsvoll umzusetzen. Wir werden von dem Willen getragen, die Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Das sind zwei Seiten derselben Medaille, die einander nicht ausschließen. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDP, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Frau Bull, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Nachfrage zu stellen.

Herr Kollege, ich würde gern auf Ihre Formulierung in Bezug auf die so genannten abstrusen Großkreise abheben.

In Ihrem Entwurf ist in § 5 vorgesehen, dass durch Verordnung der Landesregierung ab dem Jahr 2008 größere Rettungsdienstbereiche verordnet werden sollen. An welche Größen haben Sie denn dabei so gedacht?

Dann hätte ich gern gewusst: Wie wird sich das mit den elf Landkreisen plus drei Städten, die sozusagen Ihre Form von Gebietsreform hervorgebracht hat, vertragen?

Diese Frage möchte ich sehr gern beantworten. Das ist zum einen ein politisches Problem. Wir, die Koalition, haben natürlich Vorstellungen dahin gehend entwickelt, wie die Landkreise in der Zukunft aussehen sollen. Diese decken sich natürlicherweise nicht mit den Vorstellungen, die Sie entwickelt haben.

(Herr Bischoff, SPD: Sagen Sie einmal, welche Sie haben!)

Wenn es darum geht, die Größe eines Rettungsdienstbereiches festzulegen, möchten wir uns an den Vorgaben bzw. den statistischen Entwicklungen, die auf der Bundesebene zu verzeichnen sind, orientieren. Das heißt, dass eine Rettungsleitstelle etwa zwischen 300 000 und 350 000 Einwohner versorgen soll. Da es darum geht, auch hier die Aufgabe im eigenen Wirkungskreis zu belassen, haben wir an dieser Stelle versucht zu vermeiden zu sagen: Wir hätten gern drei, vier, fünf oder sieben Leitstellen. Wir setzen an dieser Stelle ganz gezielt auf die Verantwortung der dann neu gebildeten Landkreise, zu vernünftigen Regelungen zu kommen.

Nur ein Beispiel: Ich stelle mir das für meine Heimatstadt so vor, dass der neue Landkreis Saalekreis, also Merseburg-Querfurt und Saalkreis, möglicherweise auch mit der Stadt Halle in Verhandlung tritt, um dem guten Beispiel, das es jetzt schon gibt, nämlich die kreisübergrei

fende Zusammenarbeit, in der Form fortzusetzen, dass Merseburg dazukommt.

(Zustimmung bei der FDP - Frau Bull, Linkspar- tei.PDS: Ach so! - Herr Gallert, Linkspartei.PDS: Der hätte dann mehr als 400 000 Einwohner!)

Danke sehr, Herr Scholze. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Dr. Kuppe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Herren und Damen Abgeordneten! Herr Scholze, der Berg kreißte und gebar nicht einmal ein Mäuschen, und das ist außerordentlich bedauerlich.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Entgegen all Ihren Ankündigungen, Herr Minister Kley, haben Sie zusammen mit den Koalitionsfraktionen eine ganze Legislaturperiode gebraucht, um das Rettungsdienstgesetz zu novellieren. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht einfach ist, aber Ihr Versuch, der heute zur Abstimmung steht, ist mutlos und glücklos und bringt keine angemessene Lösung. Deswegen werden wir diesen Versuch ablehnen.

(Zustimmung bei der SPD)

Wir haben gute Gründe dafür. Erstens. Das Gesetz soll erst im Januar 2007 in Kraft treten. Auch wegen der hinausgeschobenen Kreisgebietsreform, für die Sie verantwortlich sind, bedeutet das mindestens drei verschenkte Jahre.

Zweitens. Über den künftigen Zuschnitt der Rettungsdienstbereiche und die Anzahl der Rettungsleitstellen werden wir im Dunkeln gelassen. Außer der Bildung von Zweckverbänden und der Absicht, im Wesentlichen im Rahmen der kommunalen Gemeinschaftsarbeit und der Verordnungsermächtigung für die Landesregierung Standorte der Rettungsleistellen festzulegen, ist nichts zu finden. Das sind Regelungen, die Sie, Herr Minister Kley, bis vor Kurzem noch vehement bekämpft und abgelehnt haben.

Unser Vorschlag lautet, zukunftsfähige Strukturen im Rettungswesen an den neu zu ordnenden Planungsregionen im Land zu orientieren und damit perspektivisch nach der Einführung des Digitalfunks über fünf Rettungsdienstsbereiche mit fünf Rettungsleistellen zu verfügen.

Herr Kley, Sie setzen auf den freien Markt und das Spiel der freien Kräfte in diesem Bereich. Das halten wir für absolut unangemessen.

(Zustimmung bei der SPD)

Drittens. Der Clou Ihrer neuen Regelung betrifft die Zuständigkeit für die Notfallrettung. Sie soll nun überraschenderweise geteilt werden. Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes bleiben die Landkreise und kreisfreien Städte. Sie verantworten weiterhin die Rettungsleitstellen, die Tätigkeit der Rettungssanitäter und Rettungsassistenten und die Sachausstattung.

Abgetrennt, also der kommunalen Verantwortung entzogen, wird die ärztliche Notfallrettung. Die Sicherstellung der notärztlichen Versorgung soll jetzt allein bei der Kassenärztlichen Vereinigung liegen, die in einem daten

schutzrechtlich fragwürdigen Verfahren von der Ärztekammer Informationen erhalten muss.

Geteilte Verantwortung in dieser Form bedeutet nicht etwa Verwaltungsvereinfachung, bedeutet nicht etwa mehr Eigenverantwortung für die Kommunen, wie Sie es angekündigt haben, sondern bedeutet mehr Bürokratie, mehr Abstimmungsaufwand und voraussichtlich auch Mehrkosten. Was Sie damit gewinnen wollen, ist unklar.

(Zustimmung bei der SPD)

Frau Dr. Kuppe, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Scholze?

Am Ende bin ich gern bereit, auf Fragen zu antworten.

Das ist kein Reformschritt nach vorn, meine Damen und Herren, das ist eine Rolle rückwärts. Wir haben diese Regelung im Ausschuss abgelehnt. Sie haben das vorhin anders dargestellt. Herr Kley, das war eine Fehlinformation an das Plenum.

Wenn überhaupt Veränderungen in der Sicherstellung erforderlich sein sollten, wären die Krankenkassen möglicherweise der bessere Adressat. So regelt es im Übrigen der Freistaat Sachsen in seinem Gesetz.

Viertens. Die SPD wollte bei der Auswahl der Anbieter von Leistungen des Rettungsdienstes den gemeinnützigen Hilfsorganisationen einen Vorrang einräumen. Deutsches Rotes Kreuz, Arbeiter-Samariter-Bund, MalteserHilfsdienst und Johanniter-Bund zeichnen sich neben ihrer Professionalität und ihrer wirtschaftlichen Arbeit durch ein hohes bürgerschaftliches Engagement aus. Sie wirken in der Jugendarbeit und bilden zahlreiche ehrenamtliche Helferinnen und Helfer aus und können daher bei einem Massenanfall von Verletzten wesentlich wirksamer werden als andere Anbieter. Dieser gesellschaftlich wichtige Einsatz sollte gesetzlich berücksichtigt werden; dies wurde aber von der CDU und der FDP abgelehnt.

Fünftens. Der Antrag der SPD, die tarifliche Entlohnung des Rettungsdienstpersonals festzuschreiben, scheiterte offensichtlich an der FDP-Fraktion. Wir wollten absichern, dass die ohnehin schon geringe Vergütung nicht noch weiter nach unten gedrückt wird.

(Zustimmung bei der SPD)

Sechstens. Qualitätseinbußen, meine Damen und Herren, sind durch die Aufweichung von Formulierungen zu erwarten, die bisher die Qualifikation der einzusetzenden Notärztinnen und Notärzte eindeutig beschrieben haben.